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Das Auge des Jägers

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08.07.2012
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Das Auge des Jägers

"Licht! Licht, verdammt nochmal!", rief Dr. Rodrigo Santi und eilte die Hauptstraße hinunter. Hinter ihm, im Zentrum von São Jorge, knisterten ein paar Wachfeuer, aber hier, in der Nähe des Waldes, drohte die Dschungelnacht. Vom Marktplatz her hörte man den startenden Dieselgenerator rumpeln. Als Santi das letzte Haus erreichte, riss der Flutlichtstrahler eine entsetzliche Szene aus der Dunkelheit.
Der Jaguar hockte am Ende der Straße, keine zwanzig Schritte entfernt. Vor den Pranken der schwarzen Raubkatze, direkt unter ihren Fangzähnen, lag die Gestalt eines Mannes im Gras. Santi stöhnte.
Aus dem Dorf kamen mehrere Männer herbeigerannt, bewaffnet mit Macheten und Beilen.
"Er hat den alten Milanello erwischt", sagte Santi und rieb sich mit einem Tuch den Schweiß aus dem Nacken. "Wo bleibt José mit dem Karabiner?" Auf dem Markt hinter ihnen knallten Fehlzündungen des Dieselaggregats. Das Grauen erfasste die Männer, als der Jaguar den vor ihm am Boden liegenden Körper packte und im flackernden Flutlicht davon schleifte.
Der Generator setzte aus, und nun standen sie in der Finsternis. Santi starrte in Richtung des Waldrandes. Kurz darauf drang von dort das Geräusch brechender Äste herüber. Einige Männer fluchten verzweifelt.
"Die Bestie trägt ihn auf einen Baum", flüsterte jemand. Einen Moment lang war Stille über allem. Die Männer lauschten atemlos. Dann hörten sie Knochen splittern.
Santi ergriff seine Brille, setzte sie ab und fuhr mit zitternden Fingern über Augen und Stirn. Er wandte sich um, taumelte und stolperte zurück zum Dorf. Ernesto Organi, einer der Männer, die bei ihm gestanden hatten, holte ihn schließlich ein.
"Keine Lust, dem Teufel beim Fressen zuzuhören", stieß er mühsam hervor. Santi erwiderte nichts. Kurz darauf erreichten sie den Praça do Mercado. "Rodrigo, du musst jetzt etwas unternehmen", sagte Organi. Santi blieb stehen und sah ihn im Schein eines Feuers an, das lange Schatten über den Platz zucken ließ.
"Und was soll ich unternehmen, Ernesto?"
"Das weißt du sehr gut. Ich kann die Fährte des Jaguars aufspüren, aber ich kann ihn nicht töten. Du musst mit dieser verrückten Russin sprechen."
Santi knurrte etwas Unverständliches und wandte sich wieder zum Gehen.
"Wirst du es tun, Rodrigo? Sprichst du mit ihr?"
"Kümmern wir uns erst mal um den verdammten Generator."

Am folgenden Morgen steuerte Santi seinen Jeep in der Hitze einer rasch aufgehenden Sonne über Dschungelwege zur Geistersiedlung. Diesen Namen hatte man einem Dutzend verwahrloster Häuser und Gehöfte gegeben, die etwas südlich von São Jorge im Dunst des Regenwaldes verrotteten. Und für einen Geist hielten einige alte Männer und Frauen des Dorfes auch die einzige Bewohnerin der Siedlung.
Anna Oksana Vashkova stand auf der Veranda ihres Hauses, das ein bereits fortgeschrittenes Stadium des Verfalls erreicht hatte. Ein paar Stützpfeiler, Bretter, Dielen und Dachziegel leisteten letzten Widerstand, doch bald würde hier der Dschungel siegen. Vashkova beobachtete mit ausdruckslosem Gesicht, wie Santi den Wagen vor der Veranda ausrollen ließ, die Fahrertür öffnete und sich schwerfällig vom Sitz hochstemmte.
Und wie sie dort stand, hochgewachsen, blass, reglos, umgeben von faulendem Holz und wuchernden Orchideen, wirkte sie auf Santi seltsam fern und abwesend. Ihre dunklen Augen bildeten einen reizvollen Kontrast zum blonden Haar, das sie zu einem Zopf gebunden trug. War früher sicher eine Schönheit, dachte er, als er auf Vashkova zuging. Doch die ausgezehrten Züge verrieten die Trinkerin, und dass sich bei einer Frau ihres Alters bereits graue Strähnen zeigten, passte zu diesem Bild.
"Guten Tag, Senhora Vashkova", sagte Santi, nahm den Strohhut ab und blieb ein paar Schritte vor der Veranda stehen. "Ich denke, Sie wissen, weshalb ich mich an Sie wende." Vashkova betrachtete ihn einen Moment lang, drehte sich um und ging ins Haus. Santi setzte seinen Hut wieder auf und wartete geduldig. "Nehmen Sie Platz", war Vashkovas Stimme von drinnen zu hören. "Ich hole uns etwas zu trinken."
Santi stieg die Treppen der Veranda hinauf und ließ sich in einen der beiden Korbsessel fallen, die an einem Holztisch standen. Er hörte Vashkova in der Küche des Hauses hantieren. Kurz darauf tauchte sie wieder im Türrahmen auf. Santi machte Anstalten, sich zu erheben, als Vashkova Tanqueray, Soda und zwei leere Gläser auf den Tisch stellte, doch sie winkte ab, und er sank zurück.
"Sie schnaufen so laut wie ein Capybara", sagte Vashkova und goss ihre Gläser voll. "Sind nicht gerade in bester Verfassung, wie?"
Santi lächelte matt. Es gehörte mehr als der Vergleich mit einem Wasserschwein dazu, ihn aus der Fassung zu bringen.
"Naja, ich hatte viel zu tun in letzter Zeit, viel Arbeit, viel Stress … "
"Tabletten", erwiderte Vashkova, reichte ihm ein Glas und setzte sich. "Ich weiß, dass Sie tablettensüchtig sind. Saúde!" Sie stießen an und tranken.
"Sie haben recht", sagte Santi und stellte sein Glas ab. "Warum sollten wir uns gegenseitig etwas vormachen? Lassen Sie uns von Anfang an offen sprechen."
Vashkova betrachtete ihn amüsiert und sagte: "Na, das wäre doch mal etwas Neues in diesem Land. Nur zu!"
"Senhora Vashkova", begann Santi, "Sie haben während der Intervention in Afghanistan in der 154. Abteilung der Speznas als Aufklärer und Scharfschütze gedient."
Vashkova schnalzte mit der Zunge. "Der Mann ist bestens informiert", sagte sie und leerte mit einem Schluck ihr Glas.
Santi ließ sich nicht beirren. "Und ich habe jetzt hier ein Problem, bei dem ich Ihre Hilfe benötige."
Da Vashkova schwieg, fuhr Santi fort: "Ich bitte Sie darum, den Jaguar zu töten, der in São Jorge seit einigen Wochen Menschen angreift." Vashkova lachte auf. "Das kann doch nur ein Scherz sein", sagte sie. "Sie machen Witze."
Santi sah sie mit ernstem Gesicht an. "Heute nacht hat dieses Tier Antonio Milanello getötet, einen Mann, der beinahe dreißig Jahre lang mein Freund war. Nein, Senhora Vashkova, ich mache ganz sicher keine Scherze."
"In São Jorge ist doch jedermann ihr Freund", entgegnete Vaskhova unbeeindruckt und goss sich erneut Gin ins Glas.
Santi betrachtete sie. In ihrem khakifarbenen Leinendrillich sah sie aus, als wäre sie niemals aus Afghanistan zurückgekehrt, und wahrscheinlich entsprach das der Wahrheit.
"Als ich hier ankam, fragte ich mich: Was macht der Kerl in diesem Dorf inmitten des Urwaldes?", fuhr Vashkova fort. Santi schwieg.
"Und dann habe ich ein paar Erkundigungen über Sie eingezogen, Dr. Rodrigo Santi."
"Bei ihren Freunden vom KGB, nehme ich an."
"Sie spielen hier den großen Heiler, den Weltverbesserer", sagte Vashkova, ohne auf Santis Einwurf zu reagieren. "Sie haben dafür gesorgt, dass eine Schule in São Jorge gebaut wird und eine Krankenstation und sogar eine private Arbeitsvermittlung, um die Leute vom Wildern und Schmuggeln abzuhalten."
"Und?", fragte Santi. "Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen."
"Sie haben es achtundsechzig versäumt, in die richtigen Ärsche zu kriechen und mussten vor den Säuberungen fliehen", antwortete Vashkova. "Deshalb sind Sie in diesem beschissenen Dorf gelandet. Und seitdem bauen Sie hier an Ihrem linken Utopia, weil Sie in der Welt da draußen nichts ändern konnten. Weil sie in der richtigen Welt gescheitert sind."
Sie sah ihn finster an und fügte hinzu: "Doch das ist Ihre private Mission. Wenn Sie glauben, dieses Dorf beschützen zu müssen, dann bitte. Aber ziehen Sie mich nicht hinein. Suchen Sie nach einem anderen Weg."
"Das habe ich." Santi rückte seine Brille zurecht. "Glauben Sie mir, es fällt mir nicht leicht, Sie um Hilfe zu bitten, denn ehrlich gesagt traue ich Ihnen nicht."
Vashkova zuckte mit den Schultern. Santi atmete durch.
"Es hängt alles mit den Stromausfällen zusammen, die jetzt seit drei Wochen andauern", sagte er. "Der Jaguar kommt nachts in das Dorf. Er schleicht an den Feuerstellen vorbei und dringt sogar in die Häuser ein. Ich habe veranlasst, dass ein Dieselaggregat aufgestellt wird, habe einen großen Scheinwerfer beschafft, um das Tier fernzuhalten. Aber das Aggregat ist alt, beinahe unbrauchbar."
"Stellen Sie Wachen auf. Erschießen Sie die Katze."
"Natürlich sind wir auch auf diese Idee gekommen", entgegnete Santi. "Aber wir haben nur ein altes Gewehr und nicht einen einzigen guten Schützen."
Santi nahm einen Schluck und führte seinen Gedanken weiter: "Die ganze Gegend ist seit vielen Jahren Naturschutzgebiet. Es gibt noch ein paar Männer, die wildern, aber sie benutzen Schlingen, keine Gewehre. Wir haben deshalb kaum Leute, die sich mit der Jagd auskennen, und aus Manaus kam bisher keine Antwort auf meine Bitte, einen Ranger zu schicken."
"Tja", sagte Vashkova, "wie Sie schon sagten, ich habe bei einer Aufklärungseinheit gedient. Meine Aufgabe war es, Menschen aufzuspüren und auszuschalten. Mit Großkatzen kenne ich mich nicht aus."
"Sie wären aber dazu in der Lage", beharrte Santi. "Sie besitzen das Auge des Jägers, wie wir hier sagen. Sie können die Katze töten. Ich kenne jemanden, der früher Fährtenleser war. Er bringt uns zu dem Jaguar, und Sie erlegen das Tier."
"Uns?", fragte Vashkova.
"Ich gehe selbstverständlich mit", antwortete Santi.
"Das ist lächerlich … "
"Aber … "
"Hören Sie Dr. Santi!" Vashkova sah ihn mit einem Blick an, der keinen Widerspruch duldete. "Ich werde nie wieder eine Waffe in die Hand nehmen. Haben Sie das verstanden? Nie wieder."

