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Damals

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10.04.2020
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Damals

Der Motor meines Wagens brummt monoton, fast schon melancholisch vor sich her. Der Regen prasselt auf das Dach, läuft an den Scheiben herunter. In stetigem Tempo fahre ich dem Ende einer Geschichte entgegen, die gar nie angefangen hat. Nie anfangen durfte.

Heute ist der glücklichste Tag ihres Lebens und gleichzeitig mein traurigster. Wie Ying und Yang. Schwarz und Weiss.

Die Ampel wechselt auf Rot. Ungeduldig fahre ich mit den Fingern über das Steuerrad, wünsche mir, dass alles schon vorbei wäre.

Als ich sie vor sieben Jahren zum ersten Mal sah, wusste ich, dass wir uns verstehen würden. Doch nie hätte ich gedacht, welche Bedeutung sie eines Tages für mich haben würde.

Es wird grün und ich trete auf das Gaspedal. Es regnet noch stärker als zuvor.

An die berüchtigte «Liebe des Lebens» glaubte ich nie. Solcher Kitsch war nie mein Ding. Distanziert, objektiv, fast schon kalt. So ging ich durchs Leben. Vom einen Tag lebte ich in den andern, an Frauen und neuen Abenteuern mangelte es mir nie. Jahrelang dachte ich immer, ich wechselte meine Partnerinnen nur so häufig, weil ich es eben konnte. Doch der Grund war sie. Keine war wie sie. Keine brachte mich so sehr zum Lachen, dass ich grunzte. Keine brachte mein Herz so sehr zum Schlagen oder meine Augen so zum Blitzen, wie sie es tat. Ich dachte, dass ich das, was ich für sie fühlte, rasch wiederfinden würde. Wie falsch ich lag, merke ich erst jetzt, in diesem Auto, an diesem regnerischen Tag.

Von Weitem sehe ich das steinerne Gebilde. Hoch auf dem Hügel ragend, schon fast monströs. Die Fenster sehen aus wie Augen, die mich anstarren. Die Türe, wie ein hämisch lachender Mund. Den Klos in meinem Hals schlucke ich herunter, konzentriere mich auf die unebene Strasse vor mir.

Oft brachte sie mich mit ihrem Temperament auch zur Weissglut. Doch meine Liebe für sie liess mich ihr jedes Mal aufs neue verzeihen. Unzertrennlich. Bedingungslos. Unkaputtbar. Mit ihr genoss ich sogar die tristen, wütenden und hoffnungslosen Momente. Mit ihr erst lernte ich, wie es sich anfühlt zu leben.

Jahre vergingen und ich fand hier und da vermeintliche Seelenverwandte, dachte jedes Mal «sie ist die Eine». Doch wanderten meine Gedanken jedes Mal wieder zu ihr.

Über einem Glass Whisky gestand sie mir dann eines Abends, dass sie «damals» Gefühle für mich gehabt habe.

«Damals».

Solch ein relativer Begriff. Wie lange dauerte «damals»? Wieviel bedeutete «damals»? Was ist noch übrig von "damals"?

All das fragte ich mich, doch nicht sie. Sagte ihr nur, dass ich «damals» genauso empfand. Wir lachten bloss und redeten nie wieder darüber.

So verging die Zeit und ehe ich mich versah, befand ich mich in diesem Auto, in dem ich jetzt sitze. Die einzige Frau, die ich jemals aufrichtig und bedingungslos geliebt habe, ist glücklich. Glücklich ohne mich. So glücklich, dass sie beschlossen hat, zu heiraten.

Den Wagen parkiere ich auf dem kiesbegossenen Parkplatz, nehme mir noch einen Moment Zeit. Ich erinnere mich an ein Gespräch, dass wir vor Monaten hatten.

An diesem einen Abend nahmen wir die Musik nur noch als dumpfes Brummen in unseren vom Alkohol betäubten Ohren wahr, als sie sich zu mir in die gemietete Lounge begab. Nippend an etwas Hochprozentigem sah sie mich an, mit ihren rehbraunen Augen. Fast so, als Blicke sie in mich. Ermutigt von dem Whisky in meiner Hand sprach ich an, was mich so manche Nacht wachgehalten hatte:

«Ich frage mich oft, wo wir jetzt wären, hätte sich «damals» jemand von uns was getraut».

Sie schaute mich nur an und für einen Moment vermutete ich, dass sie mich gar nicht gehört hatte, war schon fast froh.

