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Blutige Hände

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25.04.2020
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Blutige Hände

Ich wollte das nicht, es war keine Absicht, wirklich nicht! Das müssen Sie mir glauben. Es ist einfach so passiert! Und es tut mir so unendlich leid. Wenn ich es irgendwie rückgängig machen könnte, ich würde es sofort tun, sofort! Ich habe es nicht gewollt, es war einfach so passiert, aus dem Affekt. Und wenn sie nicht so unglücklich gegen die Kante vom Glastisch gefallen wäre, wäre das alles nicht passiert und sie wäre heute noch quicklebendig. Aber als ich auf meine Hände mit all dem Blut schaute, wurde mir klar, dass es zu spät war. Es war tatsächlich geschehen und konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dabei hatte ich noch versucht, die Blutung zu stoppen, doch ihr Herz pochte so stark, dass das Blut unter meinen Händen den Kopf herunterlief. Ich hatte keine Chance, sie zu retten.
Wirklich, ich hatte keine Chance. Der Aufprall war viel zu heftig und die Verletzung am Kopf viel zu stark. Oh Gott, was hätte ich denn tun sollen. Alles ging so schnell. Nur weil ich einen Moment wütend war und sie weggestoßen habe, ist das alles passiert. Nur einen Moment, nur einen ganz kurzen Moment war ich wütend. Und jetzt klebt Blut an meinen Händen. Ich weiß nicht, wie lange ich dort gestanden und verzweifelt auf meine blutverschmierten Hände gestarrt habe, ohne zu begreifen, was gerade passiert war. Ich konnte es einfach nicht fassen.

Was haben Sie dann gemacht? Ich meine, Sie haben offensichtlich nicht ewig dort gestanden.

Dann bin ich ins Bad gegangen, um das Blut von meinen Händen zu waschen. Das war gar nicht so einfach, es war so viel Blut. Doch das hat es nicht wirklich besser gemacht. Das Waschbecken färbte sich komplett rot und das Blut lief nur langsam ab. Es war wie ein Zeichen, ein Mahnmal, das mir direkt ins Gesicht sprang und mich gnadenlos daran erinnerte, was ich gerade getan hatte. Verzweifelt setzte ich mich auf den Toilettensitz und legte meinen Kopf in die Hände. Es ist immer das Gleiche, meine plötzlichen Ausbrüche bringen mich ständig in diese Probleme. Nur diesmal hatte ich richtig Scheiße gebaut.

Was meinen Sie mit Ausbrüchen?

Naja, ich meine, manchmal, da reagiere ich etwas über.

Etwas über? Sie war tot!

Ja, manchmal da habe ich mich nicht im Griff und werde schnell wütend. Ich habe noch nie jemanden geschlagen. Das müssen Sie mir glauben! Ich werde halt das eine oder andere Mal stinksauer und schlage auch mal auf den Tisch. Nur dieses Mal habe ich sie wütend weggestoßen. Aber dass gleich das passieren musste, ist doch nicht fair!

Für das, was sie getan haben, müssen Sie die Verantwortung übernehmen. Auch wenn es das erste Mal war! Das steht außer Frage. Aber dazu kommen wir später noch. Was haben Sie dann gemacht?

Ich bin in die Küche gegangen und habe nach Mülltüten gesucht.

Nach Mülltüten?

Ja, ich wollte sie wegschaffen. Alle Beweise dieses Missgeschicks beseitigen.

Missgeschick? Betrachten Sie das wirklich als ein Missgeschick? Und Sie haben nach Mülltüten gesucht anstatt jemanden zu verständigen?

Wer hätte mir denn geglaubt, dass das keine Absicht gewesen ist, sondern nur ein ziemlich schlimmer Unfall? Wie hätte ich das erklären sollen? Niemand hätte mir geglaubt. Ja, heute weiß ich, ich hätte anrufen und alles beichten sollen anstatt zu versuchen, alle Spuren zu verwischen. Das weiß ich jetzt. Aber in dem Moment, bei dem Anblick der Blutlache und dem Blut an meinen Händen, war ich nicht mehr bei Verstand und wollte es nur noch so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen. Also habe ich nach Mülltüten gesucht und bin wieder ins Wohnzimmer gegangen. Dort habe ich versucht, sie in die Mülltüten zu schieben. Doch die waren zu klein. Schlimmer noch, als ich sie bewegte, fiel mir auf, dass das viele Blut auch den Teppichboden rot gefärbt hatte. In meiner Verzweiflung suchte ich in der Küche größere Mülltüten. Mit denen hätte ich es vielleicht geschafft, sie und den Teppich unten im Müllcontainer zu entsorgen, aber …

Entsorgen?

