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Das apokalyptische Ende einer unendlichen Zeitschleife

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02.11.2001
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Das apokalyptische Ende einer unendlichen Zeitschleife

Das apokalyptische Ende einer unendlichen Zeitschleife

Der Wind fegt die ersten Blätter durch die Gassen und Strassen von Paris. Der Himmel ist bewölkt und nach einigen Wochen unerträglicher Hitze wird es merklich kühler und angenehmer draußen.
Ich war in der Rue de Rivoli einkaufen gewesen und gehe langsam über die Brücke Pont Neuf. Links von mir, im Dunst der nachlassenden Sommerhitze ragen die Zwillingstürme der Notre Dame über die Dächer der Ile de Cité, rechts kann man den Eiffelturm schlank über den Dächern und Baumwipfeln sehen, und die Abenddämmerung spiegelte sich in den kräuselnden Wellen der Seine. Langsam stapfe ich die Rue Dauphine hinunter zum Cafe Buci. Um mich herum wuseln Autos, Touristen, Einheimische und Ex-Patriots wie ich, und manchmal kommt es mir vor, als ob Paris ein riesiger plattgedrückter Bienenstock ist.

Ich frag mich, wie ich später über meinen Aufenthalt in Paris denken werde. Erste Frage: werde ich noch hier sein, also längerfristig in Paris wohnen (durchaus möglich). Zweite Frage: wenn ich wieder nach Deutschland zurückkehren sollte, werde ich das Gefühl haben, Paris ausreichend genossen zu haben (wahrscheinlich nicht)?
Ich bestelle mir ein Bier, obwohl ich weiß, dass das Bier hier im Buci mit Abstand das teuerste Bier in Paris ist. Ich bin durstig, habe aber keine Lust, noch zusätzlich eine ‚Caraff D’eau zu bestellen, denn Wasser langweilt mich. Der Kellner spricht leidlich Englisch und reicht mir die Rechnung (8,70€). Ich zahle gleich, denn im Buci kann es eine Weile dauern, bis der Kellner wiederkommt, und ich möchte unabhängig sein – frei zu gehen, wann immer ich will. Links und rechts von mir sitzen Einheimische oder Touristen, Zeitung lesend oder Paris-Führer studierend. Ich schaue mir eine Weile die Menschenströme an, die am Cafe vorbeiflanieren. Paris ist seit Jahrzehnten, vielleicht sogar Jahrhunderten, ein Ziel von Touristen aus aller Welt. Wie viele Touristen mögen hier schon am Café Buci vorbeigezogen sein – wie viele werden in der Zukunft noch hier vorbeiziehen?

Vor mir nimmt eine große Familie Platz, die mit vielen Kameras bestückt ist. Während sie ihren Kaffee trinken, was alles in allem 15 Minuten dauert, machen sie insgesamt fast 20 Fotos, da jeder einmal mit im Bild sein soll, und zur Sicherheit machen sie gleich mehre Aufnahmen von der selben Zusammenstellung.
Ich habe während meiner gesamten Zeit hier noch fast keine Fotos gemacht. Was nehme ich mit in die Zukunft, welche Erinnerungen werde ich haben? Welche Beweise, wie zum Beispiel Fotos oder Eintrittskarten werde ich haben? Aus vergangenen Urlauben habe ich gelernt, dass ich sehr gerne Fotos oder Reisetagebücher anschaue, da ich ein sehr schlechtes Langzeitgedächtnis für Details habe. Bisher habe ich nichts dergleichen in Paris gesammelt oder aufgehoben. Warum stelle ich mir solche Erinnerungen nicht zusammen? Warum führe ich nicht Buch darüber, was ich in Paris erlebe? Warum schreibe ich mir nicht zumindest ein paar von den Stationen, die ich sehe, auf? Ich handele. Von der Bar hole ich mir einen Block Papier und einen Kugelschreiber, wie ihn die Kellner hier haben. Von jetzt an werde ich mir aufschreiben, was ich in Paris gemacht und gesehen habe und ich werde gleich jetzt damit anfangen. Aber zuerst bestelle ich mich noch ein neues Bier, da ich sehr durstig bin.
Während das Bier gezapft wird, was erstaunlich lange dauert, denke ich darüber nach, was mich in 30 Jahren vielleicht mal interessieren könnte. Was würde ich mir gerne durchlesen, noch mal ‚erleben’ wollen?

