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Cinquenta e uma oder wie ein weißer Stier

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20.01.2023
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Cinquenta e uma oder wie ein weißer Stier

In der Rua Boavista gab es eine spärliche Kneipe mit einem schwulen Barkeeper und einer übel riechenden Toilette. Drückte man die Tür zum Klo auf, wurde man von einer sonderbar zugerichteten Seemannsfigur mit Holzbein, Kompass und Papagei auf der Schulter begrüßt, die irgendwelche Piratengeschichten auf Portugiesisch erzählte und Fados trällerte, sobald man die Spülung zog. Ich verweilte neuerdings da, weil das Bier günstig war und Dida auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Restaurant ihres Vaters bediente. So konnte ich sie ungestört verabscheuen und anhimmeln.

Mit Dida und mir verhielt es sich wie bei Sid Vicious und Nancy Spungen. Es war ein ewiges Hin- und Her. Mal putzte sie sich fein raus, beim nächsten Treffen kam sie in Lumpen oder mit langem Wintermantel, mitten im Hochsommer. Mal wollte sie übernachten, ein andermal fuhr sie gleich wieder nach Hause; sie fiel mir um den Hals und im gleichen Moment stieß sie mich fort, kauerte sich trotzig wie ein Kleinkind auf eine Parkbank und rief ein Taxi. In das Restaurant ihres Vaters sollte ich bloß keinen Fuß setzen! Sie meinte, sie fühle sich in meiner Gegenwart unwohl und schließlich komme ihr Vater öfter. Ihr Vater war Katholik. Und ich sei Heide, sagte sie. “Komm einfach nicht”, bat sie mich. Das tat ich. Dann herrschte Funkstille.

Ich saß also auf der Pirsch in der Bar mit meinem schwulen Barkeeper, trank 0,2er Sagres und guckte aus dem Fenster. Sie trug gerade ein Tablett mit Pommes frites auf die Terrasse, als mir Martim einen Schnaps hin stellte. “Cinquenta e uma”, sagte er und prostete mir zu. “Vertreibt den Kummer.”
Ich nickte und trank. Das Zeug schmeckte wie Seife, die man zuvor zwei Tage in Kardamom hatte einweichen lassen. Ich verzog mein Gesicht und zeigte Martim einen Daumen hoch.
“Schmeckt gut, was?”
“Erinnert mich an Underberg”, sagte ich.
“Was ist das?”
“Schnaps aus Deutschland. Kriegste in jedem Laden vorne an der Kasse.”
“Muss gut sein.”
“Ja”, sagte ich. Aber das meinte ich nicht so. Vom Schnapsbrennen hatten weder die Portugiesen noch die Underberg AG eine Ahnung. Martim hatte sogar behauptet, dass es eine Sorte gab, von der man neongrün pinkeln musste …
“Willst du noch?”, fragte er.
“Warum nicht”, sagte ich und zuckte mit den Achseln.
Er schob einen zweiten über die Theke und fing an, irgendetwas von Vasco da Gama zu faseln. Dass da Gama zweihundert Frauen und Kinder an Bord eines arabischen Handelsschiffes bei lebendigem Leibe verbrannt hatte. Samt Schiff natürlich. Es läge jetzt irgendwo auf dem Grund des Indischen Ozeans, vor der Küste von Calicut.
“Vasco da Gama war ein dreckiger Hurensohn”, schimpfte er. “Was hat Portugal jetzt? Nix große Seeflotte! Nein, Kabeljau und billige Kondome.”
“Gibt schlimmeres”, sagte ich.
“Mhm, deutsches Wetter.”
“Zum Beispiel!”
Wenn Martim getrunken hatte, wurde er zunehmend ausfällig. Ich fand das nicht schlecht. Dann begleiteten seine abgehackten, deutschen Sätze gerne portugiesische Flüche und Schimpfwörter, von denen ich immer mal wieder einige aufschnappte und selbst davon Gebrauch machte. Ständig hörte man ihn Scheiße und Dreck sagen. Alles war dann maluco. Politiker waren Marionetten irgendwelcher Aristokraten. Ich solle mich doch einmal schlau machen, sagte er. "Über den ersten Weltkrieg beispielsweise.” Die Warburgs seien zwei gerissene Brüder gewesen, die die Banken kontrollierten und während der eine in Deutschland in der Reichsbank gesessen habe und die Kriegstrommel schlug, habe der andere in den USA das gleiche getan. “Max und Moritz, hießen sie oder so”, sagte er. “Max und Paul Warburg!”
“Na, in Ordnung”, sagte ich. Ich hatte deutlich schwerwiegendere Probleme, als zwei Brüder, die einmal die Welt beherrschten. Genau genommen liefen meine Probleme da drüben vor der Theke auf und ab und hin und her und wirbelten von einem Tisch zum nächsten, drehten Pirouetten mit der schwungvollen Eleganz einer Eiskunstläuferin in Tellerrock und ägyptischen Sandalen. Wie ein zarter Vogel, pickte sie in dem klumpigen, schwarzen Portemonnaie nach Wechselgeld und reichte es dem Kunden, während ihre goldenen Haare vors Gesicht fielen und eine Strähne den Herrn am Arm kitzelte. Was für ein Glückspilz dieser alte Mann mit seinem Gehstock und seinem Fedora doch war! Wie gerne säße ich an seiner Stelle! Ihre Haare würden meinen Arm kitzeln und sie wäre so nah, dass ich die Schweißperlen auf ihrer Haut sehen könnte, und sie würde nach Orange und Bergamotte und Zedernholz und Patchouli riechen.

