Und jetzt kommt die letzte Antwortrunde:
Lieber floritiv,
hat mir gefallen, so von Maskenballer zu Maskenballer, dass du mit meiner Nachbetrachtung was anfangen konntest.
Zur Geschichte kann ich sagen (keine Ahnung, ob nicht jemand vor mir ähnliches geschrieben hat), dass es im Prinzip zwei Geschichten sind, die nicht ganz fließend ineinander übergehen. Die eine ist die Geschichte der Erleichterung, der Abfall einer schweren Bürde der Ungewissheit, die zweite diametral dazu die des leichten, beschwingten Lebens mit einem Ende, das geradezu konsequent die daraus resultierende Ignoranz der Gefahr bestraft.
Das ist eine interessante Sichtweise, ich sehe diesen Punkt trotzdem anders. Ich empfinde die beiden „Teile“ inhaltlich und stilistisch miteinander verbunden, der Übermut resultiert sogar unmittelbar aus ihrer vorherigen Erfahrung.
wobei die beiden Teile einen recht losen inhaltlichen, hinsichtlich der Moral allerdings nicht ganz unproblematischen Zusammenhang besitzen: Auf einen Krebsnegativbefund hin nicht erleichtert sein zu dürfen, nicht auf eine leichtmütige Weise aus sich herausleben dürfen, da man so eine lange Zeit der Schwermut (=verschwendete, quasi aufzuholende Lebenszeit) verbracht hat, eben weil das zynische Schicksal einem gerade dann so tüchtig eins vor den Bug fahren könnte … also ich fürchte, das ist leider nichts wovon ich sagen könnte, das zu lesen bringt Genuss und/oder mich irgendwie weiter im Leben.
Vorweg noch einmal, hier hatte ich das Gefühl, ich wäre dir irgendwie zu nahe getreten, denn moralisch verwerflich kann ich die Geschichte absolut nicht finden. Also: Es täte mir ganz arg Leid, wenn ich dich mit der Geschichte und ihrem pessimistisch-defätistischen Inhalt verärgert haben sollte. Das lag absolut nicht in meiner Absicht.
Die Geschichte sollte andererseits auch keinen Genuss erzeugen oder Unterhaltung. Ob sie einen weiterbringen kann? Das muss jeder selbst für sich beantworten. Sie sollte nachdenklich machen, das mit Sicherheit.
Dass man aus der Geschichte herausliest, man dürfe nicht leichtmütig sein, kann ich zwar als Lesart nachvollziehen oder akzeptieren. Dennoch wird im Text keine Ursache-Folge-Wirkung behauptet im Sinne einer Notwendigkeit, sondern es ist ein grausamer Zufall. Man könnte genau so gut sagen: Scheiß auf die Warterei, lebe deine Zeit.
Im Ernst: Wer redet so? Lieben kann man meinem Sprachgefühl nach nur, was man schon oft getan hat, eben weil man es liebt.
Zu dem Satz, den der Arzt spricht, hab ich ja schon vorher was geschrieben. Da Arzt und Satz direkt der Realität entstammten, dachte ich, da könnt mir keiner kommen, aber weit gefehlt.
Also ich mildere den Satz, hab ich glau eh schon.
Das hätt ich nie gedacht, dass die Realität so verdorben ist, dass sie soapiger ist als die Fiktion. Also: Ich werde Dr. ... ausrichten, dass er eigentlich nicht so reden dürfte.
Lieber floritiv, ich will dich mit meinen Witzeleien nicht ärgern, ich mach mich über mich selbst ein wenig lustig und über den Sachverhalt, dass die Realität oft nicht der beste Ratgeber ist beim Geschichtenschreiben.
Schön ist dir hingegen gelungen, die Schwestern der Ungewissheit, Furcht und Hoffnung, darzustellen. Wie sie tauziehen, wobei das Tau nichts geringeres ist als der gelebte Augenblick, die Wahrnehmung des Lebens, die sich zwischen den Kräften wie Kaugummi verengt und zu zerreißen droht. Und was plötzlich passiert, wenn sich die Ungewissheit in Luft auflöst.