Ihr Gesicht nahm nachdenkliche Züge an. «Wenn du zurückgehen könntest…nach «damals»…» begann sie schliesslich, zögerte und blickte mich unsicher an. «Würdest du was ändern?» Nervös nahm sie einen Schluck aus ihrem Glas.

«Ich würde mir das, was wir beinahe hatten, nicht ein zweites Mal entgehen lassen. Ich würde alles dafür geben, dass es funktioniert. Nichts getan zu haben, ist die einzige Entscheidung in meinem Leben, die ich bereue. Denn immer, wenn ich dich mit ihm sehe freue ich mich zwar, da ich sehe, dass du glücklich bist. Gleichzeitig reisst es mir das Herz heraus, denn das wäre mein Platz gewesen. Den, den er jetzt belegt. Es fühlt sich an, als stünde ich im Regen vor einer Haustür. Einer Tür, die in ein warmes Zuhause führt. In unser Zuhause. Durch das Fenster neben der Tür fällt schwaches Licht und ich höre Menschen lachen und reden, die gemeinsame Zeit geniessen. Aber ich bin nicht dabei. Ich bin zu spät. Niemand vermisst mich. Ich fehle nicht. Mein Platz ist bereits belegt. Ich stehe draussen und spüre wie mir der kalte Regen auf den Kopf prasselt, den Rücken hinunterläuft. Ich friere und es ist meine Schuld, ganz allein meine. Es war ein Fehler, «damals» nicht einfach anzuklopfen, an dieser Tür. Also ja, verdammt, ich würde zurückgehen und alles ändern. Ich würde dir sagen, was ich für dich empfinde und wir würden es versuchen. Ich würde dir die Welt zu Füssen legen und dir jeden einzelnen Stern, den du Nachts so fasziniert am Himmel betrachtest, einzeln zu dir auf die Erde holen. Meine Sterne, mein Universum, fände ich in deinen Augen wieder, denn du wärst meine Welt und ich deine, bis wir zu einer verschmelzen würden, für ewig. Du bist das Teil, dass in mir fehlt, verantwortlich für die klaffende Leere in mir, wenn ich nachts in meinem Bett liege und durch mein Fenster in den Himmel starre, mein Universum dort zu finden versuche, weil du nicht neben mir liegst und ich dir nicht in die Augen blicken kann.»


Doch das sagte ich ihr nicht. Ein innerer Monolog, den sie niemals zu Ohren bekommen würde. Stattdessen sagte ich knapp:

«Nein, ich glaube nicht», raffte mich von meinem Sitz auf und schwankte zur Bar, wo ich mir den zigsten Drink bestellte, in dem ich meine Reue zu ertränken versuchte.


Die Erinnerung vertreibe ich aus meinem Gedächtnis, schnappe mir meine Jacke vom Beifahrersitz und steige aus. Einige andere Gäste sind schon da, als ich die wohl schwersten Schritte meines Lebens gehe. Ich stehe vor dieser grossen Tür, sehe sie lachend in seinem Arm, während mir der kalte Regen auf den Kopf prasselt und den Rücken hinunterläuft.

 

Hallo und herzlich willkommen auf wortkrieger, Leaf :)
Also für deine erste Geschichte, ist es wirklich nicht schlecht, was du da für uns fabriziert hast. Eine kleine, melancholische Liebesgeschichte. Gefühle die man aus dem Leben kennt. Unausgesprochene Gedanken bleiben uns wohl am längsten in Erinnerung. Fangen wir mal grammatikalisch an. (Da konnte ich übrigens nicht all zu viel finden. Sehr schön.) Kann es sein, dass du nicht in Deutschland lebst? Dachte anfangs, es wären Schreibfehler, aber du benutzt demonstrativ kein einziges "ß" in deinem Text:D nur Doppel S. Naja habe es trotzdem mal mit markiert, falls du es ändern möchtest.

Klos in meinem Hals
Kloß
die unebene Strasse
Straße
mit ihrem Temperament auch zur Weissglut
Weißglut
Doch meine Liebe für sie liess
ließ
wie es sich anfühlt zu leben.
Komma nach anfühlt
Über einem Glass Whisky
Glas
Wir lachten bloss und redeten nie wieder darüber.
bloß
Nippend an etwas Hochprozentigem sah sie
Komma nach Hochprozentigem glaube ich
Fast so, als Blicke sie
blicke (klein)
«Wenn du zurückgehen könntest…nach «damals»…» begann sie schliesslich
1. schließlich
2. da du die Doppelpfeile schon für die wörtliche Rede benutzt, würde ich die Pfeile um "damals" wegnehmen. Würde das Wort vielleicht auch gar nicht markieren. (Ist der Titel der Geschichte, ich weiß^^ aber das muss nicht sein.
wenn ich dich mit ihm sehe freue ich mich zwar
Komma nach sehe
Gleichzeitig reisst es mir das Herz
reißt
Ich stehe draussen und spüre wie mir der kalte Regen auf den Kopf prasselt
draußen
Ich würde dir die Welt zu Füssen legen
Füßen
Ich stehe vor dieser grossen Tür, sehe sie lachend in seinem Arm
großen

