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Serie Das dunkle Herz der Männer

Seniors
Beitritt
28.12.2009
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Anmerkungen zum Text

Serie mit abgründiger Rollenprosa.

Das dunkle Herz der Männer

Die Jungs spielen seit ’ner halben Stunde auf der Straße. Hab‘ die paar Mal schon gesehen, wie sie da vor den Mülleimern rumghängen. Kleine Pisser. Kann ihr Lachen bis in den fünften hören. Schulranzen als Pfosten, erinnert mich an früher. Und der Dicke steht daneben. Früher war das der Bernd. Bernd, der Mops, so haben wir den genannt. Plauze, Brille, und so `ne ganz helle Haut. Hat in einer der Mietshäuser auf der Barbarastraße gewohnt. Dem sein Alter war `n dünner Hering, hat bei der KT malocht, aber die Mutter hat nie einer zu Gesicht bekommen.

„Hier inne Gasse“, schreit einer der Jungs, so ’n kurzer Blonder. Denkt wohl, er sei Toni Polster. „Geht’s was leiser?“, brüll‘ ich aus dem Fenster, aber die Dreckspanz spielen weiter, als wäre nix gewesen. Von Manieren hab’n die noch nie was gehört. Wenn das meine Brut wär‘, die würd‘ ich so durchwalken, dass die auf ´n Fingerschnippen gehorchen. Schreien sich die Seele aus’m Leib, die verdammten Rotzgören, und meine Alte liegt in der Kiste und schüttelt sich vor Krämpfen. Die braucht Ruhe. Hat auch der Arzt gesagt. Frau Scholtysek, Sie brauchen Ruhe. Aber naja, ich mein‘, was weiß schon so ’n Arzt? Der ist ja selber noch ’n halbes Kind. Grad frisch von der Uni runter, doktort der gleich an Leuten rum und will einem erzählen, was gut für einen is.‘ Dabei is‘ der selber keine drei mal sieben alt. So ’n Neunmalkluger, der wollte sofort meine Blutwerte wissen. Hat mir ins Gesicht gesehen, gesagt: Herr Scholtysek, bleiben se mal noch kurz da, Sie kriegen Blut abgenommen. Und schon kam so ’ne junge Fotze an und knallt mir ’ne Nadel in ’n Arm. Nächstes Mal sagt der zu mir: Herr Scholtysek, Sie rauchen und trinken zu viel. Ich so: Wat is? Könne gar nicht sein, hab ich gesagt, aber da meinte der, die Werte, die würden da was ganz anderes erzählen. Die Leber, Gamma irgendsowat, so ’n Scheiß eben – alles viel zu hoch. Ob ich oft in die Kneipe gehe? Nix, hab ich gesagt, ich trink ab und an mal ’n Bier, zu Hause vor der Kiste, mehr erlaubt mir meine Madame nicht. Ich scheiß auf die Werte, sag ich, und das mein‘ ich, wie es is‘, und er so: Sei ja alles nur zu meinem Besten. Hat man an meiner Alten gesehen, da wollte der feine Herr auch nur das Beste, und jetzt soll er die sich bitte mal ansehen. Faselt der Junge was von zu hohen Werten! Arschloch. Hat gleich die Ohren gespitzt und nach meiner Frau gefragt. Mit der müsse er auch noch sprechen, ’s gehe da um ein neues Medikament. Ob die davon endlich mal wieder die Beine auseinanderkriegt, hab‘ ich gefragt. Telefon.
„Ja?“
„Ich ruf noch mal an wegen dem Keller.“
Wielpütz, dieses Arschloch. Seitdem der Hausmeister ist, spielt der sich auf wie ’ne Tüte Mücken.
„Kannst mich immer noch Ernst nennen, wenn de willst.“
„Ernst“, sagt er, „diese Geruchsbelästigung.“
„Wat für ’ne Geruchsbelästigung?“, sag ich.
„De Frau Löbach hatte sich doch beschwert, letzte Woche schon. Würd ussem Keller riechen.“
„Die Löbach, die is doch sowieso wat komisch.“
„Bei Donsbach und Marek, da bin ich schon gewesen, bei denen is nix. Heut‘ mittach schau ich bei Hansmann und Strasskewitz rein.“
„Und jetzt?“
„Ja, nee, müsste halt mal in deinen Keller.“
„Steht Leergut und bisschen aal Ferv … wat willste da?“
„Glaub ich dir, Ernst. Geht ja nur da drum, die Leute zu beruhigen. Die ham‘ Alarm jeschlagen, und nu muss wat passieren. Verstehste doch.“
„Guck ma bei denen anderen, mach das mal, dann kannste noch mal kumme, wenn bei denne nix is.“
„Wollt sowieso mal rumkommen.“
„Is‘ jut!“ Flachwichser, der. Soll mich bloß in Ruhe lassen. Und die Löbach kann mich auch mal kreuzweise. Hat nix Besseres zu tun, als den ganzen Tag aus’m Fenster zu glotzen. Hat bestimmt schon wunde Ellenbogen. Der Wielpütz, der sollte die mal kräftig bürsten, die beiden haben’s ja bitter nötig. Er mit seiner Petra, lässt der sich seine Alte von ’nem Bimbo wegschnappen. Aufhängen würd‘ ich die Dachpappe, die sich an meine Alte ranmacht. Muss ich mir nur vorstellen, wie so ’n dreckiger Neger der annen Arsch langt, der Monika, da alleine krich ich schon so ’nen Hals von. Keine Eier hat der, das is alles, und jetzt läufter hier durch’s Haus und glaubt, er stelle was dar.

Der Dicke steht immer noch da an der Mauer. Meine Fresse, muss das beschissen sein. Immer nur zugucken. Und ficken wird der auch nie, der wird ja die längste Zeit keine Spalte zu Gesicht bekommen. Die geilen Mäuse, die landen bei dem nur für viel Kohle auf’m Schwanz. Bis die Hände wehtun, so viel wird der in seinem Leben wichsen. Wie der Bernd. Wenn wir dem erzählt hab‘n, dass wir gestern Nacht auf der Naht gelegen haben, da konnte der nix mit anfangen, da hat der nur Bahnhof verstanden. Armes Schwein. Hat uns erzählt, er fresse ja gar nich‘ so viel, das seien die Drüsen. Bier leer. Schnaps auch. Das sind so Momente, da könnte ich die Monika gut gebrauchen. Aber nein, Schnaps kaufte se mir nich‘, sagte se, der sei nich gut für mein Gemüt. Wat is denn überhaupt noch gut für mein Gemüt, hab ich se gefragt, da sagt die allen Ernstes - `ne Therapie. Ich wär‘ so leer in letzter Zeit, meinte se, total ohne Gefühle. So kalt. Die hat zu viel in der Zeitung gelesen, da bin ich mir sicher, hier diese Frauenmagazine, was die so alles verbreiten. Liegt ja überall rum der Dreck. Hatse im Wartezimmer beim Arzt aufgeschnappt, den Mist. Gefühle zeigen. Gefühle! Gefühle krieg ich, wenn mir ’n süßes Fötzchen aus’m Bonn 17 einen lutscht. Und ja, stimmt, das mit den Gefühlen, das liegt an dir, hab‘ ich gesacht, und weil ich so ohne Gefühl bin, da muss ich mich eben immer abfüllen, damit ich dich ertragen kann. Weil du mir so auf den Sack gehst! Tutse ja auch. Nix kann man mehr mit der. Raus will se nich. Vögeln will se nich. Lutschen kann se nich. Sollst nich‘ wie ’ne Dreijährige dran rumknabbern, hab ich gesacht, du sollst den ganz innen Mund nehmen. Für was hab ich eigentlich ’ne Frau, hab ich sie gefragt. Kam natürlich nix. Kommt nie was. Da kann ich mir auch ’ne Puppe kaufen, so eine aus Gummi, die nehm ich mit inne Badewanne und prügel die da durch, und nach’m Abspritzen einmal Dusche reinhalten, fertig is‘ der Lack. Is‘ genau so gut. Und dann die Heulerei immer. Ob das jetzt normal is‘, hab ich se gefragt. Hat se auch die Schnauze gehalten.

