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Das Chaos meines Lebens

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10.05.2004
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Das Chaos meines Lebens

17.05.04
Das Chaos meines Lebens


Er steht vor mir, schaut mich an. Sein Blick scheint meinen zu durchbohren. Seine grün-braunen Augen starren mich regungslos an. Er blinzelt. Ich blinzle. Er schaut müde aus und in dem matt-hellen Licht hier kann ich genau die bläulich-violette Färbung unter seinen Augen erkennen. Er ist ungekämmt, wie gerade aus einem langen Schlaf erwacht. Ich versuche Schlaf in seinen Augen zu finden und glaube auch, die kleinen gelblichen Körnchen erahnen zu können, die zur Innenseite des Auges geschoben, fast die Nase herunterrumpeln zu scheinen.
Bartstoppeln wachsen ihm im Gesicht. Zu klein, um nicht mehr zu kratzen ist der Flaum, doch ich schätze, es würde keine zwei Tage mehr dauern, ehe die dicken Haare auf einen halben Zentimeter herangewachsen wären und eher nur noch einer rauen Bürste glichen.
Die Augenbrauen sehen gepflegt aus enden abschließend mit dem Auge, statt es zu umrahmen. Die freie stoppelige Stelle über seiner Nase verrät, dass er die Brauen wohl stutzt.
Ich atme schwer. Er atmet schwer. Ich atme schwerer, er atmet schwerer. Ein Spiel ist entbrannt, doch keiner will aufgeben. Das Atmen wird schließlich zum Schnaufen, dann wieder zu Atmen. Wir erkennen beide, wie das Schnaufen die Stille, die für diese Szenerie nötig ist, stört.
Er scheint fragen zu wollen: „Weißt du, wer ich bin?“ und ich antworte genauso still, wie er fragte: „Ich weiß es nicht, aber ich sehe es ja!“ Seine Frage klang keinesfalls hoffnungslos, eher war sie gefüllt mit einem Anflug von Gier und Bosheit. Gier nach Antworten, Bosheit durch Hoffnungslosigkeit.

Die Stille wird gestört von Fetzen eines Liedes, das uns in die Ohren zu dringen scheint. Eine Stimme erklingt erst wehklagend:
Komm schon ihr Verlorenen, taucht ein in das Moos und ich hoffe, dass meine Versicherung dafür aufkommen wird, diesen Steinkrug von meiner Liebe zu nehmen, Pappmaschee.“, dann schreiend: „Kommt all ihr Wiedergeborenen, blast mein Horn, ich tue mich schwer damit: Das ist Liebe, das ist Porno. Oh, Gott wird mir vergeben, aber ich, ich verachte mich selbst,… verachte mich selbst!“ um schließlich zu einem erlösendem Schrei zu werden: „Ich möchte hören, was du über mich erzählst, hören, ob du ohne mich leben wirst, möchte hören, was du willst. Ich erinnere mich an Dezember. Und ich möchte hören, was du über mich erzählst, hören, ob du ohne mich leben wirst, möchte hören, was du willst. Was zur Hölle willst du?

Der Ton erlischt und die Stille kehrt wieder ein, für den letzten Moment in dieser Stille, wie ich sie genieße. Diese Art von Freiheit zu entscheiden, was ich möchte, denn der Abzug an seinem Finger, der Lauf der Kanone an meinem Kehlkopf macht mir unwiderruflich klar, dass ich diese Art von Freiheit zu leben, vielleicht nie wieder leben könnte.
Das Klacken des Abzugs, als er ihn betätigt, der laute Knall des explodierenden Schießpulvers ist fast das Letzte, das ich höre. Ich wünsche ihm noch alles Gute, auf dass sein Leben nun besser werde, da dringt auch schon das Klirren von Glas in meinen Kopf.
Ich stehe in einem Bad, vor mir eine verwüstete Landschaft aus Spiegelsplittern. Schießpulvergeruch steigt mir in die Nase. Die Wucht des Rückschlags hatte mich ein paar Zentimeter zurückgestoßen. Ich lasse die Waffe fallen und gehe nach Draußen. Ich stehe wieder auf dem Bürgersteig, den ich zuvor verlassen hatte, um jetzt das Chaos meines Lebens in einer öffentlichen Toilette zurückzulassen.
„Meine erste Veröffentlichung!“ denke ich grinsend und hoffe, er denkt genauso.

Der Song: © Damien Rice – I remember (aus dem Englischen von mir)

 

Hi CuriousJunkie,

leider wird das Chaos des Lebens deines Prot nicht deutlich. Schön immerhin, dass er nur sein Spiegelbild tötet.
Stilistisch finde ich den Text auch gar nicht schlecht, nur schießt er bei mir nicht einmal in einen Spiegel, sondern ins Leere.
Was ich nachvollziehen kann, ist die Ratlosigkeit, etwas mit seinem Leben anzufangen, wie sie aus dem übersetztem Liedtext hervorgeht, leider hatte ich, obwohl dich der Song ja inspiriert zu haben scheint, nicht das Gefühl, diese Ratlosigkeit auch in deinen eigenen Zeilen wiederzufinden.

Lieben Gruß, sim

 

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