Ich stand auf und drückte mich durch den engen Gang zur Toilette. Der beißende Gestank ließ mich den Atem anhalten, während ich dem Seemann zunickte und mir einen seiner Sprüche einprägte. Ich pinkelte. Dann zog ich die Spülung, wusch meine Hände und spritzte mir etwas Wasser ins Gesicht. Der Figur schüttelte ich die knochigen Finger, die an dem Körper herunterhingen wie vertrocknete Äste an einer Trauerweide. Damit musste ich mich zufriedengeben. Ein Spielzeug, das mit dem Gebiss auf und nieder klapperte und vor sich hin sang.

Minha Guitarra é vaidosa
Mas vaidosa com encanto

“Na, komm, trink noch einen verdammten Schnaps”, hörte ich Martim sagen und er zog erneut die Flasche Beirão 51 aus dem Barschrank. Ich setzte mich wieder hin, schluckte die bittere Pille und träumte weiter davon, hinüber zu gehen und ihr gehörig meine Meinung zu sagen. Dass man so etwas nicht mache, dass wir keine Affen waren, oder Menschen, die in Pariser Vororten wohnten und unter sich blieben. Dass man miteinander kommunizierte. Sich vergab. Gerade wenn der Vater ein anständiger Katholik war. Wo bitte blieben ihre Manieren? Ein katholisches Mädchen müsse wohl der heiligen Kommunion beigewohnt haben. Ihr Vater habe ihr doch sicherlich beigebracht, höflich, zuvorkommend und ohne Sünde zu leben.

“Weißt du, bei uns läuft das anders", unterbrach Martim meine Gedanken. “Homos treffen sich und dann machen sie’s! Wir gucken nicht vorher stundenlang aus dem Fenster und hoffen, erkannt zu werden.”
“Was bleibt mir anderes übrig?”
“Könntest schwul werden.”
“Danke, aber ich verzichte. Glaube, das ist nichts für mich”, sagte ich. “Gib mir doch lieber noch so einen Schnaps.”
Er goss einen weiteren ein.
“Warum gehst du nicht einfach hinüber und sagst ihr, was du willst?”
“Sie könnte mich hassen”, sagte ich.
“Offensichtlich tut sie das ohnehin schon.”
“Ach, da kennst du dich nicht aus, Martim. Es geht hier um Frauen. Manchmal sind sie so. Wie Ebbe und Flut, wie eine Welle, die dich zuerst an den Strand spült, um dich kurz darauf wieder mit ihren Wogen in die Tiefen des Meeres zu ziehen.”
“Na hab ich ein Glück.”
“Natürlich hast du das, Martim.”
“Wir Männer sind dann eher wie Gummibänder”, meinte er. “Man zieht uns langsam auf und irgendwann ist der Bogen überspannt und wir fliegen fort.”
“Und landen irgendwo in einer Kneipe mit einem Homo als Barkeeper.”
“Exakt”, lachte er.

