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Döner-Debut
Dann doch lieber einen Döner, der soll ja die wenigsten Kalorien haben und durch den ganzen Salatkram auch relativ gesund sein, für Fastfood, dachte er. OK, dazu ein Bier, das gleicht das ganze dann wieder aus. Er öffnete die Glastür, er hasste es in diese unübersichtlichen Gastro-Stuben zu kommen und sich unauffällig von der Situation ein möglichst genaues Bild zu machen. Dazu das helle Licht in dem jedem anzusehen war dass er aus der Gruft oder der Kneipe kam.
Er stellte sich also vor den Tresen und tat so als würde er die von hinten beleuchtete Tafel lesen und überlegen was er denn nun nehmen würde, und um nicht ganz zu schroff und einfallslos auf den Mann hinter dem Tresen zu wirken, bevor er dann doch den Puten-Döner bestellte. Der Mann lächelte unterwürfig und drehte sich dann um und bevor er mit dem elektrischen Messer die Streifen von dem aufgespiessten Fleischberg säbelte, packte er ein Sesamweißbrot in einen schmutzig angelaufenen Metallofen.
Das war jetzt diese lästige Zeit, man wartete, überlegte ob man mit dem Mann Konversation machen sollte und damit wie ein Insider, wie einer der dazu gehört zu wirken, der quasi Stammkundschaft ist, oder verzieht man sich an die Seite und hofft nicht angesprochen zu werden. Und dazu wusste er nicht ob das so gut war; wie ein Insider zu erscheinen, das stellte ja in gewisser Hinsicht dar dass er oft hier aß, und das bei seiner Figur.
Auf der anderen Seite war es ganz gut diese Art schwerelosen Zustand zum Nachdenken zu nutzen. Zwar war es verkrampfter, als mit Musik und so über die Strassen zu laufen und dabei nachzudenken, doch gab es hier die Erlaubnis, hier so seine Zeit zu verbringen, weil man wartete. Und man konnte schön aus dem Fenster schauen und dem Rennen der Leute zusehen, und nachdenken.
Das tat er jetzt und fragte sich die ganze Zeit über, ob sie es ernst gemeint hatte. Weil es für ihn die ganze Zeit den Anschein hatte, dass sie es ähnlich locker und unverbindlich sah wie er. Nun, wenn das ernst gemeint war dann musste er überlegen, immerhin war er lange nicht mehr mit jemandem zusammen gewesen. Zusammengewesen - wie sich das anhört, zwar nicht ganz so schlimm wie miteinander gegangen, doch in der gleichen Liga., dachte er unaufgeregt.
Ich bin jetzt mit ihm zusammen- Ich war mal ne zeit mit ihm zusammen.
Das erinnerte ihn immer unwillkürlich an Gespräche unter Lehramtsstudentinnen mit Ambitionen zum gutsituiertem Ernährer ihrer unehelichen 1,4 Kinder.
Karsten öffnete seine Dose Bier und nahm einen Schluck.
„Mit alles und scharf?“ fragte der Mann hinter dem Tresen.
Karsten sagte dem, dass er es nicht so scharf wollte, doch der Mann verstand das Gegenteil und Karsten fand sich damit ab noch eine zweite Dose Bier bestellen zu müssen, damit er den Döner essen konnte.
Er nahm den Teller entgegen und stellte sich wieder and seinen Bistrotisch und biss in Gedanken ab. Noch ging es mit der Schärfe, obwohl die scharfe Soße war ja immer zum Schluss kurz vor dem Tzaziki auf das Fleisch kommt. Er wartete ab, ob da nicht vielleicht im Nachgeschmack etwas quälen sollte und biss wagemutig ein zweites Mal ab, wonach er dann sofort den Döner auf den Teller legte und als er fertig gekaut und heruntergeschluckt hatte, nahm er lindernd einige kräftige Schlucke aus seiner Dose Astra.
Das gab ihm wieder Gelegenheit Pause zum Nachdenken zu machen. Sie hatte ihm gesagt, dass sie nicht so eine wäre, eine die mit jedem am ersten Abend...und so weiter... Doch bei ihm war es wohl was Besonderes, hatte sie ihm gesagt. Und dann noch Robin Gibb’s „Juliet“ im Hinterkopf, sauber, dachte er.
Sie war bis vor einiger Zeit die Freundin von einem wirklich gutem Freund von ihm gewesen, und er kam sich vor wie eine Art Ehebrecher, obwohl das Schwachsinn war. Immerhin gingen sie fast ein halbes Jahr getrennt. Doch Karsten wusste wie sein Freund immer noch unter der Trennung litt und das macht die Sache nicht einfacher. Die Tatsache dass er sich dann ein ums andere Mal bei ihm Luft verschaffte und sie gemeinsam Pläne schmiedeten wie die Sache umgekehrt werden könnte, machte ihn nämlich damit doch zu einer Art Ehebrecher, da konnte er sich nichts vormachen.
Verschlimmern konnte er die Sache wohl nur, wenn er ihm sagte dass das wirklich nur ein Abenteuer, ein Fick gewesen sei, doch dass würde genau das Gegenteil von dem bewirken was er ausdrücken wollte.
Er biss also ein nächstes Mal ab und beschloss die Sache doch erst mal , zumindest vor ihm geheim zu halten, der Rest würde sich ergeben. Karsten wusste ja schließlich selber nicht einmal ob es vielleicht doch eine gute Sache wäre mit ihr zusammen zu kommen, er hatte ihr beim Abschied versichert, dass er sich einen Kopf über die Situation machen würde, da die verzwickte Situation natürlich nicht nur für die beiden eine Bürde darstellte, sondern auch für alle die mit Schmidtl, ihr und Karsten befreundet waren.
Karsten dachte daran wie sich das alles entwickelt hatte, die gesamte Geschichte ist doch im nachhinein durch Ironien und konstruierte Zufälligkeiten geprägt, dachte er jetzt.
Wie kam es denn dazu dass Pippi und er sich auf einmal allein auf dem Balkon befanden, auf einer Feier zum Geburtstag ausgerechnet von Schmidtl, und auf dessen Balkon. Sie hatten getanzt ja klar, jede mit jedem und das ist ja immer ganz schön, gerade wenn man allein ist und schon fast vergessen hat wie sich so ein weicher Körper anfühlt, den man dann unauffällig natürlich irgendwo unauffällig berührt und so.
Und dann? Man war noch gar nicht richtig betrunken, da merkte man schon wie die Blicke der Anderen immer zweideutiger wurden und die Frotzeleien zunahmen und dann, wenn man vom Klo kam, bereitwillig immer zufällig neben der selben, Platz gemacht wurde. Man war zwar nicht blöd, wusste was die wollten und irgendwann nervte es auch nicht mehr, im Gegenteil. Man ging auf das Spiel ein.
Karsten sah aus dem Fenster eine Gruppe junger Halbstarker auf den Imbiss zusteuern und war froh seinen Döner so gut wie auf zu haben. Den Rest seiner zweiten Dose Astra konnte er auch auf dem Weg trinken.
Er hatte im Prinzip nichts gegen diese Halbstarken, die waren doch auch nicht anders als er damals, wobei er nie einer der Krakeeler war, nur konnte es mitunter ganz schön anstrengend und laut werden wenn die sich gegenseitig hochschaukelten, dachte er.
So wischte er sich den Mund noch mit der Serviette ab, stellte den leeren Teller
auf den Tresen und nickte dem Mann dahinter halb erleichtert, halb mitleidig zum Abschied zu.