Zwei Tage später arbeiteten Santi, Organi und einige andere Männer des Dorfes in der Mittagsglut am Generator. Die Gesichter der Männer waren vom Schrecken der vergangenen Wochen gezeichnet. "Wir müssen ihn unbedingt zum Laufen bringen", sagte Santi. Er hantierte mit einer Zange an der Zündung des Aggregats. "Der Generator muss zumindest zwei Stunden lang …"
In diesem Augenblick gellte ein Schrei durch das Dorf. Es war ein hohes Kreischen, das abrupt verstummte. Santi stand einen Moment lang wie erstarrt, als begriffe er nicht, was hier vor sich ging. Doch dann fiel die Zange aus seiner Hand, und er rannte los. Mehrere Männer folgten ihm.
Santi erreichte als erster die Schule von São Jorge. Alle Eindrücke dieses Augenblicks verdichteten sich zu einer einzigen Empfindung: Er spürte, wie der Boden unter seinen Füßen nachgab. Er musste in Treibsand geraten sein, denn er versank, sackte weg, rutschte abwärts; die Welt mitsamt ihren Geräuschen schlug über ihm zusammen und verschwand.
"Rodrigo!" Organi rüttelte heftig an ihm, und Santi kam zu sich - zitternd, bleich, elend. Sie standen vor der Leiche eines Mädchens. Das blaue Kleid von Maria Flores hatte sich dunkel verfärbt. Von überall rannten Menschen herbei. Sie schrien und weinten, doch Santi hörte es nicht. Er kniete nieder zu der schmächtigen Gestalt und schlang seine Arme um das tote Mädchen, als wollte er Maria Flores vor dem Entsetzen schützen, das jetzt in einer machtvollen Woge das gesamte Dorf überrollte. Santi hob die Kleine empor und trug sie davon. Bei seinem Jeep angekommen, schlug er eine Decke um ihren Körper. Das Kind dicht an seiner Brust, zwängte er sich auf den Fahrersitz.

In Schlieren zogen die Grüntöne des Urwaldes an ihm vorüber, umkreisten ihn und verwirbelten zu einem saugenden Schlund, den Santi hinabstürzte. Der Jeep raste die Dschungelpiste entlang, bog in die Geistersiedlung ein und kam ruckartig vor Vashkovas Haus zum Stehen.
Als Santi die Fahrertür aufstieß, trat Vashkova auf die Veranda.
"Doktor, ich habe Ihnen bereits gesagt … ", begann sie und verstummte mitten im Satz. Santi stampfte die Treppen herauf. Er hielt das tote Kind in den Armen.
"Was soll das bedeuten?", fragte Vashkova. Ihre Stimme zitterte.
Santi legte den Körper des Mädchens vor ihren Füßen ab.
"Sehen Sie bitte genau hin, Senhora Vashkova. Der Jaguar ist die einzige Raubkatze der Welt, die ihre Beute durch einen Biss in den Schädel zu töten vermag."
"Nein!", stieß Vashkova heiser hervor und machte ein paar Schritte zurück. Doch Santi war schneller. Er packte sie im Nacken.
"Sehen Sie sich an, welche außergewöhnliche Kraft dieses Tier besitzen muss!"
Vashkova schlug nach ihm, aber es war zwecklos. Santi hatte ihren Kopf gedreht, und sie konnte den Blick nicht abwenden von dem Gesicht des Mädchens, das von schrecklichen Wunden verwüstet war. Der Schädel musste mehrfach gebrochen sein, Blut und Hirnmasse verklebten das Haar.
"Nein!", schrie Vashkova, unfähig, sich zu beherrschen.
"Das ist Maria Flores", sagte Santi. "Ich war dabei, als sie vor zwei Monaten eingeschult wurde."
Vashkova rang nach Luft, und Tränen liefen ihre Wangen hinab. Sie versuchte, dem Griff, der sie gefangen hielt, zu entkommen. Doch Santi hielt sie fest. So standen sie lange Zeit. Dann erschlaffte Vashkovas Körper. Ihre Knie gaben nach, sie rutschte zu Boden. Zusammengesunken lag sie neben dem toten Mädchen und weinte lautlos.
Santi betrachtete Vashkova voller Mitgefühl und sagte: "Sie werden diesen Jaguar töten."

