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Chad Muller – Workaholic, Weltenretter, Wahnsinniger
„Der Ruhm zu Lebzeiten ist eine fragwürdige Sache; man tut gut, sich nicht davon blenden, sich kaum davon erregen zu lassen.“ – Thomas Mann
„Eh, eh, billig, billig. Billig Zigaletten. Paff paff. Billig Zigaletten. Kaufen, kaufen. Kommen Sie.“
Wie erbärmlich dieser Fidschi doch ist. Fidschi? Oder doch aus Vietnam, oder vielleicht Südkorea? Nein, es müsste ein Fidschi sein. Sagt doch jeder Fidschi-Markt zu dieser Ansammlung von Läden. Läden ist zu geschmeichelt. Baracken mit billigen Imitaten von Gütern. Gefälschte adidas-, FILA- und Nike-Klamotten, Kopien von Gartenzwergen in den verrücktesten und perversesten Variationen und gebrannte CDs mit simpelst nachgemalten Covern zieren die provisorisch zusammengezimmerten Holzhütten, in denen die schlitzäugigen Verkäufer, von denen wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte eine Aufenthaltserlaubnis ihr Eigen nennen kann, rumhampeln und den sich hier toll vorkommenden Deutschen mit den geblähten Geldbeuteln auf Schritt und Tritt folgen, nur um eine ihrer mehr als inakzeptablen Waren an den Mann zu bekommen. Und das zu einem Schleuderpreis.
Da ist wieder einer dieser kleinen Freaks. „Eh Sie, eh. Wollen haben gut adidas?“ Dabei wedelt er mit einem verrotteten Fußballschuh vor meiner Nase herum und betatscht meine Schulter. „Mistel, Mistel. deutschel Hell, wollen Sie...“ Etwas erzürnt schnauze ich dazwischen. „Ich bin kein Deutscher. Ich bin Amerikaner. Mein Name ist Chad Muller. Und halt mir deinen Dreck nicht unter die Nase!“ Etwas ängstlich schrickt der Fidschi zurück, schnellt aber sofort wieder vor und versucht weiter seine Sachen loszuwerden. „Okay, okay, Mistel Amelikanel. Wollen haben gut adidas? Gut Qualität. Schießen viele Tole.“ Wieder packt er seine schwitzige Hand auf meine Schulter. Nun ja. Ich bin kein Unmensch. Und für diesen witzlosen Preis kaufe ich ihm die Treter ab. Nur um sie auf der Heimfahrt aus dem Fenster zu schmeißen. Oh Gott, wie er lächelt. Ich bin einfach zu nett zu diesem Freak.
Ich gehe weiter meine Runde auf diesem stinkigen Platz, dessen Wege aus einer Mischung aus Schlamm, Holzstücken und Kieselsteinen bestehen. Aus jedem Laden, an dem ich vorbeigehe, kommt einer dieser kleinen Gnome hervorgeprescht und will mir irgendeinen Mist anbieten. Für heute habe ich aber meine gute Tat getan. Höflich weise ich alle von mir. „Hau ab!“
Aber ein Laden scheint doch interessant zu sein. Meine Güte, sogar hier gibt es Fanartikel von mir. Von mir und meinen Abenteuern. Eine eigene Ecke mit „Cyborg Warrior“-Sachen. Ach, das war ein geiler Spitzname für mich. Ein Poster hängt an der Wand, das mich als „Aquaman“ zeigt. Sollte mal wieder tauchen gehen. Aber erstmal baden und den Schmutz dieses Marktes abwaschen. Igitt. Der „Chad Muller“-Laden ist echt der einzige Lichtblick. „Cyborg Warrior II – Rückkehr nach Saigon“, das war ein irrer Trip, nie mehr Saigon. „Voltron“, „Ragezzi und das Mafia-Massaker“, „Lonesome Gunfighter“ – argh... Fuck! Was sind das plötzlich für Kopfschmerzen? Aaah, hämmernde Schläge pochen gegen die Innenseite meines Schädels. Qualvolle Stiche, die durch mein Hirn schnellen. Shit, was ist das? Argh. Wer packt mich da?
„Wollen haben schönes Film-Postel. Hm? Ist gut. Sehl gut.“ Diese Kopfschmerzen. Nun, jetzt hat sie auch dieser Schlitzaugenfreak, nachdem ich ihm seinen Kopf durch die Holzwand gerammt habe. Mit vor Schmerz zugekniffenen Augen laufe ich den Weg zurück über den Platz zur Limousine. Der Chauffeur hält schon die Tür auf. Oder? Langsam lassen die Schmerzen nach, aber der Platz sieht anders aus. Welche Ecke ist das?
Da kommt wieder einer aus dem Untergrund. Oh Mann. Ich dachte, die hätten Saigon geräumt. „Eh Sie. Wollen haben gut Schienschützel? Beinschützel? Können bessel Fu‘ball.“ Was labert dieser Irre für einen Scheißdreck? Wieso müssen die immer erst Reden halten, bevor sie zustechen. Ich packe ihn an seinem verschmutzten Pulloverkragen und schreie ihm ins Gesicht. „Verdammt, bist du blind? Seh' ich etwa aus wie ein Fußballer? Ich trage einen Anzug, der mehr wert ist als dein Leben. High Tech, verstehst du? High Tech, mit dem ich dich jetzt zu Manitu, oder wie dein Herr und Schöpfer eben heißt, befördere.“
„Abel... Sie kaufen doch Fußballschuhe. Haben gekauft bei mil.“
„Was hab‘ ich? Bist du noch ganz bei Trost?! Ich kenne dich nicht. Und selbst wenn, Gott bewahre, würde ich ganz sicher nichts bei dir kaufen.“
Meine Faust hat seine Nase gebrochen, denke ich. Und die Rippen hat mein Fußtritt sicherlich auch nicht unverletzt gelassen. Scheiße. Das haben auch die anderen Soldaten bemerkt. Die ganze Untergrundmafia kommt auf mich zugelaufen. Schnell spurte ich um die Ecke und überquere die Straße. Sie verfolgen mich immer noch. Zum Glück bin ich bereits am Cyber-Truck angekommen. Der kybernetische Co-Pilot hält schon die Tür auf.
cdx.maxinho.2004/2007