Was wäre, denke ich plötzlich, wenn es in 30 Jahre eine Zeitmaschine gäbe? Ich wäre 61 Jahre alt und würde sicherlich gerne einige Stationen in meinem Leben besuchen! Allerdings würde es nicht viel helfen, wenn ich zum Beispiel nicht erinnern würde, wann genau ich im Buci gewesen bin, denn ich bin zwar oft hier, aber eben nicht immer. Im Anflug einer Inspiration schreibe ich auf den Pappdeckel des Notizblocks: „Im Falle, das Zeitreisen später möglich sind: 14. Juli 2003, 21:15h, le Buci, 52, Rue Dauphine, Paris: Unbedingt aufsuchen!”
Ich lasse mir vom Kellner einer Schere geben und schneide den Pappdeckel auf die Größe einer Kreditkarte, um die Notiz für die nächsten 30 Jahre in meiner Brieftasche aufbewahren zu können. Auch wenn ich keine Ahnung habe, ob es in 30 Jahren noch Brieftaschen geben wird.

Nachdenklich blicke ich wieder auf die Familie vor mir, die gerade die Rechnung bezahlt und sich in das nächste Pariser Abenteuer stürzen wird. Der Kellner bringt mir unaufgefordert ein weiteres Bier. Ein weiterer Grund, warum ich gerne in diesem Cafe bin.
Wenn ich diesen Pappdeckel wirklich für die nächsten 30 Jahre mit mir herumtragen werde und Zeitreisen später möglich sein sollten, dann müsste mein 2033-Ich bereits hier sein. Vorausgesetzt, ich lebe dann noch und ich kann mir zu dem Zeitpunkt Zeitreisen leisten, wer weiß, wie teuer so etwas sein wird? Höchstwahrscheinlich beobachtet mich mein 2033-ich in diesem Moment? Ich schaue mich vorsichtig um und versuche in den Schwärmen von Menschen ein bekanntes Gesicht zu identifizieren. Ein Gesicht, das mir ähnlich sieht, nur 30 Jahre älter. Nach ein paar Minuten gebe ich auf und bestelle noch einen Schnaps zum Bier.
Es wird spät und merklich kühler. Der Wind faucht durch die Rue Dauphine und die Touristenschwärme nehmen ab. Ich bin immer noch fasziniert von dem Gedanken, dass mein 2033-Ich womöglich hier sein könnte, nur wenig Meter entfernt. Ich schaue mir die Gesichter im Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite an, kann aber kein bekanntes Gesicht erkennen.

Wahrscheinlich würde man meinem 2033-Ich nicht erlauben, nahe an mich heranzukommen. Vermutlich habe ich mich bereits vor über einer Stunde beobachtet, als ich diesen Gedanken noch gar nicht hatte. Als Sicherheitsmaßnahme, dass ich mich nicht selbst sehen würde, denn das könnte, da bin ich mir sicher, das Zeitkontinuum durcheinanderbringen. Das ist zumindest das, was ich aus diversen Science-Fiction Filmen gelernt habe. Ob das stimmt, das weiß wohl keiner so genau. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, was ein Zeitkontinuum sein soll und was passieren könnte, wenn es durcheinander gebracht wird...
Ich überlege, ob man wohl wenigstens eine Notiz hinterlassen könnte, nach dem Motto: ‘ich war da’. Aber auch das wäre wohl gefährlich, denn dann wüsste ich, dass Zeitreisen möglich sind, viele Jahre bevor sie erfunden werden.

