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Das Bonsaimädchen

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18.09.2005
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Das Bonsaimädchen

Als der Nachbar aus dem Vierten an seinem Fenster vorbeiflog und dumpf zerbrechend auf dem Asphalt zerschmetterte, kam Bartholomäus-Karlmann sich plötzlich lächerlich vor und zog den Kopf wieder aus der Schlinge. Er setzte den Korken auf die halbvolle Weinflasche, drehte die Neunte leiser und setzte sich aufs Sofa.
Sein Puls kam schnell zur Ruhe und mit Schaudern erinnerte er sich des Versicherungsangestellten, der am Morgen seine Lebensversicherung auf sie umgeschrieben hatte. Die Idee hätte er auch bereits gehabt, hatte der kurz und bedeutsam gesagt. Glaubte er wirklich vor nicht einmal fünf Minuten, dass sie leiden würde, sobald sie das Geld ausgezahlt bekäme?
Geräuschvoll zog er den Korken und schenkte sich ein weiteres Glas ein. Freude schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium. Nachdem die Polizei wusste, was er über die ehelichen Verhältnisse seines unglücklichen Nachbarn sagen konnte, beschloss er, der abendlichen Jam-Session im Venus de Milo doch beizuwohnen.
Das Saxophon geschultert, fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Über dem Tisch baumelte noch immer der Strick.

Um das Japanerviertel zu erreichen, hatte man den Straßenstrich zu überqueren, der zu dieser Jahreszeit nur wenig besucht wurde. Zwei Huren wandten sich frierend von ihm ab, die er jedoch ohnehin keines Blickes würdigte.
Das Schaufenster des Venus de Milo leuchtete blau in den rötlichen Abendhimmel. Die Tür klingelte beim Öffnen, worauf sich zwei getigerte Mädchen, von deren Hälsen Hundehalsbänder baumelten, kurz umdrehten.
Bartholomäus drängte sich durch die Menschen zum Hinterraum, in dem ein schwarzer Trompeter gerade über Masquelero solierte. Dabei schnappte er Fetzen eines Gesprächs zwischen einem angetrunken Russen mit Kinnbärtchen und einem blonden Hünen auf. Der Russe zog gerade mit der Überzeugung, die nur Trinkern inne ist die Parallele zwischen einem Gartengewächs und einem Mädchen.
Dieses Mädchen ähnele jenen japanischen Zierbäumchen, deren Namen dem Redner gerade entfallen seien. Bartholomäus wusste zwar, dass er Bonsaibäume meinte, hielt es aber nicht für angebracht sich einzumischen.
Als er den Hinterraum erreichte, hatten die Musiker gerade geendet. Als der Schlagzeuger ihn erblickte, hellte sich sein Blick und er schrie durch den spärlichen Applaus, er solle sofort auf die Bühne kommen. Bei der kurzen Begrüßung, merkte er, wie er langsam aus der Trance erwachte, in die ihn die nachmittäglichen Ereignisse versetzt hatten. Er legte den Tragriemen um den Hals und feuchtete das Mundstück an. Da auf einmal verstand er das vorige Gespräch.

Neben dem linken Lautsprecher stand ein winziges japanisches Mädchen, von derart feinem Wuchs, dass man Angst haben musste, sie ginge ein in dieser Umgebung. Diese Miniatur eines Menschen war so makellos, dass man an ihrer Existenz zweifeln musste, obgleich sie doch eindeutig anwesend war. Ihr schwarzes Haar war ansatzfrei zu einem Braun gehellt und auf das mit untrüglichem Stilbewusstsein ausgesuchte Kostümchen abgepasst. Ihr Makeup war dezent und fehlerfrei aufgetragen. Bartholomäus konnte seinen Blick nicht abwenden. Wie oft war es vorgekommen, dass er in einer Ausstellung ein Bild aus der Distanz für seinen Fotorealismus geschätzt hatte, bis er dann aus der Nähe enttäuscht die Pinselstriche gewahren musste. Kein Pinselstrich war an diesem Geschöpf. Sie war tatsächlich so klein.
Ihre Augäpfel leuchteten im Schwarzlicht, als die Musiker Oleo anstimmten. Behutsam blies er jeden Ton, um das kleine Mädchen nicht zu verletzen. Sie tanzte zu seinen Noten, als würde sie darauf getragen. Als sie ihn ansah, wich sein Blick nicht aus. Vorsichtig steigerte er sein Solo. Sie liess es geschehen und tanzte weiter. Als der Pianist seinen Teil begann, ergriff ein rhytmisches Stampfen die Audienz. Sie wollten tanzen, wollten schwitzen. Starr vor Angst fixierte Bartholomäus sein Miniaturmädchen, doch diese schwebte mühelos und würdevoll duldend durch die lärmende Masse. Niemand stieß sie an.
Als sie sich küssten wagte er es kaum sie zu berühren. Durch übermäßige Zärtlichkeit versuchte er seine Grobschlächtigkeit auszugleichen. Er wusste, dass Bonsaipflanzen einer besonderen Pflege bedürfen. Bei normaler Zimmertemperatur können sie nicht gedeihen. Ihr winziger Griff um seinen Hals liess ihn wohlig erschaudern, sodass er sie weich, aber bestimmt aus der Bar auf die Straße zog.

Im Hausflur massierten ihre Lippen seinen Hals, während er die Tür aufschloss. Ihr kleiner Körper schmiegte sich an seinen Unterleib. Urplötzlich beschlich ihn ein Gefühl der Lust, wie er es zuletzt in Kindstagen vor dem wohlgeordneten Lilienbeet des Nachbarn gehabt hatte. Ihr Kostümchen ächzte in allen Nähten als er sie an sich riss. Sie keuchte beim Versuch von seinen Küssen Luft zu holen. Aufs Sofa gepresst schälte er ihr die Kleider vom Leib, welche er achtlos hinter sich warf. Wirre Gedanken von seinem toten Nachbarn und seiner Exfreundin rasten ihm durch den Kopf, als er hart in sie stieß. Wie durch eine Wand hörte er ihre gedämpften Schreie unter ihm. Er riss den Strick von der Decke und legte ihn um ihren Hals. Nur ganz sanft zog er zu. Sie presste sich fester an ihn. Als sie kam, war es ihm als könnte er eine winzige Gänsehaut auf ihr ausmachen.

Erschöpft lag er unter ihr, die seine Brust streichelte, den Strick um den Hals. Er wollte ihr sagen, dass er sie gießen, hegen, pflegen und ihr einen teuren Topf kaufen werde, doch er war zu müde. Als er aufwachte, war sie fort. Auch der Strick war nirgends zu finden. Schon am nächsten Tag rief er den Versicherungsangestellten an, um einen Termin auszumachen.

 

Wenn ich nicht unbedingt wissen wollte, DrWinter, was es mit dem Strick auf sich hatte, hätte ich deine Geschichte nicht zu Ende gelesen - sie ist gelinde gesagt schlampig geschrieben (zum Beispiel: in drei aufeinander folgenden Sätzen gibt es 4 Mal das Wort hatte, der fehlende Bezug in dem Satz „… mit Schaudern erinnerte er sich des Versicherungsangestellten, der heute seine Lebensversicherung auf sie umgeschrieben hatte.“ (wer ist oder sind sie?), der Satz „Ihr wohl schwarzes Haar war ansatzfrei zu einem Braun gehellt …“ ist logisch falsch, weil der Prot zu diesem Zeitpunkt das nicht wissen und wegen des Wortes „ansatzfrei“ nicht einmal vermuten kann, auch der Konstrukt „Kein Pinselstrich war an diesem Geschöpf. Sie war tatsächlich so klein. “ ist unsinnig, wenn schon, dann müßte da vielleicht heißen: Sie war tatsächlich so makellos.).

Aber irgendwann habe ich darauf nicht mehr geachtet – und wohl deshalb auch nicht begriffen, was für Rolle die Versicherung und der Tod des Nachbarn in dieser Geschichte spielen -, und bin zum Glück entschädigt worden mit dem netten Gag von Asphyxiophiliesex. Allerdings ist die ganze Story drumherum ein wenig unbeholfen konstruiert und geschrieben und deswegen auch nicht wirklich interessant. Schade.

Dion

 
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Hallo Dion,
vielen Dank zuerst einmal fürs Lesen. Ich hatte schon Angst ich würde mit einer Null auf der rechten Seite nach unten durchgereicht werden.

Dion schrieb:
(zum Beispiel: in drei aufeinander folgenden Sätzen gibt es 4 Mal das Wort hatte
Das ist schlecht, ich ändere das.

, der fehlende Bezug in dem Satz „… mit Schaudern erinnerte er sich des Versicherungsangestellten, der heute seine Lebensversicherung auf sie umgeschrieben hatte.“ (wer ist oder sind sie?),

Sie ist seine Exfreundin. Ich dachte nicht, dass das missverständlich ist.


der Satz „Ihr wohl schwarzes Haar war ansatzfrei zu einem Braun gehellt …“ ist logisch falsch, weil der Prot zu diesem Zeitpunkt das nicht wissen und wegen des Wortes „ansatzfrei“ nicht einmal vermuten kann,
Ich habe mit einem auktorialen Erzähler gearbeitet. Du hast aber recht, dass "wohl" lenkt ab.
EDIT: mir fällt noch ein, dass man bei Japanern sehr wohl vermuten kann, dass Haare getönt sind, falls sie nciht schwarz sind

auch der Konstrukt „Kein Pinselstrich war an diesem Geschöpf. Sie war tatsächlich so klein. “ ist unsinnig, wenn schon, dann müßte da vielleicht heißen: Sie war tatsächlich so makellos.).
Unlogisch ist es sicher, aber unsinnig finde ich es nicht. Es passt doch zu den seltsamen Gedanken des Protagonisten.

Aber irgendwann habe ich darauf nicht mehr geachtet – und wohl deshalb auch nicht begriffen, was für Rolle die Versicherung und der Tod des Nachbarn in dieser Geschichte spielen -, und bin zum Glück entschädigt worden mit dem netten Gag von Asphyxiophiliesex. Allerdings ist die ganze Story drumherum ein wenig unbeholfen konstruiert und geschrieben und deswegen auch nicht wirklich interessant. Schade.
Das Adjektiv "nett" allein freut mich schon. Danke also nochmals fürs Lesen. Ich sehe die Schwächen und bemühe mich, das nächste Mal weniger ungeduldig mit der Veröffentlichung zu sein.

Gruß, Matthias

 
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Eine ungewöhnliche Geschichte. Ich habe Sie mir jetzt schon zum zweiten Mal durchgelesen, und so ganz komme ich da nicht rein. Es gibt ein paar Stellen, die du auf jeden Fall noch nachbearbeiten müsstest.

Beispiele:

Als der Nachbar aus dem Vierten an seinem Fenster vorbeiflog und dumpf zerbrechend (würde ich streichen) auf dem Asphalt zerschmetterte, kam Bartholomäus-Karlmann sich plötzlich lächerlich vor und zog den Kopf wieder aus der Schlinge. (Ansonsten finde ich den Einstieg eigentlich sehr vielversprechend!).Er setzte den Korken auf die halbvolle Weinflasche, drehte die Neunte leiser und setzte sich aufs Sofa.
Sein Puls kam schnell zur Ruhe und mit Schaudern (Vorschlag: beruhigte sich schnell und schaudernd) erinnerte er sich des (an den?) Versicherungsangestellten, der am Morgen seine Lebensversicherung auf sie umgeschrieben hatte.

Die Beschreibungen im Club gefallen mir gut, sie sind Atmosphärisch, wobei mich dann zwischendurch der Ausdruck "glänzende Augäpfel" stört, da hätten "glänzende Augen" irgendwie schöner geklungen.

Behutsam blies er jeden Ton, um das kleine Mädchen nicht zu verletzen. Sie tanzte zu seinen Noten, als würde sie darauf getragen. Diese Beschreibung hat mir gut gefallen!

So ganz aber hat mich die Geschichte letztendlich nicht gepackt. Vielleicht lese ich sie auch noch ein drittes Mal. Wenn du die notwendigen Änderungen gemacht hast.

Grüße von Rick

 

Hallo DrWinter,

ich finde, dass du eine interessante Geschichte geschrieben hast. Leider finde ich sie an manchen Stellen immer noch schlampig und etwas lieblos ausgearbeitet. Das war wohl auch der Grund, warum ich nicht eintauchen konnte und für mich alles ständig an der Oberfläche blieb.
Vielleicht wartest du noch eine Weile ab und versuchst dann, verschiedene Passagen umzuschreiben und einiges auch auszubauen.
Ach übrigens - ich habe das am Anfang auch nicht kapiert, dass es sich um seine Exfreundin handelt. Ich dachte, dass sie immer noch zusammen sind, allerdings ein eher schlechtes Verhältnis haben.

LG
Bella

 

Hallo Bella, hallo Rick,

Danke euch fürs Lesen und für die wohlwollenden Worte.

Ich sehe ein, dass ich mindestens den Anfang verbessern sollte. Es scheint aus den wenigen Worten nicht unbedingt klar zu werden, was die ganze erste Szene für den weiteren Verlauf der Geschichte bedeutet. Mir fehlt leider die Erfahrung, meine Geschichten wie eine fremde zu lesen und zu bewerten. Dass sie lieblos erscheint, trifft mich ein wenig, da ich mich doch sehr bemüht habe.

Ich gehe noch einmal drüber und hoffe erneut von euch zu hören! Bis dahin Danke und viele Grüße!

Matthias

 

Hallo Blackwood!

Danke besonders für das ausführliche Eingehen auf den Inhalt. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, die Geschichte aus den Augen Unbeteiligter zu sehen. Mir fehlt, wie ich bereits oben eingestehen musste, die Schreiberfahrung, was dem ganzen wohl etwas die Souveränität nimmt, wie auch Du erkannt hast.

Gegen diese Kleinkariertheit habe ich nicht das Geringste, ich bin gegen schlechte Sprache - speziell bei mir.

Ich habe noch Besorgungen für das lange Wochenende zu machen (wir nehmen auf - jedoch keinen Jazz). Ich danke Dir jetzt schon fürs Lesen/Kommentieren. Ich werde alsbald ausführlicher antworten.

 

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