Was ist neu

Common Cold

Mitglied
Beitritt
10.05.2010
Beiträge
19
Zuletzt bearbeitet:

Common Cold

Ein Klingeln ertönt in der Stille, die selten von einem vorbeifahrenden Schnellzug durchbrochen wird. Die Geräusche der Stadt nimmt er kaum noch wahr. Das Bellen des Nachbarhundes hatte ihn beim Einzug gestört, jetzt denkt er darüber nach sich selbst einen Hund anzuschaffen - eines der vielen Dinge, die er in seinem Leben tun wollte.
Noch im Halbschlaf wankt er in das Badezimmer. Die Klobrille lässt er oben, wen sollte das stören? Nachdem er sich für die Arbeit fertig gemacht hat, verlässt er sein muffiges Apartment in der 63. und macht sich auf den Weg - 10 Minuten Fußmarsch und er wäre da. Nach 15 Minuten erreicht er seinen Arbeitsplatz.

Im hellen Licht erstrahlt seine Anwaltskanzlei, er seufzt, in seinen Träumen ist es perfekt.
Das Fastfood-Restaurant erstrahlt nur im hellen Licht, wenn die Blaulichter der Polizeiwagen mal wieder einen Junkie festnehmen, weil er sich auf den Toiletten einen Schuss gesetzt hat. In 70% der Fällen sind es nicht die Lichter der Polizei. Da er seinen Boss kennt, versucht er sich nicht für die Verspätung zu rechtfertigen. Fünf Minuten sind schließlich fünf Minuten zu viel. Er hat dies oft genug gehört. “Einen Egger Muggin Muffin und eine Cola, zum Mitnehmen.“ Er kann es nicht mehr hören und denkt daran wie oft in den Medien von jemandem berichtet wird, dessen Geschichte mit “...und dann richtete er sich selbst.“ endet. Nach 10 Stunden und 190 Egger Muggin Muffins endet seine Schicht.

Auf dem Weg nach Hause beobachtet er die glänzenden Schneeflocken, er weißt nicht welcher Tag heute ist. Die Straßenlichter flackern und es hört auf zu schneien. Der Schnee knirscht unter seinen Schritten. Am Haus angekommen öffnet er die Haustür, das Licht ist kaputt. Unbeholfen steigt er die Treppen zu seinem Apartment hinauf. Mit einem Ruck öffnet er seine Tür.
Das Erste, was er tut, wenn er nach Hause kommt, ist sich zu waschen und seinen Bademantel anzuziehen. Eigentlich müsste er duschen, aber er hat keine Lust. Am Anfang seiner Karriere als Burgerwender aß er im Restaurant zu Abend. Er geht in die Küche und bereitet sich eine Mikrowellenlasagne zu - die Mikrowelle macht die meiste Arbeit. In sechs Minuten fängt Letterman an, genug Zeit um nichts zu tun.
Ein Klingeln unterbricht sein Leises atmen. Er schreckt auf und nimmt sich eine Dose Cola aus dem Kühlschrank, sein Essen aus der Mikrowelle und geht in sein einziges beheiztes Zimmer. Letterman hat bereits angefangen. Heute ist Joaquin Phoenix zu Gast, er wirkt nicht sehr aufnahmefähig und klebt ein Kaugummi unter den Tisch des Moderators.
Er schmunzelt und zündet sich eine Zigarette an. In der Werbung schaltet er den Ton aus und lauscht der Stille - heute bellt kein Hund. Er ist müde, Letterman ist vorbei, er schaltet den Fernseher aus und legt sich in sein Bett. Aus seinem Bett heraus beobachtet er die Sterne, bevor er einnickt. Als er aufwacht, fröstelt er, hatte er das Fenster auf gelassen? Er reibt sich die Augen. Als er wieder sehen kann, ist er sich nicht sicher, ob er wach ist. In der Ecke steht ein Indianer in Kriegsmontur. Obwohl er sich nie mit den Ureinwohnern Amerikas beschäftigt hat, erkennt er dies an der – wie der Name schon sagt - Kriegsmontur. Der Krieger starrt ins Nichts.
Er erschreckt sich, greift zu dem Baseballschläger, den er sich angeschafft hat, nachdem einige Bandenmitglieder der lokalen Gang halbstarker Teenager versucht haben den Hausmeister zu überfallen. Vor Schrotflinten haben selbst diese Punks Angst.
Er richtet seinen Blick auf die Ecke des Zimmers, doch der Indianer ist verschwunden. Verwirrt überprüft er Türen und Fenster. Jeder hätte sich Zugang verschaffen können, doch sie sind unbeschädigt und verriegelt. Erstmal eine Zigarette, denkt er, und einen Schluck Schnaps. Hatte er phantasiert oder geträumt? Was hat er am Vorabend getrunken? Er finde keine Antwort auf diese Fragen - er schläfelt. Das Summen des Kühlschranks wirkt auf ihn wie ein Schlaflied. Nach Minuten des Nachsinnens schläft er wieder ein und wacht erst am nächsten Morgen auf.