Martim und ich tranken an dem Abend die ganze Flasche. Der letzte Tropfen klebte am Boden der Schnapsgläser. Man hätte mit der Zunge nachhelfen müssen, um ihn zu erreichen.
“Weißt du, Martim, das Zeug schmeckt wirklich scheußlich”, gestand ich.
“Natürlich schmeckt es scheußlich! Aber es macht betrunken.”
Der Schnaps und der abendliche Atlantik-Wind, der langsam durch die Straßen wehte, hauchte mir neuen Mut ein. Selbst der Seemann fing an zu plappern, weil die Tür zur Toilette auf und zu stieß. Ich schlug mit der flachen Hand auf den Tresen, sprang auf und erklärte Martim, dass ich hinübergehen und Dida gehörig die Leviten lesen würde.
Ich sagte: “Scheiße, was soll’s. Dida ist maluco und sie kann mir gar nichts befehlen!”
Martim hielt das für eine gute Idee. Ich zahlte also meine Biere und lief schnurstracks auf das Restaurant zu. Stampfte los wie ein junger Zeus in der Gestalt eines weißen Stieres auf der Suche nach Europa. Von der Straße hatte man einen besseren Überblick als aus dem mit Farblack verschmierten Kneipenfenster. Ich hatte sie auf der Terrasse ausgemacht. Sie stand unter einem Sonnenschirm, rauchte eine Zigarette und zählte Trinkgeld. Ihr Rock flippte von einer Böe nach oben und Geldstücke fielen auf den Boden. Ich sah diese Schenkel. Prächtige Schenkel, deren Haut noch ganz blass war im Vergleich zu ihren Armen. Ihren nackten Hintern konnte ich sehen und ihren String. Sie bückte sich, um die Münzen aufzuheben, petzte die Beine zusammen und richtete sich auf, zupfte den Stoff zurecht. Ich schüttelte die Erinnerung unserer gemeinsamen Nächte ab. Nein, dieses Mal würde ich nicht darauf reinfallen.
Dann hupte ein Auto und ein anderes raste an mir vorbei und kam am Bürgersteig zum Halt. Ein roter Porsche ohne Verdeck. Ich erkannte ihn sofort. Es war ihr Vater. Ich hatte ihn hier schon einige Male zuvor nach dem Rechten schauen gesehen. Er war ein mächtiger Mann, der den Fahrersitz in all seiner Gänze füllte. Ein Samson von Mann, mit lockigen, schwarzen Haaren, der mit seinen bloßen Händen einen Löwen hätte erdrosseln können. Er warf mir einen misstrauischen Blick zu. Hatte sie’s ihm erzählt? In meiner Vorstellung zog er den Autoschlüssel ab und fuchtelte damit vor meiner Nase herum. Es war ein gewaltiges Schwert, damit er mir meinen Kopf von den Schultern schlagen konnte. Und sein Gefährt war kein Porsche, sondern ein gepanzertes Schlachtross in blutverschmiertem Harnisch. Mir stockte der Atem. Ich rührte keinen Fuß mehr. Sah bloß, wie Dida unter dem Schirm hervortrat und auf die Beifahrerseite hüpfte. Für einen kurzen Augenblick drehte sie ihren Kopf zu mir und unsere Blicke trafen sich. Natürlich hatte sie mich erkannt. Ich Vollidiot stand mitten auf der Straße und die anderen Autos umfuhren mich, als sei ich eine Verkehrsinsel. Fahrer schrien mich an. Hupten. Reifen queitschten.
“Wer ist der Kerl?", fragte ihr Vater auf Portugiesisch.
“Ach, bloß ein Verrückter.”
Die Autotür schlug zu. Der Wagen brauste die Boavista runter Richtung Pink Street.

Ich trat den Rückzug an. Martim stand fragend vor der Bar. Ich sagte nichts und schlenderte an ihm vorbei nach Hause. Ein Verrückter. Ein Heide. So hatte sie mich genannt. Verleugnet hatte sie mich, noch ehe der Hahn krähte. Immerhin hatte mir ihr Vater nicht den Kopf abgeschlagen. Die Sonne war bereits hinter den Hochhäusern verschwunden, als ich in meinem Apartment ankam und mich aufs Bett warf. In den Straßen wurden die Laternen eingeschaltet. Ich zog eine Camel aus der Schachtel und dachte nach. Ich beschloss, ich würde nie wieder zu Martim gehen.

