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Das Ende eines Sommers

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09.06.2007
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Das Ende eines Sommers

Der Tag war kühl. Sonnig, aber kühl. Der Sommer gab ein letztes Konzert, bevor er in den nächsten Tagen dem Herbst weichen würde.
Irgendwie passte das zu Deneb Frosts Stimmung. Er stand auf einer alten Eisenbahnbrücke, von der man eine überwältigende Aussicht auf das kleine Tal hatte.
Deneb seufzte. Er konnte sich heute nicht wirklich an dieser Aussicht erfreuen. Das war ihm noch nie passiert, immerhin war das ihr Lieblingsplatz gewesen.
Er schaute auf sein Handgelenk. Das rosafarbene Armband. Es war jetzt vier Monate her.
Vier unendlich lange Monate. Deneb atmete tief die würzige Luft ein. Selbstmitleid wich Entschlossenheit. Seine Hände schlossen sich um das Geländer der Brücke.
Erst schwang er ein Bein über das Geländer, dann das Zweite. Er drehte sich vorsichtig um, denn noch wollte er nicht hinunterfallen.
Er ließ seinen Blick ein letztes mal über das Tal schweifen. Ihr Lieblingsplatz. Ein letztes mal erfreute er sich an den lebendig wirkenden Schatten, die durch das Spiel von Licht und Blätterwerk entstanden. Ein letztes mal erfreute er sich am Gezwitscher der Vögel, dem Rauschen des kleinen Bachs unter der Brücke und den sanften Wellen der Landschaft, die in der Nähe der Brücke von rauen Felsformationen abgelöst wurden.
Er fasste in seine Jackentasche, umklammerte die kleine Schachtel darin.
Er war bereit. Gleich würde er....
„Hallo, mein Freund!“
Deneb erschrak so heftig, dass er das Gleichgewicht verloren hätte, wenn ihn der Fremde nicht am Ärmel gepackt hätte.
„Wa-wa-wer sind Sie?“
Die Überraschung stand Deneb deutlich ins Gesicht geschrieben. Sein Atem ging Heftig. Irgendwo in seinem Hinterkopf wurde ihm bewusst, was er grade beinahe getan hätte.
„Begrüsst man so seinen Retter?“
Der Ton des Fremden war freundlich, beinahe amüsiert. Deneb drehte sich unbeholfen um und nahm sich die Zeit, den Fremden etwas genauer zu betrachten.
Vor ihm stand ein gutaussehender junger Mann, vielleicht Mitte zwanzig. Er trug eine schwarze Jeans, ein dunkelblaues T-Shirt und eine schwarze Lederjacke.
Mit seinen dunklen Haaren, seinen tiefblauen Augen und seinem scharf geschnittenem Gesicht hätte er einem HUGO BOSS – Plakat entstiegen sein können.
Aber irgendetwas stimmte mit ihm nicht...
Der Fremde schaute Deneb mit freundlichen und fragenden Augen an.
„Ähm, danke“, sagte Deneb.
„Keine Ursache. Was dagegen, wenn ich Ihnen ein bisschen Gesellschaft leiste? Irgendetwas sagt mir, dass Sie sich mal aussprechen sollten!“
