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Diesmal ein etwas längerer Text. Hoffe er gefällt.
Das Duell
Nervös öffnete ich meine Dose.
„Hey, ich hab Kuchen mitgebracht. Möchte jemand ein Stück?“
Es war als hätte jemand das Horn zur Hetzjagd geblasen. Meine Klassenkameraden konnten nicht schnell genug sich zu mir durchdrängen. Freudestrahlend stand ich da und reichte allen ein Stück. Ich nahm alle Komplimente dankend entgegen, witzelte, dass, nur wenn man nett zu mir sei, auch ein großes Stück bekommt und bekam sogar ein freundliches Schulterstrahlen vom hübschesten Jungen der Klasse. Die Freude darüber hielt jedoch nicht lange an. Denn auf einmal musste er seinen Mund aufmachen:
„Hey, ähm, ich würde am Samstag ne Party steigen lassen, jeder ist eingeladen, der kommen will. Für alkoholische Genussmittel wird natürlich gesorgt.“, erwähnte er mit einem so aufgesetzten Lachen, dass ich es ihm runterreißen wollte. Es war als hätten die Jaghunde eine neue Fährte aufgenommen. Sie bewegten sich, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, auf seine Seite des Klassenzimmers. Ich starrte ihn an, mein Blick voller Hass und Verzweiflung. Als die Stunde anfing saß ich neben ihm.
„Marcel, kommst du nicht?“, fragte er mich mit einem leicht enttäuschten Blick, den ich gekonnt ignorierte.
„Nein, ich bin kein Typ für Partys. Zu viele Menschen.“ Antwortete ich, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
„Oh ja, ich wollte mir Moonlight ansehen, aber dann kam die Party dazwischen, du weißt ja.“, erwiderte er darauf. Was ein schleimiger Bastard. Erst versuchte er die anderen mit der Party um den Finger zu wickeln und jetzt probierte er es bei mir mit meinem Lieblingsfilm. Ich antwortete nicht und lies den Rest des Schultages, ohne ihm ein Wort zu sagen, vorübergehen.
Es war Montag. Ich kam ins Klassenzimmer und hörte nur Gerede über die Party. Der eine hat hier hingepisst, der andere hat dort hingekotzt und jeder hat irgendein heißes Mädel begrabscht. Typisch. Mit gesenktem Kopf ging ich in meine Ecke des Raumes. Natürlich wartete er da schon auf mich.
„Hi, Marcel.“, grüßte er mich fröhlich, aber dennoch schüchtern.
„Morgen, Timo.“, antwortete ich und warf meine Tasche in die Ecke. „und wie war deine Party?“, fragte ich ihn mit einem sarkastischen Unterton, dass meine Intention nicht zu überhören war.
„Naja es ging, es wäre viel toller mit dir gewesen, wir hätten uns über Moonlight unterhalten können.“
Das wars. Ich stand auf und der Stuhl fiel hinter mir um. Alle guckten zu uns herüber. Ich raste wutentbrannt davon, aus dem Augenwinkel sah ich den entsetzten Ausdruck in Timos Gesicht. Ich stürmte in den Gang. Wie konnte er es wagen, diesen Film so in den Dreck zu ziehen? Schlimm genug, dass er sich schon bei den anderen einschleimt, aber das geht zu weit. Dieser Film bedeutet mir zu viel, dass er es einfach als Mittel nutzen kann um mich auch noch auf seine Seite zu ziehen.
„Weißt du, was mir dieser Film bedeutet?“
Ich drehte mich um. Timo stand im Gang und sah mir tief in die Augen.
„Er hat mir Mut gegeben. Mir gezeigt, wie wichtig es ist man selbst zu sein.“
Ich starrte Timo nur an, meine Wangen gerötet vor Scham. Ich hatte es nie realisiert, nie wahrgenommen.
„Weißt du, warum ich die Party geschmissen habe?“
„Weil, du beliebt sein willst?“, krächzte ich hervor. Es war als hätte ich einen Stein im Hals.
„Nein. Ich wollte, dass du kommst.“, er kam näher auf mich zu „Ich will, dass du mich kennenlernst, nicht den Köder, den ich für die anderen spiele.“
Ich starrte nur noch beschämt auf den Boden, nicht gewillt ein Wort zu sagen. Doch plötzlich spürte ich, wie Timo meine Hand nahm. Ich blickte hoch und er lächelte mich an. Ich hatte ihn gehasst und behandelt wie Dreck, doch er lächelte mich trotzdem noch an. Er machte seinen Mund auf und wollte etwas sagen, doch bevor auch nur ein Wort über seine Lippen kamen, küsste ich ihn.