Pfand in den Beutel, ab zum Babi. Ich hasse das ja. Treppen runter, Straße lang. Wenn die Leute nich‘ wären. Die glotzen, als hättense noch nie einen Mann sein Bier holen sehen. Kaum die Tür auf, geht schon wieder das Telefon. Kotzen könnt ich.
„Ja?“
„Guten Tag, hier Praxis Dr. Schlüter, wir rufen wegen den Ergebnissen von Frau Scholtysek an.“
„Ja, und?“
„Ist ihre Frau zu sprechen?“
„Nee, der geht’s nich gut. Die liegt hier auffer Couch, schläft was.“
„Also, ihre Frau wollte sich eigentlich bei uns gemeldet haben …“
„Hatse gesagt. Frauenkram. Krämpfe und so. Die meldet sich, wennet ihr wieder besser geht, ja?“
Ergebnisse, denk ich, Ergebnisse. Moni und ihre Ergebnisse, das is wie Lotto spielen. So richtig Glück haste ja eigentlich nie. So, jetzt Schnaps holen. Freitagnachmittags brauch ich ’ne Ladung. Paar Schluck Bismarck und was vom guten Sester. Das hab ich der Moni gesagt, dass ich auch ohne die paar Bier klar komm‘, gar kein Problem für mich, aber die hat’s mir nie geglaubt. Ich war ja schon süchtig. Süchtig, hab ich gesagt, das klingt ja, als nähme ich Rauschgift. Muss man sich mal vorstellen: Da redet die mit irgendwem auffer Straße und sacht, mein Mann, der is‘ süchtig. Kommste doch in Teufels Küche. Nee, hab ich gesagt, Moni, nee. Paar Bier, bisschen Schabau, das is ja keine Sucht, das is Stressbewältigung.

Im Flur niemand. Ich geh an der Tür von der Löbach vorbei und denk mir, schauste mal rein, guckste, was die in der Bluse hat. Die Löbach, ich sach’s dir, das ist `n Luder, da bin ich mir sicher. Bisschen speckig, aber wenn bei der mal Leben in der Fut is … Also ich würd‘ der den Kolben reinhalten und die Dose ausspritzen. Aber komm, nee. Außerdem weißte ja nie! Draußen immer noch die Jungs. Ganz schön am Schwitzen sind die. Und der Dicke immer noch da, ich frag mich, wie lange der da noch stehen bleiben will? Wann’s dem mal reicht, dem Sack Sülze. Mich würd’s ja ankotzen, nur so rumzustehen. Straße rauf, der alte Knott steht vor der Tür und will Palaver halten, aber ich wink‘ ab. Kann die Scheiße von dem nich mehr hören. Will immer über Fußball reden, und dann auch noch über die Pillendreher, meine Fresse.

Bei Babi is‘ es leer, was mir Recht is. Fünf Sester und ’ne kleine Bismarck.
„Wie isset?“, fragt er, und ich schieb ihm den Zwanni rüber und sage: „Jut.“ Dann beugt er sich rüber und flüstert: „Ich hab da was Neues.“
„Kam ja lang nix mehr“, sag ich, „isset denn das Geld wert?“
„Aber jeden Cent“, sagt Babi.
Wir gehen hinten durch in den Lagerraum. Babi zündet sich `ne Zigarette an, der raucht ja Kette, der Grieche. Hat seine Filmchen hinter’m Eisschrank, in ’nem Fach, dass er da in die Wand gehauen hat. Natürlich hält der das geheim, aber ich hab‘ mal gesehen, wie er die Filme da rausholt.
„Wart ’n Moment“, sagt er, und ich nehm noch ’n Schluck von dem Bismarck und krieg so langsam den Flacker, aber nich‘ wegen dem Sprit, sondern wegen den Videos.
„Isses was Heißes?“
„Stehst doch auf Braunes, oder?“
Der Babi verschwindet und kommt mit einer Plastiktüte unterm Arm zurück. „’n Fuffi brauch ich dafür“, sagt er, aber ich wink ab. „Bisse denn bescheuert? `n Fuffi! Dreissich wie immer, sonst kannses dir inne Haare schmieren, auch wenn ’s was Braunes is.‘ So viel zahl ich nie und nimmer.“
„Dann gib mir die dreissich und jut is.“
Ich geb ihm die Scheine und nehm die Tüte. Hat der sich so gedacht, der Grieche. Diese Südländer, immer das Gleiche - wollen dich betuppen, wo du daneben stehst. Aber nich‘ mit mir! Ich lass mich nicht bescheißen, von keinem Kanaken und von keinem Juden. Der muss noch geboren werden, der, der mich bescheißt. Tüte untern Arm, wieder nach Hause. Unten an den Mülltonnen mach ich ’ne Pause. Kaltes Sester, nie verkehrt. Komm, denk ich, eine nimmste noch. Und ’n Schluck vom Bismarck. Spürt man gar nicht inner Kehle. Ich sag: „Hier du, du Mops, warum spielste nich mit?“ Der fette Junge tut so, als habe er mich nich gehört. „Ja, hier, dich habe ich gemeint, genau dich, brauchste nich wegglotzen … wieso spielste nich mit den anderen?“
„Kein Bock“, sagt der.
„Kein Bock, was is’n das für ’n Argument, Jung? Stehst die ganze Zeit hier rum wie bestellt und nich abgeholt.“
„Hab halt keinen Bock.“
„Weißte“, sag ich, „du erinnerst mich an wen, ne? Ehrlich, ’n Kumpel von mir, von früher – naja, was heißt hier Kumpel, den hab’n wa mitgeschleppt, weil wir so große Herzen hatten. An den erinnerst du mich. Bernd hieß der.“ Der fette Junge guckt rüber. „Bernd“, sag ich, „der hatte echt genauso ’ne Plautze wie du, original. Wir ham immer gesacht: `Bernd, rück den Ball wieder raus‘, aber der war ’n bisschen langsam, der hat nich alles verstanden. Der war nich‘ nur fett, sondern auch blöd. Ich mein, da konnte der nichts für, verstehste? Und dann, als wir älter wurden und den Mädchen Titten wuchsen, da hatte jeder was am laufen. Nur der Bernd, ja, mit dem wollt’s keine wissen, weil der einfach zu fett war, so ’n aufgedunsener Sack, Schwabbel überall, e-kel-haft, und wie soll das auch gehen?, wie willst du dich auf ’ne Alte drauflegen, kommste mit deinem Pimmelchen ja gar nicht rein.“ Dem Pisser hab‘ ich’s gegeben. Steht an der Mauer und flennt gleich. Im Flur kommt mir die Löbach entgegen. Die guckst mich schon so dämlich an, die Sau, und ich kann mein Maul nicht halten. „Ach, was ich noch sagen wollt‘, hier, nachspionieren, das müssen se nich, Frau Löbach. Wenn se ’n Problem mit mir haben, dann sagen se dat einfach, und rennen se nich direkt zum Wielpütz.“
„Nee, nee“, sagt die, „ich hab‘ überhaupt kein Problem, Herr Scholtysek. Im Keller stinkt’s, das ist alles, und keiner weiß, woher.“
Die Fotze. Hinterm Rücken reden, ja das kann se, aber wenn man se direkt anspricht, was Sache is, dann wird die so klein mit Hut. „Dann is ja gut“, sag ich, und sie grinst dumm.
„Bestellen Sie ihrer Frau schöne Grüße.“
„Mach ich“, sag ich, als ob die sich für die Moni interessieren würde, die kann sich ihre Grüße in den Arsch stecken. Das war ja immer das Problem, das die Moni nie Anschluss gefunden hat. Irgendwas war ja immer. Ständig am nölen war die, die Moni – die is doof, und die will ihr was, und mit der kann se auch nich. Meine Herren, hab ich gesagt, Moni, manchmal muss man auch einfach die Fresse halten, aber damit biste ja nich gesegnet. Du musst ja ständig jedem erzählen, was er zu tun hat, alles weißte besser, alles haste schon mal gemacht, oder kennst wen, der wen kennt - die Leute kriegen das Kotzen, wenn se dich sehen, die gehen laufen. Verdammt, ham die gedacht, da kommt die Moni, wir hauen lieber ab, bevor die uns noch vollsülzt. So war et. Und, hab ich gesagt, vielleicht verstehste jetzt auch besser, warum mir manchmal die Hand ausrutscht, warum du manchmal einfach ’n paar auffe Zähne bekommst, nämlich weil de unerträglich bist, weil de nervst.