Hmm?

Sie haben entsorgen gesagt!

Ja, richtig, warum? – Wie auch immer. Das Blut war unter den Teppich gelaufen und hatte die Holzbohlen verfärbt. Damit war ich endgültig am Arsch! Das konnte ich niemals in der kurzen Zeit wieder entfernen. Dazu hätte ich Werkzeug und vor allem Material gebraucht. Ich hätte ähnlich aussehende Bohlen besorgen müssen. Das ist verdammt schwierig, weil die Wohnung in einem Altbau liegt. Mir fällt gerade ein, ich hätte Farbe besorgen können. Dass ich nicht darauf gekommen bin.

Hören Sie sich eigentlich selbst zu?

Wie bitte? Was meinen Sie?

Ach, vergessen Sie‘s. Aber jemanden anzurufen, darauf sind Sie selbst dann nicht gekommen, oder?

Äh, ja, ich meine, ich war in Panik. Und meine Mutter würde bald nach Hause kommen, ich meine, wie sollte ich das alles meiner Mutter erklären? Ich musste sie wegschaffen.

Am Ende haben Sie es doch nicht geschafft. Glauben Sie wenigstens heute, sie hätten gleich jemanden anrufen sollen? Vielleicht nicht Ihre Mutter, …, nein, vielleicht gerade Ihre Mutter! In jedem Fall war es nicht der richtige Weg, es zu vertuschen. Es wäre früher oder später ohnehin herausgekommen. Oder glauben Sie das heute immer noch nicht? Und selbst wenn, hätten Sie damit leben können, dass die anderen nie erfahren hätten, was wirklich passiert war, egal wie schrecklich es gewesen wäre, das zu gestehen?

Sie kennen meine Mutter nicht!

Und doch mussten Sie es ihr dann gestehen!

Ja, richtig, sie kam ja eine Stunde früher von ihrem Kaffeeklatsch zurück und schloss die Wohnungstür auf. Ich starb tausend Tode, als ich das Drehen des Schlüssels im Schloss hörte. Aber ich wollte auf keinen Fall, dass sie unvorbereitet das Blut im Wohnzimmer sah. Also bin ich in die Diele gerannt und habe es ihr gesagt:
„Mama, Deine Katze ist tot! Ich … ich habe sie gegen den Tisch gestoßen. Es tut mir so unendlich leid.“
Irgend so etwas habe ich gesagt.

Und wie hat sie reagiert?

Sie stand einen Moment bewegungslos vor mir und starrte mich an. Es kam mir wie Stunden vor. Und ich hoffte noch, dass es nicht ganz so schlimm werden würde. Dann ist sie wortlos an mir vorbei ins Wohnzimmer gestürmt.

Was ist dann passiert?

Ich weiß es nicht mehr genau. Sie hat mich nur noch angeschrien. Ich sollte verschwinden, nie mehr wiederkommen, oder so ähnlich. Das ist nun über ein Jahr her. Seitdem will sie nichts mehr von mir wissen.

Sie müssen Ihrer Mutter mehr Zeit geben. Sie haben schließlich aus reiner Wut ihre einzige Katze getötet.

Sie kennen meine Mutter nicht.

 

Hallo @skbussmann ,

schön, dass du hier bist und herzlich Willkommen im Forum. Vorab: Ich finde deinen Text interessant, er hat eine eigene Note, aber deine Geschichte war noch nicht mitreißend. Auf der einen Seite baust du eine für mich interessante Erzählstimme auf, aber leider komme ich dadurch deinem Protagonisten nicht näher. Der Protagonist ist mir nicht klar, ich kann mich mit ihm nicht identifizieren.

Ich wollte das nicht, es war keine Absicht, wirklich nicht! Das müssen Sie mir glauben.
Ich lasse mich darauf ein, doch ich frage mich, mit wem er spricht und hier verschenkst du die Möglichkeit deinen Protagonisten als Identifikationsfigur aufzubauen. Vom Gefühl her, würde ich akzentuiert mit wörtlicher Rede arbeiten, um wichtige Stellen herauszuheben, wie siehst du das? Was waren hier deine Gedanken so einzusteigen?

Das Waschbecken färbte sich komplett rot und das Blut lief nur langsam ab.
Starkes Bild, konnte mir das gut vorstellen und das funktioniert gut für mich. Ich stelle mir das dickflüssige Blut vor, passt gut zu deiner Geschichte.