 
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Hallo @Jahn van Halen

Dein Text versteht es, seine Stimmung zu vermitteln: Lissabon, eine Bar, der Protagonist, der sich mit portugiesischem Likör betrinkt, die Frau, die auf der anderen Strassenseite im Geschäft ihres Vaters arbeitet, so nah und doch so fern, eine unerreichbare Liebe. Für mich hat sich das Ganze ziemlich stimmig gelesen und Bock gemacht. Allerdings könnte der Text mich noch mehr erreichen, wenn Du einzelne Passagen ausformulierst, also insgesamt etwas weniger tellst, ich mache das gleich mal an ein paar Beispielen fest:

In der Rua Boavista gab es eine spärliche Kneipe mit einem schwulen Barkeeper und einer übel riechenden Toilette.
Hier fände ich es schöner, wenn das mit dem schwulen Barkeeper nicht einfach so direkt gedroppt wird, sondern sich das erst im Verlaufe der Story nach und nach ergibt. Der Prota bezeichnet ihn ja in einem Dialog auch (liebgemeint) als Homo, solche Sachen, davon noch die ein oder andere mehr, muss ja nicht an die grosse Glocke gehängt werden, aber so, dass es bei mir als Leser halt ankommt. Das hier finde ich etwas plump. Dann habe ich mich auch gefragt: Was ist eine spärliche Kneipe? Ist die spartanisch eingerichtet? Gehen da nur wenige Leute hin? Ich fand das Adjektiv nicht wirklich zutreffend für eine Kneipe, weil ich das so noch nie gehört oder gelesen habe. Weiter hätte ich es interessant gefunden, den Namen dieser Bar zu erfahren, da kannst Du ja was typisch Portugiesisches nehmen, es würde für mich die Atmosphäre verdichten, im besten Falle das Bild dieses Lokals schärfen.

Mit Dida und mir verhielt es sich wie bei Sid Vicious und Nancy Spungen. Es war ein ewiges Hin- und Her. Mal putzte sie sich fein raus, beim nächsten Treffen kam sie in Lumpen oder mit langem Wintermantel, mitten im Hochsommer. Mal wollte sie übernachten, ein andermal fuhr sie gleich wieder nach Hause; sie fiel mir um den Hals und im gleichen Moment stieß sie mich fort, kauerte sich trotzig wie ein Kleinkind auf eine Parkbank und rief ein Taxi.
Hier auch, das ist ja eine interessante Dynamik zwischen den beiden, oder zumindest ist ihr Verhalten spannend, aber das ist wiederum einfach runtererzählt, ich würde da den Bogen etwas weiter aufspannen, die einzelnen Sätze vielleicht in kleine Szenen entpacken, das würde sich gut anbieten, ist ja schon alles da. Noch etwas mehr Leben in den Text bringen, die Charaktere schärfen, ich würde gern mehr über sie erfahren. So bleibt v.a. die Frau ja sehr blass, ich verstehe bis am Ende der Geschichte nicht recht, was der Protagonist an ihr findet, was macht sie so interessant für ihn? Wieso beobachtet er sie aus der gegenüberliegenden Bar bei der Arbeit? Er ist eher so der Lebemann, schlägt sich durch, sie scheint ja (durch ihren Vater) einen höheren sozialen Status zu haben, aber ist das (und ihr schöner Körper) alles, warum er sie anhimmelt? Dann weiss ich auch nicht, ob der Vergleich mit Sid und Nancy so treffend ist, da kommt mir sofort irgendein Drogenabfuck in den Sinn, aber so sind die Chars in der Story ja nicht drauf.

Wenn Martim getrunken hatte, wurde er zunehmend ausfällig. Ich fand das nicht schlecht. Dann begleiteten seine abgehackten, deutschen Sätze gerne portugiesische Flüche und Schimpfwörter, von denen ich immer mal wieder einige aufschnappte und selbst davon Gebrauch machte. Ständig hörte man ihn Scheiße und Dreck sagen. Alles war dann maluco. Politiker waren Marionetten irgendwelcher Aristokraten.
Hier finde ich das Tellen weniger auffällig, doch auch der Barkeeper könnte etwas mehr Gesicht vertragen, der ist mir auch insgesamt etwas zu flach, es wäre meiner Meinung nach auch dem Ende zuträglich, wenn ich den Barkeeper als Bezugsperson noch etwas besser kennenlerne, ihn vielleicht sogar etwas gern bekomme, weil der Prota ja dann aufgrund der Frau auch seinen (temporären) Freund verliert, das hätte mehr Impact.