Sie is‘ auch ’n bisschen fett geworden, hat alles in sich rein gestopft, McDonalds und den Dreck, Süßigkeiten, Schokolade, Cola, Chips. Da hab‘ ich sie mal mit der Schnauze zuerst reingedrückt, weil sie es sonst nicht verstanden hätte. Wenn du weiter so frisst, gehste auseinander, hab ich gesagt, und dann muss ich dich wegschließen, sechs Wochen, Kur bei Wasser und Brot, damit da wieder mal was runterkommt. Is‘ doch so: ’ne Speckmöse will keiner ficken. Und die Moni is meine Frau, ja? Als ich die kennengelernt hab‘, da war das die schärfste Braut überhaupt. Da hat sich die Vorhaut automatisch zurückgerollt, ich sag’s, wie es is‘. War ’ne scharfe Braut! Und früher, da hätte die lieber ihre Rühreier in die Serviette gespuckt, als fett zu werden. ’n Pfund zu viel auf den Rippen, das wär‘ nich gegangen. Dann wurd’s ihr scheißegal, und das kann man nich zulassen, oder? ’n Mann hat ’n Recht auf ein Stück Arsch.

Fotzen mag ich, so ist es nicht. Aber was Braunes, das hat was für sich. So ’n kleiner, dürrer, bei dem man die Rippen noch zählen kann, den man packen und drehen kann, wie man will … is‘ nich so, dass ich schwul bin, ganz bestimmt nich, aber ab und an mal ’n enges Arschloch, da is nix gegen einzuwenden. Was Braunes is‘ ’ne feine Sache. Kannste nix gegen sagen. Einen von den Jungs da unten, die gegen den Ball treten … wenn die’s so wollen, wie ich’s will … Müssen nur’s Maul halten, während ich’s ihnen in den Arsch besorge, `s Maul halten, bis ich fertig bin. Der Videorekorder rattert los, das verdammte Scheißteil. Die letzten Sachen vom Babi waren alle Mist, nichts Brauchbares dabei. Hab‘ die Kassetten alle an den Willi weiterverscherbelt, der zieht die sich zum Anheizen rein, wenn er sich mit seine Knaben trifft, im Schrebergarten unten beim OBI. Ich weiß gar nicht, wo der die immer her nimmt … naja, spitzt die sich auf den Freizeiten vom CVJM an, da isser Betreuer, und dann lädt der die ganz unschuldig ein, die denken sich ja nix, der tolle Willi, der immer so nett war, denken die, und so läuft’s. Also, Fotos macht der immer – Wahnsinn, was die mit sich machen lassen, die Rotzlöffel. Wenn die einmal ’n Schwanz drinne hatten, tief im Arsch, ich sag’s dir, dann ham die Lunte gerochen, da kannst du deren Scheiße an der Spitze haben, die wollen’s noch mal, die sind richtig gierig, im Ernst.

Die meisten Bengel sind ja so Gerippe und auch noch aus’m Osten, da hab‘ ich gar kein schlechtes Gewissen, überhaupt nicht. Die liegen sonst in der Pissrinne und kriegen nichts auf die Pfanne, garantiert. Da halten die eben ihren Arsch hin oder knabbern an ’n paar Schwänzen rum, is‘ denen doch egal, Hauptsache nix Gosse. Ich mag die Blonden. Glaub‘, die gucken immer besonders unschuldig, aber dann sind’s meistens echte Schlucker, schlimmer als jede Straßennutte. Reißen sich mit beiden Händen die Backen auf, damit du noch tiefer reinkommst.

Als die Moni damit anfing, komisch zu werden, da hab ich mir auch so einen angelacht. Passierte einfach so. Hab‘ beim Willi ’n paar Bier getrunken, wat verzälle, klönen, und da war einer von denen da. Einer von soner Freizeit, Zeltlager. Die wollten Bilder gucken, aber dann … der Kleine, der war schon abgerichtet, der konnte lutschen ... Ich hab‘ ihn paar Mal eingeladen, ihm Spiele für seinen Computer gekauft, und einmal waren wir im Kino, so ’n Film mit Robotern, da hab‘ ich ihm gesagt, nachher wär‘ er fällig. Da würd‘ ich ihn ficken, hab‘ ich ihm gesagt, Papa macht dich nass, hab ich gesagt, aber da war die Monika schon komisch. Und jetzt is‘ die Moni weg. Wollte die weghaben, nur noch weg, weil’s einfach nich' mehr ging. Das war, als se die Wäsche aufgehangen hat. Unten im Keller. Kann man nich erklären, eins führt zum anderen, is‘ einfach so. Dann stehste da und siehst deiner Alten zu, wie se die Wäsche macht, und da regt sich nix mehr, die könnt‘ auch tot sein, die könnt‘ genauso gut tot sein, dacht‘ ich mir. Hab die Wäscheleine genommen. War ganz einfach. Draht ’n paar mal ummen Hals gelegt. Dauert nich lang. Zwei, drei Minuten. Dann war se weg. Auf einmal, da is‘ vorbei, da is‘ nix mehr.

