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Das Böse schläft nicht
„Halsabschneider“, murmelte Martin Wenger, „skrupellose Halsabschneider.“ Die Nachrichten aus dem Radio weckten wieder einmal Emotionen in ihm. Verächtliches Kopfschütteln war die harmloseste seiner Reaktionen. Zum Beispiel darauf, dass die neue Regierung, die mit dem Versprechen angetreten war, die Steuern niedrig zu halten, schon wenige Monate nach ihrem Amtsantritt über Steuererhöhungen nachdachte. Aber nein, es waren ja gar keine Steuern, sondern nur Abgaben und Gebühren. Sehr witzig! Für wie dumm hielten die eigentlich die Leute? Na ja, vielleicht für so dumm, wie sie nun mal waren. Wahrscheinlich verdienten die Menschen einfach nichts Besseres. Wahrscheinlich verdienten sie all das, was auch heute wieder an Katastrophen aus dem Radio sickerte. Schlimme Dinge geschahen eben. Schicksal. Oh ja, darüber wusste Wenger Bescheid. Auch ihm waren schlimme Dinge geschehen.
Seine Frau war vor ein paar Jahren auf der Straße zusammengebrochen und gestorben, in der Nähe ihrer Wohnung, einfach so, ohne Vorwarnung. Plötzlicher Herzanfall. Niemand hatte das geahnt oder vorausgesehen. Der Arzt hatte ihm damals gesagt, sie wäre wahrscheinlich sehr schnell tot gewesen. Niemand hätte es verhindern oder sie retten können.
Trotzdem wurde Wenger seit damals den Gedanken nicht los, wie viele Leute einfach an ihr vorbeigegangen waren, ohne von ihr Notiz zu nehmen. Es musste so gewesen sein, denn der Krankenwagen war erst eine Stunde, nachdem sie das Haus verlassen hatte, am Unfallort eingetroffen. Nie hatte Wenger aufgehört, daran zu denken, dass sie vielleicht doch zu retten gewesen wäre, wenn er es nur versucht hätte.
Aber er hatte anderes zu tun, als sich von schlechten Nachrichten aus dem Radio die Laune verderben zu lassen. Er war momentan ohnehin schlecht genug gelaunt. Eigentlich war er das seit Jahren. Und heute hatte er zur Abwechslung sogar einen Grund. Die Zentralheizung dieses Hauses funktionierte einfach nicht richtig. Das war wohl so, seit er hier wohnte, aber jetzt, wo es begann, wirklich kalt zu werden, merkte er es erst. Es zwang ihn, einen Heizstrahler mitten im Wohnzimmer aufzustellen. Er fragte sich immer noch, ob es nicht ein Fehler gewesen war, hierher zu ziehen. Das Haus war zwar oberflächlich renoviert worden, aber seine Eingeweide waren einfach alt und verrottet. Wenn man nur genau genug schaute, entdeckte man überall die Fraßspuren der Zeit. Nun, wenn er ganz ehrlich war, hatte Wenger dann ja etwas mit dem Haus gemeinsam. Früher hätte er über diesen Gedanken vielleicht geschmunzelt.
Er packte seine Einkaufstasche und verließ die Wohnung.
„Guten Tag, Herr Wenger.“
Woher wollten die Leute eigentlich wissen, dass man einen guten Tag hatte? Cencech, der Hausmeister, sah aus, als hätte er tatsächlich nur gute Tage. Er strahlte immer vor sich hin wie ein polierter Spiegel. Wenger konnte sich nicht erinnern, ihn je grantig gesehen zu haben.
Damit würde er wohl kaum den Titel typischster Hausmeister der Stadt gewinnen. Er war auch viel zu jung dafür, und an seiner Jugend hingen wie Kletten seine Fröhlichkeit und seine Energiegeladenheit. Er ging Wenger auf die Nerven. Konnte er ihn nicht einfach das Stiegenhaus hinunter schleichen lassen?
„Tag“, quälte sich wiederwillig aus Wengers Mund.
