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Brot und Broker

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15.03.2020
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Brot und Broker

Ich bin Broker. Meine Kunden überlassen mir ihr Geld, damit ich für sie an den Börsen dieser Welt mit Wertpapieren handele. „Ich habe etwas Geld über“, sagen die Kunden, während sie beim ersten Treffen unruhig auf dem Designerstuhl sitzen und mit ihren Fingern spielen, „Ich möchte gerne investieren. Sie kennen sich da doch besser aus als ich.“

Ich erkundige mich nach dem Gespräch zunächst in den wöchentlichen Fachzeitschriften über die langfristigen Entwicklungen, die prognostiziert werden. Mit bestem Gewissen kaufe ich anschließend entsprechende Fonds, halte Bundeswertpapiere und verkaufe Pfandbriefe. Dabei achte ich sorgfältig darauf, dass wir nachhaltige Unternehmen und moderne Länder unterstützen. Auf dem monatlichen Depotaufzug können die Kunden einsehen, worin wir ihr Geld genau investiert haben. Auf diesem Papier können sie aber auch ablesen, um wie viel sich ihr Geld ohne eigenes Zutun vermehrt hat.

„Ich bin sehr zufrieden“, sagen die Kunden, wenn sie mich lächelnd besuchen und mir eine kleine Aufmerksamkeit in das Büro mitbringen, „Mir mehr Kapital können Sie mehr Gewinne erzielen, liege ich da richtig?“ Ich nicke bestimmend. So verdoppeln oder verdreifachen die Kunden oftmals ihren Einsatz. Das freut auch mich, behalte ich doch jedes Mal eine kleine Erfolgsprovision für mich: Win-Win.

Also erhöhe ich die Einsätze bei den bisherigen Beteiligungen und sehe unser Geld beim Wachsen zu. Doch spätestens nach einem halben Jahr suchen mich die Kunden erneut auf. „Es reicht nicht mehr aus“, sagen sie aufrecht im Stuhl sitzend, „Wir wollen von den Gewinnen einen Urlaub in Brasilien buchen. Ich möchte, dass Sie etwas erfolgreicher arbeiten.“ Ich nicke.

Dem Wunsch entsprechend verändere ich die Aufstellung ihrer Wertpapiere. Hierzu beobachte ich die täglichen Nachrichten und stoße entsprechend ab oder kaufe hinzu. Es dauert nicht lange, ehe mich die Kunden besuchen, um ihre Flugtickets zu präsentieren. „Wir fliegen im Juni“, kommentieren sie, „Aber wir sind sicher, dass Sie noch erfolgreicher sein können.“ Ich schaue sie an. „Wir sind sicher“, beteuern sie und lehnen sich über den Tisch, „Wir wollen ein Haus bauen. Das kommt Ihnen doch auch zu Gute. Dank uns stehen Sie in Lohn und Brot.“ Ich nicke.

Im Fünf-Minuten-Takt überprüfe ich die hiesigen Nachrichtenagenturen auf Meldungen, beobachte penibel die Aktienkurse und verändere nach und nach das Depot. Das Recyclingunternehmen weicht einem Abholzkonzern, auf Wechselkurse von Schwellenländern wird bis auf die dritte Kommastelle gewettet, Zinserträge kommen aus Ländern, die die Menschenwürde mit Füßen treten, Dividenden von Unternehmen, die den globalen Bedarf an Medikamenten ausnutzen.

Zur aktuellen Besprechung zitieren mich die Kunden daraufhin in ihr neues Haus. Sie schauen gerade Nachrichten und sind sichtlich niedergeschlagen. „Schlimm, was in der Welt passiert. Da hat man gar keine Lust mehr in die Welt zu reisen“, geben sie niedergeschlagen preis.

„Wenigstens sind Sie reich“, erwidere ich und sehe die Kunden lächeln. Daraufhin greife ich in meine Mappe und schiebe den Depotauszug über den Tisch. Ich schaue gespannt in ihre Gesichter.

 

Hallo @Kev4000

Du hast vergessen, Deine Story mit "Humor" zu taggen. Offensichtlich möchtest Du auf satirische Weise das unreflektierte Selbstverständnis des schmarotzenden Appendix der Gesellschaft darstellen. Einen Mangel sehe ich darin, dass die Ironie nicht deutlich genug wird; man könnte die Erzählebene für die eigentliche Aussage halten. Desweiteren wäre es unterhaltsamer, den Spaß in eine spannend aufgebaute Rahmenhandlung zu verpacken. In der aktuellen Form liest sich das wie ein Schüleraufsatz über den Beruf der Eltern.

Schönen Gruß!
Kellerkind

 

Hallo @Kev4000

Willkommen! Die Idee Deiner Geschichte fand ich interessant. Ich habe beim Lesen gedacht, dass sie gut geeignet wäre, um Kindern die Widersprüchlichkeit des Kapitalismus zu verdeutlichen :) Anfangs war es für mich etwas befremdlich, wie sachlich der Broker berichtet. Er wirkt eher wie eine Maschine – allerdings macht genau das für die generelle Aussage doch Sinn.
Der Verlauf, den du aufzeigst ist recht drastisch und dafür nach meinem Geschmack etwas kurz beschrieben. Du hättest einige Stellen ruhig etwas dramatischer ausführen können.
Mit dem Titel hatte ich Probleme. Der Zusammenhang zwischen ihm und deiner Geschichte hat sich mir nicht erschlossen.

Das Recyclingunternehmen weicht einem Abholzkonzern, auf Wechselkurse von Schwellenländern wird bis auf die dritte Kommastelle gewettet, Zinserträge kommen aus Ländern, die die Menschenwürde mit Füßen treten, Dividenden von Unternehmen, die den globalen Bedarf an Medikamenten ausnutzen.
Diese Wendung hat mir gefallen. Die Moral muss zugunsten des Gewinns weichen. Ein gutes Detail.

Zur aktuellen Besprechung zitieren mich die Kunden daraufhin in ihr neues Haus.
Besuchen Broker ihre Kunden wirklich zuhause?

Ich hoffe du kannst mit den Anmerkungen etwas anfangen und wünsche Dir weiterhin alles Gute beim Schreiben!

Liebe Grüße
hesa

 

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