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Blutopfer
Gierig schlug er seine Zähne in ihren Hals und erstickte ihren Schrei mit der vorgehaltenen Hand. Ihr Körper wand sich und zappelte wie ein ans Ufer gespülter Fisch, doch der harte Griff des Vampirs ließ ihr keine Fluchtmöglichkeit. Berauscht trank Casillo und achtete darauf, keinen Tropfen ihres kostbaren Lebenssaftes zu verschwenden.
„Na, wen haben wir denn da?“
Eine dunkle, rauchige Stimme schreckte ihn hoch. Augenblicklich erkannte der Untote seinen Fehler, ließ von dem leblosen Körper ab und breitete die zusammengefalteten Schwingen aus. Zwei harte Faustschläge hämmerten gegen seinen Kopf und warfen ihn gegen die Mauer des Hinterhofs. Benommen blieb Casillo am Boden liegen. Wie aus der Ferne hörte er dieselbe Stimme sagen: „Was sollen wir bloß mit dir machen?“
Geruch nach billigem Fusel und noch billigerem Deodorant vermischten sich mit dem betörenden Odem frischen Blutes. Casillo leckte über die Lippen und schmeckte sein eigenes Blut.
„Ich fürchte ja fast, dass es vergeblich ist, mit dir vernünftig handeln und reden zu wollen. Wie auch? Du bist Abschaum.“
Mühsam rappelte sich Casillo hoch und schluckte trocken. Die beiden Schlägertypen zur Rechten Verhoevens lächelten ihn höhnisch an.
„Ich habe einen Fehler gemacht“, begann der Vampir, sich seiner aussichtslosen Lage bewusst. „Und deshalb bitte ich um Gnade. Ich bin nur ein tumber Taugenichts und flehe Euch um Schonung an.“
Zu seinem Erstaunen nickte Verhoeven verständnisvoll. Sein Blick war nachdenklich. „Mag sein. Aber was, wenn Pierro dich geschickt hat, um abzutasten, wie weit er gehen kann? Bist du am Ende die Vorhut eines großen Angriffs?“
„Pierro? Ich bin schon lange nicht mehr in seiner Organisation. Lebt der überhaupt noch? Herrscht er noch über den Osten der Stadt?“
Obwohl Casillos Reflexe für gewöhnliche Sterbliche an Magie grenzten, konnte er Verhoevens Schlag nicht abwehren. Er taumelte einen Schritt zurück.
„Deine frechen Lügen werden dir nichts nützen! Denkst du, unsere Familie sieht dabei zu, wie Pierro, dieser Bastard einer tollwütigen Ratte, sich die ganze Stadt einverleiben möchte? Es gibt Abkommen, und an die hat sich jeder zu halten.“
Casillo wollte etwas entgegnen, als Verhoeven seinen beiden Schlägern befahl, an ihm ein Exempel zu statuieren. Casillo bettelte, weinte, fluchte und schrie noch, als sie ihn aufs Dach zerrten.
Monoton und gleichgültig prasselte der Regen und wusch das Blut von seinem aufplatzenden Leib, als die Sonne den Horizont hoch kroch. Casillo brüllte seinen Zorn und seine Schmerzen in die Welt der Sterblichen hinaus. Von seiner Wange lösten sich Fleischklümpchen und klatschten auf die Waschbetonplatten.
Casillos Kreischen erfüllte die Luft und blieb Don Pierros Ohren nicht verborgen, der Rache schwor, sobald sich das Dunkel über die Stadt gesenkt hatte. Es würde mehr Blut fließen, als alle Vampire dieser Welt saufen konnten.
Die Straßen der Stadt waren noch immer wie leergefegt, da sich bis Sonnenaufgang niemand aus den Häusern wagte, der bei klarem Verstand war.
Auch die beiden Menschen, die das qualvolle Sterben des Vampirs mithörten, hatten sich hinter die schützenden Wände ihrer Wohnung zurückgezogen.
Sie schienen ob des abscheulichen Todeskampfes zufrieden. Nadera hatte ihr Leben nicht sinnlos geopfert: Sie würde den Anlass für einen Krieg zwischen den rivalisierenden Vampirfamilien geben. Und dann würde endlich Schluss sein mit den Opfergaben der Menschen, die sie als Blutgeld für ihren Schutz den Untoten geben mussten.
„Und wenn Don Pierro dennoch still hält?“, wollte die Frau wissen.
Der Mann funkelte sie mit fanatisch leuchtenden Augen an. „Dann müssen wir weitere Opfer bringen. So lange, bis sie sich gegenseitig vernichten.“
Seine Frau wurde blass im Gesicht, als sie zum Kinderzimmer blickte. Nicht auch noch Adrian! Nicht auch noch ihn …