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Blutmond
Blutmond überarbeitete Fassung
Das Zimmer ist dunkel und leer. Nur das zerwühlte Bett zeugt davon, dass jemand darin geschlafen hat. Prüfend legt Gabrielle ihre Hand darauf. Das Bett ist noch warm.
Gabrielle verzieht keine Miene.
Ihre Hände sind eiskalt. Ein sicheres Zeichen ihres Hungers.
Sie sieht aus dem Fenster. Die laue Nacht lockt mit ihren verführerischen Düften.
Gabrielle schwingt sich über den Sims und springt in die Dunkelheit hinein.
Wohin ist er gegangen?
Sie nimmt seine Witterung auf. Will sich durch den Park davonschleichen. Sieht nicht die Eleganz mit dem er angelegt wurde. Riecht nur den Duft der Rosen. Gleich würde sie seine Witterung verlieren. Ihre Füße werden nun auch von der Kälte erfasst. Noch zehn Meter bis zur Mauer. Gabrielle schleppt sich dahin. Sie ist fast unfähig, sich zu rühren. Dennoch nimmt sie alle Kraft zusammen. Springt über die Mauer.
Auf der anderen Seite fällt sie unsanft ins Heidekraut.
Wind fächelt ihre Wangen. Er kommt vom Meer. Vertreibt die süße Schwere, die an ihr klebt und sie ihrer Kräfte beraubt hat.
Ich hasse diese Rosen.
Seine Frau hat sie in Massen anpflanzen lassen. Dicht an dicht ranken sie aneinander, säumen Wege und Fassaden, bilden Zäune um das Schloss.
Sie seien so hoheitsvoll, hat sie ihm erzählt.
Es war eine Lüge.
Alle Frauen hier pflanzten nur aus einem bestimmten Grund Rosen.
Gabrielle spuckt ihren Ekel an die Mauer. Sie fühlt ihre Kraft zurückkommen, wie eine Hitze, die sich in ihr ausbreitet.
Das war knapp, gesteht sie sich ein. Muss sich ausgiebig strecken. Fühlt das Leben, das noch in ihr ist. Sie ist zuversichtlich. Sie zweifelt nicht einen Moment daran, dass sie ihn finden wird.
Dafür ist er zu auffällig. Er hat reich eingeheiratet. Und obwohl er vorgibt, seine Frau zu lieben, ist er auch anderen Frauen zugetan.
Wenn er nicht zu Hause ist, wird er in die Stadt gegangen sein.
Vielleicht in eine Cocktailbar. Dort sind Frauen genug. Er liebt es, wenn sie ihn anmachen, wenn ihre kleinen dummen Seelen ihm verfallen.
Als sie die Bar betritt, fällt sie kaum auf. Sie will es so. Sie schlüpft durch die Menschenleiber hindurch. Sucht. Sie spürt Jagdfieber. Kleine Schweißperlen stehen auf ihrer Stirn. Ihre Lippen werden tiefrot und voll.
Jetzt fällt sie auf. Es geht ein Ruck durch die anwesenden Frauen. Sie sehen zu ihr hin. Schlagen sofort ihre Augen nieder. Behalten sie im Auge, tun so, als sei nichts geschehen.
Gabrielle genießt deren Furcht.
Plötzlich entdeckt sie ihn. Er tanzt. Ist umgeben von einer Traube mädchenhafter Frauen.
Er trägt deren Bewunderung, wie einen Umhang. Der ganze Raum wirkt wie verzaubert, nur durch ihn.
Gabrielle gefällt dieser Gedanke.
Es macht mich gleich mit ihm.
Ihre Augen hängen an seinen Lippen. Konzentrieren sich auf die Laute, die diese formen.
Doch sie kann seine Worte nicht verstehen, weil zur Musik weißes Licht flackert und es den Ablauf der Zeit verlangsamt.
Gabrielle spürt, wie die Hitze der tanzenden Menschen ihre Wahrnehmung trübt. Sie hat nicht mehr viel Zeit: muss es vollenden. Hier und sofort. So geht sie auf ihn zu. Bleibt vor ihm stehen.
Sein Blick tastet sie ab. Er sieht ihre grünen Augen. Ihre weiße Haut.
„Du?“
Er bewegt sich rasch auf sie zu. Berührt die nackte Haut ihrer Brust. Zieht eine Linie abwärts, über den schwarzen Lack zu den Brustwarzen. Seine Berührung ist nur oberflächlich. Und doch sieht er die rote Spur, die sein Finger hinterlassen hat. Sieht, wie die Nippel sich aufstellen.
„Du bist tatsächlich nachgekommen.“
Gabrielle weidet sich an seiner Berührung. Sie antwortet nicht. Wartet.
Die anderen Frauen ziehen sich zurück.
Es gibt nur noch dich und mich.
Gabrielle weiß, er weiß es auch. Jetzt in diesem Moment.
„Du hast wunderschöne Hände“, sagt er. Starrt sie an. „Wieso ist mir das noch nie aufgefallen?“
Du hast mich bislang nie ganz gesehen.
Gabrielle ist hungrig.
Er sieht ihre Lust. Ihre Erregung. Es gefällt ihm. Sieht: Sie ist anders als sonst. Sollte er heute endlich bekommen, wonach es ihm seit Nächten verlangte? Diese Unruhe in ihm, die ihn heute in die Stadt trieb, ist es das gewesen, worauf sie gewartet hat?