Dafür einen großen fetten Dank, genauso wie für deine Zeit und deine Gedanken zu dem Text. Viele liebe Grüße von Novak
Hallo Ane,
ich konnte den Anfang genießen, als ich noch nicht wusste, worauf alles hinausläuft. Das Ende hat mich allerdings kaum berührt.
Naja, der Anfang das ist doch was. Mit dem Ende konnten sich ja viele nicht anfreunden, allerdings aus unterschiedlichen Gründen.
In ihrer linken Hand häuften sich Blättchen, sie vergrub ihr Gesicht darin und sog den Duft ein.
Sehr sinnlich. Ich spür nur das Warten nicht.
Ich schon. Ich selbst, aber ich beobachte auch viele andere, die das so machen, vertreibe mir die Zeit bei einem „schlimmen“ Warten damit, Dinge zu tun, die zum Teil völlig unsinnig sind, zum Teil (wie hier) haben sie den Charakter von Haushalts- oder Gartenarbeit, man hält sich ein bisschen an der Tätigkeit fest. Das wollte ich hier zeigen, aber auch, dass unter der Diszipliniertheit und dem durchgestreckten Rücken in ihr Sinnlichkeit zu spüren ist. Das war mir wichtig. Es sollte noch eine andere Nuance von ihr zeigen.
Ihre Gedanken konnten sich mit den Bändchen in die Schenkel bohren
Ich finde die Idee, dass sich Gedanken mit Hilfe von was-auch-immer irgendwo in einen Körper bohren könnten, ich meine, einfach die Annahme, dass sie irgendwo anders logieren könnten als im Kopf, spannend gedacht. Ich finde es ist keine großartige Formulierung aber unbedingt eine großartige Idee, die hier aber in die Irre führt.
Ach nein, es sind natürlich keine Strapse, das hätte ich dann geschrieben, es sind die Seitenbändchen von einem Tanga oder schmalen Slip, wie nennt man die denn sonst? Himmel, was für Diskussionen. Ich hab grad extra noch mal gegoogelt, ob ich irgendeinen Fachausdruck versäumt hab, aber ist nicht. Ich glaub, es ist das „bohren“, was hier Schaden anrichtet. Oder? Ich weiß noch, dass ich hier öfter nachgedacht hab, fand aber keinen Ausdruck, der mir hier besser gefallen hätte. Aber, wenn du eine gute Idee hast, die dich keine Zeit oder Mühe kostet, nur her damit.
Die Ziffern der Anzeigentafel rückten vor
Zeiger rücken vor. Ziffern würden durch ein Vorrücken irgendwann auf den Bahnsteig fallen.
Stimmt.
Ihr Leben hatte schon immer aus Warten bestanden. Auf den Job, die Tochter, den Mann, auf den Erfolg und wieder auf den Mann.
Für mich der Moment, an dem ich ein wenig das Interesse verliere. Das Warten vor dem Arzttermin ist akut, hier geht es aber um eine über Jahre gewachsene Lebenshaltung. Das ist spannend, aber diese Aufzählung fühlt sich für mich zu allgemein an.
Warum erzählst Du von ihrem Warten?
Ich wollte zeigen, dass diese Frau nicht erst seit diesem Moment wartet, sondern schon furchtbar lange. Und weil sie so lange gewartet hat, bricht ihr Übermut so bar jeden Bewusstseins für eine Gefahr aus ihr hervor. Das ist der Hauptgrund für ihren Unfall. Und wenn man da eine Botschaft rauslesen will, dann die, dass man nicht sein Leben mit Warten verbringen sollte. Ich finde, das ist kein schlechter Grund, eine Geschichte zu schreiben. Genauso wenig wie die pessimistische Sicht der Dinge, dass es eben grausige Zufälle gibt. Ich hab auch an anderer Stelle schon ganz viel geschrieben über die Motive zu dieser Geschichte.
Ich habe den Eindruck, sie kann Dir hier gar nicht nahe gewesen sein und mir bleibt sie deswegen auch fremd.