Vermissen tu ich se nich. Kein Stück. Und ich weiß auch, dass die kommen. Ich hör‘ die Schritte schon. In meinem Kopf, da hör‘ ich die schon. Gleich klopfense, denk ich, aber noch is‘ nix passiert. Ich nehm ’n Schluck vom Bismarck und drück auf Play.

 

Hi @jimmysalaryman,

ich schreibe gerade am Handy, daher nur kurz. Ich finde den Mord nicht zu viel, sondern eher konsequent. Der Text handelt für mich gekonnt von einem Typen, der praktisch keine Empathie hat, dem es nur um sein eigenes Verlangen geht. Die Alte nervt, taugt nicht einmal mehr für Sex, also entledigt er sich. Mich interessiert auch bei so einem Typen nicht, warum der so ist. Ich habe sogar ein wenig Mitleid mit ihm. Er ist so sehr seine eigene Sonne, dass er kein soziales Wesen ist und daher letztlich total einsam. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es solche Mensch gibt. Also für mich hast du das, was ich denke, was du wolltest, sehr gut umgesetzt.

Trotzdem habe ich eine große Distanz zum Text. Der lässt mich kalt. Ja, es gibt so etwas, ja das ist schlimm, aber so ist es eben. Das ist so wie eine perfekte Fotografie von etwas ekligem.

Die große Frage ist für mich: quo vadis? Ist das dein Ziel? Kaputte Typen hyperrealistisch darstellen? Irgendwie erwarte ich mehr. Ich habe ein ähnliches Gefühl, wenn ich (hyper-)realistische Zeichnungen oder dgl ansehe. Toll. Und dann zucke ich mit den Schultern und frage mich. Warum tut der Künstler das? Nur, weil er es kann? Oder gibt es da mehr?

Mein Gefasel hilft dir wahrscheinlich nicht weiter, aber vielleicht triggert es etwas.

Gruß Geschichtenwerker

 

Moin,

Die große Frage ist für mich: quo vadis?

Für mich ist das Ziel bereits erreicht. Es wird über @jimmysalaryman 's Geschichte und deren Protagonisten kontrovers diskutiert.
Man wird gezwungen, sich mit einem (in diesem Fall mehr als unangenehmen Thema) in irgendeiner Form auseinander zusetzen.

LG,
JG

 

Im Kontext meines vorangegangenen Gefasels ist Natur aber auch: Gacy, Bundy ... die Nasendassel. Natur ist der Holocaust, die Implosion von supermassereichen Sternen und das Hinrichtungs-, Menschenhandels- und Foltergewerbe der lateinamerikanischen Mafia-Großfamilien.

Das ist aber doch viel eher Kultur, den Holocaust auf ein naturalistisches Phänomene herunterzubrechen, halte ich für grundfalsch. Die Natur hat, im Gegensatz zu den Menschen, keine Vorstellung von Moral. Ein Raubtier tötet ohne Gewissen. Der Mensch kann sich aber entscheiden, da ist viel eher die Frage, ob es so etwas wie eine naturalistisches Gewissen, einen Ur-Ethos gibt. Ich glaube, ja. Menschen ermorden sich EBEN NICHT bei der erstbesten Gelegenheit, man KANN sie aber dazu konditionieren. Das sind zivilisatorische Auswüchse. Die Natur ist diesen androzentristischen Begriffen enthoben - deswegen ist sie, da kann es keine Wertung geben, die Natur und ihre Wesen kennen die Begriffspaarung Gut/Böse nicht. Beim Menschen unterscheidet sich das, da ist es kulturell divers, aber einen Menschen töten ist in allen Kulturkreisen ein Tabu. Also, das ist mit Sicherheit eine Diskussion wert, die mit dem Text nichts zu tun hat. Ich bin ja auch ein alter Kulturpessimist, nichts für ungut. Und natürlich halte ich eine solche Diskussion aus, ich halte ja auch die 5 Tage Woche aus.

Gruss, Jimmy

 

Das ist aber doch viel eher Kultur

Wenn das Gute, so wie das Böse, in der Natur des Menschen liegt und wenn der Mensch ein natürliches Wesen ist, dann liegt das Gute, wie das Böse, in der Natur (der Natur).

Zudem ist Kultur eine Konsequenz von Natur. Ich halte es für grundfalsch Kultur auf den Menschen zu reduzieren.

Aber.

Du hast recht, ich bin von der Geschichte abgekommen. Ich wollte kein ewiges Gespräch nach dem diskutativen Prinzip anleiern (jetzt habe ich richtig was Schlaues gesagt, dass streichelt mein Ego, nachdem ich androzentristisch googlen musste), und höre daher jetzt auf, diesen Faden entgleisen zu lassen.

Grüße gehen raus, an alle, die mich liebhaben,
Analog

 

Oder Moni bemerkt seine Gelüste und versucht sich Lolita mäßig umzustylen und er findet das so abartig, dass er sie umbringt.

Oah, GENAU SO mache ich das. Eine sehr gute Idee, @Nichtgeburtstagskind

Kaputte Typen hyperrealistisch darstellen?

@Geschichtenwerker, danke dir für den Kommentar. Im Grunde ist das so, ja. Ich empfinde ähnlich, wenn ich eine Prog-Rock Scheibe höre, alles gute Musiker, aber wo ist der geile Song? Man kann nun darüber debattieren, ob jeder Text die gleiche Aufgabe hat. Also, MUSS ein Text zwangsläufig etwas erzählen, oder darf er auch einfach wie eine Fotografie sein, eher dokumentarisch? Ohne das, was wir hier Plot nennen? Warum schreibt man so etwas? Nun, erstmal, weil ich denke, man sollte auch immer wieder mal etwas riskieren, sich einfach mal die Freiheit nehmen, und etwas probieren, ohne unbedingt ein Ziel zu haben. Viel zu vieles im Leben und auch in der Kunst folgt einem Ziel. Und hier sind wir doch auch in diesem Forum, um mal einfach zu machen, unabhängig von solchen Kriterien wie Erfolg. Kann ich dir also gar nicht so genau beantworten, ich wollte einfach diese Serie schreiben, weil ich rumprobieren, experimentieren wollte, ergebnisoffen, würde man wohl in der Politik sagen.

wird fortgesetzt ...