Der Fremde lehnte sich an das Geländer.
„Ein schönes Fleckchen Erde, nicht wahr? Diese Aussicht sollte einen eigentlich Aufmuntern.“
Deneb zog eine Augenbraue hoch und lachte verächtlich.
„Bei mir hat’s wohl nicht geklappt. Und bevor Sie fragen: Ich hab keinen Bock mit Ihnen über meine Probleme zu reden. Lassen Sie mich allein.“
„Aber, aber! Kein Grund, gleich unhöflich zu werden! Geben Sie mir eine Chance.“
Obwohl er ihn ziemlich angegangen war, blieb der Fremde freundlich.
Und aus irgendeinem Grund traute Deneb ihm. Der Kerl hatte irgendwas an sich, aber er konnte nicht erklären, was.
„Ah, das Armband. Sie haben einen geliebten Menschen durch Krebs verloren!“
Eine einfache Feststellung. Deneb war trotzdem überrascht. Obwohl das Armband ziemlich auffällig war, wurde er selten so direkt darauf angesprochen.
„Sie...äh...ja. Meine Freundin. Susan.“ Deneb sah nachdenklich in den Abgrund, der ihm plötzlich sehr einladend erschien.
„Krebs. Wir haben das mit der Vorsorge immer schleifen lassen. Als wir es erfuhren, war es schon zu spät.“ Eine einsame Träne lief seine Wange hinunter.
„Ja, so was ist hart. Glauben Sie mir, ich weiß was ich sage. Aber das Leben geht weiter, mein Freund! Die Welt ist groß und wartet auf Sie! Warum sollte es denn hier enden?“
Der Fremde lächelte Deneb an.
„Wussten Sie, dass es für jede tödliche Krankheit eine eigene Farbe gibt?“
„Wie meinen?“
„Na diese Armbänder. Krebs, Aids, und was es sonst noch gibt; alle haben ihre eigene Farbe. Ich bin im illustren Klub der Krebsopfer. Wie so ein bescheuertes Geheimzeichen für Eingeweihte.“
Deneb fühlte, wie die tiefe Trauer der ersten Tage wieder in ihm hochkam, und die gute Laune des Fremden ging ihm auf die Nerven.
„Na, machen Sie sich mal nicht selbst was vor, indem Sie so abwertend über die Sache reden. Würden Sie dieses Armband wirklich so sinnlos finden, dann würden Sie es nicht tragen.“
Dieser Kerl war nicht nur eine Nervensäge, sondern eine clevere Nervensäge. Scheiße, dachte Deneb, und stieß einen tiefen Seufzer aus.
„Es ist ungewöhnlich, dass so junge Frauen an Krebs sterben. Glauben Sie mir, ich weiß bescheid. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie ein bisschen über Sie reden.“
Deneb schaute misstrauisch zu dem Fremden hinüber.
„Na los, Deneb!“ drängte der Fremde, „Erzählen Sie schon!“
„Also gut“, sagte Deneb. „Aber wo fange ich an?“
„Natürlich am Anfang!“ sagte der Fremde fast schon empört, als wenn Deneb eine absolut dumme Frage gestellt hätte.
„Am Anfang. Na gut. Es begann vor sieben Jahren. Ich war noch Student, und jobbte bei einer Umzugsfirma.“