Dass es dir nicht nahe kam, glaube ich dir. Aber der Rückschluss ist falsch. Sie war mir hier absolut nicht fern. Sondern gerade der von dir zitierte Absatz, der hatte mir selbst gefallen und hatte mich berührt, sehr sogar. Aber es gab ja auch schon andere, die geschrieben haben, dass sie diese Stelle oder das Motiv zwar gut fanden, aber es negativ fanden, dass ich es hier nicht weiterging. Vielleicht ist ja das der Grund für dein Missfallen.
Im Wartezimmer blätterte sie sich durch eine Zeitung
Überspitzt ausgedrückt: Du zeigst eine Frau, die durch etwas gegangen ist, was viele mit "die Hölle" beschreiben würden - und sie sitzt da und liest die Brigitte. Da frage ich mich ernsthaft: Was will mir der Autor mit diesem Bild sagen?
Wo steht, dass sie die
Brigitte liest. Völlig unüberspitzt ausgedrückt: Du hast was reingelesen, was nur in deiner Vorstellung von der Situation existiert.
Es ist die gleiche Sache wie vorher, sie macht Dinge, die keinen Sinn haben, hält die Hände in Bewegung, beschäftigt sich mit Tätigkeit, die den Schein der Funktionalität haben wie das Hin- und Herrücken der Stühle oder das Blättern in einer Zeitung, sie liest nicht, sie blättert sich durch. Das bedeutet, dass sie kein Wort davon gelesen oder gar verstanden hat. Es hält sie aufrecht, so zu tun, als sei alles normal. Ich finde ehrlich gesagt, dass das sehr klar zum Ausdruck kommt.
Andere Hinweise, die du gegeben hast, ändere ich noch oder habe ich schon. Bei anderem überlege ich noch, oder es leuchtet mir nicht unmittelbar ein.
Irgendwie komisch, dieses Bild. Müsste es in dem Moment nicht kreischend an ihrem Hals hängen, ist dies nicht der Höhepunkt allen Wartens?
Das ist ein bisschen wir vorher. Ich wollte hier keinen Zustand von Panik zeigen, sondern sie ist eher starr vor Angst und sie wartet auf die Antwort. Mit dem Ausdruck wollte ich zeigen, dass sie hier noch nichts weiß. Trotzdem, ich denke drüber nach.
ließ den Kranz von Fältchen flirren
Entschuldige. Ich bin vllt extrem pedantisch,
Stimmt.
Aber dafür lieb ich dich ja auch.
Keine sonst ist so wunderbar genau wie du. Und keiner auch nicht.
Flirren, das teilt wohl ein bisschen die Gemüter, ausdrücken wollte ich, dass das ärztliche Lachen nicht nur den Mund erfasst hat, sondern auch die Augen und dass sie das merkt. Ich wollte ihre Sicht auf den Arzt vorher/ nachher zeigen. Und klar, flirren benutzt man normalerweise für eine optische Wahrnehmung: flimmern, gleißen, sowas halt. War jetzt einfach mal meine dichterische Freiheit. Und bislang jedenfalls noch verteidige ich es mit Zähnen und mit Klauen.
Von draußen tönt Gelärme, das Bimmeln einer Fahrradglocke, ein paar Kinder, die sich ihr Lieblingseis zurufen.
Seit wann rufen sich Kinder ihr Lieblingseis zu? Ab hier habe ich das Gefühl, ich bin in einer Langese-Eiskrem-Werbung gelandet.
Das ist gemein.
Ich habe die Praxis des Arztes geistig auf einem Platz angesiedelt. Neben dem Haus, in dem er praktiziert, ist eine Eisdiele und sie hört die Kinder, wie sie einander zurufen, was sie sich kaufen wollen. Ich dachte nicht, dass ich das örtlich genauer beschreiben müsste, ich dachte, dass man sich das als Leser denken wird, dass da eine Eisdiele in der Nähe sein muss, wieso sonst sollten die Kinder darüber reden. Jetzt werde ich unsicher. Aber ich befürchte, selbst wenn ich den Grund der Rufe angebe, an deinem Eindruck, würde sich eh nichts ändern. Oder?
