Blutige Vergeltung!
Der Mond stand bereits als helle runde Scheibe über den Bergspitzen und beleuchtete die Burg, welche hoch oben auf der Spitze eines Berges majestätisch über das darunter liegende Tal thronte. An drei Seiten fiel der Felsen an der dicken Burgmauer steil ab. Es gab nur eine Seite zu der man einen Zugang zu der Burg hatte. Valek lebte schon einige Jahre hier oben. Hier war er sicher, denn das Tor war schon lange nicht mehr geöffnet worden. Jahrzehnte lang war niemand hier oben gewesen.
Einst lebte er unten im Tal neben dem kleinen Dorf und experimentierte mit Kräutern und deren Wirkungen auf verschiedene Krankheiten und Verletzungen. Sein Haus war einfach. Die Pest wütete und man beschuldigte ihn mit dunklen Mächten in Kontakt zu stehen. Daher wurde er vom Gericht aufgrund der Funde von verschiedenen unbekannten Kräutern zum Tode durch den Strick verurteilt.
Noch während er am Galgen stand, das Seil bereits um seinen Hals zum Jubel der aufgebrachten Menge, sprach er seine letzten Worte: „Niemals in meinem Leben habe ich mit dunklen Mächten zu tun gehabt. Ich benutze mein Wissen um Kranken und Verletzten zu helfen. Warum lässt Gott dies zu, dass ein Unschuldiger so sterben muss? Ich soll auferstehen von meinem Tod und wiederkehren um euer Blut zu trinken und Angst und Schrecken zu verbreiten!“ Dann wurde die Falltür geöffnet. Einen ganzen Tag lang hing er am Seil bevor man ihn abnahm um ihn zu bestatten. Er wurde im hintersten Teil des Friedhofes begraben, dort wo noch niemals zuvor jemand verbannt worden war. Doch schon einige Tage danach befreite er sich aus seinem Grab. Seine neue Existenz als Dämon verschaffte ihm ganz neue Möglichkeiten. Er konnte als Nebel in Erscheinung treten, als Dampf, als Dunst und sich nach belieben wieder auflösen. Er beherrschte andere Lebensformen wie das Nagetier, den Wolf, die Fledermaus. Er konnte sich in selbe verwandeln und umherstreifen. Er holte seinen Sarg aus der Erde hervor und brachte ihn hoch in die Burg wo er nun ganz unten in der Kapelle stand.
Valek lehnte oben im Turm am Fenster und blickte verächtlich in das Tal hinunter, welches durch das Mondlicht silbern schimmerte. Alles war so ruhig. Die Nacht war klar. Es waren nun schon mehrere Jahre vergangen. Niemals in dieser Zeit war er dort unten gewesen. Er hatte sich stets an Tieren gelabt, doch nun wurde es Zeit für ihn mit seinem Werk zu beginnen. Leichter Nebel begann ihn zu umhüllen, wurde dichter bis sich schließlich sein ganzer Körper aufgelöst hatte. Valek schlüpfte durch einen winzigen Spalt neben dem Fenster hinaus und zog Richtung Dorf. Dort materialisierte er sich in einer dunklen Gasse wieder. Der Geruch von Tod und Verwesung lag in der Luft. Lautlos ging er die gepflasterte Straße entlang. Trotz der schlechten Zeiten drang Musik und Gelächter aus den Gasstuben. Gelegentlich kamen einige Männer heraus und wankten die Gasse entlang. Doch sie interessierten ihn nicht. Valek suchte jemand ganz bestimmtes. Er schritt die Straße entlang und gelangte schließlich auf den großen Dorfplatz wo er neben dem großen Brunnen stehen blieb. Gleich dahinter befand sich der Galgen an dem auch er Jahre zuvor gehangen hatte. Valek betrachtete Kurz den schlichten Holzbau an welchem bereits der Strick angebracht war. Jemand sollte wohl morgen gehängt werden! Er blickte kurz auf den Boden und schritt dann links von ihm durch die Straße bis er zu einem edlen Haus kam. Es war das Haus des Richters. Im ersten Stock konnte er in einem leicht geöffneten Fenster noch Licht erkennen. Der Richter war also noch wach. Valek grinste, blickte nach links und rechts um sich zu vergewissern dass ihn niemand sah, hüllte sich wieder in einen Schleier aus Nebel und stieg unbemerkt an der Fassade empor und schwebte durch das Fenster in das Innere des Zimmers. Der Richter saß an seinem Schreibtisch und blickte verwundert auf den plötzlich auftretenden Nebel, der durch das offene Fenster in sein Zimmer eindrang. Seltsam dachte er, es war doch eine klare Nacht! Gerade als er sich erhoben hatte um das Fenster zu schließen konzentrierte sich der Nebel und nahm die Konturen einer menschlichen Gestalt an. Etwas verängstigt stellte sich der Richter hinter seinen Stuhl und starrte auf den sich nun klarer werdenden Nebel. Entsetzt blickte er dann in das totenweiße Gesicht Valek`s der nun vor ihm stand, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt. „Das ist nicht wahr, das träume ich nur!“ versuchte sich der Richter zu beruhigen. „Glaube mir, es ist war, so wahr wie ihr mich habt hängen lassen obwohl ich euch immer wieder meine Unschuld beteuert habe“, entgegnete Valek. Der Richter begann zu flehen: „Vergebt mir, aber die Beweise haben gegen euch gesprochen und die Bevölkerung wollte euren Tod, bitte tut mir nichts!“ Kalter Schweiß stand dem Richter auf der Stirn, er Zitterte und seine Worte klangen ängstlich. Sein Atem stockte und ging schwer. Er klammerte sich an seinen Stuhl und blickte den räftigen Mann flehentlich an. „Ihr habt mich hängen lassen“, entgegnete Valek kühn während er nun einen Schritt auf den Richter zu machte. Sein Blick bohrte sich in den Kopf des Richters, „dafür werdet ihr sterben!“ Mit diesen Worten begann sich der Vampir unter knurren zu verwandeln. Überall an seinem Körper begannen Haare zu wachsen. Seine Beine verformten sich, die Fersen wanderten weiter an den Beinen hoch. An seinen Zehen begannen lange Krallen zu wachsen. Auch an seinen Händen sprangen lange Nägel hervor. Der Mund formte sich zu einer langen Schnauze mit langen, rassiermesserscharfen Reißzähnen. Der Richter hatte seine Augen weit aufgerissen. Die Angst hatte ihn gelähmt. „Nein, nein, nein das kann unmöglich wahr sein", brüllte er kopschüttelnd während er zurück wich. Die Stimme des Richters zitterte. Sein Knie gaben nach und er sank auf den Boden nieder. Inzwischen Stand eine mannsgrosse Mischung aus Wolf und Mensch vor ihm. Der Körper war muskulös Der Richter begann zu weinen, während sich Valek langsam bückte um seinen Sprung vor zu bereiten. Er sah, wie das Blut durch den Körper seines Opfers schoss. Er schmeckte den metallischen Geruch des Blutes und roch die Angst seines Gegenübers. „Gott eurer Seele gnädig sein, meiner war er es nicht!“ Dann sprang er und landete auf dem Richter der gerade schreien wollte. Blitzschnell schoss sein Kopf an die Kehle seines Feindes. Die mächtigen Kiefer schlossen sich, mit einem lauten knirschen und mit einem Ruck riss er dem Richter ein riesiges Loch in den Hals. Dieser hob die Hände und drückte sie auf die große klaffende Wunde. Seine Augen waren starr vor schreck. Das Blut sprudelte nur so zwischen den Fingern heraus und Valek leckte es genüsslich auf. Der Richter zuckte und wand sich vor Schmerzen, doch seine Bewegungen wurden immer träger und erstarben schließlich ganz. Die Kreatur Stand noch immer auf seinem Opfer und knurrte ihn bedrohlich an. Als er sah, dass das Herz nicht mehr schlug stellte er sich aufrecht hin und trat einen Schritt zurück. Blut tropfte von seinen Lefzen.
Von unten hörte er schnelle Schritte die Treppe hoch stürmen. Er drehte sich schnell zur Tür. Mit langsamen Schritten wich er rückwärts zum Fenster zurück. Wenig später wurde die Tür aufgerissen. Zwei Wachmänner die gerade vor dem Haus vorbei gingen und etwas verdächtiges gehört hatten brachen zur Tür herein, hielten aber durch den schrecklichen Anblick der Bestie sofort inne und blieben an der Tür stehen. Valek blickte sie eindringlich und böse an. Er knurrte und zeigte seine Rauptierzähne. Mit der linken Hand deutete er auf die entstellte Leiche des Richters, welche neben dem Schreibtisch in einer Blutlache lag. Einer der Wachmänner starrte darauf. Er erblickte die riesige Wunde, dort wo vorher der Kehlkopf war und hielt sich entsetzt die Hand vor den Mund während der Andere seinen gezogenen Säbel gegen die Kreatur richtete. Seine Hand zitterte vor Angst. „Seht ihn euch gut an, so werden alle Enden denen ich mein Schicksal zu verdanken habe. Sie werden sterben so wie er es musste. Niemand kann sich meiner Macht entziehen“, knurrte Valek den Wachmännern zu. Diese bekreuzigten sich, blieben jedoch ängstlich an der Tür stehen. Noch vor ihren Augen löste sich die Kreatur in Nebel auf und entwich aus dem Fenster. Kraftlos sanken die Wachmänner auf den Boden nieder.
Valek kehrte in sein Burg zurück. Sein Hunger war gestillt für diese Nacht. Mit einem dämonischen Grinsen holte er einen Zettel und einen Bleistift aus seiner Brusttasche hervor und Strich den ersten Namen auf seiner Liste durch. Er war der Erste von vier Namen gewesen. Der Richter hatte sich von der Menge aufstacheln lassen und ihn für schuldig befunden und zum Tode verurteilt, trotz dass die Beweislage nicht eindeutig war. Ja er hatte unbekannte Kräuter in seinem Haus, doch dass er mit diesen mehreren Personen das Leben gerettet hatte wurde stets verschwiegen. Nun war der Richter tot. Der zweite Namen war der des Henkers. Er war derjenige, der durch seine Kräuter vor dem Tod gerettet worden war. Aber niemals hatte er das zugegeben aus Angst selbst gerichtet zu werden. So hatte er ihm den Strick um den Hals gelegt, ihm noch ein ‚tut mir leid’ geflüstert und schließlich den Hebel gezogen obwohl er wusste, dass Valek unschuldig war. Auch der Bürgermeister musste sterben. Er hatte den Richter von der Schuld überzeugt, zusammen mit dem Pfarrer so lange die Geschichte vom Hexer, vom Dämon eingebleut bis dieser weich wurde und die Bevölkerung ebenfalls den Braten schluckte. Der Pfarrer hatte behauptet, Valek habe zu Satan gebetet. Er habe sich von Gott abgewandt und würde Tod und verderben in das Dorf bringen. Überall im Dorf wurde dieser Humbug verbreitet. Die Menschen fürchteten Ihn und wollten, dass er verschwindet.
Drei weitere Menschen mussten noch sterben und für jeden einzelnen würde sich Valek etwas ganz besonderes einfallen lassen. Nun war er wirklich ein Dämon den man fürchten musste!