Gruss Jimmy

 

Hi,

Und hier sind wir doch auch in diesem Forum, um mal einfach zu machen, unabhängig von solchen Kriterien wie Erfolg. Kann ich dir also gar nicht so genau beantworten, ich wollte einfach diese Serie schreiben, weil ich rumprobieren, experimentieren wollte, ergebnisoffen, würde man wohl in der Politik sagen.

Da gebe ich dir völlig recht und natürlich muss man experimentieren und nicht immer ein Ziel haben. Ich bin dir dankbar für die Antwort, denn so kann ich den Text auch entsprechend einordnen. Ich brauche nicht immer eine weitere Ebene, eine tiefere Aussage, etc. In der Musik und auch in der Kunst hat man das ja oft und wenn man das weiß, kann man es einfach genießen, ohne sich den Kopf zu zerbrechen.

Für mich ist das Ziel bereits erreicht. Es wird über @jimmysalaryman 's Geschichte und deren Protagonisten kontrovers diskutiert.
Man wird gezwungen, sich mit einem (in diesem Fall mehr als unangenehmen Thema) in irgendeiner Form auseinander zusetzen.

Das sehe ich anders. Ich sehe den Text nicht als Effekthascherei, um Aufmerksamkeit zu generieren. Für mich ist das eine "auf hochglanz polierte" Innendarstellung eines ziemlich "kaputten" Individuums. Klar, die Themen sind anstrengend, insbesondere der Missbrauchseffekt von Kindern. Aber so einen Text über einen "Normalo" zu schreiben wäre auch keine Herausforderung, bei der es sich lohnen würde, so viel Mühe in die Darstellung zu packen. Ich finde es gut, wenn man mal (gekonnt) an die Grenzen geht. Mal ausbricht.

Bin gespannt, was da noch so kommt in der Serie.

Gruß Geschichtenwerker

 

Moin,

Das sehe ich anders. Ich sehe den Text nicht als Effekthascherei, um Aufmerksamkeit zu generieren. Für mich ist das eine "auf hochglanz polierte" Innendarstellung eines ziemlich "kaputten" Individuums. Klar, die Themen sind anstrengend, insbesondere der Missbrauchseffekt von Kindern. Aber so einen Text über einen "Normalo" zu schreiben wäre auch keine Herausforderung, bei der es sich lohnen würde, so viel Mühe in die Darstellung zu packen. Ich finde es gut, wenn man mal (gekonnt) an die Grenzen geht. Mal ausbricht.

Mein Beitrag war keinesfalls negativ gemeint.
Ich finde den Text großartig.
Von Effekthascherei war nie die Rede.
Für mich ist eine Geschichte (bzw. Kunst im Allgemeinen) nicht nur gelungen, wenn man sagt "Oh, wie schön!", sondern wenn sie zum Nachdenken und zur Diskussion anregt. Auch gerne schockiert. Wenn Kunst immer nur innerhalb der Grenzen agieren würde, wäre das ja fürchterlich.

Und wenn man es genau nimmt, ist jede Art Kunst auch "Effekthascherei" ( im Sinne von "will gesehen werden"). Sonst wäre sie mEn sinnlos.

Fazit @Geschichtenwerker : wir sind völlig einer Meinung.

LG,
JG

 

Hola a todos,

das Verallgemeinernde von JGardeners Standpunkt trag ich nicht mit:

Man wird gezwungen, sich mit einem (in diesem Fall mehr als unangenehmen Thema) in irgendeiner Form auseinander zusetzen.
Ich fühle mich keineswegs und zu nichts gezwungen. Ebenso wie Bilder, Fotografien, Filme ignoriere ich Texte, die mir nicht gefallen. Hätte keine Lust, mit einem Künstler / „Künstler“ über ein – wie @JGardener schreibt – sehr unangenehmes Thema zu debattieren
(obwohl man da viel scheinbar Gescheites einbringen könnte :dozey: ).

@Geschichtenwerker hat es treffend formuliert:

Das ist so wie eine perfekte Fotografie von etwas ekligem.
Es bleibt halt eklig, und wer sich damit auseinandersetzen will, hat freie Fahrt.

Freundliche Grüße
José

 

Und wenn man es genau nimmt, ist jede Art Kunst auch "Effekthascherei" ( im Sinne von "will gesehen werden"). Sonst wäre sie mEn sinnlos.

Um nochmals die Diskussion um den Text aufzugreifen: natürlich ist jeder fiktive Text immer auch ein Konstrukt, ich nehme sogar an, jeder dokumentarische, weil immer etwas selektiv gesehen und beschrieben wird, immer etwas weggelassen. Ich denke an einen Text wie an eine Inszenierung, deswegen ja auch die Serie - es soll eine Serie werden über Männer, die denken, was tabu ist, oder taub erscheint, da steckt natürlich immer etwas, das stark an einen Effekt erinnert. Ich habe da auch nichts gegen, wichtiger finde ich, ob und wie so ein Text den Rezipienten mitnimmt, ob diese Ebene funktioniert. Und wenn jemand wie @Shey schreibt, sie hätte es geekelt, dann denke ich, macht der Text doch etwas richtig - er fasst dich an, er macht etwas mit dir, er berührt dich. Das ist ja keine Beichte, wo man jetzt eine großartige Reflektion bekommt, denn das ist ja genau nicht das, was ich wollte, das sollte ja ein Text unter der Gürtellinie sein, der MUSS ja geschmacklos und krass sein.

Gruss, Jimmy

 

Hi Jimmy,

jetzt, nach dem zweiten Lesen finde ich den Text gar nicht mehr so ekelig im Sinne von schockiert sein. Beim ersten Mal (erste Version) war die Wirkung stärker. Liegt nicht am Text (du hast ihn sicher in der Zwischenzeit nicht weichgespült, oder?). Sagt mir nur, dass man einen solchen Text erstmal auf sich wirken lassen sollte.

Kleinigkeiten

Das dunkle Herz der Männer
So heißt deine Serie, also die Story-Sammlung.
Und wie heißt diese Geschichte hier an und für sich?

Hab‘ die paar Mal
brüll‘ ich
wär‘
würd‘
Wenn Verb auf e endet, braucht man keinen Apostroph.
Manchmal hast du auch keinen gesetzt.

Hat auch der Arzt gesagt. Frau Scholtysek, Sie brauchen Ruhe.
Hat mir ins Gesicht gesehen, gesagt: Herr Scholtysek,
Warum erst kursiv, später nicht mehr?

und bisschen aal Ferv
ein bisschen was? :schiel:

Das war ja immer das Problem, das die Moni nie Anschluss
dass die Moni

Da halten die eben ihren Arsch hin oder knabbern an ’n paar Schwänzen rum, is‘ denen doch egal, Hauptsache nix Gosse.
Ich dachte, das mag er nicht, siehe hier:
Sollst nich‘ wie ’ne Dreijährige dran rumknabbern, hab ich gesacht, du sollst den ganz innen Mund nehmen.

Ja, gefällt mit. Ist ein echt kaputter Typ. Gelungen.

Viele Grüße und wir sehen uns nächste Woche.
Bring mal aal Ferv mit. Oder auch nicht - je nachdem, was es ist oder du denkst, ich könnte es gebrauchen :)

GoMusic

 

Hallo @GoMusic

Sagt mir nur, dass man einen solchen Text erstmal auf sich wirken lassen sollte.

Ja, ich glaube auch. Ist immer so die Frage, shock value hält ja nie so lange vor, aber manchmal will man so etwas auch einfach schreiben, weil es saumässig Spass macht. Da denke ich jetzt nicht nur an den Leser oder, wie wird das rezipiert, ich hab da einfach Bock drauf und dann gib ihm.

aal ferv - aal Färv, sprich: alte Farbe. Bring ich dir mit!

Gruss, Jimmy

 

Hi Jimmy,

Hab‘ die paar Mal schon gesehen, wie sie da vor den Mülleimern rumghängen.
Stimmt das g?

Kann ihr Lachen bis in den fünften hören.
Das wird doch zum Substantiv.


„Hier inne Gasse“, schreit einer der Jungs, so ’n kurzer Blonder. Denkt wohl, er sei Toni Polster.
Toni .... :susp: wer? (Okay, mein Mann kannte ihn. :D )


„Geht’s was leiser?“, brüll‘ ich aus dem Fenster, aber die Dreckspanz spielen weiter, als wäre nix gewesen. Von Manieren hab’n die noch nie was gehört. Wenn das meine Brut wär‘, die würd‘ ich so durchwalken, dass die auf ´n Fingerschnippen gehorchen.
Das Paar hat keine Kinder und diese Art und Weise, wie abfällig er über Kinder und Kindererziehung spricht, lässt tief blicken. In den drei Sätzen steckt ein ganzer Film drin. (Den will ich aber als Drehbuch nicht lesen müssen).

Schreien sich die Seele aus’m Leib, die verdammten Rotzgören, und meine Alte liegt in der Kiste und schüttelt sich vor Krämpfen.
Das ist vielleicht regional bedingt, jedoch sind bei uns Gören immer weibliche Personen.
Kiste ist auch für Sarg reserviert, das hatte jemand schon angemerkt.

Der ist ja selber noch ’n halbes Kind. Grad frisch von der Uni runter, doktort der gleich an Leuten rum und will einem erzählen, was gut für einen is.‘
Klasse. Ist ja auch schwierig, grade bei Medizin. Einem IT-ler glaubt man eher.

Dabei is‘ der selber keine drei mal sieben alt.
Medizin: 10 Jahre Studium. Also mindestens 30. Ich würde aus der eine vier machen, dann ist er noch keine 28. Zwanzig wird der wohl wirklich nicht sein.

So ’n Neunmalkluger, der wollte sofort meine Blutwerte wissen. Hat mir ins Gesicht gesehen, gesagt: Herr Scholtysek, bleiben se mal noch kurz da, Sie kriegen Blut abgenommen.
Ich bin innerlich bei jedem Lesedurchgang erst davon ausgegangen, dass das ein Hausbesuch eines Arztes ist, weil ja direkt davor steht, dass sie im Bett liegt und Krämpfe hat. Dann assozieere ich automatisch, dass der Arzt bei denen zu Hause war.

Und schon kam so ’ne junge Fotze an und knallt mir ’ne Nadel in ’n Arm. Nächstes Mal sagt der zu mir: Herr Scholtysek, Sie rauchen und trinken zu viel. Ich so: Wat is? Könne gar nicht sein, hab ich gesagt, aber da meinte der, die Werte, die würden da was ganz anderes erzählen. Die Leber, Gamma irgendsowat, so ’n Scheiß eben – alles viel zu hoch. Ob ich oft in die Kneipe gehe? Nix, hab ich gesagt, ich trink ab und an mal ’n Bier, zu Hause vor der Kiste, mehr erlaubt mir meine Madame nicht. Ich scheiß auf die Werte, sag ich, und das mein‘ ich, wie es is‘, und er so: Sei ja alles nur zu meinem Besten. Hat man an meiner Alten gesehen, da wollte der feine Herr auch nur das Beste, und jetzt soll er die sich bitte mal ansehen. Faselt der Junge was von zu hohen Werten! Arschloch.
:thumbsup:

. Ob die davon endlich mal wieder die Beine auseinanderkriegt, hab‘ ich gefragt. Telefon.
„Ja?“
Spannend, dass ich sofort richtig gelenkt werde. Nur ein Wort. Kein langes: Währenddessen klingelt der Telefonapparat oder sowas :D wobei das ja von dir wie eine Regieanweisung rüberkommt. Also schon so ein Zwitter, aber egal, man kapierts.

Ich habe mir dann überlegt, ob das aus bekannten Situationen herauskommt: Man chattet, bekommt einen Anruf. Schreibt dem Gegenüber nur: Fon - und der weiß Bescheid.


Seitdem der Hausmeister ist, spielt der sich auf wie ’ne Tüte Mücken.
Im ganzen Assigerede auch noch Humor. :D

„Steht Leergut und bisschen aal Ferv … wat willste da?“
Fettes hätte ich gerne als Appendix erklärt haben - oder such dir was aus, was bildlich schon aus sich spricht. Kann ich auch nicht googlen.

„Guck ma bei denen anderen, mach das mal, dann kannste noch mal kumme, wenn bei denne nix is.“
„Wollt sowieso mal rumkommen.
Guck an der Stelle nochmal bei dem Wielpütz, erst ist er voll im Dialekt, dann kommt dieses Hochdeutsch.

Wie der Bernd. Wenn wir dem erzählt hab‘n, dass wir gestern Nacht auf der Naht gelegen haben, da konnte der nix mit anfangen, da hat der nur Bahnhof verstanden. Armes Schwein. Hat uns erzählt, er fresse ja gar nich‘ so viel, das seien die Drüsen. Bier leer. Schnaps auch. Das sind so Momente, da könnte ich die Monika gut gebrauchen. Aber nein, Schnaps kaufte se mir nich‘, sagte se, der sei nich gut für mein Gemüt.
Das ist wie das Telefon eine ganz andere Ebene, so Richtung Regieanweisung. Manche Sprengsel haben für mich einen Touch von Bewusstseinsstrom.
Im Flur niemand. Ich geh an der Tür von der Löbach vorbei und denk mir, schauste mal rein, guckste, was die in der Bluse hat. Die Löbach, ich sach’s dir, das ist `n Luder, da bin ich mir sicher. Bisschen speckig, aber wenn bei der mal Leben in der Fut is … Also ich würd‘ der den Kolben reinhalten und die Dose ausspritzen.
Hier wird mir nicht klar, ob er als Mann bei ihr punkten könnte und sie ihn an sich ranlassen würde oder ob das nur einseitige Wunschgedanken von seiner Seite aus sind.
Von daher gut gemacht - es bleibt für mich als Leser offen. Ich kann ihn mir auch ganz schlecht vorstellen - ist er so ein ganz alter schleimiger Wichser, dem die Geilheit aus den Augen trieft und alle Leute denken, er hat sie nicht alle oder ob er so ein Mittelaltertyp (40-50) ist, der durchaus noch mit Äußerlichkeiten punkten kann?

