Charlie besuchen
Hallo Leute. Ich hoffe, es stört euch nicht, dass ich euch einfach so anrede. Ich unterhalte mich gerne mit den Leuten, überhaupt wenn ich schon das ein oder andere Bier getrunken hab. Macht einen gesprächig.
Zumindest mich. Aber wenn ich mich hier so umsehe, sehe ich keinen mit nem anderen reden. Ein paar Männer sitzen allein an ihren Tischen und starren Löcher hinein, der alte Freddie putzt seine Theke zum fünftausendsten Mal und am anderen Ende vom Tresen sitzt der gute Tom Doohan. Freddie hat mir mal gesagt, dass Tom schon fast hier wohnt. Kommt jeden morgen ins „Little Red Bunny“, setzt sich an den Tresen, bestellt ein Glas Whiskey und starrt hinein bis Freddie ihn am Abend rausschmeißt.
Seit seine Trudy gestorben ist, geht das so. Kann einem leid tun der Mann.
Haben eine gute Ehe gehabt die Beiden, sagt man. Er ist nie laut geworden oder mit ner anderen ins Bett gehüpft. Sie hat auch nie nem anderen nachgeschaut. Waren sehr beliebt die Beiden. Waren freundliche, fröhliche und fromme Menschen. Vor einem Jahr ist Trudy dann gestorben. Tom war damals achtundsechzig und hat noch verdammt gut ausgesehen. Hatte keine Falten im Gesicht, außer vom Lachen. War immer noch kräftig wie ein Büffel und hat gerne gelacht. Wenn er gelacht hat, haben wir anderen auch immer lachen müssen, auch wenn wir gar nicht gewusst haben, warum er lacht. Und schönes Haar hat er gehabt. Ich weiß, es klingt seltsam, dass ich über die Haare von nem Mann rede, aber er hatte wirklich verdammt schöne Haare. Weiß wie frisch gefallener Schnee und so weich wie die Haare von nem Baby.
Billy Thompson ist ihm immer mit den Fingern durch die Haare gefahren, wenn er besoffen war.
Tom hat dann nach Billys Arm gegriffen und ihn weggedrückt. Nicht kräftig, nur so dass Billy verstanden hat, dass er das nicht will.
Wenn ihr Tom jetzt sehen könntet und ich euch ein Photo von ihm zeigen würde wie er früher ausgesehen hat, ihr würdet glauben, das sind zwei verschiedene Menschen.
Seine Haare gehen ihm jetzt bis zu den Schultern und sind ganz strähnig und im Gesicht hat er jetzt einen Vollbart. Der ist aber auch ziemlich ungepflegt. Und weil ich vorher gesagt hab, er war letztes Jahr noch stark wie ein Büffel . . . na ja, er ist immer noch stark, aber er hat ordentlich zugenommen. Ihm ist ein mächtiger Bauch gewachsen.
Lachen hat den Mann auch keiner mehr gesehen seit Trudy Tod ist.
„Der wartet nur noch auf den Tod“, sagen die Leute.
Ich glaub, sie haben recht. Am Anfang haben alle geglaubt, er legt sich um, sobald Trudy begraben ist, aber er hat sich nur in seinen Kopf zurückgezogen. In seine Erinnerungen mein ich.
Ich kann mich noch gut erinnern an damals, ist schon Jahre her, wie ihn die Leute immer gefragt haben: „Was ist denn los mit diesem Charlie?“
Charlie Fields haben sie gemeint. Er hat damals für Tom gearbeitet.
Es gibt bei uns in der Gegend so einen Ausdruck: Charlie besuchen.
Wenn jemand in die Kirche zum Beichten geht, sagt er: „Ich geh Charlie besuchen.“
Das hat einen ganz einfachen Grund: Immer wenn Charlie mit seiner Arbeit fertig war oder er frei gehabt hat, ist er in die Kirche zum Beichten gegangen. Erst ist er den Mittelgang runtergegangen bis zum großen Kreuz, wo er kurz in die Knie gegangen ist und sich bekreuzigt hat und als nächstes ist er dann zum Beichtstuhl gegangen.
„Der arme Vater Phil“, haben die Leute immer gesagt.
Vater Phil muss eine Geduld gehabt haben wie ein Stein. Jeden Tag ist Charlie zu ihm gekommen und wenn es stimmt, was die Leute sagen, dann sind sie stundenlang im Beichtstuhl gesessen und haben geredet.