Martim hielt das für eine gute Idee.
Finde ich etwas verschwendetes Potential an der Stelle. Wäre interessanter gewesen, wenn Martim hier abgeraten hätte, wenn er schon so eine Ahung gehabt hätte, dass das nicht gut kommt. Ich lese ihn auch als den Rationaleren, Geerdeteren der beiden, da würde das gut passen und der Prota schwebt halt in anderen Sphären.



Weitere Anmerkungen:

Piratengeschichten auf Portuguisisch
Portugiesisch, oder gibt es da verschiedene Schreibweisen?

Ich saß also auf der Pirsch in der Bar mit meinem schwulen Barkeeper, trank 0,2er Sagres und guckte aus dem Fenster, wie sie ein Tablett mit Pommes frites auf die Terrasse trug, als mir Martim einen Schnaps hin stellte.
Das ist ein Satzungetüm, dass mir eine ganze Reihe an Informationen gibt, aber ich finde es schwer, das beim 'normalen' Lesen sofort auseinandergedröselt zu kriegen. Ich würde zumindest zwei Sätze draus machen für einfachere Konsumierbarkeit. Besonders der unterstrichene Nebensatz ist da irgendwie so zwischengequetscht, den könntest Du aber auch komplett raushauen, denn man weiss als Leser an der Stelle doch bereits, warum der Prota in der Bar ist.

Dass da Gama zweihundert Frauen und Kinder an Bord eines arabischen Handelsschiffes bei lebendigem Leibe verbrannt hatte. Samt Schiff natürlich. Es läge jetzt irgendwo auf dem Grund des Indischen Ozeans, vor der Küste von Calicut.
Vielleicht etwas pingelig, aber wenn das Schiff abgebrannt ist, dann liegt da jetzt kein Wrack mehr, sondern höchstens Trümmer und die dürfte die Strömung eventuell in alle Himmelsrichtungen davongetrieben haben, oder nicht?

Kabeljau und billige Kondome
:D

Genau genommen liefen meine Probleme da drüben vor der Theke auf und ab und hin und her und wirbelten von einem Tisch zum nächsten, drehten Pirouetten mit der schwungvollen Eleganz einer Eiskunstläuferin in Tellerrock und ägyptischen Sandalen.
Wie ein zarter Vogel, pickte sie in dem klumpigen, schwarzen Portemonnaie nach Wechselgeld und reichte es dem Kunden
Das ist mir dann etwas zu drüber. Ja, der Prot schwelgt da für sie, seine Gedanken spielen vielleicht auch etwas verrückt, aber aufgrund der Vergleiche musste ich schmunzeln und war mir ehrlich gesagt nicht mehr so ganz sicher, wie ernst ich das nehmen soll. Ausserdem: Wie gehen Eiskunstläuferin und ägyptische Sandalen zusammen?

und eine Strähne den Herrn am Arm kitzelten
kitzelte

Ihre Haare würden meinen Arm streichen
Für mich fehlt da etwas oder der Begriff ist falsch. Vielleicht Ihre Haare würden meinen Arm berühren?

und sie würde nach Orange und Bergamotte und Zedernholz und Patchouli riechen
Auch sehr dick aufgetragen, eine geballte Wucht an Gerüchen, mir etwas zu viel. Lieber sparsamer damit arbeiten, auch wenn es sich gut liest auf den ersten Blick.

während ich dem Seemann zu nickte und mir einen seiner Sprüche einprägte
zunickte

Der Schnaps und der abendliche Atlantik-Wind, der langsam durch die Straßen schlüpfte
Wind, der durch die Strassen 'schlüpft'? :susp:

Selbst der Seemann fing an zu plappern, weil die Tür zur Toilette auf und zu stieß.
Wer macht denn da die Tür auf und zu? Bisher liest es sich so, als sässe der Prota allein mit dem Barkeeper in dem Lokal.

Stampfte los wie ein junger Zeus in der Gestalt eines weißen Stieres auf der Suche nach Europa.
Hier finde ich es nicht unbedingt drüber, sondern eigentlich ganz passend, denn der Prota hat ordentlich Likör gebechert, da passen solche Vergleiche für mich schon eher.