„Ich hoffe, es ist nicht zu kalt in ihrer Wohnung. Ich habe die Reparatur der Heizung schon beauftragt, aber sie wissen ja, wie Handwerker sind.“
Ja, sie konnten einen nerven, genauso wie Hausmeister.
„Schon gut, Herr Cencech.“
„Einen schönen Tag noch, wünsch ich Ihnen.“
„Ja“
Merkte der nicht, dass er ihm innerhalb einer Minute zweimal einen schönen Tag gewünscht hatte? Man konnte es auch übertreiben.
Als Wenger unten ankam und in den Hof trat, wandten sich seine Gedanken vom das Stiegenhaus putzenden Cencech dem beginnenden Winter zu, dem er sich nun auslieferte.
Früher hatte er den Winter gemocht, das makellose Weiß, die Ruhe, die der Schnee auf die Stadt legte. Aber jetzt dachte er an den widerlichen, grauen Matsch, der bald wieder unter jedem seiner Schritte quatschen würde, als würde er die Leichen des gefallen Schnees unter sich zertreten. Und die Düsternis, die sogar tagsüber anhielt, machte ihn depressiv. Deshalb drehte er immer in der ganzen Wohnung die Lichter auf, ob er sie nun brauchte oder nicht.
Er drückte gegen das schwere Tor, das zur Straße führte, und es bewegte sich keinen Millimeter. Er seufzte. Schon wieder war das Tor zugesperrt. Was bedeutete, dass er seine Hände aus den warmen Jackentaschen ziehen und damit das eiskalte Metall des Schlüssels anfassen musste. Aber auch sonst wäre es eine lästige Pflicht – war es immer gewesen – sich mit dem Auf- und Zusperren des Tores aufzuhalten. Früher hatte hier sogar ein Zettel geklebt, bestimmt von Cencech. „Bitte Tor absperren! Das Böse schläft nicht!“ Bald war die Aufforderung aber wieder verschwunden. Und das Tor war die meiste Zeit offen.
Wenger hatte seine Einkäufe so schnell erledigt, wie möglich. Er hatte sich nie viele Gedanken gemacht, über das, was er kaufte, so lange es halbwegs billig war und einigermaßen dem entsprach, was er suchte. Er beeilte sich nach Hause, denn er wollte noch Kegeln gehen. Das war das einzige, das ihm noch richtig Spaß machte.
An einer Kreuzung sah er zwei Ausländer stehen, die abwechselnd ihre Gesichter in einen Stadtplan vergruben und ziemlich ratlos in die Gegend schauten. Wenger beschleunigte seine Schritte noch mehr. Er redete sich ein, dass er sie einfach übersah, aber tatsächlich graute ihm vor dem Gedanken, zwei Leuten, die seine Sprache nicht verstanden, langwierig ihren Weg erklären zu müssen; überhaupt, da ihn das nicht das Geringste anging.
„Haben Sie vielleicht einen Euro für was Warmes zum Essen?“
Wenger nahm den Obdachlosen nur aus den Augenwinkeln wahr und starrte geradeaus. Das ging ihn ja wohl genauso nichts an. Da wären ja noch die Ausländer besser gewesen. Und außerdem hatte er für so etwas keine Zeit, wenn er heute noch kegeln wollte.
Wenger drückte das Tor auf, das er beim Weggehen vorsorglich offen gelassen hatte. „Schauen sie, Herr Wenger! Schauen Sie, mein neues Fahrrad! Das hab ich heute zum Geburtstag bekommen!“
Schon wieder jemand, der ihn aufhalten wollte. Der kleine Robert Paschinger, der direkt unter ihm wohnte, und der offenbar heute Geburtstag hatte.
„Toll“, sagte Wenger rasch und warf einen sehr kurzen Blick auf das Rad. Dann ging er schnell weiter, bevor der Kleine ihn noch weiter in ein Gespräch verwickeln konnte. Kindergeburtstage waren ihm nun wirklich egal.
Er nahm die Post aus seinem Briefkasten und schlurfte die Treppe hoch. Er hoffte, nicht noch einmal auf Cencech zu treffen, und es war auch tatsächlich nichts von ihm zu sehen. Im Gehen schaute er seine Post durch. Nur überflüssige Werbung. Und ein Spendenaufruf für das Erdbeben, von dem er schon in den Nachrichten gehört hatte. Wo war das noch mal gewesen? Er hatte es vergessen. Irgendwo bebte immer die Erde, und er konnte sich einfach nicht jedes Mal darum kümmern. Nachdem er seine Tür aufgesperrt hatte, warf er seine ganze Post in den Mist. In den einzigen Mistkübel, den er besaß. Mülltrennen war etwas für Leute, die zu viel Zeit hatten.
Plötzlich erschrak er. Ein brenzliger Geruch stieg ihm in die Nase. Mit unheilvoller Ahnung drehte er sich Richtung Wohnzimmer, bereit feuerheiße Rauchschwaden nach ihm lechzen zu sehen. Und feuerheiß fühlte sich auch der Gedanke an, der sich in seinem Kopf aufblähte. Er hatte noch immer keine Feuerversicherung.
Aber aus dem Wohnzimmer kam keine Hitze, im Gegenteil. Winterluft lag schwer aber harmlos in der Wohnung. Was bedeutete das? Er hatte sicher nicht die Fenster offen gelassen.
„Da sind sie ja, Herr Wenger.“
Wieder erschrak er, als Cencechs Stimme ihn von hinten ansprang.
„Ihr Heizstrahler hat Feuer gefangen. Zum Glück war ich grade auf ihrem Stockwerk und hab’s gerochen. Ich hab mit meinem Generalschlüssel aufgesperrt und gelöscht. War nur ein kleiner Brand, aber ich fürchte, sie haben jetzt einen ziemlich hässlichen Fleck auf dem Parkett. Ah, ja, ich hab die Fenster aufgerissen, wegen dem Rauch. Es ist jetzt wahrscheinlich ein bissl kalt bei ihnen, und da ja die Heizung nicht richtig geht, können sie sich einen Heizstrahler von mir ausborgen, wenn sie wollen. Ich hab mehr als einen. Kommen sie einfach vorbei.“
„Danke“, hauchte Wenger, als Cencech davonging, um im nächsten Stock weiter das Stiegenhaus zu putzen. Wenger hatte ihn gar nicht angesehen. Er war immer noch schockiert. Er hatte bisher keine Zeit gefunden, eine Versicherung für seine neue Wohnung abzuschließen. Wäre sie nun völlig ausgebrannt, hätte das sein Ruin sein können. Und er wollte gar nicht daran denken, was passiert wäre, hätte ihn der Brand im Schlaf überrascht. Ja, genau, er wollte nicht daran denken. Er packte seine Einkäufe aus und machte sich ein Abendessen.
Während des Essens dachte er aber doch wieder über das Feuer nach, und über das, was daraus hätte werden können, hätte Cencech es nicht verhindert. Er hörte kaum auf die Nachrichten im Radio. Über die Regierung hatte er sich heute ohnehin schon geärgert. Obwohl – hatte er eigentlich das Recht, sich darüber zu ärgern? Früher war er politisch interessiert und aktiv gewesen, aber in den letzten Jahren war er nie mehr wählen gegangen. Auch dieses Mal nicht. Plötzlich blitzte der Gedanke in ihm auf, dass er die Gebührenerhöhungen mit seiner Stimme hätte verhindern können. Einen Moment lang konnte er einfach nicht weiter kauen. Aber das war Unsinn. Was machte eine Stimme aus? Wenger schaute auf die Uhr und sah, dass er für das Kegeln schon spät dran war. Er schlang sein Essen hinunter und war durchaus froh, dass er nun keine Zeit mehr hatte, weiter zu grübeln.
Als er in den Hof hinunterkam, war es schon sehr dämmrig. Auf der anderen Seite, auf der Bank neben dem Spielplatz, saßen eine Frau und ein Kind, kaum zu erkennen, aber er hörte, dass es Robert Paschinger war. Er hörte es an dessen Weinen.
Wenger hatte vor, über den Hof zu hasten, und zu verschwinden. Was ging ihn das Heulen seines Nachbarkinds an? Aber als er an den beiden vorbeikam, war es, als zerrten bleischwere Gewichte an ihm. Ihm schien, als würde jemand seinen Kopf packen, und ihn in Richtung Bank drehen. Er konnte nicht anders, als sie anzustarren.
Frau Paschinger hielt den Buben in ihren Armen und versuchte ihn zu trösten. Erst nachdem Wenger einen Moment neben ihnen gestanden war, stand sie auf und wandte sich ihm zu.
„Stellen sie sich vor. Irgend ein Schuft hat sein Fahrrad gestohlen. Er hat es erst heute geschenkt bekommen.“
„Das tut mir Leid“, sagte Wenger und war selbst überrascht, wie betroffen seine Stimme klang. Ihm wurde heißer, als es für diese Temperatur normal gewesen wäre.
„Sie können ja nichts dafür“, sagte Frau Paschinger abwesend und führte ihren weinenden Sohn ins Haus.
Er konnte nichts dafür? So sicher war Wenger sich da nicht. Immerhin hatte er wieder einmal das Tor offen gelassen, und damit alle Hindernisse aus dem Weg geräumt. Der Fahrraddieb wäre wohl kaum über den Zaun geklettert. Na ja, die meisten anderen ließen es ja auch offen. Und er hatte es jetzt wirklich schon eilig. Er lief durch den Hof und warf das Tor hinter sich zu. Und blieb stehen. Noch nie war ihm das Zufallen des Tores so laut erschienen. Langsam drehte er sich um, kramte seinen kalten Schlüssel hervor und sperrte das Tor ab. Dann ging er mit großen Schritten weiter.
Bald schon wurde er aber wieder aufgehalten. Am Rand des breiten Gehsteigs, in einer Ecke, lag jemand. Er ging an ihm vorbei. Aber nach ein paar Schritten blieb er stehen, ohne sich wirklich dazu entschlossen zu haben. Dieser Kerl war der Obdachlose, der ihn heute schon einmal belästigt hatte. Bestimmt hatte er sich in den Schlaf gesoffen. War das nicht sein Problem? Plötzlich stieg die Erinnerung in Wenger hoch, an den Tag, kurz nach dem Tod seiner Frau, als er sich rettungslos besoffen hatte. Er hatte es einfach nicht mehr ausgehalten und die Wirklichkeit weggespült. Er war am Boden seiner alten Wohnung eingeschlafen, und als er wieder aufgewacht war, hatte er auf den Teppich gekotzt. Hätte das Feuer heute seine neue Existenz aufgefressen, hätte er sich vielleicht wieder betrunken. Man konnte ganz schön schnell am Boden landen. Und man konnte dort auch bleiben. Wie seine Frau. Ohne dass jemand sich darum kümmerte.
Wenger seufzte. Er war zornig. Warum konnte die Welt ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Musste er nicht Kegeln gehen? Es würde ihn schon jemand aufheben. Es würde ihm schon nichts passieren. Aber während er dastand, fühlte er wie die Kälte ihre Klauen in seinen Körper bohrte, und er wusste, früher oder später würde dieser Kerl erfrieren. Und keiner würde ihn aufheben, weil keiner etwas dafür konnte, dass er hier lag. Niemand konnte etwas dafür, wenn Leute auf der Straße lagen und starben.
Wenger ging zurück. Er schüttelte den Kopf. Wie kam er bloß dazu, sich so etwas zumuten zu lassen? Dieser Kerl sah schwer aus. Er roch bestimmt nicht besonders. Er würde sicher nicht mithelfen. Wenger verzog verächtlich das Gesicht. Er beugte sich nach unten und lud sich den Obdachlosen auf die Schultern.
Wenger saß mit verschränkten Armen an seinem Esstisch und sah mit missmutiger Miene zu, wie der Fremde die Reste seines Abendessens in sich hineinschaufelte. Er wollte gar nicht daran denken, wie er ihn wieder los werden sollte. Nachdem er sich aufgewärmt hatte, hatte Wenger ihn duschen lassen und ihm alte Sachen zum Anziehen gegeben. Hin und wieder blickte der Mann verstohlen und unsicher zu ihm herüber, aber die meiste Zeit konzentrierte er sich voll aufs Essen, und er sah dabei so zufrieden aus, wie Wenger schon lange niemanden gesehen hatte. Er hatte ein warmes Essen wirklich nötig gehabt.
Aber Wenger fühlte sich nicht, als hätte er etwas Gutes getan, und er wusste auch, warum: Er hatte nichts Gutes getan. Er hatte nur etwas Böses nicht getan. War es denn etwas Böses, einfach den Gehsteig entlang zu gehen, und sich nichts zu denken? Unter Umständen schon. Unter Umständen war es auch etwas Böses, ein Tor nicht zuzusperren. Böse Dinge, katastrophale, zerstörerische Dinge passierten oft aus Gedankenlosigkeit, aus Versehen, oder auch einfach so, von sich aus. Wie das Erdbeben aus den Nachrichten, wie ein Heizstrahler, der durchbrennt. Sachen gingen kaputt, Menschen wurden krank und starben, zum Beispiel an einem Herzanfall. Schlimme Dinge geschahen einfach von selbst, ohne dass irgendjemand etwas dafür konnte. Man musste sich gar nicht die Mühe geben, etwas Böses zu tun, man musste es nur geschehen lassen. Es musste einem bloß egal sein, das war schon böse genug.
Aber Gutes passierte nicht einfach von selbst. Es dürfte schwer sein, aus Versehen, aus Nachlässigkeit eine gute Tat zu vollbringen. Nein, um etwas Gutes zu tun, musste man vor allem aufmerksam sein. Jeder Moment, jede Entscheidung, die man traf, forderte einen heraus, sich zu überlegen, ob das richtig war, was man tat, und vor allem das, was man nicht tat. Ob es dazu führte, dass andere deswegen litten. Die Kirche sah das eindeutig falsch. Nicht Gier, Zorn oder Neid waren die wichtigsten Todsünden, sondern die Gleichgültigkeit. Gleichgültigkeit brachte jeden Tag mehr Unheil hervor, als alle anderen Charakterschwächen, zu denen der Mensch fähig war.
Wenger schaute auf die Bananen auf dem Tisch, die er heute gekauft hatte. Sie waren billig. Billig produziert. Also von Menschen produziert, die wie Sklaven gehalten wurden und ohne soziale Absicherung 364 Tage im Jahr wie die Tiere für einen Hungerlohn schufteten, weil Herr Wenger eine billige Banane kaufen wollte, und nicht drüber nachdachte, was das bedeutete. Und das Klopapier? Er hatte sich geblümtes Toilettenpapier gekauft. Papier, das mit giftigen Chemikalien gebleicht worden war, um danach mit anderen giftigen Chemikalien gefärbt zu werden. Diese Chemikalien schwammen jetzt in irgendeinem Fluss und vergifteten dort Fische und danach die Menschen, die diese Fische aßen. Und das nur, weil sich Herr Wenger mit geblümtem Papier den Arsch abwischen wollte.
Wenger stand auf. Er drehte die überflüssige Lampe im Vorzimmer ab, die überflüssigerweise Strom verbrauchte, dessen Herstellung überflüssige Abgase in die Luft geblasen und vielleicht irgendwo ein Kind für den Rest seines Lebens überflüssigerweise asthmakrank gemacht hatte. Er holte das Telefonbuch und suchte sich Adressen von Bio-Läden in seiner Nähe. Er suchte den Spendenaufruf aus seinem Mistkübel, ebenso wie das andere Papier, das er heute hineingeworfen hatte. Er stellte eine leere Schachtel in die Ecke und eröffnete darin seine persönliche Mülltrennung. Dann holte er sich einen Zettel und einen Filzstift und setzte sich wieder an den Tisch. „Bitte Tor absperren!“ schrieb er. „Das Böse schläft nicht.“ Stimmt, dachte Wenger, aber das Gute schläft immer wieder. Ab heute würde er es wachrütteln.