Kein Indianer in Sicht. Er fühlt sich wie einer der Pilger mit den seltsamen Hüten. Kein Indianer in Sicht..und auch kein Truthahn. Er schüttelt den Kopf, immerhin war er nicht duschen, so würden ihn die Kunden zumindest weniger oft nerven. Die Leute mögen keine ungepflegten Penner, auch wenn diese Penner Jobs haben.
Aufgewühlt von seiner nächtlichen Begegnung mit Häuptling Hat-Kein-Zuhause, besucht er weder das Bad, noch die Küche. Auch interessiert er sich nicht für den glänzenden Schnee, der sonst immer das Highlight jedes Weges ist. Erst als sein Boss ihn mal wieder anbrüllt, fällt ihm ein, dass er eine Verantwortung zu tragen hat: wer soll sonst die Burger wenden?
Aber heute hat sein Boss eine ehrenvolle Aufgabe für ihn, nämlich die Kunden zu bedienen. Als er sich nach einer halben Stunde darüber freut, dass noch niemand einen Egger Muggin Muffin bestellt hat, betritt jemand das Lokal: Häuptling Starr-in-die-Luft. Niemand bemerkt ihn. Er erstarrt, während der Indianer Schritt für Schritt auf ihn zu kommt. Der Angemalte starrt in Richtung der Fritteuse. Will er Fritten? Das kann er nicht meinen. Nach einem kurzen Moment der Verwirrung ist der seltsame Gast verschwunden, aber anstelle seines Freundes, steht dort nur noch ein ungeduldiger Kunde, der einen Egger Muggin Muffin, eine kleine Pommes und eine Cola Light bestellt. Nun ist er vollkommen durcheinander und entscheidet sich nach der Arbeit ein Termin bei einem Fachmann zu vereinbaren. Mit einem Therapeuten und nicht mit einem Fachmann für die indigenen Völker Nord-Amerikas. Am besten wäre wohl eine Kombination aus beidem, er seufzt.

Der Therapeut, sein Name ist Dr. Haywood, ist schon lange im Beruf und kennt sich aus. Zumindest sagt das seine Rezeptionistin.
Dr. Haywoods Praxis liegt auf dem Weg zu seiner Arbeit, ihm ist sie nie aufgefallen. Nach einer Stunde im Gespräch, ist sich der Doktor beinahe sicher, dass unerfüllte Wünsche und Träume der Grund für die Halluzinationen sind - beinahe. Er bekommt ein Rezept für ein Medikament und soll eine Tablette vor dem Einschlafen zu sich nehmen, mit viel Wasser natürlich. So einfach ist Psychotherapie. Für's Erste fühlt er sich besser, er musste einfach darüber sprechen. Er geht zu Sam's Liquors, kauft sich eine Flasche billigen Bourbon und geht zu seiner Wohnung in die 63. Straße - der Doktor hat Flüssigkeit gesagt.

Den Abend verbringt er vor dem Fernseher, mit Letterman und seinem Freund Whiskey. Der Nachbarshund bellt, es schneit, alles ist so wie immer. Er schläft ein – kein Indianer in Sicht. Um nicht den ganzen Tag in seinem Apartment zu verbringen, geht er zum Diner an der Ecke. Auf dem Weg kauft er sich eine Tageszeitung. Wenn er nicht gerade arbeitet, mag er Spiegelei, Bacon und Toast. Er bestellt sein Essen und schlägt die Zeitung auf. “Nord-Korea droht mit Atomkrieg.“ Während er sein Essen genießt, fällt ihm ein Mann an der Theke auf, der ihn beobachtet. Er ignoriert ihn. Nach der Mahlzeit und dem Kaffee sieht er, dass der Mann ihn noch immer anstarrt.
“Kann ich Ihnen helfen?“ fragt er schroff.
“Sehr wohl, ich bin Reporter, ich... entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit, mein Name ist Eldrigde Leblanc und ich arbeite für eine regionale Zeitung.“
“...und was habe ich damit zu tun?“ fragt er und lehnt sich zurück.
“Nunja, es ist mein Jobs Stories zu wittern und sie sehen aus, als hätten sie eine bewegte Geschichte.“
“Nein, das habe ich nicht.“ antwortet er, bezahlt das Essen, gibt der Kellnerin Trinkgeld und verlässt das Diner.
Nach ein paar Schritten fällt ihm ein, dass ihm sehr wohl etwas interessantes, wenn auch seltsames, widerfahren ist. Was könne schon schiefgehen? Er dreht sich um, wirft einen Blick ins Diner. Mr. Leblanc sieht ihn enttäuscht an. Erneut betritt er das Diner, Mr. Leblanc lächelt. Sie bestellen sich Kaffee und er erzählt ihm seine Geschichte.
“Interessant, interessant, und es ist immer ein Indianer?“
“Ja, immer.“
“Ein Indianer wie aus einem Western oder wie ein historischer Indianer?“
“Was ist ein historischer Indianer?“
“Schon gut, aber er spricht kein Wort?“
“Kein Wort.“
“Wenn er spricht, möchte ich der erste sein, der davon erfährt. Nennen sie mich Eldridge, das hier ist meine Nummer...“ sagt Eldridge und schreibt seine Nummer auf einen Zettel.
Eldridge steht auf und verlässt das Lokal. Warum interessiert er sich für seine Geschichte? Er verlässt ebenfalls das Diner. Die Straßenlaternen flackern, in diesem Teil der Stadt ändert sich selten etwas. Wenigstens hat der Hausmeister die Lichter im Hausflur repariert.