Gabrielle schließt ihre Augen. Fühlt seine Hände.
Die ihre Handgelenke umschließen und so ihre Arme hinter ihrem Rücken verschränken.
„Ich habe nicht geglaubt, dass es dich gibt“ flüstert er in ihr Ohr.
Seine Stimme ist rauh wie eine Zunge. Mit dieser Zunge streichelt er ihre Haut. Gabrielle genießt diese Zunge, die jede Pore ihrer Haut öffnet.
Sie öffnet die Augen lächelt ihn an.
„Du weißt, wer ich bin?“, sagt sie.
Er nickt, küsst sie, nimmt ihre Hand und legt sie auf sein Glied. Es ist groß und hart.
„Damit du weißt, wie sehr ich auf dich gewartet habe.“, antwortet er.
Gabrielle bemerkt, wie immer mehr Menschen die Tanzfläche verlassen.
Sie sehen zu.
Sehen, wie Gabrielle einen Schenkel um seine Hüfte schlingt. Weiße glatte Haut wird sichtbar, als ihr Rock sich hochschiebt. Ihre Haut ist filigran, fast wie Milchglas.
Er stöhnt auf, als sie seine Hose öffnet. Fühlt, wie sein Glied aus seinem Gefängnis befreit wird. Er hebt sie hoch und dringt in sie ein.
Die Stroboskoplampen flackern wieder auf. Zwei Schatten umschlingen sich.
Er trägt Gabrielle mit Leichtigkeit. Presst sie an sich. Seine Zunge gleitet über ihren Hals. Als er den Stoff ihrer Korsage mit den Zähnen zerreißt, wippen ihm ihre Brüste entgegen. Er sieht die bläulichen Adern darauf deutlich hervortreten und beißt hinein.
Gabrielles Herz setzt für einen Moment aus. Sie ist überrascht. Sieht ihr eigenes Blut an seinem Mund und küsst ihn. Schmeckt Salz und Metall.
Die Wände des Raums, die Menschen entfernen sich. Ihr Körper will: zerreißen, doch sie weiß: es ist noch nicht soweit. Sie will ihn ganz.
Daher stößt sie ihre Zunge in seinen Mund, tief bis an die Gaumensegel. Fühlt seinen Schrecken, als sie einen Brechreiz in ihm auslöst.
Sein Schrecken entflammt sie. Sie nimmt ihre Zunge ein wenig zurück, um dann wieder vorzuschnellen. Diesmal lässt er es zu: Er schluckt ihren Speichel, wie ein Ertrinkender.
Du wirst sie töten.
Die Nacht ist blau, als er von Gabrielle geträumt hat. Er ist nackt, liegt in seinem Bett. Das Fenster ist weit geöffnet. Er lässt es offen, damit Gabrielle kommen kann. Schattengleich erklimmt sie die rauhe Fassade des Schlosses. Er will, dass sie kommt, ruft Gabrielle.
Sie steht am Fußende seines Bettes. Er weiß im Traum, dass sie dort auf ein Zeichen von ihm wartet. Er will sie umarmen, ihre Haut blutig reißen.
Jedes Mal schreckt sein Geist zurück, wenn er ihr Blut sieht.
Ihre Gestalt am Fußende verschwindet und er wacht auf.
Jetzt ist sie hier: Ihr Blut klebt an seinen Lippen. Es macht ihn wahnsinnig: er möchte immer mehr davon schmecken. Aber sie entzieht sich seinem Mund.
Gabrielle sieht, wie er immer weniger er selbst ist.
Sie frohlockt. Zieht eine winzige Klinge aus ihrem Strumpfband.
Blut übersudelt ihre Körper. Jetzt lässt sie es geschehen. Seine Lippen treffen auf rote klebrige Spuren. Gierig leckt er es von ihrer Haut. Er spürt wie seine Lust in den Lenden explodieren möchte.
Er ist so schön in seiner Leidenschaft. Gabrielles Entzücken über seine Gier treibt sie in die Unendlichkeit. Ihre Schenkel umschließen seinen Oberkörper, als er Blut zwischen ihren Schamlippen schmeckt. Er saugt sich an deren Quelle fest. Seine Lippen verschweißen sich, trinken ihre Feuchtigkeit. Er hört wie seine Rippen brechen, als er sie zum Höhepunkt bringt.
Ihre Zähne reißen die dünne Haut seines Glieds auf. Sie ergötzt sich an seinem Geschmack und als er kommt, spürt sie, wie ihm die Sinne schwinden.
Sie trinkt.
Gabrielle steht am Fußende seines Bettes. Er ist nackt.
Betrachtet sie, sagt:
„Du?“
Hinter ihr geht der Mond unter. Es dämmert. Ihre Konturen werden unscharf, verkleinern, verwandeln sich.
Du hast sie getötet.
„Wen?“
Deine Frau.
Er sieht neben sich, begreift, als er die tiefschwarz verkrusteten Hauteinschnitte ihres Leichnams sieht.
Gabrielle breitet ihre Nachthaut aus, als sein Schrei durch das Schloss hallt.
Sie fliegt hinaus. Ihr Hunger ist gestillt.