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Blutopfer

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02.06.2001
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Blutopfer

Gierig schlug er seine Zähne in ihren Hals und erstickte ihren Schrei mit der vorgehaltenen Hand. Ihr Körper wand sich und zappelte wie ein ans Ufer gespülter Fisch, doch der harte Griff des Vampirs ließ ihr keine Fluchtmöglichkeit. Berauscht trank Casillo und achtete darauf, keinen Tropfen ihres kostbaren Lebenssaftes zu verschwenden.
„Na, wen haben wir denn da?“
Eine dunkle, rauchige Stimme schreckte ihn hoch. Augenblicklich erkannte der Untote seinen Fehler, ließ von dem leblosen Körper ab und breitete die zusammengefalteten Schwingen aus. Zwei harte Faustschläge hämmerten gegen seinen Kopf und warfen ihn gegen die Mauer des Hinterhofs. Benommen blieb Casillo am Boden liegen. Wie aus der Ferne hörte er dieselbe Stimme sagen: „Was sollen wir bloß mit dir machen?“
Geruch nach billigem Fusel und noch billigerem Deodorant vermischten sich mit dem betörenden Odem frischen Blutes. Casillo leckte über die Lippen und schmeckte sein eigenes Blut.
„Ich fürchte ja fast, dass es vergeblich ist, mit dir vernünftig handeln und reden zu wollen. Wie auch? Du bist Abschaum.“
Mühsam rappelte sich Casillo hoch und schluckte trocken. Die beiden Schlägertypen zur Rechten Verhoevens lächelten ihn höhnisch an.
„Ich habe einen Fehler gemacht“, begann der Vampir, sich seiner aussichtslosen Lage bewusst. „Und deshalb bitte ich um Gnade. Ich bin nur ein tumber Taugenichts und flehe Euch um Schonung an.“
Zu seinem Erstaunen nickte Verhoeven verständnisvoll. Sein Blick war nachdenklich. „Mag sein. Aber was, wenn Pierro dich geschickt hat, um abzutasten, wie weit er gehen kann? Bist du am Ende die Vorhut eines großen Angriffs?“
„Pierro? Ich bin schon lange nicht mehr in seiner Organisation. Lebt der überhaupt noch? Herrscht er noch über den Osten der Stadt?“
Obwohl Casillos Reflexe für gewöhnliche Sterbliche an Magie grenzten, konnte er Verhoevens Schlag nicht abwehren. Er taumelte einen Schritt zurück.
„Deine frechen Lügen werden dir nichts nützen! Denkst du, unsere Familie sieht dabei zu, wie Pierro, dieser Bastard einer tollwütigen Ratte, sich die ganze Stadt einverleiben möchte? Es gibt Abkommen, und an die hat sich jeder zu halten.“
Casillo wollte etwas entgegnen, als Verhoeven seinen beiden Schlägern befahl, an ihm ein Exempel zu statuieren. Casillo bettelte, weinte, fluchte und schrie noch, als sie ihn aufs Dach zerrten.

Monoton und gleichgültig prasselte der Regen und wusch das Blut von seinem aufplatzenden Leib, als die Sonne den Horizont hoch kroch. Casillo brüllte seinen Zorn und seine Schmerzen in die Welt der Sterblichen hinaus. Von seiner Wange lösten sich Fleischklümpchen und klatschten auf die Waschbetonplatten.
Casillos Kreischen erfüllte die Luft und blieb Don Pierros Ohren nicht verborgen, der Rache schwor, sobald sich das Dunkel über die Stadt gesenkt hatte. Es würde mehr Blut fließen, als alle Vampire dieser Welt saufen konnten.
Die Straßen der Stadt waren noch immer wie leergefegt, da sich bis Sonnenaufgang niemand aus den Häusern wagte, der bei klarem Verstand war.
Auch die beiden Menschen, die das qualvolle Sterben des Vampirs mithörten, hatten sich hinter die schützenden Wände ihrer Wohnung zurückgezogen.
Sie schienen ob des abscheulichen Todeskampfes zufrieden. Nadera hatte ihr Leben nicht sinnlos geopfert: Sie würde den Anlass für einen Krieg zwischen den rivalisierenden Vampirfamilien geben. Und dann würde endlich Schluss sein mit den Opfergaben der Menschen, die sie als Blutgeld für ihren Schutz den Untoten geben mussten.
„Und wenn Don Pierro dennoch still hält?“, wollte die Frau wissen.
Der Mann funkelte sie mit fanatisch leuchtenden Augen an. „Dann müssen wir weitere Opfer bringen. So lange, bis sie sich gegenseitig vernichten.“
Seine Frau wurde blass im Gesicht, als sie zum Kinderzimmer blickte. Nicht auch noch Adrian! Nicht auch noch ihn …

 

Kleine Anmerkung: Diese Story habe ich für einen Wettbewerb verfasst. Daraus erklärt sich die eher ungewöhnliche Kürze, in der eine ganze Geschichte erzählt werden sollte. Ich hoffe, sie gefällt trotzdem. Und falls nicht: Na, heult doch...

 

Tag, Nachtschatten!
Erst einmal danke für die Anmerkungen. Eine Anmerkung hätte ich aber selber noch:

Nachtschatten schrieb:
hier wieder der erzähler als würde er adrian kennen, als wäre er mit dabei. entweder habe ich verschlafen, dass die geschichte doch einen erzählenden protagonisten hat, oder du hast es verschlafen, dass nicht.
lass die prota das denken, dann passt es.