Soo das war es meinetwegen mit der Rechtschreibung. Jetzt zu Begrifflichkeiten:

Der Regen prasselt auf das Dach,
Ich habe ein Problem mit prasseln. Nicht wegen des Wortes selbst, (mag das Wort prasseln sehr:D) aber du benutzt es drei mal in deinem Text und zwar hier
Ich stehe draussen und spüre wie mir der kalte Regen auf den Kopf prasselt
und nochmal hier
während mir der kalte Regen auf den Kopf prasselt
merkst du selbst, dass es zwei mal der gleiche Satz ist. Davon abgesehen finde ich den Schlussatz eigentlich sehr schön. Bloß den zuvor genannten würde ich komplett rausnehmen. Dir fällt doch bestimmt auch noch für den ersten Satz ein schönes Synonym für prasseln ein oder?:) vielleicht trommeln?
Die Ampel wechselt auf Rot. Ungeduldig fahre ich mit den Fingern
mag das verb "fahre" nicht. musste kurz stutzen, weil ich dachte er fährt jetzt bei Rot los. vielleicht lieber "streife"?
Jahre vergingen und ich fand hier und da vermeintliche Seelenverwandte, dachte jedes Mal «sie ist die Eine». Doch wanderten meine Gedanken jedes Mal wieder zu ihr.
Ich will ehrlich sein (ich will dir damit auf keinen Fall deine Geschichte schlecht machen, denn sie ist ja ganz solide, für das, was sie sein will) aber an dieser Stelle dachte ich mir, oh mein Gott. In was für eine Schnulze bin hier geraten^^ Ich finde den Satz per se nicht schlimm, aber dein prot himmelt seine Geliebte schon die letzten vier/fünf Absätze an. Es muss nicht immer alles hübsch und wunderschön an der Liebe seines Lebens gewesen sein. Ich wäre auch glücklich, wenn dein prot mir zum beispiel verraten würde, was er an ihr hasst oder nicht leiden kann. Dass er sie trotz dieser Makel dann liebt, würde mich mehr von seinen Gefühlen überzeugen. (nur als Beispiel)
An diesem einen Abend nahmen wir die Musik nur noch als dumpfes Brummen
Diese Lovestory ist erfüllt von zwei Dingen: prasseln und Brummen:D (Brummen hast du schon am Anfang bei dem Wagenmotor erwähnt. Würde hier ein anderes Wort benutzen.)
jeden einzelnen Stern, den du Nachts so fasziniert am Himmel betrachtest, einzeln zu dir auf die Erde holen
unschöne Dopplung von einzelnen und einzeln
Allgemein fand ich den kompletten Absatz nicht so schön. Auch hier wieder sehr schnulzig (soll er ja auch sein, versteh mich nicht falsch) und definitiv zu lang. Ich dachte mir beim Lesen der ersten vier Sätze, dieses Absatzes: Das hat er nicht zu ihr gesagt. Das war ein innerer Monolog. Bloß der Absatz geht eben noch gefühlt 35 Sätze so weiter. Da war der große Twist am Ende dann leider nicht mehr soo überwältigend für mich. Aber vielleicht gibt es Leser, die da anders denken als ich.
Und ich möchte nochmal auf deinen Schlusssatz eingehen, den fand ich nämlich wirklich richtig schön:
Ich stehe vor dieser grossen Tür, sehe sie lachend in seinem Arm, während mir der kalte Regen auf den Kopf prasselt und den Rücken hinunterläuft.
das mit dem kalt den Rücken hinunterlaufen mag ich sehr.

Alles in allem in Ordnung. Wie gesagt, ich würde deine Geschichte etwas verknappen. Und es muss nicht alles an dieser Person (seiner Geliebten) durch die rosarote Brille erzählt werden, damit ich überzeugt davon bin, dass dieser Mann (oder diese Frau.. who knows) unsterblich verliebt ist. Hoffe man hört hier noch mehr von dir. In diesem Sinne,
LG HerrSperling

 

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