Mittlerweile ist es draußen dunkel, das Café Buci hat die Markisen vollständig ausgefahren und die Heizstrahler angeschaltet. Die Gesichter der Touristen an den umliegenden Tischen werden in ein helles Rot getaucht, der pfeifende Herbstwind hat etwas abgenommen und ich bestelle mir noch ein Bier, das zusammen mit einem Schnaps geliefert wird.
Mein 2033-Ich könnte mir theoretisch auch schon den ganzen Tag durch die Stadt gefolgt sein, denke ich. Ich werde auch in 30 Jahren noch wissen, wo ich gewohnt habe, werde zumindest die Ecke wiedererkennen und sicherlich auch die Geduld haben, mich für ein paar Stunden auf die Lauer zu legen. Wann ich in der Regel aufstehe in diesen Tagen werde ich nicht vergessen können: ich verschlafe an freien Tagen normalerweise den Vormittag, bin frühestens um 11 Uhr wach. Das sind nur wenig Stunden rund um die Mittagszeit, die ich an der Haustür Wache stehen müsste um mich selbst nicht zu verpassen.

Ich versuche mich noch mal zu konzentrieren – könnte mir jemand heute den ganzen Tag über gefolgt sein? Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Wann achtet man schon darauf? Ich nehme mir vor, in den nächsten Tagen verschärft darauf zu achten. Sollte ich tatsächlich die Gelegenheit haben, mein 2033-Ich zu treffen, ich hätte so viele Fragen, ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte! Was werde ich erreichen, oder noch wichtiger: wen werde ich heiraten? (Ich bin schon seit einiger Zeit Single und frage mich langsam, wo meine zukünftige auftauchen wird, so ganz aus dem Nichts – obwohl, so wird’s wahrscheinlich sein; sie wird irgendwann scheinbar aus dem Nichts auftauchen! Wie viele Kinder werde ich haben? Wie wird es meinen Eltern, Geschwistern und Freunden gehen, wenn ich erst mal 61 Jahre alt bin?
Ein weiterer Schluck Bier lässt mich aus meinen Tagträumen wieder an die Oberfläche zurückkehren. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Zeitreisende mit der Vergangenheit in Kontakt treten. Es wäre zu fatal für das Zeitkontinuum (glaube ich zumindest).

Das viele Bier zwingt mich dazu, für einen Moment den Tisch zu verlassen. In der Regel verlasse ich nur ungern meinen Platz, denn wenn man alleine ist, gibt es keinen, der auf die eigenen Sachen aufpasst. Gerade in Paris soll es aber angeblich viele Zigeuner geben, die diese Situation ausnutzen und dann Taschen und anderes stehlen. Daher beeile ich mich, schnell wieder an meinen Tisch zurück zu kehren. Noch ungefähr fünf Meter entfernt, sehe ich, wie ein älterer Herr auf meinem Tisch herumkramt. Ich fang an zu laufen und schreie ihn an, damit er meine Sachen in Ruhe lässt. Der Mann erschrickt, dreht sich hastig um und fängt an wegzulaufen, bevor ich sein Gesicht sehen kann. Der Mann ist weg. Ich drehe mich zu den Leuten an den umstehenden Tischen um und frage in gebrochenem Französisch, ob sie etwas gesehen haben, ob sie den Mann vielleicht identifizieren können. Leider kann mir keiner auch nur den kleinsten Hinweis darauf geben, wie der Mann ausgesehen haben könnte. Keiner hat etwas gesehen, es sind fast nur Touristen, die damit beschäftigt waren, Bilder von sich selbst zu schießen.