~*~

Deneb war schweißgebadet. Peter war im Urlaub und Mike hatte sich an einem Piano verhoben, so dass er und Karl allein die Einrichtung von drei Erstsemestlern in den zweiten Stock eines verwinkelten Altbaus schleppen mussten.
„Ich hasse WG´s!“ stöhnte Karl.
„Ich auch,“ ächzte Deneb zurück. Sie waren grade dabei, ein Bett durch das enge Treppenhaus zu bugsieren.
„Hast du die drei schon gesehen?“ fragte Deneb.
„Ja,“ antwortete Karl, „vorhin. Zwei Mädels und ´ne Schwuchtel.“
„Ist der sicher schwul?“
„Er hat mir auf den Arsch geschaut.“
„Glückspilz!“ witzelte Deneb, worauf Karl dem Bett einen leichten Stoß mit der Hüfte versetzte, und Deneb beinahe das Gleichgewicht verlor.
Als sie das Bett endlich an seinem Bestimmungsort abgesetzt hatten, kam eine junge Frau auf sie zu.
„Hallo, Jungs! Wie wärs mit `ner Coce? Ist aus dem Kühlschrank!“
Die hübsche Frau lächelte sie gewinnend an.
„Da sagen wir nicht nein!“ sagte Karl und lächelte ebenfalls.
Deneb bedankte sich nur und folgte ihr mit Karl in die Küche. Er war immer etwas schüchtern.
„Wo sind deine Mitbewohner?“ fragte Karl.
„Klara ist einkaufen, und Peter holt noch ein paar Sachen von seinem Ex-Freund.“
Deneb und Karl grinsten sich spitzbübisch an.
„Wie heisst du?“ fragte Karl. Er musterte die Frau mit unverhohlenem Interesse.
„Ich bin Susan. Ich werde Biologie studieren. Und ihr?“
„Ich bin Karl, und das ist mein Kumpel Deneb! Wir studieren beide Architektur.“ sagte Karl.
„Das ist aber ein ungewöhnlicher Name. Was bedeutet Deneb?“
Deneb, der Susan eigentlich schon Arm in Arm mit Karl gesehen hatte, fiel erst jetzt auf, dass sie die ganze Zeit ihn angesehen hatte.
Er war zwar ein gutaussehender Kerl, hatte aber selten den Mut, eine Frau anzusprechen.
Die hübsche, rothaarige Susan mit ihren Sommersprossen und ihren klaren, grünen Augen hatte es ihm sofort angetan, aber sie ansprechen? Niemals!
„Also...ähm...“, begann er. „Das ist aus einem Film. Meine Mutter fand den Namen toll, und so war mein Schicksal entschieden. Das ist die ganze Geschichte.“
„Wirklich?“ sagte Susan und beugte sich nach vorn, dann sagte sie verschwörerisch:
„Ich bin nach einer Romanheldin benannt.“
Karl stöhnte, doch Deneb bemerkte ihn gar nicht mehr. Irgendetwas war grade passiert. Etwas zwischen ihm und dieser Susan. Sie sahen sich in die Augen. Es war nur ein Moment. Ein Moment, der über fünfzig Jahre entscheiden konnte. Plötzlich wusste Deneb, was zu tun war. Er war nun nicht mehr schüchtern und ängstlich.
Er wollte grade etwas sagen, etwas richtiges, etwas wahrhaftiges, als es im Nebenraum heftig polterte und ein markerschütternder Schrei ertönte.
„Minka!“ rief Susan erschrocken, sprang auf und rannte nach nebenan.
Deneb und Karl eilten hinter ihr her.
„Oh Minka!“
Susan legte sich neben einen alten Kleiderschrank, der bedenklich schief stand, und nur von der Wand am umfallen gehindert wurde. Sie war den Tränen nahe.
„Was ist passiert?“ fragte Deneb.
„Sie ist wohl unter den Schrank gekrochen, und dann muss eines Beine weggebrochen sein und sie wurde eingeklemmt. Bitte, wir müssen ihr helfen!“
„Los, pack mal mit an!“ sagte Deneb zu Karl.
Die beiden hoben den Schrank an und trugen ihn an das andere Ende des Zimmers, wo sie ihn vorsichtig auf die Rückwand legten.
„Sie rührt sich kaum. Wir müssen sie zum Tierarzt bringen!“
Susan sah die beiden Männer flehend an.
„Hast du ein Auto?“ fragte Karl.
„Das hat Klara. Verdammt, wir müssen doch was tun!“
Ein paar Sekunden starrten sie alle ratlos auf die kleine Katze, die reglos am Boden lag. Nur, wenn man genau hinsah, konnte man sie atmen sehen.
„Wo ein Tierarzt ist weiß ich. Wir nehmen den Laster.“
Deneb war entschlossen, dieses Tier zu retten.
„Bist du bekloppt? Wir sind hier noch nicht mal fertig, und müssen schon in einer dreiviertel Stunde beim nächsten Kunden sein!“
Karl hatte offenbar nie ein eigenes Haustier.
„Eben hattest du noch Zeit für Susan.“
Das saß.
„Aber ohne mich, Kumpel! Ich brauche diesen Job!“
„Schon gut Karl. Bis dann. Susan, komm.“
Susan, die sichtlich erleichtert war, folgte Deneb zum Truck. Minka hielt sie mit einem Deckchen umwickelt im Arm.
Auf der ziemlich rasanten Fahrt sprachen sie kein Wort. Das war auch nicht nötig.