„Über was reden die Beiden immer?“, haben die Leute immer gefragt.
„Vielleicht macht Vater Phil ja das Fensterchen auf und sie spielen Karten“, hat Freddie mal gesagt.
Ein paar Leute, Frauenleute, wie ihr euch denken könnt, haben ab und zu versucht, die Beiden zu belauschen, aber das ist ihnen nicht gelungen, weil der Beichtstuhl war aus massivem Holz.
„Da hört dich keiner schreien, wenn der Teufel dich mit seiner Feuerpeitsche totschlägt“, hat irgendwer mal gesagt.
Mary Lou Sender, die neugierigste von allen Frauenleuten, hat sogar manchmal Vater Phil selbst gefragt, was sie denn immer so lang reden im Beichtstuhl. Aber er hat ihr natürlich nichts gesagt, weil er ja ans Beichtgeheimnis gebunden ist. Aber ich glaube, er hätte ihr so auch nichts gesagt.
„Geht Ihnen das nicht auf die Nerven, dass er jeden Tag zu Ihnen kommt, Vater?“, hat ihn mal einer gefragt.
Vater Phil hat natürlich nein gesagt. Ich hab ja vorher gesagt, dass er eine Geduld wie ein Stein hatte. Aber es gibt ja dieses Sprichwort: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“
Und nach ein paar Jahren hat man schon gesehen, dass Vater Phil schon ziemlich müde war. Aber er war auch ein verdammt guter Gottesmann und hat Charlie immer reingebeten und mit ihm geredet.
Vielleicht haben sie ja wirklich ab und zu das Fensterchen aufgemacht und Karten gespielt, wie Freddie gesagt hat.
Ich hab Charlie gekannt, seit er in die Hosen gekackt hat.
War ein netter Junge. Aber einer von der stillen Sorte. Ein Träumer, wie man so sagt. Die anderen Jungen haben ihn in Ruhe gelassen, nur ab und zu haben sie hinter seinem Rücken Späße über ihn gemacht. Aber die Mädchen, die haben ihn gern gehabt. Ein paar zumindest.
Gerade weil er so ruhig war und so nachdenklich. Nicht so wie die anderen Jungens, die immer laut waren und Blödsinn gemacht haben. Wie Jungs eben so sind.
Charlies Papa hat beim alten Doohan auf die Rindviecher aufgepasst. Auf die Tiere und die anderen. Ich kann euch nicht viel über ihn erzählen. Hab selten zu tun gehabt mit ihm. Aber was man so gehört hat, war er ein zuverlässiger, harter Arbeiter und ein frommer Mann.
Seine Frau hat man nur am Sonntag bei der Messe gesehen. Na ja, gesehen ist eigentlich nicht das richtige Wort, weil Mrs. Fields . . . wie soll ich sagen . . . wie eine von diesen Araberfrauen angezogen war. Kein bisschen Haut hat sie gezeigt, nur die Augen haben rausgeschaut.
Aber die hat nie einer gesehen, weil sie immer eine Sonnenbrille aufgehabt hat.
„Sie is krank“, hat Charlies Papa immer gesagt, wenn ihn jemand gefragt hat. Aber was sie hatte, hat er nie jemandem erzählt.
Es hat sowieso fast nie jemand gefragt, außer er war neu in der Stadt. Die Leute haben sich irgendwie an sie gewöhnt. Wie sie dann gestorben ist, die gute Frau, war fast die ganze Stadt bei ihrem Begräbnis.
„Eine fromme Christin war sie“, „Und eine treue Frau“, „Gut erzogen hat sie ihn, ihren Sohn“, und so weiter. Das haben die Leute gesagt, damals. Aber wenn ich ehrlich bin, ich glaub, die waren alle nur da, weil sie gehofft haben, dass sie vielleicht ihr Gesicht sehen, bei der Aufbahrung. Und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich auch.
Aber die Frau war konsequent. Na ja, war ihr gutes Recht.
Wie sie gestorben ist, war Charlie gerade auf dem Weg ein Mann zu werden. Ihr wisst schon, die Zeit, wo man den ganzen Tag mit ner Beule in der Hose rumrennt und es kaum erwarten kann ein ruhiges Plätzchen zu finden, wo man ungestört philosophieren kann, wenn ihr versteht.
Jedenfalls war das auch die Zeit, wo Charlies Papa ihn zum ersten Mal zu den Doohans mitgenommen hat. Tom hat damals gerade das Geschäft übernommen gehabt, denn ob ihr’s glaubt oder nicht, einen Tag nach Mrs. Fields hat der alte Doohan ins Gras gebissen.