Ich schaue durch meine Sachen: Auf dem Tisch ein Buch, der Notizblock der Kellner ohne Pappdeckel, das Bier und das leere Schnapsglas, in meiner Tasche noch ein weiteres Buch, eine Kamera und eine Packung Kaugummi. Es fehlt nichts. Eine Weile frage ich mich, was das zu bedeuten hatte und bestelle mir ein weiteres Bier, das wieder mit Schnaps serviert wird.
Ich habe den alten Mann nicht erkennen können, also geht jetzt natürlich die Fantasie mit mir durch: was, wenn das mein 2033-Ich war? Vielleicht hat er mich schon die ganze Zeit beobachtet? Ich könnte nicht mit Sicherheit sagen, ob ich ihn schon mal gesehen habe oder nicht. Die Touristenschwärme in diesem Sektor des plattgedrückten Bienenstocks haben mir die Sicht genommen, das Bier und der Schnaps haben für weitere Ablenkung gesorgt. Aber ich denke mir: wenn ich später ein solches Wagnis während einer Zeitreise eingehen sollte, dann wäre ich so vorsichtig, mich nicht von Leuten an Nachbartischen erkennen zu lassen.
Nachdem ich mit diesen Gedanken nicht weiterkomme, nehme ich mein Buch und versuche noch ein wenig zu lesen. Mein Lesezeichen steckt in der Mitte des Buches, aber als ich die Seite öffnen will, fällt mir noch ein zweites Lesezeichen auf: Eine etwas dunklere Pappe steckt zwischen den ersten Seiten des Buches, über die ich schon lange hinaus bin.

Genervt ziehe ich die Pappe aus dem Buch und sehe sofort, was ich sogleich vermutet hatte: es ist der auf Kreditkartenformat zurechtgeschnittene Pappdeckel, auf den ich mit vorher aufgeschrieben hatte: ‘Im Falle, das Zeitreisen später möglich sind: 14. Juli 2003, 21:15h, le Buci, 52, Rue Dauphine, Paris: Unbedingt aufsuchen!’
Ich hole meine Brieftasche und will die Pappe hineinstecken, muss aber feststellen, dass sich in meiner Brieftasche bereits ein Pappdeckel befindet. Ich stutze. Verharre. Das kann nicht sein. Ich halte jetzt zwei identische Pappen in der Hand, auf beiden steht exakt derselbe Text.
Ich schaue mir die beiden Pappen genauer an und bemerke, dass die Pappe, die in meinem Buch steckt, sehr viel älter aussieht, als die Pappe, die ich vor kurzer Zeit in meine Brieftasche gesteckt habe.

Sofort muss ich an den alten Mann denken, der auf meinem Tisch herumgekramt hat. Mir wird klar, was los ist. Ich spring auf und renne auf die Straße, blicke mich hastig um und renne die Rue Dauphine in Richtung Boulevard Saint Germain, drehe wieder um, renne die Rue du Buci in Richtung Bar Marché, drehe wieder um und renne die Rue St. Andres des Arts für ein paar Meter hinunter, bis ich einsehe, dass es keinen Zweck hat. Mein 2033-Ich ist verschwunden. Zumindest wird er (ich) sicherstellen mir nicht noch mal zu begegnen. Die Notiz auf der Pappe, die in meinem Buch lag und wahrscheinlich 30 Jahre alt ist (obwohl ich das Original vorhin erst geschrieben habe), ist der einzige Beweis, dass er (ich) hier war. Aber das Zeitkontinuum scheint noch in Ordnung zu sein, zumindest scheint es in Paris noch normal zuzugehen. Die Menschenströme schieben sich nicht mehr so eng die Rue de Buci hinunter und der Wind fegt immer kälter durch die engen Strassen, aber es scheint alles normal.

Gedankenverloren starre ich lange vor mich hin. Ich habe die einzigartige Chance verpasst, mich selbst als 61-jährigen kennen zulernen. Aber es war wohl nicht zu ändern. Wahrscheinlich war es sogar besser so. So habe ich mein 2033-Ich nicht gesehen, und habe nur einen 30 Jahre alten Pappdeckel, der nicht wirklich beweist, das Zeitreisen möglich sind.
Vor mir auf dem Tisch liegen jetzt beide Pappdeckel, gleich groß, identische Schrift, bis auf das erkennbare Alter des einen komplett identisch. Ich überlege kurz, und denke mir, dass es interessanter wäre, den alten Pappdeckel einzustecken, sozusagen als Erinnerung an diesen Tag. Ich hole mein Brieftasche erneut hervor. In dem Moment, als ich den alten Pappdeckel in die in die Brieftasche stecke, fällt mir ein, dass der Pappdeckel dadurch von nun an in einer endlosen Schleife unendlich alt werden wird: den bereits 30 Jahre alten Pappdeckel aus dem Jahre 2033, den ich jetzt einstecke, werde ich in 30 Jahren wieder hier auf den Tisch legen. Und dann als zusammengerechnet 60 Jahre alten Pappdeckel wieder in meine Brieftasche stecken, damit ich ihn 30 Jahre später als 90 Jahre alten Pappdeckel wieder im Jahre 2003 auf diesen Tisch legen werde. Bis in alle Unendlichkeit.