Zuhause angekommen, trinkt er sich eine kühle Dose Bier, während er darüber nachdenkt, ob er sich eher einen kleinen oder einen großen Hund anschaffen möchte. Ginsberg wäre ein schöner Name. Der Abend vergeht für ihn langsam und er wird nicht müde. Er versucht sich abzulenken und liest ein Buch, es langweilt ihn.
Das Klingeln des Telefons durchbricht die Stille. Er nimmt den Hörer ab, es ist Eldridge.
“Hey, ich wollte nur fragen wie es Ihnen geht? Neuigkeiten vom Häuptling?“
“Nein, aber ich habe auch noch nicht geschlafen.“ antwortet er.
“Waren Sie mal beim Arzt, ich meine, bei einem richtigen Arzt?“ sagt er in einem ernsten Ton.
“Noch nicht..noch nicht. Ich gehe spazieren, vielleicht in den Park. Danke für ihre Sorge.“ sagt er und legt den Hörer auf, noch bevor Eldridge antworten kann.
Schon am Tage hatte es angefangen stark zu schneien. Deshalb zieht er sich seine Winterjacke, seinen Schal, seine Mütze und seine Handschuhe. Für den Weg ein paar Zigaretten und einen Flachmann, den er sich für soeine Situation angeschafft hat. Der Schnee peitscht ihm ins Gesicht, er sieht kaum etwas, trotzdem geht er weiter. In der Ferne bemerkt er eine Bewegung. Was ist es?
Eine Schlange, hier? Sie schlängelt sich durch den Schnee, als wäre er Sand. Er folgt ihr, als er den Kopf hebt, weiß er, dass er sich mittlerweile im Park befindet. Die Schlange ist verschwunden. Er zündet sich eine Zigarette an, nimmt einen Schluck Bourbon und setzt sich auf eine nahegelegene Bank. Wenigstens hat er nun genug Stoff für Eldridge. Es hört nicht auf zu schneien und es wird kälter. Er friert, aber es ist ihm egal. Nach einiger Zeit, er weiß nicht für wie lange er dort bereits sitzt, kann er sich kaum noch bewegen. Seine Glieder schmerzen und seine Augen kann er kaum noch öffnen. Er zittert, ihm Gegenüber nimmt er eine Bewegung wahr. Es ist verschwommen. Jemand setzt sich auf eine Bank, er erkennt nicht was die Person dort tut. Er möchte um Hilfe rufen, doch er bringt keinen Laut hervor. Die Person nimmt einen Zug von einem Glimmstängel und in seiner anderen Hand hält er etwas Silbernes.
Er sieht nichts mehr, er fühlt die Kälte kaum noch - er ist starr. Warum hilft er ihm nicht?

Am anderen Ende der Stadt sitzt Eldridge vor dem Fernseher und schaut sich die Wiederholung von Letterman an. Dazu isst er Kekse und trinkt eine heisse Schokolade, seine Frau kommt aus dem Bad und setzt sich zu ihm.
“Was hast du heute erlebt?“ fragt ihn seine Frau.
“Ich habe einen seltsamen Kerl kennengelernt, der sagt er habe Visionen von einem Indianer.“
“Einem Indianer?“
“Was sagt er?“
“Nichts.“
“Glaubst du ihm?“
“Ich weiß nicht.“ sagt Eldridge und tunkt einen Keks in seinen Kakao.

 

Habe leider nicht oft Zeit mich hier einzuloggen, aber schreiben kann man immerhin auch Offline ;)
Werde hoffentlich gleich noch dazukommen endlich ein paar Geschichten mehr von euch lesen zu können.

Schöne Grüße

 

Hallo RJames,

das hier gefällt mir schon besser (als mamapapa). Schön geschriebene Geschichte.

Der erste Teil, bis zum ersten Auftauchen und Verschwinden des Indianers ist ein bisschen lang geworden, aber sprachlich gut zu lesen.
Da gibts nen Fehler am Ende des Teils, wo er ein Schläfelt...

Dann fängts an aufzulockern, aber man weiß nicht wohin die Reise geht: sprachlich bereitet man sich auf ein abenteuer vor.
Bildlich sehe ich nur Bilder, wie in diesen surrealen Filmen von durchgeknallten Amiregisseuren.
das is nicht schlecht, aber auch nicht richtig der Hammer. Das ist so: ich weiß auch nicht.

Manche Sätze foppen die Atmosphäre, weil sie so klassenheftmäßig sind.
Aber eigentlich mag ich das schlichte Vor-Sich-Hin-Erzählen.

Gruß, s.

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom