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Das blaue Boot

Beitritt
23.05.2003
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Das blaue Boot

Das blaue Boot

Neben den Einkaufswagen, neben dem Geldautomaten ist die silberne Schranke, die sich wie von Geisterhand öffnet, wenn man ins Einkaufsparadies gelangen will.
Und das wollen viele, denn dort warten günstige Gelegenheiten, unschlagbar billige Preise, Angebote, die nie wieder kommen.

Paarweise oft, betreten sie das Kaufhaus, diesen Sommer sollte sie wieder Bauchnabel zeigen, schließlich sucht man Begehrlichkeiten.
Mit Kindern, zu dritt oder mehr, wird es dann schon lauter und weniger begehrlich.

Aber für die Kleinen steht rechts neben der Schranke ein blaues Boot: weißer Rumpf, das Deck in hellem Blau, silberne Reling und ein Steuerrad aus echtem Holz.
Wer hier reinpasst, 50 Cent vorausgesetzt, kann sofort auslaufen aus dem Hafen, dem weiten Meer entgegen.

Doch selbst die Kinder, auch die kleinen, scheinen das Boot zu übersehen: Es ist leer.

Die Schiebetür nach draußen öffnet sich, es wird dunkel, aber der aufkommende Wind hat keine Chance, denn es gibt natürlich zwei Schiebetüren.

Ich trete näher ran, an das blaue Boot.

Ein Bauchnabel, kaum 20 Jahre alt, macht so gute Figur, dass er sich auf der Zeitungsbeilage des Kaufhauses wiederfinden könnte, als sie durch die Schranke tritt.
Nur, die Augen dazu sind so gelangweilt, dass sie meinen Blick nicht ablenken von dem Steuerrad aus Holz.

Was wäre wenn?

Draußen scheint sich was zusammenzubrauen, die beiden Schiebetüren öffnen und schleißen sich immer schneller, trotz der Neonlichter schwabbt Dunkelheit hinein.

Meine Finger tasten nach den Münzen in der Hosentasche.

Tatsächlich, auch ein 50 Cent-Stück ist dabei.

Immer mehr Leute kommen schnell hinein, ihre Schuhe hinterlassen feuchte Spuren auf dem Boden.

Ich berühre das Steuerrad aus Holz. Natürlich bin ich viel zu alt, meine Beine zu lang.

Draußen beginnt das Gewitter zu toben.

Es ist verboten, für Erwachsene, aber ich ziehe das 50 Cent-Stück aus der Tasche, meine Finger nähern sich dem Münzschlitz.

Leute rennen durch die Schiebetüren, nasse Haare und Erschrecken im Gesicht.

Ich werfe die Münze ein.

Aber meine Beine sind doch viel zu lang? Das kann doch gar nicht passen.

Dann läuft Wasser durch die Schiebetüren, erst ein kleines Rinnsal, dann immer mehr.
Schreie ertönen, die erste Welle schießt durch den Eingang.

Da springe ich in das Boot, nehme das Steuer in die Hand und

fahre endlich los.

 

Hi fliegdurchdiezeit!

Sehr schön durchgezogen, die Situationsbeschreibung, und der Wechsel zwischen den Menschen, die hereinkommen, und der Faszination, die das Boot auf den Prot ausübt.

Der Schluss ließ mich schmunzeln - gefiel mir!

Aragorn

 

Hallo fliegdurchdieZeit,

ein sehr guter Plot, aus dem Du allerdings meiner Meinung nach etwas mehr hättest herausholen können. Du hättest Deinen Protagonisten besser herausarbeiten können, ihm ein Gesicht und ein Alter, eine Zeit geben und dann begründen können, warum er sich so danach sehnt, in dieses blaue Boot zu steigen. Andererseits hättest Du das nicht tun müssen, denn so denkt man wenigstens drüber nach.
Mir gefällt vor allem die Idee. Darauf wäre ich nie gekommen, aber Du hast Recht; heutzutage setzt sich kein Kind mehr in solche Boote oder Autos... Heutzutage werden die Kinder einfach gleich erwachsen geboren, ähnlich wie Oskar aus der "Blechtrommel"... Das stimmt mich irgendwie traurig... :(
Daher gefällt mir auch Deine Geschichte, Deine Idee; ein älterer Herr (oder nur ein Erwachsener?) springt über seinen Schatten, findet das Kind in sich - und tut etwas Unerwartetes; steigt in dieses Boot.

Das hat schon was. :)

Griasle,
stephy

 

hi fliegdurchdiezeit

Ich habe deine Geschichte sehr gerne gelesen. Die Idee find auch ich klasse, von anfang an war mir der Prot sympathisch.
Besonders gut find ich, dass du nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auf die allzu ernste Gesellschaft verweist, sondern einfach schilderst, wie jemand tut, was er sich wirklich wünscht.
Die nüchterne Erzählweise ist hier meiner Meinung nach die beste Lösung.
Nichts ist zuviel, das Boot bleibt die ganze Zeit im Zentrum, das ist auch gut.
Hier sind noch zwei Rechtschreibfehler:

die beiden Schiebetüren öffnen und schleißen sich immer schneller, trotz der Neonlichter schwabbt Dunkelheit hinein.

"schließen" und "schwappt"

Liebe Grüße
wolkenkind

 

Hallo fliegtdurchdiezeit!

Auch mir hat Deine Geschichte gut gefallen, die Teilsätze, auch das wenige an Infos das Du über den Prot gibst, und trotzdem manche Details hervorhebst. Du schreibst hier sehr knapp, aber genau das macht für mich den Reiz aus.
Schöne, ruhige Geschichte, ide ich gern gelesen habe.

schöne Grüße
Anne

 

Hallo fliegdurchdiezeit!
Auch mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen.
Ich kann mich dem Lob der anderen nur anschließen. Eine ruhige, sehr schöne Geschichte ist dir gelungen, trotz, oder gerade wegen, der wenigen Informationen, die du gibst. :)

bye und tschö

 

Hallo fliegdurchdiezeit
diesen text las ich bis dato nie...ich fand ihn nicht, ich suchte auch wohl lange Zeit nicht hier nach Texten....schöne Worte, schöne Vorstellung, aber das schrieben ja meine Vorgänger schon. Schreibst du weiter?
*******merlinwolf******

 

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