"Es ist noch in sehr gutem Zustand." José Araujo legte das Gewehr auf den Tisch.
Vashkova betrachtete es einen Moment lang, dann sah sie Araujo an und sagte: "Das ist ein Wehrmachtskarabiner."
Araujo nickte. "Ja, ich habe ihn von meinem Vater geerbt, und der hat ihn von einem Deutschen …"
Vashkova wandte sich an Santi. "Dieses Gewehr ist über fünfzig Jahre alt."
"Ja, ein deutsches Qualitätsprodukt", erwiderte Santi gelassen.
Araujo, dem der ironische Unterton entgangen war, nickte erneut und fügte eifrig hinzu: "Ich habe auch ein Zielfernrohr dafür." Und als er Vashkovas fragenden Blick sah, sagte er leise: "Ich habe es nicht montiert, weil ich nicht weiß, wie man es justiert."
"Ist schon gut, José", sagte Santi. "Geh und hol jetzt das Zielfernrohr und die Munition."
Kurz darauf hatte Araujo alles herbeigeschafft. Als er eine kleine Blechkiste auf den Tisch hob, die mit Patronen gefüllt war, fragte Vashkova: "Stammt diese Munition von einem einzigen Los?"
Araujo sah sie irritiert an. "Hast du sie aus einer einzigen Packung?", erkundigte sich Santi.
"Ja, ja", bestätigte Araujo, "aus einer einzigen Packung."
Vashkova drehte sich um und verließ Araujos Haus.
"Vielen Dank, José", sagte Santi, wickelte das Fernrohr in ein sauberes Tuch und steckte es in seine Jackentasche. Dann schulterte er das Gewehr, ergriff die Munitionskiste und folgte Vashkova nach draußen.

"Diese Frau ist kein Geist", sagte Organi, so leise, dass Vashkova ihn nicht hören konnte und zog nachdenklich an seiner Zigarette. "Aber ein Geist verfolgt sie."
Vashkova hatte darauf bestanden, den Karabiner in Ruhe zu überprüfen, also waren sie hierher in den Wald gefahren, zu einer Lichtung, die sich für das Anschießen der Waffe eignete. Die beiden Männer hockten im Schatten des Jeeps und beobachten Vashkova, die in einiger Entfernung bewegungslos unter einem Chagropanga-Busch saß. Vor ihr, auf einer ausgebreiteten Zeltplane, lagen das Gewehr, das Zielfernrohr sowie einige Werkzeuge und Reinigungsmittel, die Organi beschafft hatte.
"Da ist etwas im Krieg passiert", sagte Santi. "Ich konnte nichts genaues herausfinden, aber bei meinen Nachforschungen in Manaus bin ich auf ein Gerücht gestoßen."
"Deine Kontakte funktionieren immer noch hervorragend, was?" Organi lachte. Santi zuckte mit den Schultern.
"Also ein Gerücht … ", sagte Organi. "Worum ging es da?"
"Es heißt, sie sei in den Tod eines Offiziers verwickelt gewesen, mit dem sie … "
" … ein Verhältnis hatte?", fiel Organi ihm ins Wort.
Santi nickte. "Etwas in der Art."

Vashkova fixierte das Gewehr wie einen Feind, den man nicht eine Sekunde aus den Augen lassen durfte. Dann, als hätte sie einen unsichtbaren Widerstand durchbrochen, löste sie sich mit einem Rucken aus der Erstarrung und ergriff den Karabiner. In einer langsamen Bewegung hob sie den Kolben an die Schulter und zielte über die Weite der Lichtung.
"Hier gehen seltsame Dinge vor", sagte Organi unvermittelt. Er beobachtete Vashkova mit einem Blick, in dem sich das Erstaunen über eine plötzliche Erkenntnis widerspiegelte. Santi hatte einen Unterton bemerkt, der ihn aufhorchen ließ. "Was meinst du damit?", fragte er und betrachtete seinen Freund. Organi sprach langsam und stockend, wie einer, dem sich Zusammenhänge enthüllen, die schwer in Worte zu fassen sind. "Ich lebe seit sechzig Jahren in diesen Wäldern", sagte er, "aber von einem menschenfressenden Jaguar habe ich nie zuvor gehört."
Organi drückte seine Zigarette aus. "Wir haben hier einen Jaguar, mit dem etwas nicht stimmt, der nicht hierher gehört ", fuhr er fort. Santi wusste, dass Jaguare von einigen Menschen dieser Region als Geschöpfe der Schattenwelt betrachtet wurden – ein Mythos, der auf die Zeit lange vor der Ankunft der Portugiesen zurückging.
Vashkova begann, die Waffe zu zerlegen, erst zögernd, ja unbeholfen, doch innerhalb weniger Minuten wurden ihre Bewegungen sicherer, und bald zeigte sich die Geschicklichkeit des professionellen Schützen.
"Ein Dämon und eine Fremde, die vom Geist eines Toten gejagt wird", sagte Organi wie zu sich selbst und strich über seine grauen Bartstoppeln.
Santi schnaufte. "Das alles ist mir völlig gleich. Ich will, dass das Töten im Dorf aufhört. Und sie wird dabei helfen!"
Organi erwiderte nichts, doch sein zweifelnder Blick verriet, was in ihm vorging.
Vashkova wischte den Lauf des Gewehrs aus, rieb Verschluss und Patronenlager sauber. Nachdem sie die Waffe entölt hatte, setzte sie alles zusammen, reinigte das Zielfernrohr und montierte es auf dem Karabiner. Dann öffnete sie die Munitionskiste und begann, die Patronen einzeln zu überprüfen.
Die beiden Männer verfolgten gespannt, wie Vashkova schließlich eine Patrone lud und in hockender Position anschlug. Der Schuss krachte durch die Stille des Nachmittags. Vögel flatterten im Geäst der Bäume auf, irgendwo erhob sich das Geschrei von Kapuzineraffen.

Am folgenden Tag begann die Jagd. Viele Dorfbewohner hatten sich versammelt, um die Drei zu verabschieden. Die Augen der meisten Menschen ruhten auf Vashkova, die am Jeep stand und ein letztes Mal die Ausrüstung kontrollierte. Der Auflauf war ihr sichtlich unangenehm. Als eine ältere Frau an ihrer Bluse zupfte, leise auf sie einsprach und einen Talisman aus Obsidian überreichte, wusste Vashkova kaum, wohin sie blicken sollte. Santi sprach ein paar Worte, in denen er Vashkova für ihre Hilfe dankte und seine Hoffnung auf den baldigen Erfolg ihrer Jagd ausdrückte. Dann brachen sie auf. In der Dorfkirche läuteten die Glocken, als sich der Jeep über eine holprige Dschungelstraße nordwärts von São Jorge entfernte.

"Wenn man einen Jaguar sucht", hatte Organi erklärt, "beginnt man am besten in der Nähe eines Flusses." Der Plan ihrer Jagd sah vor, an den Ufern des Río Catauá, einem der tausenden Flüsse im Amazonasgebiet, nach der Katze Ausschau zu halten. Denn dort hatte Organi bereits ihre Fährte aufgespürt, kurz nachdem der linke Fuß von Marcelo Vargas gefunden worden war. Vargas galt als das erste Opfer des Jaguars, doch niemand wusste, ob die Katze nicht schon in anderen Dörfern zugeschlagen hatte.

Die Sonne glühte bereits im Zenit, als Organi mit der Spurensuche begann. Vashkova und Santi warteten auf einer Anhöhe in der Nähe des Jeeps. Das Wasser des Río Catauá strömte träge dahin, ein Schwarm metallblauer Vögel jagte die Uferböschung entlang. Es mochten nicht mehr als zwanzig Minuten vergangen sein, als Organi Zeichen gab. "Er hat etwas gefunden", sagte Santi mit gedämpfter Stimme, und sie gingen hinunter zum Fluss.
Das Trittsiegel beeindruckte nicht allein durch seine Größe. "Seht ihr, wie tief die Katze hier eingesunken ist?", sagte Organi. "Ich schätze dieses Tier auf zweihundert Pfund oder sogar mehr." Vashkova betrachtete die Spur und sagte dann: "Also gut. Wie geht es jetzt weiter?"
"Ihr wartet hier, ich folge der Fährte", antwortete Organi.
Vashkova nahm den Karabiner von der Schulter, klappte die Blenden des Zielfernrohrs weg, schlug an und begann, den Uferbereich abzusuchen. Organi entfernte sich langsam in geduckter Haltung. Bald war er im dichten Bewuchs der Böschung verschwunden.
"Vor einigen Wochen hat Ernesto den Jaguar hier bereits gesichtet", sagte Santi. "Aber es ist ihm nicht gelungen, näher als neunzig Meter an ihn heranzukommen, und in São Jorge gibt es niemanden, der das Tier auf diese Entfernung erlegen könnte."
"Ich verstehe", sagte Vashkova und starrte durch das Zielfernrohr. Santi setzte sich neben sie und betrachtete von Zeit zu Zeit ihr blasses Gesicht. So vergingen zwei Stunden. Endlich tauchte Organi aus dem Dickicht etwas oberhalb ihrer Position wieder auf. „Ich habe ihn gefunden“, sagte er.
Vashkova und Santi folgten Organi auf einem schmalen Pfad, der tiefer in den Dschungel hineinführte. Kurz darauf erreichten sie eine Senke. Organi legte zwei Finger an die Lippen und deutete auf eine Öffnung im Dickicht. Von hier war ein langgestreckter Abschnitt des gegenüberliegenden Ufers einsehbar. Vashkova machte das Gewehr bereit. Die beiden Männer hockten sich zu ihr. "Dort drüben", sagte Organi so leise, dass es nur ein Hauch war und deutete mit dem Finger über den Fluss.
Vashkova schaute durch das Zielfernrohr, und Santi hob seinen Feldstecher vor die Augen. Sein Blick irrte über Büsche, Luftwurzeln und Blattwerk. „Hab ihn“, vermeldete Vashkova tonlos, und kurz darauf entdeckte auch Santi die schwarze Katze. Der Jaguar thronte etwa einhundert Meter entfernt auf dem Stamm eines in den Río Catauá gestürzten Andiroba-Baumes und schaute über das Wasser. Santi wusste, dass Jaguare an Flüssen manchmal stundenlang auf der Lauer lagen. Egal ob Wasserschwein, Tapir oder Kaiman, ein Jaguar griff jedes Tier an, das nicht schnell genug flüchten konnte und schreckte auch vor Kämpfen mit den gewaltigen Anakondas nicht zurück.
Das seidige Fell des Jaguars glänzte im Schein der Nachmittagssonne. Die Katze schien ganz in die Betrachtung des Wassers versunken, und obwohl Santi den Tod dieses Tieres herbeisehnte, nahm ihm die Pracht dieses Anblicks den Atem. Vashkova hatte eine Patrone geladen und visierte durch das Zielfernrohr. Organi beobachtete sie stirnrunzelnd. Er berührte leicht Santis Arm, und als dieser das Fernglas absetzte und ihn fragend anschaute, wies er mit einem Nicken auf Vashkova, deren rechte Hand mit einem Zittern den Abzugsbügel des Karabiners umschloss.
Organi und Santi verfolgten mit bleichen Gesichtern, wie Vashkova hörbar durchatmete, den Zeigefinger an das Züngel legte und den Druckpunkt des Abzugs suchte. Jeden Augenblick musste der Schuss brechen. Santi schaute wieder durch das Glas. Er sah den gewaltigen Schädel des Jaguars im Profil. Etwas Verschwommenes schwirrte durch die Sichtlinie, ziemlich dicht vor Santis Position, vielleicht ein Vogelschwarm. Er verlor den Jaguar einen Moment lang aus dem Blick, und als er ihn wiederfand, starrte die Katze zu ihnen herüber. Santi hätte beinahe das Gleichgewicht verloren, so erschreckte ihn die stumme Drohung, die in den Augen des Jaguars lag.
Der Schuss brach mit ohrenbetäubendem Knall. Santi sah durch das Fernglas, wie die Rinde des Baumstammes unter dem Jaguar aufspritzte und das Tier mit einem Satz im Dickicht verschwand.
"Por amor de Deus!“, ächzte Organi und vergrub das Gesicht in den Händen. Santi musterte Vashkova mit einem schnellen Blick. Sie atmete schwer und starrte noch immer durch das Glas. Als Santi sanft ihren Arm ergriff, schreckte sie hoch und fixierte ihn mit einem irren Ausdruck in den Augen. In diesem Moment wusste er, dass etwas nicht stimmte. Vashkova bewegte die Lippen, aber kein Laut war zu hören. Sie wirkte vollständig paralysiert.
„Wir richten erst einmal das Lager“, sagte Santi und bemühte sich, seiner Stimme einen beruhigenden Klang zu geben. „Vielleicht bietet sich später am Abend oder morgen früh eine weitere Gelegenheit.“ Vashkova zitterte jetzt am ganzen Leib. Sie brachte noch immer kein Wort heraus und blickte irritiert um sich. Santi half ihr auf. „Nimm das Gewehr“, sagte er zu Organi.