~*~

„Und hat sie es geschafft?“
„Was..?“
Deneb fühlte sich, als wäre er grade aus einem Tagtraum hochgeschreckt.
„Na die Katze. Hat sie überlebt?“
Der Fremde klang neugierig, und seine Augen waren riesengroß.
„Ja, hat sie. Hatte ein paar Rippen gebrochen, aber es ist alles gutgegangen. Am nächsten Wochenende bin ich mit Susan ausgegangen. Eine Woche später waren wir ein Paar.“
Deneb lächelte. Es tat ihm tatsächlich gut, an die schönen Zeiten zu denken.
„Was war mit ihrem Job, Deneb?“
„Mein Boss war selber Tierfreund. Ich bin mit einem „Mach das nie wieder!“ davongekommen.“
„Eine schöne Geschichte. Wirklich sehr schön.“
„Sie hat die Katze sehr geliebt. Ich war fast ein bisschen neidisch. Einmal, da hatten wir Besuch. Ein Kerl hat nach der Katze getreten. Susan hat die Tomatensoße, die sie zum Abendessen gekocht hatte, über seinen Kopf verschüttet. Versehentlich natürlich. Da es eine Knoblauchsoße war, hatte er am nächsten Tag ein tolles Deo.“
„Versehentlich. Natürlich.“
Die beiden Männer lachten. Deneb fühlte sich besser, fast schon heiter. Der Fremde war ihm nun nicht mehr unangenehm.
„Ich wünschte, ich könnte mit ihr tauschen. Sie sollte leben. Sie hat es mehr verdient als ich. Sie wusste immer was ich denke. Wir konnten unsere Sätze gegenseitig beenden. Seelenverwandt, verstehen Sie?“
„So, so“ sagte der Fremde in nachdenklichem Ton.
„Wer sind Sie eigentlich? Ich labere Sie hier über meine große Liebe voll, und kenne noch nicht mal ihren Namen.“
„Da gibt es nichts zu kennen, Deneb.“
„Nun haben sie sich mal nicht so. Ich...Moment...was....woher...?“
Der Fremde kannte seinen Namen. Wie oft hatte er ihn schon beim Namen genannt?
Das Unbehagen kehrte mit einem Schlag zurück. Hatte er ihn die ganze Zeit zum Narren gehalten?
„Wollen Sie mich verarschen? Wer sind Sie?“ fragte Deneb zornig.
„Ganz ruhig, mein Freund.“
Der Fremde lächelte noch immer. Konnte ihn denn nichts aus der Ruhe bringen?
„Ich weiß viel, Deneb. Um nicht zu sagen alles. Ich weiß zum Beispiel, was du da in deiner Tasche hast. Du hast diesen Verlobungsring schon vor acht Monaten gekauft.“
„Wer sind Sie?“ fragte Deneb wieder.
„Du kennst mich unter sehr vielen Namen. Ich streife durch das Land und hole meine Ernte ein.“
Der Fremde sah verträumt in die Ferne.
Deneb konnte damit im ersten Augenblick nichts anfangen, und dachte, der Fremde würde wirres Zeug reden.
Dann traf ihn die Erkenntnis mit einer Wucht, als wäre er von der Brücke gesprungen und mit dem Kopf voran auf ihr aufgeprallt.
„Sie wollen mir erzählen, Sie sind der Tod? Sind Sie total verrückt?“
„Deneb, mein Freund.“
„Ich bin nicht Ihr Freund!“ schrie Deneb.
„Ganz ruhig. Sie könnten runterfallen.“ Der Fremde lächelte, als hätte er grade einen Scherz gemacht.
„Vor vier Monaten habe ich deine geliebte Susan geerntet. Ich ernte ständig. Selbst in diesem Moment.“
„Du Schwein! Ich werde dich....“
Deneb wollte sich auf ihn stürzen, verlor aber das Gleichgewicht und konnte sich grade noch am Geländer festhalten.
„Komm, Deneb. Steig über dieses Geländer, und ich will dir erzählen.“
Der plötzliche Schreck hatte Denebs Zorn in einem Augenblick erstickt. Der Fremde reichte ihm die Hand und half Deneb über das Geländer.
„Sie haben mir einiges zu erklären!“ keuchte Deneb. Er beugte sich nach vorn und stützte die Hände gegen die Oberschenkel. Nachdem er ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, stellte er sich wieder aufrecht hin und sah dem Fremden direkt in die Augen. Dieser erwiderte seinen Blick freundlicher denn je.
„Am 23. Februar 1998 holte ich deine Großmutter. Lorelai Dancer ist friedlich in ihrem Bett gestorben. Deinen Onkel, Gabriel Dancer, holte ich am 17. August 2001. Ein Autounfall. Seine Verbrennungen waren zu schwer. Ich habe Sie geerntet, wie es meine Aufgabe ist.“
Deneb war sprachlos. Sollte dieser Irre wirklich der Tod sein?
„Onkel Gabe ist qualvoll verbrannt. Es war so sinnlos! Wenn du so viel Macht hast, warum lässt du Menschen an Seuchen und an Hunger sterben, erklär mir das!“ sagte Deneb.
