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Damals
Ich sitze hier grade und sieze Sie, dabei kennen wir uns schon seit Jahren. Früher haben wir uns noch geduzt, irgendwie kam sie mir da auch bekannter vor. Naja, es scheint als wäre es nun Vergangenheit. Ich überprüfe das. Es stimmt. Kein Wunder, so ist das schließlich mit der Zeit, zumindest für mich. Wie dem auch sei, jetzt siezen wir uns wieder und tauschen Belangloses aus. Ob sie sich noch daran erinnert wie es war, ich meine, in den Tagen der gegenseitigen Vertrautheit.
Ich traue mich nicht zu fragen, stattdessen erzähle ich aus meiner Kindheit, ohne aufzublicken, das Erstbeste, das mir einfällt: "Naja, damals ich war noch nicht zehn..." Sie blickt auf, verdutzt, und mir wird klar, dass ich Unsinn reden muss, doch in meinen Ohren klingt alles vernünftig. "... ich war ganz verrückt nach dieser Schaukel, wie Kinder halt so sind. Sie war aus Holz, zumindest die Sitzfläche, äh, die Ketten natürlich nicht." Ich lächle, um die Situation aufzulockern. "...und regelmäßig bohrten sich mir Splitter in die Beine, wenn ich dort mit kurzen Hosen spielte." Sie blickt mich weiter an, versteht nicht worauf ich hinaus will. "Naja, meine Mutter hat mir dann irgendwann verboten zu schaukeln. Zu erst war ich wütend, aber dann wurde ich älter und habe sie schließlich vergessen, also die Schaukel, dieses alte Ding, das mich damals viele Stunden unterhalten hat, als Kind." Ich weiss jetzt auch nicht mehr, warum ich das erzählt habe. Vermutlich aus Not, um keine unangenehme Gesprächspause entstehen zu lassen. Die Verlegenheit ist jetzt noch größer, das Schweigen gedehnter.
Was will er mir damit sagen, fragt sie sich wohl gerade. "Ja, äh, als Kind erlebt man viel, nicht wahr?" Auch ihr ist die Stille unangenehm. Ich möchte wieder "Du" zu ihr sagen, aber diese Zeiten sind wohl vorbei.