Und dann, als wir älter wurden und den Mädchen Titten wuchsen, da hatte jeder was am laufen.
am Laufen

„Bestellen Sie ihrer Frau schöne Grüße.“
Wenn Sie schon groß, dann Ihrer auch, würde ich mal behaupten.

Und, hab ich gesagt, vielleicht verstehste jetzt auch besser, warum mir manchmal die Hand ausrutscht, warum du manchmal einfach ’n paar auffe Zähne bekommst, nämlich weil de unerträglich bist, weil de nervst.
Spannend, wie Ernst seine Gedanken versucht zu verallgemeinern, um eine Absolution zu bekommen.

Wenn du weiter so frisst, gehste auseinander, hab ich gesagt, und dann muss ich dich wegschließen, sechs Wochen, Kur bei Wasser und Brot, damit da wieder mal was runterkommt. Is‘ doch so: ’ne Speckmöse will keiner ficken. Und die Moni is meine Frau, ja?
Schon ungerecht von dir als Autor, uns keinen Blick auf den Erzähler zu geben: was haben die Biere mit seinem Bauch gemacht? Gibt es noch Haupthaare und in welcher Farbe? Ist er ein schlampig angezogener Jogginghosen-T-Shirt-Prota mit blauen Badelatschen? Oder einer mit etwas zu kleiner Anzugshose und verknitterten Oberhemden von Seidensticker?

Wahnsinn, was die mit sich machen lassen, die Rotzlöffel. Wenn die einmal ’n Schwanz drinne hatten, tief im Arsch, ich sag’s dir, dann ham die Lunte gerochen, da kannst du deren Scheiße an der Spitze haben, die wollen’s noch mal, die sind richtig gierig, im Ernst.
Ist das Wortspiel Absicht ;)?

Da würd‘ ich ihn ficken, hab‘ ich ihm gesagt, Papa macht dich nass, hab ich gesagt, aber da war die Monika schon komisch.
Für mich ein sehr schwieriger Satz. Übergang zu Moni. Aber ich habe es erst so gelesen, als wäre Moni dabei und schaut zu, wenn er Minderjährige mißbraucht. Dann verstand ich es so, dass sie allgemein komisch drauf war. Vielleicht kannst du den etwas umschreiben, damit es eindeutiger wird.

Dann stehste da und siehst deiner Alten zu, wie se die Wäsche macht, und da regt sich nix mehr, die könnt‘ auch tot sein, die könnt‘ genauso gut tot sein, dacht‘ ich mir.
Wenn sexuell uninteressant, ist der Rest vom Menschen auch uninteressant?

Ernst muss davon ausgehen, dass er über kurz oder lang im Knast landet, wenn Monika im Keller gefunden wird. Das macht die Figur für mich unbegreifbar. Jeder normal denkende Mensch würde versuchen, die Leiche zu entsorgen. Ihn scheint das nicht zu jucken, also hat er doch einen ziemlichen Hau weg. Das macht ihn für mich so außerordentlich, dass ich seine ganze Art unter "krankhafter" Typ ablege, einer, der in den Knast einfährt oder in die Geschlossene. Damit kann ich ihn gesellschaftlich besser in eine Schublade ablegen - er ist "böse", bricht Gesetze und wird bestraft.

Würde er die Moni nicht umbringen (sich das aber bis kurz davor vorstellen und sich dabei entdeckt, dass er das gerne tun würde) und weiterhin in seinem Viertel mit all' seiner Widerlichkeit leben, wäre dieser Typ für mich gefährlicher und deutlich unangenehmer.

Für mich ist nicht so wichtig, ob du mit der KG ein inhaltliches Ziel verfolgst. Die Form dominiert hier die Arbeit, das ist legitim. Durch Probieren mit "In-den-Raum-stellen" erlebst du ein Feedback, von dem du sicher für deine Schreiberei profitierst.

Liebe Grüße
bernadette

 

Das ist vielleicht regional bedingt, jedoch sind bei uns Gören immer weibliche Personen.
Kiste ist auch für Sarg reserviert, das hatte jemand schon angemerkt.
Nur weil ich das zufällig gerade lese:
Es gibt auch "das Gör". Da sind dann Männlein wie Weiblein gemeint.
Duden | Gör | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft
Und ich kenne Kiste auch als Synonym für Bett. Ist wohl eine regionale Sache. Hessen jedenfalls kennen das auch.
Bis denn
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Jimmy,

bin vor dem Text zuerst (vor paar Wochen) zurückgeschreckt, muss ich gestehen. Und zwar vor dem Absatz, in dem er sich als Pädophiler, später auch als Mörder outet. War mir zu krass. Ich hab mich jetzt nochmal rangesetzt und nochmal ganz durchgelesen. Sonst kommt irgendwann Folge 3 und ich bin immer noch nicht über 1 hinaus.
Normal würde ich jetzt mit der Sprache anfangen, aber hier muss ich noch kurz auf den Inhalt: Der Text hat mich in mehrerlei Hinsicht ziemlich verstört. Dieser unfassbare Hass (krass, dass du das einfangen konntest) ist wie Gift. Ich hatte beim Lesen richtig Angst, mich mit solchen widerlichen Gedanken zu infizieren. Wirklich. Dieser Typ ist so banal, bösartig (mir fällt kein besseres Wort ein) und zugleich nicht dumm. Diese Mischung ist beängstigend. Der Text transport ein solches abwärts-Gefühl.
So ... jetzt Ventil wieder zumachen.

Deine Sprache ist jedenfalls brilliant. Bis ins Mikroskopische beinahe makellos. Das Schöne: die Kommentatoren können über andere Dinge sprechen als deinen Stil. Dieses Kölsch hängt mir immer noch im Ohr. Drei Jahre hab ich da gelebt und meine halbe Verwandtschaft kommt aus der Nähe von Bonn. Ich habe in meiner Kindheit auch gelernt, was ein Knott ist; auch wenn ich für meine Oberbergischen bis heute das Stadtpflänzchen bin – da ist viel hängen geblieben. Die Stimme deines Protagonisten klingt vertraut. Das hat für mich einen ganz ganz komischen Effekt, eben weil dieser Dialekt für mich total mit Familie assoziiert ist. Ich glaube deshalb, dass der Text für ein rheinländisches Publikum noch eben eindringlicher ist.. Meintest du nicht irgendwas von Kölner Literaturtagen oder so? Blöde Interessensfrage: Würdest du so einen Text vor einem größeren Publikum lesen? Würdest du eine "Trigger-Warnung" aussprechen?