In dem Moment, als ich das begreife, steckt der Pappdeckel bereits in meiner Brieftasche und fängt an, sich zu verfärben, erst leicht bräunlich und fasert an den Ecken, wird dann gelblich, zerbröselt langsam, bis er in meiner Brieftasche zu Staub verfällt. In diesem Moment hebt ein gleißendes Licht die Dunkelheit auf. Das Zeitkontinuum! Was auch immer darüber wahr ist, es scheint gestört zu sein. Ich laufe aus dem Café, fange zu rennen, Richtung Boulevard Saint Germain, aber es hilft nichts.
Der Wind über Paris nimmt zu, fegt durch die engen Straßen, wirbelt das Herbstlaub meterhoch in die Luft. Der Abendhimmel wird heller und heller, über Saint Germain des Prés zerreißt ein mächtiger Blitz die Wolken, legt sich wie eine Decke über die Stadt und taucht zuerst die Stadt, dann das Land, den Kontinent, die Erde in ein glühendes, endgültiges Nichts.

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Grundidee ist gut, die Ausführung auch. An 2 Stellen hast du "fang" statt "fange" geschrieben, was nicht weiter ins Gewicht fällt. Ich hab die Geschichte gern gelesen.

Allerdings ist das Ende - mit Verlaub - klischeehaft und langweilig. Ich hätte die Story an deiner Stelle damit enden lassen, daß das Papier zerbröselt.

Eventuell wäre noch eine brauchbare Konsequenz, daß wenn das Papier zerbröselt, die Nachricht auch verloren geht, und die Szene rückwirkend nie stattgefunden hat.

r

 

aye.

sehr schöne geschichte. die grundidee wurde ziemlich gut umgesetzt, allerdings bin ich auch der meinung, dass das ende etwas zu platt für so eine interessante idee ist.

 

Juhuu, endlich mal wieder eine Zeitreise! Wir hatten ja schon so lange keine mehr! :p

A propos Zeit: Im ersten Absatz bist Du mit den Zeitformen durcheinander geraten. Du schreibst in Gegenwart und vergangenes in Plusquamperfekt, wobei Perfekt richtig wäre.

Obwohl Du Dich bemühst, die Umgebung lebendig zu beschreiben, bleibt die Geschichte über weite Strecken langweilig. Das liegt vor allem daran, dass nichts bemerkenswertes geschieht: Der Protagonist sitzt in einer Kneipe und trinkt ein Bier. Selbst eingestreute interessante Aspekte vergisst Du wieder: Der Kerl hat Angst, dass der Kellner nicht wieder auftaucht und bezahlt daher sofort. Wenn es darum geht, eine Schere zu besorgen, genügt aber ein Nebensatz, um dem Kellner eine zu entlocken. Das ist nicht stimmig.

So, und jetzt kommt die Stelle, wo ich mich mal wieder unbeliebt mache: Ich widerspreche meinen beiden Vorrednern massiv. Die Idee ist *nicht* interessant. Sie ist uralt und völlig beliebig - das x-te Zeitparadoxon, sich selbst begegnen, Ende der Welt - autsch - die ganze Geschichte ist konstruiert und steht ausschließlich im Dienste der Zeitschleifen-Pointe, die hier auf kg.de in etwa jeder zehnten SF-Geschichte bemüht wird. Kein Scherz, zähl ruhig nach. Ja, zugegeben, von Zeitreisen geht irgendeine übernatürliche Faszination aus, die aber bei mir nicht ankommt, bzw. nicht *mehr*, weil ich schon ein paar hundert gelesen habe.