Die beiden Männer bauten das Lager in der Nähe des Flusses auf. Vashkova saß an den grauen Stamm eines Kapok-Baumes gelehnt und sah teilnahmslos zu. Es schien ihr wieder etwas besser zu gehen, aber Organi betrachtete sie besorgt. „Sie schafft es nicht“, sagte er leise zu Santi.
Als die Nacht anbrach, saßen die Drei um das Kochfeuer und schauten in die Flammen. Vashkova hatte vom Stockfisch und den schwarzen Bohnen kaum etwas gegessen. Sie rückte näher ans Feuer. Unter ihren Augen lagen tiefe Schatten.
"Ich denke, morgen früh werden wir mehr Glück haben", versuchte Santi sie aufzumuntern.
"Es lag nicht am Glück", erwiderte Vashkova.
"Woran lag es dann?", fragte Organi. Alle drei – selbst Organi – waren erschrocken über die Schärfe, die in seiner Stimme gelegen hatte. Er räusperte sich. "Tut mir leid. Ich bin müde... "
Santi sah, wie Vashkova die Lippen öffnete und einen stummen Schrei ausstieß. Und obwohl sie keinen Laut hervorbrachte, lag in diesem Schrei ein solches Grauen, dass Santi erstarrte. Tränen traten in Vashkovas Augen, und es schien, als blicke sie durch Organi und die Schwärze der Nacht hindurch. Ihr Körper verkrampfte, und endlich quälte sich ein animalischer Klagelaut aus ihren Lungen.
Santi rappelte sich hoch. "Sie kollabiert", rief er Organi zu. "Hol das Wasser. Schnell!"
Vashkova zitterte heftig. Santi nahm sie in die Arme, und während er eine Decke um ihre zuckenden Schultern legte, setzte Organi eine Wasserflasche an ihre Lippen. Vashkova trank, und allmählich entspannte sich ihr Körper.
Santi bemerkte, dass im Wald um sie herum tiefe Stille herrschte. Nur vom Fluss her war ein leises Rauschen zu hören. Er machte Organi darauf aufmerksam, und der begriff sofort.
"Er ist hier", flüsterte er.
Und nun rochen sie es alle. Der Raubtiergestank war unverkennbar.
"Wo ist er?" Santis Stimme klang heiser. Das Feuer knisterte leise.
Organi saß steif da. "Ich denke, er hat sich vom Fluss genähert", sagte er. Santi hatte seine Machete aus dem Gürtel gezogen. Er spähte verstohlen in die Richtung des Wassers, aber in der Finsternis jenseits des vom Feuer beschienenen Bereichs war zunächst nichts zu erkennen.
Die Katze musste sich an das Lager herangeschlichen haben, als Vashkova zusammengebrochen war. Jetzt konnte jede Bewegung einen Angriff provozieren. Die einzige Hoffnung lag nun im Feuer, der jahrtausendealten Waffe des Menschen gegen die Wildnis und die Mächte der Dunkelheit.
"Ich glaube, er sitzt dort drüben", sagte Organi leise. Santi folgte dem Blick seines Freundes und schüttelte den Kopf.
"Schau ihn nicht direkt an. Schau aus den Augenwinkeln", flüsterte Organi, und jetzt erahnte Santi die Gestalt der riesigen Katze als Fleck tiefster Schwärze, keine zehn Meter von ihnen entfernt.
In diesem Moment erhob sich Vashkova. Santi wollte sie festhalten, doch sie entwand sich seinem Griff so energisch, dass ihm nichts weiter übrig blieb, als mitanzusehen, wie sie ein paar Schritte auf den Schemen des Jaguars zuging. "Sind Sie verrückt geworden?", zischte er ihr hinterher.
Vashkova kniete nieder, wandte sich dem in der Finsternis verborgenen Tier zu und sagte mit klarer Stimme: "Wir achteten bei den Kämpfen darauf, immer eine letzte Handgranate am Mann zu behalten."
Santi sagte zu Organi: "So ein Irrsinn. Wir müssen etwas tun!"
Doch Organi erwiderte: "Nein, lass sie."
Der Raubtiergeruch wurde stärker, seine Schärfe brannte Santi in der Nase. Vashkova sagte: "Niemand wollte lebend in Gefangenschaft der Mudschahidin geraten, denn das war schrecklicher als der Tod."
Santi sah im Schein des Feuers, wie sich Vashkovas schlanke Gestalt krümmte. Er dachte daran, was sich ihm in den letzten Jahren als Gewissheit erschlossen hatte: So etwas wie Vergangenheit gab es nicht. Es mochte ein Früher-passiert existieren – und selbst das war nicht gewiss - aber alles, was jemals geschehen war, bildete sich im Hier und Jetzt ab. Vergangen war es nicht.
"Artjom hatte es nicht geschafft, die Granate rechtzeitig zu zünden", sagte Vashkova mühsam. "Er hat es nicht geschafft."
Sie schwieg einen Moment. Santi vernahm deutlich, dass es in der Dunkelheit vor ihnen raschelte.
"Wir nannten es das afghanische Hemd. Sie schnitten den Gefangenen in Höhe des Beckens die Haut auf … und zogen sie über den Kopf." Die beiden Männer wechselten einen Blick.
"Über dem Kopf … banden sie die Haut zusammen. Sie hatten Artjom an einen Baum gefesselt und sahen dabei zu, wie er langsam erstickte."
Vashkova weinte. Das Gesicht in den Händen, sagte sie etwas auf Russisch. Obwohl Santi es nicht verstehen konnte, war er sicher, dass sie zu Artjom sprach. Nach einer kurzen Pause sagte sie: "Ich feuerte aus einer Entfernung von über achthundert Metern. Das war alles, was ich für ihn tun konnte."
Noch während Santi darüber nachdachte, was jetzt zu tun war, raschelte es erneut. Der Raubtiergeruch ließ nach. Der Jaguar war fort.

Als sich Vashkova am nächsten Morgen schussbereit machte, schien sie frisch und ausgeruht. Santi verfolgte, wie sie den Vorderschaft des Gewehrs auf ihren Rucksack bettete und die Blenden des Zielfernrohrs wegklappte. Er konnte nicht aufhören, sich darüber zu wundern, wie verändert Vashkova wirkte.
Sie hatten einen heiklen Plan gefasst. Organi saß auf jenem Andiroba-Stamm, der halb im Wasser des Río Catauá lag. Etliche Spuren in der Nähe deuteten darauf hin, dass der Jaguar hier häufig auf der Lauer lag. Mit Hilfe eines Bambusrohrs wollte Organi das Jaguarbrüllen eines weiblichen Tieres nachahmen. Diesen gefährlichen Trick hatte er vor vielen Jahrzehnten von Jägern gelernt. Der Hinterhalt bedurfte eines wahrhaft kaltblütigen Schützen, sonst endete die Jagd in einer Katastrophe.
"Ich bin immer noch nicht davon überzeugt, dass es eine gute Strategie ist", sagte Santi leise und beobachtete Vashkova, die ihre Jacke zu einem Ballen verknotete, mit dem sie die Schulter im liegenden Anschlag unterpolstern wollte.
"Es ist die einzige Strategie, die wir haben", erwiderte Vashkova, legte sich auf den Bauch und zog die Waffe in die Schulter. Santi setzte das Fernglas an. Über dem Fluss lag ein dunstiger Schleier, doch Organi war gut zu erkennen. Er hantierte mit dem frisch geschlagenen Bambus, korrigierte mit dem Messer die Höhlung des Mundstücks und hob es an die Lippen.
Santi erschauerte, als er das heisere Grunzen hörte, das jetzt über den Fluss drang. Organi schien die Technik perfekt zu beherrschen.
Im Wald um ihn herum trat schlagartig Stille ein. Santi war nervös. Er bemerkte, dass er stark schwitzte. Das Risiko dieses Plans war enorm. Falls der Jaguar Organi angriff, blieben Vashkova nur Sekundenbruchteile für den Schuss. Wäre es nach Santi gegangen, hätten sie es noch einmal ohne den Ködertrick versucht. Doch Organi hatte Santis Einwände nicht gelten lassen: "Der Jaguar weiß, dass wir hier sind. Er wird sich nicht von selbst zeigen. Wir müssen ihn anlocken."
Santi starrte durch das Glas. Schweiß brannte in seinen Augen. Wiegten sich diese Zweige dort im Wind? Er schwenkte zum Fluss, doch außer dem Fließen des Stroms gab es keine Bewegung auf dem Spiegel des Wassers.
"Hab ihn", flüsterte Vashkova im gleichen Moment. "Dann schießen Sie, verdammt noch mal", sagte Santi. Durch das Glas sah er Organi, der jetzt völlig bewegungslos auf dem Stamm saß. Offenbar hatte er den Jaguar bemerkt. Santi suchte das Dickicht hinter Organi ab. Er entdeckte die Katze, als sie aus dem Unterholz schoss.
In diesem Augenblick krachte der Karabiner. Vashkova musste den Jaguar im Sprung getroffen haben. Die Katze prallte gegen den querliegenden Stamm und rollte als zuckendes Knäuel in den Fluss. Santi verlor sie einen Moment lang aus dem Blick, doch dann sah er, dass sie auf das andere Ufer zuschwamm. Vashkova hatte eine zweite Patrone geladen und feuerte, doch der Schuss verfehlte – die Kugel riss eine schäumende Wunde in das Wasser hinter der schwimmenden Katze. Dann verschwand der Jaguar aus dem Sichtbereich.
Santi fuhr hoch, den Griff seiner Machete fest umklammert. "Er ist jetzt auf unserer Seite, Anna!" Auch Vashkova war aufgesprungen. Mit zitternden Fingern lud sie eine Patrone. Sie hörten das Fauchen des Jaguars, und im selben Augenblick war er über ihnen - wie ein Schatten, der durch die Luft segelte. Santi stürzte. Vashkova riss den Karabiner hoch und feuerte. Der Körper des Jaguars fiel schwer zu Boden.
Die Kugel hatte ein paar Wirbel zerschmettert, aber der Jaguar war nicht tot. In seinem Blick loderte eine so entsetzliche Wildheit, dass Santi wie gelähmt dalag. Die Hinterläufe über den Boden schleifend, schleppte sich sich die Katze mit den gewaltigen Vorderpranken an Vashkova heran, die verzweifelt versuchte, den Karabiner durchzuladen. Doch der Verschluss klemmte. Endlich schüttelte Santi seine Erstarrung ab. Er schwang die Machete, stürzte sich auf das Tier und hieb mit aller Kraft zu. Ein tiefes Grollen war zu hören, dann war Stille.