Ich habe den Eindruck, wenn Du Dich mehr auf ihr Warten einlassen, wenn Du deutlicher zeigen würdest, was für Ursprünge es hat, dann würde sich dieses Ätschi-Bätsch-Ende (so nenne ich es jetzt mal, ohne dass ich Dir damit so etwas unterstelle) von selbst erledigen.
Ich habe damit kein Problem, wenn du das Ende so nennst, das ist völlig ok, es spiegelt deinen Eindruck wieder, das hab ich schon richtig aufgefasst und nicht irgendwie blöd. Es ist aber einfach so, dass ich das Ende mag und ich die ganze Geschichte ja vom Ende her geschrieben habe. Scheint wohl sehr unüblich zu sein, das so zu machen und wohl auch problematisch. Trotzdem – ich mag sie.
Und ich hab das Gefühl, dass sich an der Ablehnung der Geschichte nichts ändern würde, wenn ich noch einen Absatz oder zwei darüber einfügen würde, warum sie sich immer in ihrem Leben in diesem Wartemodus befindet. Die Ratschläge gehen ja immer in die Richtung, das Ende abzuändern. Aber genau das will ich nicht.
Also, liebe Ane, vielen Dank fürs Vorbeischauen, für deine Genauigkeit, die allerallermeistens (bis auf die Brigitte) weiterhilft, mich nachdenken lässt und Anregung ist.
Viele liebe Grüße von Novak
Hallo, liebe Andrea,
das finde ich gut, dass du dich nochmal meldest.
Ich weiß natürlich nichts über deine tatsächliche Motivation, diese Geschichte zu schreiben, aber ich denke, ich sag auch gar nichts über deine Motive, sondern bleibe immer bei der Geschichte.
Naja, das klang für mich nicht so, aber sei es drum, deine Hinweise auf die eingesetzten Mittel und warum das für dich nicht funktioniert, versteh ich jetzt sehr gut und deine Worte nehme ich auf jeden Fall so, dass wir über die Geschichte reden, klar.
dann ist das der größtmögliche Fall (im Sinn von Sturz), den ich mir vorstellen kann, oder auch der stärkste Effekt, der möglich ist. Und ich bekomm hier nicht mit, warum das passiert.
Für ihren Tod gibt es ja auch keinen Grund. Außer den genannten: Übermut, Übersehen der Gefahr, Leichtsinn, weil sie sich in totaler Überschwänglichkeit befindet, Zufall. Die spielen zusammen. Dass es für dich nicht nachvollziehbar ist, ist schade, aber ich weiß da jetzt ehrlich gesagt auch nicht weiter. Also ich kenne keine Abhilfe, wie du und ich da auf einen Nenner kommen könnten. Mal schauen, wie ich etwas später über die Geschichte denke, manchmal ändert sich das ja, auch wenn man sie dann immer noch wertschätzt, sieht man sie mit anderen Augen.
Natürlich kann man sagen, so ist das halt, es muss keinen Sinn haben oder das war hier eben ein schrecklicher Zufall. Aber ich glaub nicht an Zufälle in literarischen Texten. Man schreibt doch, weil man etwas zeigen will, neue Zusammenhänge, die Gestalt eines Textes legt einen Sinn nahe, ja, ich gehe so weit zu sagen, dass literarische Gestaltung die Suche ist, einen neuen Sinn herzustellen, zu einer neuen Erkenntnis zu gelangen. Wozu sollte man eine Geschichte schreiben wollen, wenn man nicht etwas Bestimmtes, etwas Unerhörtes damit sagen will?
Doch, ich finde erstens, dass es ganz gewaltige Zufälle in literarischen Texten gibt, das finde ich ja gerade das Spannende. Ich schreibe absolut nicht immer nach Bauplan. Viel stärker zwar als früher dank Quinns Hinweisen, aber ich bin immer wieder ziemlich erstaunt, welche völlig ungeplanten Elemente sich in einen Text einschleusen. Und auch bis zum Ende trotz aller Planung drinbleiben. Ich kann nicht für andere sprechen, aber ich sehe es ja auch hier öfter, dass manche Autoren auf einmal völlig erstaunt sind über bestimmte Interpretationen, denen sie dann auch Recht geben, die sie aber niemals geplant hatten. Und wenn ich lese, wie manche Autoren einfach drauflosschreiben, dann überlassen sie ja auch viel dem Zufall.
Etwas zeigen will man trotzdem mit seiner Geschichte, da hast du ja Recht, von daher hat die Sache mit dem Zufall zwei Seiten, es setzt sich sehr oft etwas hinter dem eigenen Rücken durch, gleichzeitig intendiert man etwas, will ihr einen inneren Zusammenhang verleihen, eine Aussage, eine Botschaft, von mir aus einen Sinn, eine Funktion. Von daher stimmt es schon, dass man dann den Zufall kanalisiert. Aber ob das wirklich immer der Punkt ist, dass man durch literarische Gestaltung einen neuen Sinn verleiht? Im Sinne eines Lebenssinnes? Da bin ich mir mit dir nicht einig. Ich hüte mich auch, dieses große Wort „Sinn“ so schnell zu gebrauchen, aber dazu später mehr. Ich lese und schreibe auch, weil ich ganz pur und platt Lust an der Unterhaltung habe. Hier in dieser Geschichte war das nicht der Fall, klar, sondern die Geschichte ist Ausdruck meines, das ist jetzt vielleicht sehr persönlich, aber einer defätistischen Grundsicht und meinem Antrieb, zu sagen, dass man nicht sein Leben mit dem Warten auf die „Erlösung“ verbringen sollte, weil der Zufall ein elender Gesell ist. Und für dich ist mir das leider so gar nicht gelungen.
Mit einer Geschichte etwas Unerhörtes sagen? Puuhh, große Worte. Das ist jetzt nicht böse gemeint, aber dieses Unerhörte, das ist mir eine Spur zu viel. Ich weiß, du hast Texte geschrieben, da ist das so, also der über den Kindermörder Lechner, da stimme ich dir zu, da hast du das echt geschafft. Aber geht man mit diesem Vorhaben an seine Texte ran? Ich will jetzt etwas Unerhörtes schreiben? Ich nicht. Kommt mir auch komisch vor. Jedenfalls für mich. All diese Ansprüche, wie etwas Neues, Revolutionäres muss es sein, etwas Unerhörtes, nie Dagewesenes. In meinem bisherigen Schreiben hat sich das als fürchterlich verkrampft erwiesen. Ich will nicht ausschließen, dass man im Nachdenken über eine Idee, eine Erfahrung, eine Geschichte auf etwas Unerhörtes kommt. Und vielleicht bremst man sich manchmal zu schnell selbst aus beim Nachdenken. Vielleicht sollte man auch noch viel stärker um die Ecke denken. Aber „Unerhörtheit“ von vorneherein als Ziel? Da bin ich nicht mit dir einig. Jedenfalls für meine Herangehensweise.
Es ist ein Unterschied, ob sich ein Text inhaltlich mit dem Tod beschäftigt oder ob er am Ende sozusagen wie ein negativer deus ex machina auftritt wie hier, als ihn niemand mehr erwartet.
Und hier wird mir eben nur gesagt, dass der Tod im Leben immer präsent ist. Und das ist keine neue Auseinandersetzung mit dem Tod, birgt für mich keine neue Erkenntnis. Vielleicht kann man auch nichts Neues über den Tod sagen, ja, und genau deswegen würd ich auch aufpassen, wenn ich darüber schreibe.
Letzteres, also aufzupassen, ein uneingeschränktes Ja. Hab ich ja selbst auch so gesagt. Aber andererseits: Hast du schon mal gezählt, welche Geschichtenmassen mit dem Tod enden? Fast jede Horrorgeschichte. Ich schätz mal 80 %. Und oft ist es ein deus ex machina. Ich denke einfach, dass es für dich speziell mit dieser Geschichte nicht geklappt hat.