„Wie macht er sich denn, der Junge?“, hab ich Tom damals bei einem Bierchen gefragt.
„Guter Junge, arbeitet genauso hart wie der Alte, nur ein bisschen zu still ist er. Wird nie die Stelle von seinem Paps übernehmen können. Beim Alten verhalten sich die Männer wie ein geprügelter Hund, der sich anpisst, wenn er das Herrchen kommen hört. Aber vor Charlie hat keiner Angst. Sie respektieren ihn, weil er hart arbeitet, aber sonst . . .“
Da hat er mit den Schultern gezuckt.
„Muss ja nicht jeder werden wie sein Paps. Man kann’s auch ganz anders machen“, hab ich gesagt. Aber eigentlich stimmt das nicht so ganz, weil am Ende macht’s jeder genauso wie sein Paps und wie sein Paps vor ihm: Er beißt ins Gras.
Ich kenn keinen, der das nicht seinem Paps nachgemacht hat. Aber ich kenn nicht so viele Leute.
Einen Moment, meine Kehle ist schon ganz trocken. Auf euch Leute!
. . . Wo war ich? . . . Ah, ja, weiß schon: Charlie hat bei Tom gearbeitet.
Schien sich gut zu entwickeln der Junge. Nur mit der Zeit haben die Leute zum Reden angefangen. Erst die Jungs, weil die manchmal schlimmer sind als das letzte Tratschweib.
„Charlie hat’s wohl nicht so mit Mädchen. Hat wohl lieber n richtig dicken Euter in den Händen als ne kleine Frauenbrust.“
Und dann haben auch ein paar von den Erwachsenen zu reden angefangen.
„Interessiert er sich nicht für Mädchen? Er ist doch so ein lieber Junge“, „Ich glaub, irgendwas stimmt nicht mit dem Jungen. Wie ich so alt war wie er, hab ich soviel Mädchen gehabt wie Doohan Rinder“, „Er ist halt so schüchtern. Er braucht wahrscheinlich noch ein bisschen.“ Und so weiter.
„Was ist denn los mit dem Jungen?“, hab ich Tom einmal bei einem Bierchen gefragt.
Aber er hat nur mit den Schultern gezuckt.
„Ist ein guter Junge und ein guter Arbeiter.“
Die Leute haben oft Tom gefragt, weil Charlies Vater hat sich niemand fragen getraut.
Jedenfalls ging das eine zeitlang so. Nicht weil das so interessant war, aber es passiert halt hier bei uns nicht viel. Deswegen reden die Leute wochenlang über die Dinge, die woanders nach einem oder zwei Tagen vergessen sind. Oder die überhaupt keinem auffallen, weil es so viele Leute gibt und so viel passiert, dass man eben nur über das spricht, was am außergewöhnlichsten ist.
Na ja. Aber wegen Charlie: Ich kann euch sagen, ich war auch kein Frauenheld, ob ihr’s glaubt oder nicht.
Hab zwar die eine oder andere besprungen, aber bei mir geblieben ist keine. Weiß nicht warum. Vielleicht hat ja irgendeiner von meinen Samentropfen Beine bekommen und rennt jetzt durch die Welt. Aber ich glaub eher nicht. Wird wohl nicht viel übrig bleiben von mir, wenn ich mal nicht mehr da bin.
Aber ich will euch nicht in den Ohren liegen damit, ist ja nicht so wichtig.
Irgendwann haben die Leute dann was anderes gefunden, worüber sie reden haben können und Charlie hat wieder seine Ruhe gehabt.
Ich bin gerade im „Little Red Bunny“ bei einem Bierchen gesessen, wie ich zwei Leute reden hören hab.