Es ist immer das Gleiche, meine plötzlichen Ausbrüche bringen mich ständig in diese Probleme. Nur diesmal hatte ich richtig Scheiße gebaut.
Weckt Interesse bei mir, weil der Protagonist an Tiefe gewinnt, ich will mehr über ihn wissen. Er leidet an Ausbrüchen, wie genau sehen die aus? Das ist gefällt mir richtig gut.
Aber leider verschenkst du das Potential mit der nächsten Passage:

Naja, ich meine, manchmal, da reagiere ich etwas über.
Mir ist hier im Forum immer wieder der Grundsatz "show don't tell" vermittelt worden. Durch das was der Protagonist erlebt, enthüllt sich nach und nach der Charakter. Hört sich in der Theorie gut an, aber es ist viel schwieriger umzusetzen. Fände es spannend, wenn du einen Ausbruch direkt in einer Szene schilderst und nicht nur darüber schreibst, dass er manchmal überreagiert. Kannst du damit etwas anfangen? Ich finde dieses Konzept selbst schwer zu greifen, es ist etwas ganz anderes, wenn man selbst schreibt im Vergleich zum Lesen. Insgesamt fehlt mir die Bindung zu dem Protagonisten. Gibt es ein äußerliches Erkennungszeichen, was macht ihn besonders? Wie ist sein Name?

Ich hatte keine Chance, sie zu retten.
Auf den ersten Blick ist mir das zu viel Klischee, aber es funktioniert, wenn man an die Überraschung am Ende denkt. Aber so richtig hat mir das nicht gefallen, auch, wenn ich verstehe, warum du es so gebaut hast.

Sie keinen meine Mutter nicht!
Kleinigkeit: "kennen".

Mama, Deine Katze ist tot! Ich … ich habe sie gegen den Tisch gestoßen. Es tut mir so unendlich leid.“
Das kaufe ich nicht richtig ab. Die Wendung hat für mich nicht funktioniert, ich habe noch keine richtige Nähe zum Protagonisten aufgebaut und ich fühle noch nicht mit ihm. Die Überraschung hat mich daher nicht gepackt und war mir ein wenig zu einfach.

Sie haben schließlich aus reiner Wut ihre Lieblingskatze getötet.
Ah, das Motiv hat mich enttäuscht. Hier kannst du vielleicht noch mehr Tiefe einbauen, indem du auf die Wut eingehst. Warum ist er wütend? Hatte er schon immer Schwierigkeiten? Dein Protagonist liest sich für mich hier zu eindimensional. Sein Motiv kommt mir zu konstruiert vor.


Insgesamt sehe ich viele interessante Ansätze, die in der Umsetzung noch ausbaufähig sind. Entscheidend finde ich die Bindung zwischen dem Protagonisten und dem Leser, hier geht noch mehr. Du schreibst flüssig, und ich fand deinen Schreibstil interessant, bin gespannt auf deine weiteren Geschichten.


Beste Grüße,
MRG

 

Alter Falter,

ich war bis zur Auflösung, kein Witz, in dem Glauben, dass es sich bei dem Opfer des Totschlags um einen Menschen handelte. Noch über die Mülltüten hinaus! Plausibel?, hab ich mir da gedacht, gibt es so große Mülltüten? Womöglich hat der Text extra darauf abgezielt.

Die Tell-Komponente würde ich, anders als MRG vorschlägt, beibehalten. Was die Person ist, mit der der Prota redet, ist offen, auch das ist in Ordnung. Ich habe mich für einen Seelsorger entschieden.

Sie müssen Ihrer Mutter mehr Zeit geben. Sie haben schließlich aus reiner Wut ihre Lieblingskatze getötet.
Wenn sie mehrere Katzen hatte, ist das naheliegend. Dann hätten die anderen allerdings im früheren Verlauf Erwähnung finden können. Ansonsten würde sich der Satz wohl ohne das Lieblings- besser lesen.

 

Hallo @MRG,

danke für Dein Feedback! Schade, dass es für Dich nicht funktioniert hat. Ich wollte die Kurzgeschichte nicht zu lang machen. Ich muss mir noch mal anschauen, wie ich mehr Tiefe hätte geben können (für die nächste Geschichte). Den Grundsatz "show don't tell" finde ich auch interessant.

Grüße
Stefan

 

Hallo @wörtherr,

danke ebenfalls für Dein Feedback! Stimmt, eine Lieblingskatze setzt mehrere voraus, das hatte ich übersehen.

Grüße
Stefan

 

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