„Wie soll ich dir das erklären...“
„Versuche es!“
„Na gut. Jeder Mensch hat einen Sinn. Jeder Bettler und jeder Filmstar, jede Hausfrau und jeder Tyrann. Das Leben von einigen scheint sinnlos, und doch stellen sie die Weichen für die Zukunft. Gabriel Dancer verbrannte in seinem Auto. Patrick DeGussa, ein zwölfjähriger Junge in einem der anderen Autos, wollte ihm Helfen, schaffte es aber nicht. Dieses Erlebnis hat ihn dazu motiviert, Feuerwehrmann zu werden. In zwei Jahren wird er bei einem Großbrand sieben Menschen das Leben retten. Sieben Menschen, von denen jeder auf seine Weise wichtig ist. Gabriel Dancers einziger Lebenszweck war es, die Weichen zu stellen, damit Patrick diese sieben Menschen rettet. Was die Hungernden betrifft...“
Der Fremde machte eine Pause, als müsste er über seine Worte nachdenken.
Dann sagte er: „Am Hunger in der Welt bin ich nicht schuld. Ich kann den Lauf der Dinge beeinflussen, aber doch nicht festlegen, wie jemand sterben soll. Ich ergreife Gelegenheiten, ja das ist es. So lässt es sich am besten beschreiben. Ihr Menschen sorgt auf eure Weise dafür, dass ich bekomme, was mir zusteht. “
„Aber...aber...“ Deneb dachte darüber nach. Auf eine verrückte Weise ergab das alles tatsächlich einen Sinn.
„Was ist mit Susan? Wie wichtig war sie? Was war ihr Sinn?“
Der Fremde machte ein nachdenkliches Gesicht.
„Das ist so eine Sache. Wie du bereits sagtest, seid ihr seelenverwandt. Das gibt es wirklich. Es gab eine Sache, für die wart ihr beide wichtig. Und dann gibt es eine, für die braucht es nur einen von euch. Ich habe nicht entschieden wer gehen muss. Einer musste es sein, und so wurde Susan einfach krank. Besser kann ich es dir nicht erklären. Der menschliche Verstand ist noch immer zu beschränkt, um es zu verstehen.“
Deneb glaubte ihm nicht. Deneb wollte ihm nicht glauben.
„Du mieses Stück. Du kannst nur zerstören!“ sagte er mit bebender Stimme.
„Das ist falsch. Ihr Menschen habt ein vollkommen falsches Bild von mir. Ich bin der Tod. Ich bin das Leben. Wer ernten will, der muss vorher säen.“
Denebs Verstand arbeitete plötzlich auf Hochtouren. Eine Gelegenheit ergreifen. War dies eine Gelegenheit?
„Warum bist du hier?“ fragte er schließlich.
„Ich dachte schon, du würdest nie fragen!“ sagte der Fremde im Plauderton.
„Wie bereits gesagt: Es gibt eine Sache, für die bist du noch wichtig. Es ist dir nicht bestimmt, hier zu sterben. Aber hätte ich nicht eingegriffen.....“
Wieder eine Pause.
Dann: „Dein Lebenswille ist so erschöpft. Die Verbindung zwischen euch war sehr stark.“
Plötzlich wusste Deneb, dass dieser Mann die Wahrheit sagte, und zum zweiten mal in seinem Leben wusste er mit absoluter Sicherheit, was er zu tun hatte.
Er war ganz ruhig, als er sagte: „Susans Lebenswillen war stärker.“
„Was willst du mir damit sagen, Deneb?“
In der Stimme des Fremden schwang jetzt ein misstrauischer Unterton mit.
„Du sagtest du kannst auch säen. Hol sie zurück!“
„Was?“ schrie der Fremde plötzlich.
„Weißt du, was du da grade gesagt hast? Zu mir?“
Ein Lächeln zeichnete sich in Denebs Gesicht. Hatte er grade den allmächtigen Tod aus der Fassung gebracht?
„Ich kann niemanden zurückbringen! Ihr Platz ist wieder vergeben! Es ist gegen die Natur!“
„Dann tauschen wir. Nimm mich. Du sagtest, wir beide könnten unsere Bestimmung gleichermaßen erfüllen. Nimm mich.“
Der Fremde legte den Kopf schief und sah Deneb forschend an.
„Hm, das ginge schon. Kompliziert, aber machbar. Bist du dir sicher?“
„Absolut. Ich würde für Susan sterben.“
„Nun, es sieht so aus, als würdest du das tatsächlich.“
Deneb stellte sich kerzengrade hin.
Der Fremde schien zu überlegen.
„Gut, Deneb. So machen wir es. Bist du bereit?“
„Ja, das bin ich.“
Deneb wartete. Er griff in seine Tasche und umfasste fest die Schachtel mit dem Ring.
Würde es wehtun?
Bevor er die Frage stellen konnte, war jeder Gedanke daran verschwunden.