Am Nachmittag rollte Santis Jeep im ersten Gang über die Hauptstraße von São Jorge. Der Körper des Jaguars war auf dem Dach des Wagens festgebunden. Immer mehr Menschen kamen herbeigerannt, und auf einen Moment der Schreckens angesichts der enormen Größe der Katze, folgte ein ungeheurer Ausbruch der Gefühle. Das ganze Dorf schrie, weinte und lachte. Und wieder läuteten die Glocken der kleinen Kirche am Marktplatz. Einer spontanen Prozession zu Ehren des Petrus von Alcantara und des heiligen Georg schlossen sich immer mehr Dorfbewohner an.
Am Abend wurde eine große Festa veranstaltet. Um Mitternacht berichtete Santi vor der ergriffenen Menge, wie sie die Menschenfresserkatze zur Strecke gebracht hatten. Danach gab es kein Halten mehr. Vashkova, Organi und Santi wurden durch das fackelbeleuchtete Dorf getragen. Überall sangen und tanzten die Menschen. Es war seit Wochen die erste Nacht ohne Furcht.

Eine Woche darauf besuchte Santi Vashkova in der Geistersiedlung.
"Ich hatte gehofft, dass Sie sich jetzt etwas häufiger im Dorf blicken lassen", sagte er, nachdem sie angestoßen und getrunken hatten. "Das werde ich", erwiderte Vashkova entspannt. "Aber geben Sie mir noch ein wenig Zeit."
Santi nickte. Er schaute sich um und rieb sich das Kinn. "Sie wissen, dass Sie hier nicht allein leben müssen. Sie könnten jederzeit im Dorf…"
Vashkovas Mundwinkel zuckten, und mit mildem Spott sagte sie: "Ich hoffe, Sie haben nicht vor, mir einen Antrag zu machen, Dr. Santi."
Santi hob sein Glas und trank. "Keine Sorge", antwortete er lächelnd. "Soweit sind wir noch nicht."

 

Die Geschichte ist handwerklich stimmig erzählt. Das Tempo passt, inklusive der, eine gute Geschichte ausmachenden Verzögerungen („Kümmern wir uns erst mal um den verdammten Generator")
Die Auftritte (Mann mit totem Mädchen in den Armen) sind filmreif.
Alles in allem hat mir die Geschichte sehr gut gefallen, vieles andere ist bereits gesagt.

 

Hallo Asterix, vielen Dank für den Nachtrag. Ich werde Deine Hinweise in die Überarbeitung der Geschichte einfließen lassen.

Hallo Nastroazzurro, vielen Dank für Dein Statement. Auch solche kurzen Wortmeldungen bringen mir was. Deine Einschätzung zum Tempo zeigt wieder einmal, wie unterschiedlich die Empfindungen da sein können. Es gab ja auch Kommentare, die diese Verzögerungen als störend beschrieben haben. Das ist eben immer auch eine Sache des persönlichen Geschmacks.

Gruß aus dem sonnigen Berlin
Achillus

 

Hallo Achillus!

Ich habe die Story mit Vergnügen gelesen, muss ich sagen; sie ist handwerklich recht ordentlich erarbeitet. Leider kann man am Schluss des Beitrages nicht erkennen, dass du geändert hast. Aber das scheint mit dem "Maskenball"-Thema zusammenzuhängen.
Du warst drüber und hast gewisse Passagen geändert.
Wohlwollen.
Allerdings läuft - meiner Meinung nach - noch nicht alles rund.

Der Einstieg ist super, wirklich toll. Man wird reingezogen ins Geschehen, man merkt, du hast wirklich dran gearbeitet. Was Quinn monierte (ich habe bei weitem nicht alle Kritiken gelesen), hast du auch geändert. So dass der erste Absatz wirklich glatt läuft und sich gut lesen lässt.

Der Jaguar hockte am Ende der Straße, keine zwanzig Schritte entfernt und fixierte ihn mit einem Blick, der Santi innehalten ließ

Finde ich 'n bisschen stolperig. Würde Santi nicht innehalten, ohne den Blick? Also nicht der Blick des Tieres ist es, der Santi innehalten ließ, sondern das Tier selbst.

sagte jemand tonlos. Einen Moment lang war Stille über allem. Die Männer lauschten atemlos.

Ist zumindest vom Klang her wie eine Wiederholung. Außerdem finde ich Männer, die atemlos lauschen, ziemlich abgedroschen. Vielleicht nicht so gedankenlos hinschreiben, ich beobachte mich dabei auch immer wieder. Manchmal merkt man das gar nicht, es lohnt sich aber immer wieder, den Leser zu überraschen.

Anna Oksana Vashkova stand auf der Veranda ihres Hauses, das ein bereits fortgeschrittenes Stadium des Verfalls erreicht hatte.

Das hier ist meiner Meinung nach auch ein bisschen der Faulheit geschuldet. Du hast dich bei der Beschreibung der Hütte ziemlich aus der Verantwortung gestohlen und dich wieder mal in eine Phrase geflüchtet. Das ist lohnender, ein Bild zu suchen, das frischer, nicht verbraucht ist. Aber ich glaube nicht, dass ich dir was Neues erzähle. Ich finde das nur immer schwierig, bei seinen eigenen Stücken solche Sachen rauszufinden.

Als den größten Manko des Stückes empfinde ich dann die nächste Szene. Es ist ja schon eine starke Idee, den Scharfschützen so völlig gegen den Strich zu besetzen. (Wenn man sich die ganze Sache genau betrachtet, ist die Rolle dann doch nicht mehr so sehr gegen den Strich besetzt)
Doch ich finde, die Szene der ersten Begegnung der Beiden hätte wirklich etwas kontroverser ausfallen können.
Um Charaktere zu beschreiben, sind ja eigentlich Konflikte vonnöten. Aber der Konflikt ist für meinen Geschmack etwas zu seicht geraten. Die beiden Figuren hätten schärfer kontuiert werden können (gibts das Wort?)

Es war ein hohes Kreischen, das abrupt verstummte.

Darüber bin ich dann nochmal richtig gestolpert. Kann ein Kreischen verstummen? Wird es nicht eher abbrechen, wenn auch nicht abrupt? Eine Person verstummt, denke ich.

Ich habe mir keine weiteren Notizen gemacht, das würde ja dann heißen, dass es so spannend war, dass ich überhaupt nicht dazu kam, etwas aufzuschreiben.

Über das Ende könnte man vielleicht diskutieren, es war vielleicht ein wenig zu gradlinig. Kann aber auch sein, dass das daran liegt, weil ich aus der Pointen-Geschichten-Ecke komme. Das ist also doch ziemlich subjektiv.


Hat mir im Ganzen recht gut gefallen, gerade wegen der Besetzung des Schützen.

Schöne Grüße von meiner Seite!

 

Hallo Hanniball,

vielen Dank für Deine Kritik. Ich arbeite seit Wochen immer mal wieder an den Schwachstellen der Geschichte. Dabei habe ich eine völlig neue Erfahrung gemacht: Ich finde es nahezu unmöglich, die problematischen Stellen zu eliminieren, ohne das gesamte Ding bis zur Unkenntlichkeit zu zerpflücken.

Bei den bisherigen Kritiken gab es viele hilfreiche Hinweise. Und einige von ihnen konnte ich schnell umsetzen. Aber bei der größeren Zahl ergab sich das praktische Problem, dass sie eine Menge weiterer Korrekturen und Umstellungen erzwungen hätten und zwar auch in den Stellen, die ich für gelungen halte.

Allein die Umstellung von ein paar Worten innerhalb eines Satzes bewirkt oft, dass ich bestimmte Worte davor oder danach wegen der Lautähnlichkeit nicht mehr benutzen kann und ebenfalls umstellen muss. Das kann zu einer ganzen Kette von Korrekturen führen, die in ihrer Summe dann den Text total verändern. Das ist mir so noch nie aufgefallen.