Ich habe überdies oft den Eindruck, dass die Geschichte je nachdem, wer sie liest, immer auf ein bestimmtes Element reduziert wird. Mal auf das Warten, mal nur auf den Tod. Es war aber keine Geschichte „nur“ über den Tod.
was sich auch darin zeigt, dass es am Ende selbst das Gesicht des Todes zeigt. Es wandelt sich ja, zeugt zuerst zudem die Kinder Furcht und Hoffnung in ihr. Das find ich eine schöne Beobachtung, aber dass es dann auch noch mit dem Tod gleichgesetzt wird, find ich eine Unschärfe.
Da hast du Recht. Es sollte nicht so ankommen, dass der Tod das Gesicht des Wartens zeigt, sondern so, dass das Warten erst mit dem Tod endet. Das war/ist für mich etwas anderes. Da muss ich nachdenken. Keine Ahnung, wie ich diese Unschärfe, wie du es passend nennst, rauskriege. Vielleicht lass ich es einfach weg?
Es ist völlig egal, ob es einen Sinn gibt oder nicht, die Menschen brauchen einen, das ist das Wesentliche. Das hat auch nichts mit höherer Weihe zu tun, man braucht einen Grund, um zu leben und sein Leben zu rechtfertigen.
Klingt jetzt nicht direkt nach einer sauberen Begründung, gell?! Eher etwas streng behauptend. Und auch ein bisschen nach der Logik: Es ist, weil es sein soll. Außerdem gibst du mir mit deiner Antwort unmittelbar Recht. Einen Grund brauchen zu leben, oder sein Leben rechtfertigen. Vor wem eigentlich? Wenn das keine höhere Weihe ist! Menschenskind, leb doch einfach und genieß was geht, was dir Spaß macht und keinem andern schadet, wozu brauchst du da eine Rechtfertigung.
Aber ich weiß schon, um das weiterzuführen, müssten wir im Wirtshaus Platz nehmen, meine „Agitation“ gegen die Sinnbestimmung des Lebens ist selten oder ungewöhnlich, das weiß ich wohl, ich stoße damit oft auf Gegenrede.
ich mag scharfe Auseinandersetzungen und widerspreche sehr gerne!
Ich eigentlich nicht so, aber ich machs trotzdem.
Liebe Andrea, es hat mir Spaß gemacht, ein bisschen über den Geschichtentellerrand rauszugucken, auch wenn wir uns an einigen Punkten nicht einig sind oder werden.
Vielen Dank für dein nochmaliges Melden und für deine Auseinandersetzung mit meiner Antwort. Bis irgendwann im Wirtshaus, wer weiß, wär lustig.
Viele Grüße von Novak
liebe Eva,
ich hab mich sehr gefreut über deinen Kommentar, deinen Zuspruch und die Beispiele aus deinem Drumherum.
ist doch klar, dass ein Schreibender es nie allen recht machen kann, oder?
manchmal denk ich vielleicht wirklich, ich müsste die eierlegende Wollmilchsau schreiben. Und klar, da hast du natürlich Recht. Aber die intensive Auseinandersetzung mit den Kommentaren finde ich schon auch sehr wichtig. Manchmal tut man andere (negative) Meinungen ja auch zu schnell ab. Ich finde es manchmal ganz schön schwierig, das zu entscheiden. Wichtig ist vor allem wohl, dass man offen bleibt für die Anregungen, auch mal was ausprobiert, aber eben auch schaut, ob es zur eigenen Zielsetzung passt.
Und komm' bloß eines Tages nicht wieder auf die Idee, mit dem Schreiben aufzuhören (eine gruslige Vorstellung).
Ich seh das gar nicht so streng. Ich schreibe, weil es Spaß macht, mich interessiert, ich gedenke nicht, irgendwelche Bücher zu veröffentlichen oder so. Es ist ein Hobby, und genauso wie jedes andere Hobby auch steht es ab und an auf dem Prüfstand. Ich hab mal eine Zeit gemalt wie der Teufel. Jetzt kaum noch aus Zeitgründen. Immer furchtbar viel Sport gemacht. Jetzt kaum noch aus anderen Gründen. Die Zeiten ändern sich. Womit du Recht hast, das ist, wenn man aus den falschen Gründen etwas nicht mehr macht, obwohl es nach wie vor Spaß macht.