Was bleibt? Ich mag Paris, und Du vermutlich auch; dank eines Stadtplans kannst Du die Straßennamen einstreuen, was ein nettes Flair verbreitet. Das ist von der Ausgestaltung her ein sehr guter Ansatz. Fehlt nur eine spannende, interessante Handlung.

Fazit: sprachlich okay, schön gestaltet, inhaltlich eine banale Zeitreise.

Uwe
:cool:

 

Geschrieben von Uwe Post
Ich widerspreche meinen beiden Vorrednern massiv. Die Idee ist *nicht* interessant. Sie ist uralt und völlig beliebig - das x-te Zeitparadoxon, sich selbst begegnen, Ende der Welt - autsch - die ganze Geschichte ist konstruiert und steht ausschließlich im Dienste der Zeitschleifen-Pointe, die hier auf kg.de in etwa jeder zehnten SF-Geschichte bemüht wird.
Du widersprichst mir damit keineswegs, Uwe.

r

 

@r: Doch, Du schriebst, die Grundidee sei "gut". Ich halte es nicht für "gut", uralte Ideen immer wieder neu aufzukochen.

Lustigerweise gibt es gerade eine ironische Geschichte zum gleichen Thema, auf die hier verwiesen sei: Bein nächsten Mal ...

 

Geschrieben von Uwe Post
@r: Doch, Du schriebst, die Grundidee sei "gut". Ich halte es nicht für "gut", uralte Ideen immer wieder neu aufzukochen.
Ich halte hier nicht die Zeitreise für die Grundidee, sondern den Bierdeckel, den sich der Prot. aus einer Laune heraus selbst sendet, und der dann immer älter wird. In einer Story über Rocker wären ja auch nicht "Motorräder" die Grundidee, falls du verstehst, was ich meine.
Daß das Ende (die Pointe) langweilig und klischeehaft ist, habe ich hingegen geschrieben. Du siehst, unsere Ansichten differieren nur geringfügig.

r

 

Na, es ist doch immer wieder gut, sich hier bei KG.de Feedback zu holen. Uwe, Kusto und relysium haben genau die Dinge angesprochen, über die ich auch noch nicht so ganz zufrieden war. Bestätigt mein Bauchgefühl, ich werd also noch mal drüber nachdenken müssen...

Allerdings ist das Ende - mit Verlaub - klischeehaft und langweilig. Ich hätte die Story an deiner Stelle damit enden lassen, daß das Papier zerbröselt.
Ich habe in der Tat lange überlegt, ob ich die Geschichte nach dem Zerbröseln des Pappdeckels enden lassen sollte. Scheint ja Konsens zu sein, dass ich das hätte machen sollen. Danke also dafür, ich werd's ändern.

Obwohl Du Dich bemühst, die Umgebung lebendig zu beschreiben, bleibt die Geschichte über weite Strecken langweilig.
Die Geschichte war vorm Posten sogar noch viel länger, ich habe bereits viele Passagen, die die Geschichte nicht wirklich vorantreiben, gestrichen. Anscheinend nicht genug...

Was im Übrigen das Leben in Paris angeht - das ist nicht aus einem Stadtplan übernommen. Ich wohne momentan dort, die Idee kam mir in eben jenem erwähnten Café Buci...

@Uwe und alle anderen, die es satt haben, immer wieder das gleiche zu lesen:
Neue Ideen sind sicherlich in unendlichem Maße entwickelbar. Übergreifende Thematiken aber nicht. Natürlich ist es eine Zeitreise, aber ich habe eben eine neue Idee innerhalb dieser Klammer entwickeln wollen (der Pappdeckel). Ebenso gibt es auch viele Bücher, die sich immer wieder gleichen. Beispiel: ein Mensch wird umgebracht, alle Leute im näheren Umfeld haben ein Motiv, wer ist der Mörder? Wieviele Geschichten dieser Art gibt es bitte? Und trotzdem findet jeder Krimi immer wieder reissenden Absatz.
Oder was ist mit dem Kampf gegen das ewig Böse (i.e. Harry Potter, Herr der Ringe, Star Wars, etc) Auch das wird gerne gelesen/gesehen.