Ich hatte sie auf der Terrasse ausgemacht.
Klingt gestelzt. Wieso nicht einfach: Ich sah sie auf der Terrasse?

Ich sah diese Schenkel. Prächtige Schenkel, deren Haut noch ganz blass war im Vergleich zu ihren Armen und Beinen.
Da die Schenkel Teil der Beine sind, liest sich das etwas ungelenk.

petzte die Beine zusammen
Die Beine zusammen'petzen'? Noch nie gehört. Petzen bedeutet für mich was gänzlich anderes, aber vielleicht ein regionaler Ausdruck.

Nein, dieses Mal würde ich nicht darauf reinfallen.
Dabei ist er ja schon längst drauf reingefallen, bzw. verfallen :D

Ein roter Porsche ohne Verdeck. Ich erkannte ihn sofort. Es war ihr Vater.
Das hat mich etwas überrascht, also dass der Vater eine solche Karre fährt. Frag mich nicht, vielleicht dachte ich, Katholiken wären bescheidener!

Er war ein mächtiger Mann, der den Fahrersitz in all seiner Gänze füllte. Ein Samson von Mann, mit lockigen, schwarzen Haaren, der mit seinen bloßen Händen einen Löwen erdrosseln könnte.
Auch wieder sehr anschaulich, aber eventuell auch eine Spur zu drüber, trotz Trunkenheit, musst Du mal schauen, ob noch andere Leser so feedbacken. Jedenfalls stimmt für mich hier etwas mit der Zeitform nicht, im zweiten Satz: Das ist ja Vergangenheit, also müsste es meiner Meinung nach lauten Ein Samson von Mann, mit lockigen, schwarzen Haaren, der mit seinen bloßen Händen einen Löwen hätte erdrosseln können.

Er warf mir einen abtrünnigen Blick zu.
Der abtrünnige Blick impliziert, dass der Vater einmal auf der Seite des Protas gewesen ist. Das bezweifle ich allerdings, er erkennt den Prota ja nicht mal.

In meiner Vorstellung zog er den Autoschlüssel ab und fuchtelte damit vor meiner Nase herum. Es war ein gewaltiges Schwert, damit er mir meinen Kopf von den Schultern schlagen konnte. Und sein Gefährt war kein Porsche, sondern ein gepanzertes Schlachtross in blutverschmiertem Harnisch.
Dito, siehe vorvorherige Anmerkung.

Insgesamt habe ich das gerne gelesen, also danke fürs Einstellen! Ich finde, die Stimmung kommt schon ganz gut rüber, aber gerade bei den Charakteren könntest du noch schleifen, allgemein auch etwas mehr Portugal-Flair vielleicht, wie heisst die Bar, wie riechts da, wie siehts da aus, nur ein, zwei Bilder reichen schon, was isst er da etc., solche Sachen. Ansonsten wirkt der Ort zu sehr austauschbar. So bleibt es leider auf den Likör, die Nennung des Strassennamens und den singenden Klabautermann auf der Toilette beschränkt.

Beste Grüsse,
d-m

 

Du einzelne Passagen ausformulierst, also insgesamt etwas weniger tellst, ich mache das gleich mal an ein paar Beispielen fest:

Moin! Erstmal Danke, dass du meine Kurzgeschichte gelesen und kommentiert hast! Ja, da stimme ich dir zu, an einigen Ecken und Kante darf noch ausgebügelt werden. Hab den Text vor zwei Wochen geschrieben, um mal wieder reinzukommen. Hab fast ein Jahr nur Berichte schreiben dürfen und da hatte ich keinen Bock mehr auf meinen eigenen Kram.

Hier fände ich es schöner, wenn das mit dem schwulen Barkeeper nicht einfach so direkt gedroppt wird, sondern sich das erst im Verlaufe der Story nach und nach ergibt.
Hm, ist definitiv eine Überlegung wert. War mir auch nicht ganz sicher, wie sich das Setting so direkt auf den Leser auswirkt. Werd ich drüber nachdenken.

Was ist eine spärliche Kneipe? Ist die spartanisch eingerichtet? Gehen da nur wenige Leute hin?
Yea, spärlich ist wahrscheinlich das falsche Wort. War 'ne sehr kleine Kneipe, eigentlich nur 'ne Bar und zwei Tische. Hast aber recht, denke das streich ich erstmal, bevor die weitere Überarbeitung kommt und ggf. den Anfang komplett abrundet.

im besten Falle das Bild dieses Lokals schärfen.
Auch hier werd ich mir was einfallen lassen. Für ich funktioniert das in dem Falle erstmal. Mal gucken, was andere dazu sagen. Vielleicht ergibt sich dann ein stimmiges Bild mit dem ich arbeiten kann.