Du hast recht, was das Beispiel mit dem Blick und auch die Ähnlichkeit von tonlos/atmelos betrifft. Mal sehen, ob ich das gelöst bekomme.

Auch an dem verfallenen Haus könnte ich noch mal arbeiten, obwohl ich es langsam ein bisschen satt habe.

Aber eine Überarbeitung der zweiten Szene (Dialog Santi-Vashkova) kommt zur Zeit für mich nicht in Betracht. Nicht, weil Du unrecht hättest - ich verstehe Deine Argumente. Aber dafür fehlt mir schlichtweg der Elan.

Ich habe auch eine ganze Zeitlang über den Kritikpunkt der Ähnlichkeit zwischen Organi und Santi nachgedacht, den jemand hier geäußert hat. Aber statt die ganze Geschichte noch mal auseinanderzunehmen werde ich diesen Hinweis lieber als Lektion für zukünftige Arbeiten betrachten.

Vielen Dank fürs Lesen, Hanniball!

Gruß Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Reloaded

Liebe Freunde,

ich habe jetzt die aktualisierte Fassung der Geschichte eingestellt. Was sofort ins Auge sticht, ist die neue Formatierung. So richtig glücklich bin ich damit nicht, aber ich weiß nicht, wie ich es besser machen soll:

Leerzeilen habe ich jetzt nur noch für Szenzenwechsel verwendet. Da die Forumssoftware keine eingerückten Zeilen ermöglicht, wirkt der Text jetzt wie ein ziemlich derber Block. Ich finde es schwierig, das online zu lesen.

Neben der Formatierung habe ich den Straßennamen in "Hauptstraße" umgewandelt und auch Bewohner in Bewohnerin, Biest in Bestie, Grauen in Schrecken verändert.

Ich habe mehrere "stumm" herausgenommen, und auch einen "leeren Blick",
und die "Schwärze" der Dschungelnacht.

Es finden sich auch noch ein paar weitere kleinere Korrekturen.

Keine Ahnung, ob der Text jetzt besser ist. Manchmal passt einem die zerbeulte Lederjacke besser, als der schicke neue Anzug.

Einige sehr gute Hinweise (z.B. von Asterix zur Szene mit dem toten Mädchen) konnte ich bisher nicht umsetzen. Beim Umstellen ergaben sich immer neue Schwierigkeiten, die weitere Umstellungen erforderten. Deshalb belasse ich es vorerst bei dieser Variante. Vielen Dank an alle Kommentatoren!

Gruß Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

hi achillus,

habe die vorkommentare jetzt nicht gelesen. kriegst also eine unbeeinflusste lesermeinung. vorweg: ich bin beim durchstöbern wieder auf deine geschichte gestoßen; ich muss zugeben, ich habe sie vor ein paar wochen mal angelesen, aber da hatte deine story eine echt schräge formatierung, die mich irgendwie ein bisschen geärgert hatte, deswegen habe ich den text damals liegen lassen.

ich weiß nicht, wie viel du jetzt an der geschichte verändert hast, habe damals wie gesagt nur kurz reingelesen. war vorhin dann doch zu neugierig die neue fassung zu lesen, da sie jetzt auch vom layout viel angenehmer zu lesen ist, diese ganzen absätze sind jetzt weg ... und ich muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht; im gegenteil, ich fand deine geschichte echt ziemlich gut. hast du die letzte zeit viel hemingway gelesen? irgendwie hat mich das alles an ihn erinnert; deine schreibe, das setting (jagd, spanischsprechende menschen), und auch die art, wie du langsam den vorhang um das geheimnis der russin lüftest, das hatte was hemingwaymäßiges. großes lob dafür, wirklich, ich finde du hast einen echt guten schreibstil; ich habe vor einem jahr oder so mal (falls ich mich nicht gerade täusche ...) eine sciencefictionstory von dir kommentiert, tiefraumflug irgendwas (kann sein dass es deine erste war), die war ziemlich durch, ziemlich psychedelisch, und im vergleich dazu hast du dich echt gemacht.


zeugs:

Und für einen Geist hielten einige alte Männer und Frauen des Dorfes auch den einzige Bewohnerin der Siedlung.
die einzige Bewohnerin

"Nehmen Sie Platz", war Vashkovas Stimme von drinnen zu hören. "Ich hole uns etwas zu trinken."
das unterstrichene fand ich irgendwie ... ungeschickt formuliert. hörte er sie von drinnen rufen oder so fände ich schöner.

Es gehörte mehr als der Vergleich mit einem Wasserschwein dazu, ihn aus der Fassung zu bringen.
das fand ich sau gut. als leser fragt man sich ja davor: was ist ein capybara? die auflösung hat mir dann doch ein schmunzeln ins gesicht geklebt. schöne stelle.


"Sie haben es achtundsechzig versäumt, in die richtigen Ärsche zu kriechen und mussten vor den Säuberungen fliehen", antwortete Vashkova. "Deshalb sind Sie in diesem beschissenen Dorf gelandet. Und seitdem bauen Sie hier an Ihrem linken Utopia, weil Sie in der Welt da draußen nichts ändern konnten. Weil sie in der richtigen Welt gescheitert sind."
die beiden hauptfiguren charakterisierst du sehr gut, er will die welt verbessern, ist aber 68 gescheitert; sie hatte die ideale vielleicht auch mal, hat sie aber im krieg verloren.

Dann schulterte er das Gewehr, ergriff die Munitionskiste und folgte Vashkova nach draußen.
das ergriff die Munitionskiste finde ich irgendwie ungeschickt ausgedrückt; Dann schulterte er das Gewehr, griff nach der Munitionskiste und folgte Vashkova nach draußen. fände ich flüssiger.

Er packte sie im Nacken.
am Nacken.

Santi hatte ihren Kopf gedreht, und sie konnte den Blick nicht abwenden von dem Gesicht des Mädchens, das von schrecklichen Wunden verwüstet war.
die satzkonstruktion klingt etwas krumm; würde es so schreiben:
Santi hatte ihren Kopf gedreht, und sie konnte den Blick nicht vom Gesicht des Mädchens abwenden, das von schrecklichen Wunden verwüstet war.

"Also gut. Wie geht es jetzt weiter?"
"Ihr wartet hier, ich folge der Fährte", antwortete Organi.
Egal ob Wasserschwein, Tapir oder Kaiman, ein Jaguar griff jedes Tier an, das nicht schnell genug flüchten konnte und schreckte auch vor Kämpfen mit den gewaltigen Anakondas nicht zurück.
diesen teil fand ich etwas unlogisch. organi sucht allein nach dem jaguar? wieso? wenn der jaguar jedes tier angreift, das nicht schnell genug flüchten kann, ist das doch fast ein völlig unnötiger kamikaze ausflog, oder? und dann bleibt er noch zwei stunden weg, sprich: er geht sehr weit, um die katze zu suchen. unnötig gefährlich.

Es schien ihr wieder etwas besser zu gehen, aber Organi betrachtete sie besorgt. „Sie schafft es nicht“, sagte er leise zu Santi.
mhm, irgendwie finde ich es nicht gut, dass organi das leise zu santi sagt. erstens, weil man seine besorgnis schon dadurch mitbekommt, da er die russin besorgt betrachtet, andererseits, weil man in so einer heiklen situation bestimmt nicht demotivierend wirken will. gut, das baut spannung auf, weil man als leser noch mehr denkt: wird sie es schaffen, oder kommen alle um? aber der situationslogik nach, etwas wackelig, finde ich. ich hätte es besser gefunden, wenn er den doktor etwas fragt, wie: meinst du, sie schafft es? und er sagt dann: ich weiß es nicht, organi, ich weiß es nicht.
das fände ich authentischer in dieser situation, organi ist ja eher verunsichert, als dass er schon aufgegeben hat (oder demotivierend wirken will). du weißt schon.

"Ich denke, morgen früh werden wir mehr Glück haben", versuchte Santi, sie aufzumuntern.