„Also dieser Charlie . . . weißt du, der ist ein bisschen komisch.“
„Wie meinst du?“
„Komisch eben. Letztens ist Irma Bedingfield auf der Ranch vorbeigekommen. Hat irgendwas von Doohan wollen, glaub ich. Aber egal. Jedenfalls du kennst doch Irma?“
„Wer kennt sie nicht. Prächtiger Vorbau, herrlicher Arsch.“
„Genau. Also wie sie mit Tom fertig ist, kommt sie zu uns und plaudert ein bisschen mit uns. Nette Frau, sag ich dir. Jedenfalls is jedem von uns bald die Hose zu eng geworden, wenn du verstehst. Alle wollten wir mit ihr reden, haben ein bisschen mit ihr geschäkert und so. Nur Charlie nicht. Hat nur Hallo zu ihr gesagt und hat weitergearbeitet.“
„Ist halt ein schüchterner Junge. Weiß doch jeder. Bob Fogerty meint, dass er nicht so ganz entwickelt ist untenrum und dass er sich deswegen nicht traut ein Mädchen anzureden.“
„Hmm . . . daran hab ich noch nicht gedacht. Ein paar von unseren Männern glauben er ist schwul. Aber ich glaub das nicht. Hab ihn nie jemandem von uns auf den Arsch starren sehen oder so. Vielleicht is er ja wirklich nicht ganz entwickelt da unten.“
„Kann einem leid tun der Junge. Wenn man nicht ab und zu ein Nümmerchen schiebt, macht das Leben keinen Spaß.“
„Hast recht. Weißt du, was ich noch gehört hab?“
„Sag.“
„Du kennst doch Mrs. Myerson? Die dauernd in die Kirche geht und für ihren toten Mann betet?“
„Klar, gute Frau. Hat Glück gehabt mit ihr der alte Myerson. Wenn ich da an meine denk . . . Aber erzähl weiter.“
„Also meine Frau redet ab und zu mit ihr und Mrs. Myerson sagt, Charlie ist jeden Tag in der Kirche, nach der Arbeit.“
„Warum?“
„Weiß nicht. Vielleicht will er ja Priester werden.“
„Vielleicht betet er ja auch für einen größeren Schwanz.“
Ungefähr so hab ich die Beiden reden hören. Ich glaub, der eine war Joe Buckleby, einer von Doohans Leuten.
Jedenfalls hat’s damals angefangen mit Charlies Kirchenbesuchen. Und wie ich euch schon erzählt hab, haben sich die Leute natürlich das Maul zerrissen.
Am Anfang haben manche noch gesagt, er betet für seinen Paps, weil der damals nen Herzschlag gehabt hat. Aber es war gar nicht so schlimm mit ihm. War bald wieder auf den Beinen. Nur sein Junge ist trotzdem jeden Tag in die Kirche gerannt. Na ja, ich will euch nicht das gleiche noch einmal erzählen.
Ihr wisst wahrscheinlich wie das so ist mit Tratsch: Wenn man nichts neues erfährt über ein Thema, verliert man irgendwann das Interesse dafür, weil man sich nicht immer das, was man sowieso schon weiß noch zwanzigmal anhören will.
Und ihr wisst auch sicher wie das so ist mit den Leuten: Sie geben den Leuten gern Namen. Also der eine ist der Säufer, der andere der Gemeindestier und so weiter.
Charlie haben sie irgendwann den Ministranten genannt. Nicht sehr originell, ich weiß. Aber so sind die Leute halt. Wär er älter geworden, wär er vielleicht zu Vater Charlie geworden. Aber es hat nicht sein sollen.
Ich war gerade auf dem Weg zum „Little Red Bunny“ wie Billy Thompson auf mich zugerannt ist.
„He, Paulie!“, hat er gerufen. Das bin ich.
„Was is?“, hab ich gesagt.
„Hast du das schon gehört, von der kleinen Fillmore?“
„Meinst du das süße, blonde Mädel? Virginia? Was is mit ihr?“
„Vanessa heißt sie. Jedenfalls, kommt sie nach Haus gerannt zu ihrem Papa und erzählt ihm, dass der Ministrant sie auf dem Heimweg aufgehalten hat. Sie hat Hallo gesagt und er auch und dann haben sie ein bisschen geplaudert. Charlie hat sich hingehockt, damit sie nicht immer raufschauen muss zu ihm und wie sie so reden, hat sie gesagt, wird er so komisch. Schaut sie so komisch an und streichelt ihr über die Wange und macht ihr Komplimente. Jedenfalls hat die Kleine Angst bekommen und is weggerannt.“
„Na ja, wird schon nicht so schlimm sein. Wahrscheinlich übertreibt die Kleine nur. Weißt ja wie kleine Mädchen so sind. Charlie is ein guter Junge. Hat niemals jemanden irgendwas böses getan.“
„Ich weiß nicht, Paulie. Warum streichelt ein Mann einem Mädchen über die Wange, das nicht seine Tochter is? Und macht ihr Komplimente? Das is nicht richtig finde ich. Charlie war ja immer schon ein bisschen komisch. Ich mein, ein Junge, der sich nicht für Mädchen interessiert? Hab geglaubt er is schwul. Aber man hat nie was gehört, dass er sich an einen Kerl rangemacht hat, also war’s egal. Hab gedacht er geht dauernd in die Kirche, weil er sich schämt wegen seiner Krankheit. Aber jetzt . . .“
„Du redest Scheiße, Billy. Charlie ist ein guter Junge. Nicht jeder Mann muss Frauen nachrennen. Vielleicht hat er an so was einfach kein Intresse.“
Ich hab Charlie verteidigt. Hättet ihr ihn gekannt, hättet ihr’s auch gemacht. Ich mein, wir waren keine Freunde oder so, haben nur das ein oder andre mal geplaudert, aber ich kann euch sagen, mir ist der Junge so unschuldig vorgekommen wie Jesus auf seinem Kreuz.