Hier auch, das ist ja eine interessante Dynamik zwischen den beiden, oder zumindest ist ihr Verhalten spannend, aber das ist wiederum einfach runtererzählt, ich würde da den Bogen etwas weiter aufspannen, die einzelnen Sätze vielleicht in kleine Szenen entpacken, das würde sich gut anbieten, ist ja schon alles da. Noch etwas mehr Leben in den Text bringen, die Charaktere schärfen, ich würde gern mehr über sie erfahren. So bleibt v.a. die Frau ja sehr blass, ich verstehe bis am Ende der Geschichte nicht recht, was der Protagonist an ihr findet, was macht sie so interessant für ihn? Wieso beobachtet er sie aus der gegenüberliegenden Bar bei der Arbeit? Er ist eher so der Lebemann, schlägt sich durch, sie scheint ja (durch ihren Vater) einen höheren sozialen Status zu haben, aber ist das (und ihr schöner Körper) alles, warum er sie anhimmelt? Dann weiss ich auch nicht, ob der Vergleich mit Sid und Nancy so treffend ist, da kommt mir sofort irgendein Drogenabfuck in den Sinn, aber so sind die Chars in der Story ja nicht drauf.

Got it! Dem Leser wird erstmal nicht richtig klar, was er von ihr überhaupt will, also schon will, aber was ihn gerade anzieht. Da werd ich justieren. Sid und Nancy, ja, haste total recht, (auch wenn sie so eine Göre war, kommt das im Text nicht rüber. :D) Hatte da erst auch was anderes stehen, dann aber doch wieder gestrichen und nach anderen Vergleichen gesucht. Werd sie noch ein bisschen bearbeiten, dass sie nicht ganz so blass rüberkommt. (Dass sie ein bisschen Ton bekommt, schließlich ist's ja schön warm gewesen da drüben.;)) Achtung, gleich zwei Anspielungen, ha!

auch der Barkeeper könnte etwas mehr Gesicht vertragen, der ist mir auch insgesamt etwas zu flach, es wäre meiner Meinung nach auch dem Ende zuträglich, wenn ich den Barkeeper als Bezugsperson noch etwas besser kennenlerne, ihn vielleicht sogar etwas gern bekomme, weil der Prota ja dann aufgrund der Frau auch seinen (temporären) Freund verliert, das hätte mehr Impact.
Hm, ja. Vielleicht geb ich den beiden noch mehr Dialog, das sollte hier bereinigen.

Vielleicht etwas pingelig, aber wenn das Schiff abgebrannt ist, dann liegt da jetzt kein Wrack mehr, sondern höchstens Trümmer und die dürfte die Strömung eventuell in alle Himmelsrichtungen davongetrieben haben, oder nicht?
Hatte das irgendwo gelesen, deshalb steht's da "ähnlich wiedergegeben", aber gekauft. Werd ich nochmal recherchieren und nachbessern.
Finde ich etwas verschwendetes Potential an der Stelle. Wäre interessanter gewesen, wenn Martim hier abgeraten hätte,
Hm, auch hier mehr Dialog. Martim schwenkt um, hält's für keine gute Idee. Will ihm doch abraten. Ja, das is plausibel wenn ich so drüber nachdenke. Danke!
Das ist mir dann etwas zu drüber. Ja, der Prot schwelgt da für sie, seine Gedanken spielen vielleicht auch etwas verrückt, aber aufgrund der Vergleiche musste ich schmunzeln und war mir ehrlich gesagt nicht mehr so ganz sicher, wie ernst ich das nehmen soll. Ausserdem: Wie gehen Eiskunstläuferin und ägyptische Sandalen zusammen?
Puh, ja, ungewollt bisschen dick aufgetragen. Da saßen noch so Fragmente von Arturo Bandini in dem Prot, die vielleicht dann zu gewagt sind. Muss ich mich selbst nochmal fragen, ob das so zum Prot passt. Zur Eiskunstläuferin auf ägyptischen Sandalen ... da muss eins von beiden für ein anderes weichen. Die Szene muss ich mir nochmal im Kopf vorstellen und mich dann fragen, wie mein Prot sich die Szene ausmalt. Wie er sie sieht, wie er reagiert.

kitzelte
gekauft!
Vielleicht Ihre Haare würden meinen Arm berühren?
Vielleicht auch "kitzeln", obwohl das schon vorher steht. Würde aber ja diese Szene verstärken und darf in dem Fall nochmal betont werden.