Es ist wirklich faszinierend, wie du diese Qualität im Ton deines Prots durchhälst. Wahrscheinlich hast du einen kleinen Heimatbonus. Soweit ich weiß, bist du auch aus der Ecke und mit der Sprache wahrscheinlich vertraut. Trotzdem wirkte es so, als hättest du ne extra dicke Portion Himmel und Ääd im Text verarbeitet. Vieles macht den Eindruck sauberer Recherche. Das Geile, was mir gerade auffällt: Wenn ich annehme, dass jemand sauber recherchiert, habe ich ja auch eine Art Meta-Moment. Ich lese den Autoren aus der Geschichte heraus. Dasselbe habe ich bei guten Filmen. Ich liebe es, mir bei einem David Lynch Film zu denken: Wie gut, hat der das bitte gerade in Szene gesetzt? Das Interessante daran ist, obwohl ich den Autor wahrnehme, ist das etwas durch und durch Gutes (nicht nur intellektuell, sondern vor allem auch auf den Unterhaltungswert bezogen). Das widerspricht so schön der These davon, dass der Autor stets hinterm Text zurücktreten sollte (es sei denn er leistet sich einen offiziell postmodernen Meta-Einschub; aber sowas meine ich nicht).

bevor das hier ein Roman wird:


du verwendest zwei unterschiedliche Formen von Apostrophen. Verfolgst du damit irgendeine Absicht oder ist das ein Versehen?

Nächstes Mal sagt der zu mir: Herr Scholtysek, Sie rauchen und trinken zu viel. Ich so: Wat is?
„Die Löbach, die is doch sowieso wat komisch.“
Flachwichser, der.

Ich habe sowas von den Ton im Ohr. Das ist echt genial gemacht, ausgewählt, dargeboten. Props.

und jetzt läufter hier durch’s Haus und glaubt, er stelle was dar.

das war die einzige, wirklich die einzige Stelle, wo ich dachte: das passt nicht völlig zum üblichen Tonfall. Zwar benutzt dein Prot auch Konjunktiv, aber die Lexik von "etwas darstellen" fühlt sich vor dem Eindruck der übrigen, hunderten Formulierungen, die er gewählt hat, nicht natürlich an. Warum nicht einfach .. und jetzt läufter hier durch's Haus und glaubt, er wäre jemand.

oder .., er wär wat.
oder .., er wär jemand
oder .., er wäre einer. // er wär einer
oder .., er wäre wer

Die geilen Mäuse, die landen bei dem nur für viel Kohle auf’m Schwanz
auf der Naht gelegen haben

ich war froh, an der Stelle lachen zu können. Da hatte ich auch so einen Moment, wo ich mir dachte: wie geil authentisch sind diese Formulierungen gewählt? Enorm!

Ob das jetzt normal is‘, hab ich se gefragt. Hat se auch die Schnauze gehalten.

Da in der Ecke bin ich letztes Mal ausgestiegen. Der Typ ist so widerwärtig und ich wusste, dass der Text bis zum bitteren Ende, um genau das kursieren würde. Da dacht ich mir: Nä. Dat will ich net, dat kann ich net.

Und dann, als wir älter wurden und den Mädchen Titten wuchsen, da hatte jeder was am laufen.

Auch eine von diesen 100% Formulierungen.

Okay, jetzt habe ich ein kleines Erfolgserlebnis, weil ich diesen harten und trotzdem super geschriebenen Text hinter mich gebracht habe und jetzt endlich auch mal in den zweiten schauen kann.

Grüße
Carlo

 

Hallo,

Vieles macht den Eindruck sauberer Recherche.

Das ist natürlich ein vernichtendes Urteil. Rollenprosa darf auf keinen Fall konstruiert oder recherchiert wirken, denn dann ist der Effekt gen Null. Vielleicht meinst du das ganz anders, aber im Grunde ist das eine wunder, wunder Punkt - es wird dann zu einer Art Kabinettstück, und du hast ganz Recht, dann spürt und liest man auch die ordnende Hand des Autoren. Sicherlich richtig - ich bin gebürtiger Rheinländer und kenne diese Art von Sprache sehr gut, weil ich eben auch aus einer Familie komme, in der in einer ähnlichen Weise konversiert wird, also laut und auch durchaus recht harsch ordinär, aber das ist noch mal was anderes, als in einem Text.

Also, wenn ich den Text mit Abstand nüchtern betrachte, ist das, was du sagst, natürlich schon sehr richtig: es ist schon ein wenig eine Ansammlung von Best of rheinischer Asi-Slang. Mir würde aber jetzt auch kein Ausweg oder Ausrede einfallen! :D Das ist so ein Schwall, ein Redeschwall, der eben auch immer düsterer, abgefuckter, intimer wird, der redet ja in sich rein, redet sich in Rage, so ein wenig Machine Gun Kelly-mässig, aber vielleicht sollte ich wirklich ausdünnen, nur noch die totale Greatest Hits einbauen.

Meintest du nicht irgendwas von Kölner Literaturtagen oder so? Blöde Interessensfrage: Würdest du so einen Text vor einem größeren Publikum lesen? Würdest du eine "Trigger-Warnung" aussprechen?

Vielleicht auch ein Schauspieler, der das so richtig reinrotzt. Gerd Köster oder so. Jächt! Trigger-Warnung? Nur wenn ich anfange, Quinoa zu essen! Danke dir für deinen sehr guten Kommentar, Carlo.

Gruss, Jimmy

PS: Ich habe KEINEN vergessen!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Jimmy,

ist schon paar Tage alt, aber ich hatte es auf der Leseliste und ... egal, ich habe sie jetzt gelesen und sag Dir meine Gedanken. Mir fehlt ein Bruch. Das ist sauber, das ist böse, das ist widerlich, ich lese das und pack da immer noch mehr Scheiße auf den Scheißhaufen von einem Kerl, bis ich eben am Ende einen noch größeren Berg von Scheiße habe. Ich finde den Mord konsequent für die Story, aber der macht mit mir nichts mehr. Und wenn der jetzt noch die Petze vergewaltigen und den Hund quälen würde ... es macht den Text nur länger, aber nicht intensiver, auch nicht spannender. Das ist, ohne Frage, ein gutes Psychogram. Das ist eine Figur, der kauft man das alles ab. Der Typ widert mich an, das ist emotional, aber auch recht bald on top und dann bleibt das so bis zum Ende. Keine Ahnung, wie und womit man das brechen könnte. Ob der nun noch die Kohlen für Oma nach oben schleppt oder selbst ordentlich was gedroschen bekommt, das würde kaum was ändern, man hasst ihn trotzdem, wird ihn weiter hassen. Es ist recht schnell die Grenze erreicht, wo der Typ keine Empathie mehr von mir zu erwarten hat. Aber die Tür dafür machst Du ja von Anfang an auch bewusst zu. Wenn der Text ein Bild wäre, dann wäre das nur schwarz. Ich will da auch keine verkorkste Kindheitsgeschichte lesen, das würde den Text nur schwächen, aber vor irgendwas muss der doch Angst haben. Mücken fände ich cool :D Ist jetzt so halb Spaß, aber irgend so ein Lindenblatt, wo ich hoffen kann, es wird jemand die Stelle finden, ...

Ist schon ein guter Text, gar keine Frage, er hat mich auch abgeholt, aber Du hast mir schon mehr die Beine weggezogen und mich in die Knie gezwungen.

Hau rein!
Fliege

 

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