Über diese Spannung angesichts der Tatsache des Todes kommt man ins Nachdenken - was will eine Geschichte mehr?
Und eine gute Warnung steckt drin: 'Verwarte nicht dein Leben'!
Ja, das sehe ich auch so und Gottseidank, hat es bei dir geklappt. Mein Tag war gerettet, als ich deinen Kommentar las.
Über die Fältchendinger denk ich nach. Versprochen
Vielen Dank für deinen Zuspruch und dein Lob, tat grad mal unglaublich gut.
Und hallo Asterix,
ich glaub du bist ein Geschichtenretter, so wie du Fliege mit ihren Siebenhundert Quadratmeter Ruhe versöhnt hast, hast du auch mich mit dem Ende des Wartens versöhnt.
Manchmal glaubte Anna, das Warten habe sich in die Erinnerung ihrer Wohnung geprägt. Ein geisterhafter, blasser Pfad, der von der Küche zum Bad führte.
Ja, das ist ein ganz eigenes Bild. Find ich gut!
Schön, dass das so bei dir angekommen ist. Die anderen haben ja zum Teil gesagt,dass das ein Zuviel an Personifikationen wäre. Jetzts stehts sozusagen wieder 1:1. Ich mochte es nämlich auch so gern.
Manchmal glaubte sie, das Warten habe ein Gesicht.
Auch gut, hängt aber in der Luft, weil nicht näher drauf eingegangen wird wie beim ersten Beispiel.
Hier wollte ich nicht näher bestimmen, wie oder was das Gesicht ist. So ein bisschen, wie wenn sie selbst das Gesicht des Wartens gar nicht kennen will. Nicht das Ergebnis kennen will. War jedenfalls meine Überlegung dabei, warum ich das hier nur so angedeutet habe.
Sie zupfte am Goldlack, der in einem Kübel auf dem Balkon blühte,
Mache ich auch, jedes Mal, und wenn ich mit Zupfen fertig bin, gieße ich sie zu Tode (was haben meine Blumen schon gelitten!).
Auch über deine Betrachtungen zu der Blumenzupferei und der Szene auf dem Bahnsteig war ich recht froh, weil es doch auch andere Stimmen gab.
Dieses ist wieder ungewöhnlich, jedenfalls für mich:
zog den knallroten Tanga an. Der Arzt würde ihn nicht sehen, diesen zu engen Fetisch, aber Anna würde ihn merken, wenn der String beim Hinsetzen in die Haut kniff. Ihre Gedanken konnten sich mit den Bändchen in die Schenkel bohren
Daher ist diese Geschichte eine der wenigen Alltagsgeschichten, die ich gerne gelesen habe.
Oh, das klingt schön.
Der Countdown erfüllt gleich zwei Aufgaben: Er verdeutlicht das Warten auf der zeitlichen Ebene und erzeugt zusätzlich Spannung. Eine einfache, aber gute Lösung.
Ja genau, das sollte dieser Countdown erreichen.
Beide Teile zusammen bringen auch die Erkenntnis, dass man nicht bewusst auf den Tod wartet wie z.B. auf einen Termin. Auf den Tod, obwohl vom Leben sozusagen garantiert, wartet man erst, wenn man ihn vor Augen hat.
Also, aus der Geschichte kann man einiges herauslesen.
Das fand ich total beruhigend, dass du mit deiner Lesart was für dich herausziehen konntest. Und ja, ich hätte es nicht so formuliert, aber das stimmt, dass Menschen in der Regel nicht auf den Tod warten, sondern so agieren, als hätten sie alles noch vor sich. Es wäre wohl auch keine gute Idee, das anders zu handhaben
Der zweite Teil kann auch als separate Geschichte stehen. Was dort geschieht, entspricht dem „Weder Tag noch Stunde“ Thema – da gab es in den Siebzigern mal einen grandiosen gleichnamigen Film, Stichwort: tödliche Achterbahnfahrt.