Wenn man nur wirklich neue Grundideen lesen/sehen will, dann ist das Repertoire mMn rasch erschöpft. (Dazu gibts ja auch aktuell einen Thread )
Stattdessen ist die Umsetzung das interessante.
(Wenn meine Geschichte das auch nicht leistet, dann ist das natürlich was anderes...)

Damit wir uns nicht falsch verstehen - ich versuche hier nicht, bahnbrechende Literatur zu verfassen. Ich will schöne Geschichten schreiben, die hoffentlich gerne gelesen werden!

 

Natürlich ist es eine Zeitreise, aber ich habe eben eine neue Idee innerhalb dieser Klammer entwickeln wollen (der Pappdeckel).

Diese Klammer ist zu eng! Das brauchst Du Dir doch nicht antun!

Pappdeckel, Artefakt, Pistolenkugel - egal, wie das konkret aussieht, es bleibt eine Zeitreise. Ich sehe das so: Aus Sicht des Autors ist es durchaus interessant, eine solche Idee zu entwickeln. Aber nicht aus Sicht des Lesers, denn er kennt solche Geschichten schon, weil tausend andere Autoren fast die gleiche Idee hatten. Und außerdem: Du *entwickelst* etwas, es ist daher künstlich. Es ist nicht lebendig, nicht real. Tatsache ist doch: Es gibt innerhalb eines Genres wie SF alte Themen (ich bin versucht, sie reaktionär zu nennen) und neue Themen. Ersteren kann man kaum etwas neues, interessantes abgewinnen. Und an dieser Stelle leite ich übergangslos weiter zu meinem Plädoyer pro SF des 21. Jahrhunderts. :)

 

Moin Phillip,

Ich bin durch deinen Querverweis unter meiner Geschichte hierher gekommen und kann mich meinen Vorrednern (insbesondere Uwe) eigentlich nur anschließen.
Sprachlich eine gute Geschichte, durch die vielen eingestreuten (vermutlich authentischen) Straßennamen baust du ein gewisses Flair auf. Schön fand ich auch die Idee mit dem Pappschild und vor allem die Tatsache, daß du die Zeitreise selbst nicht beschrieben hast. Dadurch hast du dich um das Problem gedrückt, das Ganze irgendwie pseudowissenschaftlich erklären oder irgendwelche Geräte erfinden zu müssen. Deine Zeitreise funktioniert einfach und damit basta. Das hat mir gut gefallen.

Allerdings muß ich sagen, daß ich die Geschichte ziemlich lang fand. Inhaltlich passiert ja bis zu der Stelle, an der dein Protagonist sich selbst trifft, eigentlich gar nichts. Er sitzt halt in einem Cafe und trinkt sein Bier. Es ist zwar nicht wirklich langweilig, aber ich hatte beim Lesen ständig das Gefühl, daß man da noch hätte straffen können.
Auch die Pointe reißt mich nicht gerade um. Das aber nicht nur aus dem Grund, weil es "mal wieder ein Paradoxon" ist, sondern auch weil du das Ende schon im Titel verrätst. Schon bevor ich überhaupt zu lesen begonnen habe, wußte ich genau, wie die Geschichte ausgeht - einfach weil der Titel es unmißverständlich klarmacht. Ich würde dir vielleicht raten, dir da einen anderen Titel zu überlegen.

Insgesamt aber eine ganz nette Version der Zeitreisenthematik.

 

Hallo gnoebel,

wenn ich das Ende der Geschicht ändere, dann muss ich natürlich auch der Titel ändern. Denn dann gibt es keine Apokalypse...so schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe.
Dann würde der Titel sich auf "die unendliche Zeitschleife" oder so ähnlich reduzieren.

gruss,
p.

 

Ich würde den Titel völlig umwerfen. So was:
- Der unendliche Bierdeckel
- Erlebnis in Paris
- Besuch vom Ich

r

 

stimmt. schon das wort "zeitschleife" wird viele gähnen lassen ...
p.

 

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