Auch sehr dick aufgetragen, eine geballte Wucht an Gerüchen, mir etwas zu viel. Lieber sparsamer damit arbeiten, auch wenn es sich gut liest auf den ersten Blick.
Hm, ja, wie oben schon geschrieben, da verfällt der Protagonist in die hoffnungslose Romantik. Ich war da auf den Satz ganz stolz, auch wenn mir bewusst war, dass das eventuell zu dick kommt. Aber dein Leseeindruck zeigt mir ja, was Sache ist. Werd ich definitiv drüber nachdenken.
zunickte
gekauft!

Wind, der durch die Strassen 'schlüpft'?
Wird geändert. Mein Gedanke war sowas wie um die Häuser "schlängelt". Geschlüpft ist mir eingefallen, hab's aufgeschrieben und nie wieder drüber nachgedacht.
Wer macht denn da die Tür auf und zu? Bisher liest es sich so, als sässe der Prota allein mit dem Barkeeper in dem Lokal.
Der Wind, der Wind, das himmliche Kind. Sozusagen! Dachte, das könne man rauslesen. Werd ich überarbeiten, eventuell sogar ganz streichen. Die Figur hat ja seinen Zweck erfüllt in der Passage, dass der Prot sich damit zufriedengeben muss.

Klingt gestelzt. Wieso nicht einfach: Ich sah sie auf der Terrasse?
Denk ich drüber nach!

Da die Schenkel Teil der Beine sind, liest sich das etwas ungelenk.
True! Beine werden gestrichen
Die Beine zusammen'petzen'? Noch nie gehört. Petzen bedeutet für mich was gänzlich anderes, aber vielleicht ein regionaler Ausdruck.
Echt? Dachte, das kennt man so. Dann würd ich es aber mal drin lassen, sehen ob andere noch drüber stolpern und dann ggf. anpassen.
Das hat mich etwas überrascht, also dass der Vater eine solche Karre fährt. Frag mich nicht, vielleicht dachte ich, Katholiken wären bescheidener!
Auch interessant! Also wie du das liest. Ich will jetzt keine Katholiken über den Kamm scheren, aber der Haufen Prunk auf dem die katholische Kirche sitzt ... Da muss ich vielleicht dem Vater noch etwas Gesicht geben. Mein Kopf kennt ja noch mehr Details, die dem Leser nicht preisgegeben werden. Eventuell lasse ich da noch was einfließen.
Ein Samson von Mann, mit lockigen, schwarzen Haaren, der mit seinen bloßen Händen einen Löwen hätte erdrosseln können.
Hast recht, wird verbessert.

Der abtrünnige Blick impliziert,
abtrünnig wird geändert!

Insgesamt habe ich das gerne gelesen, also danke fürs Einstellen! Ich finde, die Stimmung kommt schon ganz gut rüber, aber gerade bei den Charakteren könntest du noch schleifen, allgemein auch etwas mehr Portugal-Flair vielleicht, wie heisst die Bar, wie riechts da, wie siehts da aus, nur ein, zwei Bilder reichen schon, was isst er da etc., solche Sachen. Ansonsten wirkt der Ort zu sehr austauschbar. So bleibt es leider auf den Likör, die Nennung des Strassennamens und den singenden Klabautermann auf der Toilette beschränkt.
Vielen Dank nochmal! Hilft enorm. Werd mich vorallem mit den Figuren nochmal intensiver beschäftigen.

Vergessen:

Portugiesisch, oder gibt es da verschiedene Schreibweisen?
Nein, gibt's nicht! Ist gekauft! Was ein Schnitzer, hehe.

Das ist ein Satzungetüm, dass mir eine ganze Reihe an Informationen gibt, aber ich finde es schwer, das beim 'normalen' Lesen sofort auseinandergedröselt zu kriegen.
Wird gekürzt, bzw. eingeteilt serviert.

Merci!
Jahny

 

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