„Weiß nicht, Paulie. Jedenfalls hat der alte Fillmore ein paar Männer zusammengetrommelt und fährt jetzt rauf zum Fields-Haus. Will mit ihm reden, hat er gesagt.“
„Abknallen will er ihn.“
„Weiß nicht. Aber wenn er wirklich was vorhatte mit der Kleinen . . .“
Da hat er mit den Schultern gezuckt.
Ich sag euch ganz ehrlich: Wenn ich einen Kerl erwisch wie er sich an nem kleinen Mädchen vergreift, leg ich ihn auch um. Aber Charlie? Der würde so was nie machen. Hab ich geglaubt.
Bin nicht rausgefahren zu Charlie, weil wenn so eine Meute Männer wo hinfährt, um jemanden umzulegen, stellt man sich nicht in den Weg, weil sonst ist man selbst dran. Kann euch deswegen nur erzählen, was die Leute dann so erzählt haben.
Fillmore und die Männer sind also rausgefahren zu Charlie.
Sie waren noch gar nicht beim Haus wie sie gesehen haben, dass irgendwas brennt. Sind dann schneller gefahren und wie sie ankommen, sehen sie, dass das Haus brennt.
Die Männer haben dann überlegt, ob sie’s nicht einfach abbrennen lassen sollen, aber ein paar sind trotzdem reingegangen. Sind aber gleich wieder rausgerannt. Haben gesagt, dass Charlie sich angezündet hat.
Haben das Haus dann abbrennen lassen, weil es war sowieso nichts mehr zu retten.
Wie ihr euch denken könnt, haben die Leute die nächsten Wochen über nichts anderes geredet, als Charlie. Manche haben gesagt, sie glauben das nicht, dass Charlie was von dem Mädchen wollte. Aber die meisten haben gesagt, sie haben immer schon gewusst, dass was nicht stimmt mit dem Charlie.
Am nächsten Tag war Sonntag und Gottesdienst.
Vater Phil hat ziemlich fertig ausgesehen. War ganz bleich und seine Augen haben ausgesehen, als hätte er geweint. Hat die Messe nur runtergelesen, aber immer wieder was ausgelassen oder wiederholt. Jeder hat gesehen, dass ihn der Tod von Charlie ordentlich mitgenommen hat.
Wie die Messe vorbei war, sind die Leute dann auf Vater Phil zugestürmt und haben ihn gefragt, ob er das gewusst hat mit Charlie.
„Na sicher hat er das gewusst! Hat ja jeden Tag mit ihm verbracht!“, „Sie hätten was sagen müssen, dann hätte man ihn weggesperrt! Wissen Sie was alles passieren hätte können?“ So ist das eine ganze Stunde lang gegangen.
Hat mir leid getan, der Mann. Die Leute waren verdammt wütend. Aber ich glaub, er hat das alles gar nicht so mitbekommen. War ja schon während der Messe nicht ganz da.
Vater Phil ist dann ein paar Tage später verschwunden.
Wie der neue Priester gekommen ist, haben ihn die Leute gefragt, wo Vater Phil ist. Aber der hat gesagt, er weiß es nicht.
Weil niemand da war, der das Grundstück von Charlie erben hat können, hat die Stadt es versteigern lassen. Aber ob ihr’s glaubt oder nicht, niemand wollte es haben. Ein paar Jahre später hat dann einer, der neu in der Stadt war, das Grundstück ganz billig gekauft und ein neues Haus draufgestellt.
Jedenfalls so war das damals. Heute sagt keiner mehr, er geht Charlie besuchen.