Das kenn ich nicht, hab mal danach gegoogelt, ob der Film doch irgendwelche Erinnerungen weckt. Der Name kam mir nämlich bekannt vor. Aber nein, den Film kenn ich wohl wirklich nicht. Inspiriert hat mich zu meiner Geschichte der Film „Lohn der Angst“. Der ist auch fantastisch.
Guck ihn mal, wenn du magst, ist uralt, aber ein Klassiker, richtig gut.
Ich hab mich tierisch gefreut, dass du doch was anfangen konntest mit der Geschichte und manche der Bilder dir etwas geben konnten.
Viele liebe Grüße von Novak
Und hallo Anakreon,
Dabei sah ich meinen Hausarzt, der macht immer erst ein säuerliches Gesicht, wenn er mich erblickt! (…) Wenn ich dann gehe, ist das Wartezimmer jeweils gerammelt voll, er aber dann stets in guter Stimmung.
Ich wusste ja schon, dass du psychologisch äußerst beschlagen bist. Dass du jetzt aber auch noch in der ambulanten Gesprächstherapie für Hausärzte tätig bist, das war mir neu. Ich hoffe, du lässt dich von ihm bezahlen, nicht umgekehrt.
Meine Güte, du hast ja eine magische Sicht, woher weisst du von deren Beschaffenheit.
Lieber Anakreon, das bleibt mein Geheimnis, sonst wäre es ja auch schon wieder aus mit der magischen Sicht.
Vor über fünf Jahrzehnten hat einmal ein Mädchen von meinen „schönen Mandelaugen“, wie sie es formulierte, geschwärmt. Doch dies um einen andern Jungen, der zugegen und in den sie verknallt war, zu reizen.
Das ist gemein. Ich hoffe, du hast dich gerächt.
Liebe Grüße zurück und Dankeschön für das amüsante Intermezzo
Novak
Liebe Gisanne,
ich fand das total nett, dass du dich noch mal gemeldet hast. Ja, du hast richtig gesprürt, ich hänge an dieser Geschichte. Und ja, vielleicht hast du Recht, es ist manchmal einfach gut, eine Sache für eine Weile ruhen zu lassen. Man merkt dann selbst, welche Stellen es sind, die einen stören. Ganz unabhängig von den Kommentaren, die können jedoch zu einem Indiz werden.
Von daher zuerst und am wichtigsten: Lass die Geschichte nicht fallen, verändere nicht zu hastig und zu viel – wenn du dran hängst, trägt sie Wichtiges in sich, aber vielleicht ist sie noch nicht ganz reif, vielleicht hat sie ihren tieferen Sinn noch nicht ganz gefunden.
Ja, das sehe ich auch so. Mir geht es so, dass alle Geschichten, die ich geschrieben habe, für mich eine große Bedeutung haben. Ich sehe mal von so kleinen Albernheitsgeschichten ab, die einfach nur zum eigenen Vergnügen sind. Aber die etwas ernster gemeinten, da ist das was anderes. Ich finde es eine schöne Vorstellung, deine Idee, dass eine Geschichte vielleicht noch nicht reif genug ist, dass man sie reifen lassen muss. Wie einen Wein.
Deine Umstellung der Stelle gefällt mir, ich muss aber trotzdem nachdenken. So ganz leuchtet es mir noch nicht ein, welchen Unterscheid es macht, ob ich denken oder sehen schreibe. Weil auch das Sehen ja keine objektive Tätigkeit ist, sondern stark durch die Wahrnehmung des Sehenden geprägt ist. Dennoch, dein Tipp enthebt mich vielleicht einer gewissen Schwierigkeit, vereinfacht die Sache ganz gewaltig auf elegante Weise.
Vielen lieben Dank, dass du noch mal reingeschaut und weitergeholfen hast.
Viele liebe Grüße von Novak