Aber das sind doch die Gedanken der Frau? Wer was denkt ergibt sich bei Geschichten oft aus dem Kontext. Man muss nicht jedes Mal "und dann dachte er:" schreiben damit der Leser weiß, wessen Überlegungen er gerade folgt.

ist nichts großes, gibt mir nicht viel

Tja, "groß" wäre bei der Kürze auch ziemlich anmaßend. :D
Vielleicht gefällt sie ja anderen mehr.

aber du hast gute sachen drin. bisschen sprachlich intensivieren, damit ein paar szenen besser knallen, dann ab damit

Zu spät. :) Die Geschichte wurde schon vor Wochen abgeschickt.

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

 

Hallo Rainer,

Stlilistisch ist die Geschichte sauber umgesetzt und auch der größere Hintergrund wird dem Leser verständlich vermittelt ohne den Erzählfluss zu unterbrechen. So ergibt sich insgesamt eine schöne Stimmung, trotz des (wahrscheinlich durch die Längenvorgabe bedingten) eher einfachen Stils.
Die Idee hinter der Geschichte ist ganz nett, hat für mich jedoch zum einen den Makel, dass der umfangreiche Rahmen nur grob skizziert wird (werden kann) und zum anderen, dass diese Vampir-Bandenkrieg-Sache mich an einen grauhenhaft schlechten Film, dessen Name mir gerade nicht einfällt, erinnert, in dem Vampire gegen Werwölfe kämpften... :(
Der Schluss scheint mir nicht ganz logisch zu sein. Wenn die beiden Menschen so skrupellos sind, warum gedenken sie dann (sofern ich das richtig verstanden habe) ihren Sohn zu opfern und schnappen sich nicht irgendwen von der Straße?


Gruß,
Abdul

 

Tag, verrückter Araber!

AbdulAlhazred schrieb:
Die Idee hinter der Geschichte ist ganz nett, hat für mich jedoch zum einen den Makel, dass der umfangreiche Rahmen nur grob skizziert wird

Wobei ich mir nicht sicher bin, ob die Plot-Idee Stoff genug für eine längere Erzählung hergäbe.

und zum anderen, dass diese Vampir-Bandenkrieg-Sache mich an einen grauhenhaft schlechten Film, dessen Name mir gerade nicht einfällt, erinnert, in dem Vampire gegen Werwölfe kämpften... :(

"Underground". Ich habe den zweiten Teil gesehen. Denke ich. Oder habe ich das nur alpgeträumt? Das würde erklären, warum das Machwerk extrem dämlich war.

Der Schluss scheint mir nicht ganz logisch zu sein. Wenn die beiden Menschen so skrupellos sind, warum gedenken sie dann (sofern ich das richtig verstanden habe) ihren Sohn zu opfern und schnappen sich nicht irgendwen von der Straße?

Stimmt! Das wäre viel einfach, fremde Leute zu überreden, sich opfern zu lassen. :D

Danke für die Kritik.

 

Hi Rainer,

schöne kleine, ich möchte fast sagen, Intrigantengeschichte.

Aber: Wenn die zwei ihre Tochter geopfert haben, sie also nachts da rausgeschickt haben, woher wollten sie wissen, dass einer von Pierros Vampiren sie anfällt, und nicht von Verhoeven? Weisch wie ich mein? Wenn es doch sein Gebiet ist.

Tserk!
Gefundene Fehler:

"Ich fürchte ja fast, dass es vergeblich ist, mir dir vernünftig handeln und reden zu wollen.
mit
Ich bin nur ein tumber Taugenichts und flehe euch um Schonung an."
Euch

 

Tag, Tserk!
Der Hintergedanke war natürlich, dass es zwischen den Menschen und den Vampiren auch Abkommen gibt. Nun ja, ist nicht so rübergekommen und ich rechne mir bei dem Wettbewerb auch keine Chancen aus. Aber probieren muss man es ja wohl.
Danke fürs Lesen!

 

Hi Rainer!
Also mir hats gefallen. Netter, blutiger Einstieg, geht blutig weiter. ist doch schön... Sprachlich hats mir auch gefallen.

Ciao
Eva Luna

 

Hej Rainer
Also mir hat deine Geschichte auch ganz gut gefallen.
Der Anfang ist direkt spannend und auch wenn man Manches sprachlich noch besser ausdrücken könnte, gefällt sie mir insgesamt.

Ich werde nich heulen^^
cucu, andrea

 

Hallo Eva und Andrea!
Es ist schön zu sehen, dass auch ein alter, hässlicher, minder talentierter Pseudo-Schreiberling Groupies um sich scharen kann. Da gibt es absolut keinen Grund zum Heulen - das ist was für Wölfe - und freut mich doch.
Danke fürs Lesen an die Wesen auf dem Besen. Und jetzt zum Tresen, einen genesen. Prost.

 

Hallo Rainer,

ich fand deine Geschichte sehr spannend, ein bisschen gruselig, aber eher weniger seltsam. Für Horror ist aber zu harmlos. Vielleicht eher Fantasy?

Monoton und gleichgültig prasselte der Regen und wusch das Blut von seinem aufplatzenden Leib, als die Sonne den Horizont hoch kroch.
An Tagen mit solch einem starken Regen sieht man die Sonne nicht, nur das Licht. :klug:

Ciao MiK

 

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