"Ich denke, morgen früh werden wir mehr Glück haben", versuchte Santi [kein Komma] sie aufzumuntern.

Er dachte daran, was sich ihm in den letzten Jahren als Gewissheit erschlossen hatte: So etwas wie Vergangenheit gab es nicht. Es mochte ein Früher-passiert existieren – und selbst das war nicht gewiss - aber alles, was jemals geschehen war, bildete sich im Hier und Jetzt ab. Vergangen war es nicht.
das hat sich ziemlich nach autor angehört. ich würde an deiner stelle versuchen, dieses die vergangenheit wird man nicht los, sie ist im jetzt immer präsent irgendwie anders rüberzubringen.

Das Gesicht in den Händen, sagte sie etwas auf Russisch.
ja genau! wieso hat sie vorher eigentlich englisch/spanisch mit dem jaguar aka ihrem toten freund geredet? eigentlich bissle unlogisch, sie hätte von anfang an mit ihm russisch sprechen müssen.

"Ich bin immer noch nicht davon überzeugt, dass es eine gute Strategie ist", sagte Santi leise und beobachtete Vashkova, die ihre Jacke zu einem Ballen verknotete, mit dem sie die Schulter im liegenden Anschlag unterpolstern wollte.
"Es ist die einzige Strategie, die wir haben", erwiderte Vashkova, legte sich auf den Bauch und zog die Waffe in die Schulter.
vllt findest du eine möglichkeit, eine schulter auszutauschen, solche wiederholungen klingen irgendwie nicht schön

jo, ich habe dir zwar jetzt einige stellen herausgesucht und ein paar sachen angeprangert, aber im großen und ganzen hat mir deine story echt sehr gut gefallen, ganz ehrlich. habe mich wunderbar unterhalten gefühlt, deine schreibe hat mich die ganze story durch gut über die seiten getragen. ich fand's richtig spannend und stand nach dem ersten absatz richtig im dschungel neben dem doktor.
dieses ganze jagd-südamerika-scharfschützen-dschungel-setting hast du entweder saugut recherchiert, oder du bist tatsächlich in irgendeinem schützenverein, und warst mal im dschungel, oder so ;) würde mich auf jeden fall interessieren wie du zu den ganzen waffen-, jagd-, und südamerikadetails und so kamst, weil die schon sehr authentisch rüberkamen. will dir jetzt nicht noch mehr honig um den mund schmieren: aber hat echt verdammt viel spaß gemacht. wie auch immer. hoffe du kannst was mit meinem feedback anfangen.

beste grüße,
zigga

 

Hallo Zigga,

vielen Dank für Deinen Kommentar. Habe mich sehr darüber gefreut. Wunderbar auch, dass sich die ganze Neuformatierung gelohnt hat.

Kurz zu Deinen Fragen und Hinweisen:

Hemingway habe ich früher viel gelesen, in den letzten Jahren aber nicht. Trotzdem kann ich nachvollziehen, dass Du da Ähnlichkeiten siehst. Mich hat bei ihm immer begeistert, dass er aus recht einfachen Zutaten eine spannende und vielfältig interpretierbare Geschichte bauen kann. Und im Grunde ist in meiner Geschichte das Setting ja auch recht simpel – ein Tier tyrannisiert ein Dorf und nun soll eine Außenseiterin, die ihre ganz eigenen Sorgen hat, das Problem lösen. Ich finde da eine Menge allgemein Menschliches drin. Deshalb hat das Schreiben auch viel Spaß gemacht.

Von Deinen Hinweisen und Verbesserungsvorschlägen habe ich zwei gleich umgesetzt, bei den anderen brauche ich Zeit um das zu überdenken. Mir geht es oft so, dass ich bestimmte Sätze so oft durchgelesen und schließlich für gut befunden habe, dass sich neue Varianten für mich erst einmal schräg anhören. Vielen Dank für Deine Mühe, nach Verbesserungen zu suchen. Das hilft auf jeden Fall.

Was Deinen Hinweis zur Gefährlichkeit von Organis Alleingang betrifft, stimme ich Dir zu. Aber: Als Fährtenleser geht er davon aus, das Tier eher zu bemerken, als umgekehrt, denn das ist die Voraussetzung für die Jagd. Der Jaguar überrascht Tiere, die selbst auf Futtersuche sind, nicht aber einen Menschen, der nach ihm sucht. Natürlich ist dieses Manöver gefährlich, denn manchmal wird der Jäger zum Gejagten. Aber die Alternative wäre zu dritt stundenlang im Wald und am Fluss entlangzupirschen. Das macht eine Menge Lärm und im Falle eines Überraschungsangriffs des Jaguar nutzt ein Karabiner ohnehin nicht viel, denn das Gewehr ist wegen seiner Unhandlichkeit keine gute Verteidigungswaffe.

Was meinen persönlichen Hintergrund betrifft, gehe ich beim Geschichtenschreiben nach einer Art Prioritätenliste vor: Am wichtigsten sind Aspekte, die ich durch eigene Erfahrungen kennengelernt habe. Im Fall dieser Geschichte betrifft das vor allem den Umgang mit Waffen. Danach kommen die Dinge, die ich aufgrund von Interesse und Bildung weiß. Da ich mich sehr für Natur, Tier- und Pflanzenwelt interessiere wusste ich schon vor dem Schreiben eine ganze Menge über Jaguare, den Regenwald usw. Alles, was ich nicht erfahren habe oder aufgrund von Bildung kenne, versuche ich zu recherchieren. In diesem Fall waren das die politischen Verhältnisse in Brasilien in den 60ger Jahren. Und alles, was nicht in die ersten drei Kategorien passt, phantasiere ich mir zusammen. So ist es beispielsweise sehr unwahrscheinlich, dass die Russen weibliche Scharfschützen in Afghanistan eingesetzt haben. Ein bisschen schriftstellerische Freiheit ist wohl erlaubt. Ich fand eine Frau in dieser Rolle einfach spannender.

Vielen Dank fürs Lesen und die Mühe, die Du Dir mit dem Kommentar gegeben hast.

Gruß Achillus

 

hey achillus,

Von Deinen Hinweisen und Verbesserungsvorschlägen habe ich zwei gleich umgesetzt, bei den anderen brauche ich Zeit um das zu überdenken.
kein stress. ich wollte dir bloß die textstellen zeigen, die ich mir beim lesen markiert habe. musst das natürlich nicht alles übernehmen. sowas bringt einem oft etwas, wenn auch nur für kommende texte.

Was Deinen Hinweis zur Gefährlichkeit von Organis Alleingang betrifft, stimme ich Dir zu. Aber: Als Fährtenleser geht er davon aus, das Tier eher zu bemerken, als umgekehrt, denn das ist die Voraussetzung für die Jagd.
okay, sowas in der art hatte ich mir schon gedacht, aber da ich keine ahnung von der jagd habe, war's mir dann doch etwas schleierhaft. aber wie du argumentierst hört sich das schon richtig an.

Und alles, was nicht in die ersten drei Kategorien passt, phantasiere ich mir zusammen. So ist es beispielsweise sehr unwahrscheinlich, dass die Russen weibliche Scharfschützen in Afghanistan eingesetzt haben. Ein bisschen schriftstellerische Freiheit ist wohl erlaubt. Ich fand eine Frau in dieser Rolle einfach spannender.
ja, stimmt, ich glaube im zweiten wk. gab es ziemlich viele weibliche sowjetisch soldatinnen, auch scharfschützen; danach wurde das immer rarer. ich glaube auch nicht, dass es weibliche scharfschützen in afghanistan gab, dazu bräuchte man einen militärischen rang, den die frauen damals verwehrt blieb, würde ich jetzt mal nach meiner fünfminuten google-recherche schlussfolgern ;) das ist mir aber beim lesen nicht aufgefallen. bewegt sich in der schreiberfreiheit, da stimme ich dir zu.
ich wünsch dir noch was.

zigga.

 

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