~*~

Es war ein wunderschöner Tag, wenn auch etwas kühl. Der Sommer schlich sich langsam aus dem Land, und bald würde der Herbst sein Zepter schwingen.
Normalerweise hatte die wunderschöne Landschaft des kleinen Tals eine beruhigende Wirkung auf Susan Delgado, doch dieser Tag war nicht normal.
Sie stand auf der alten Eisenbahnbrücke, über die sie so oft mit ihrem Freund gewandert war.
Es war nun schon vier Monate her. Sie wusste nicht, wie sie es so lange ohne ihn ausgehalten hatte. Wenigstens ging es schnell, dachte sie.
Susan lehnte sich gegen das Geländer und holte eine kleine Schachtel aus ihrer Manteltasche.
Sie öffnete sie und strich mit dem Finger zärtlich über den silbernen Ring, der darin verborgen war.
Wie lange hatte Deneb ihn schon mit sich herumgetragen?
Ein liebevolles Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie an ihren verstorbenen Freund dachte.
Er war immer etwas schüchtern gewesen.
Susan legte den Ring an, atmete tief durch und stieg über das Geländer.
Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie ihren Deneb gleich wiedersehen würde.
Sie wollte sich grade fallen lassen, als sie jemand am Arm packte.
„Nicht doch, junge Dame! Dafür ist der Tag nun wirklich zu schön!“


-ENDE-

 

Ich war mir nicht sicher, ob ich es bei "Seltsam" oder "Romantik" einstellen sollte....wenn angebracht, kann es ja einer der Admins verschieben.

 

Hallo Bad Rabbit,

erst einmal ein Herzlich Willkommen bei Kg.de

Schon am Anfang hast du einen Fehler, zweimal kühl. Ich muss gestehen deine Geschichte nicht vollkommen gelesen zu haben. Sie ist mir einfach langweilig und zu langatmig. In dieser Rubrik bist du schon richtig, denn ich finde ein Gespräch mit dem Tod, weniger romantisch, obwohl auch die Romantik nicht zu kurz kommt. Vielleicht ist es gerade diese Widersprüchlichkeit die mir nicht gefällt.
Aber, das muss ja nichts heißen, da mich Romantik in der Literatur nicht wirklich interessiert.
Ich vertrete nur meine Meinung und mal sehen ob andere Leser, vielleicht von deiner Geschichte begeistert sind.:)

liebe Grüße aus der Weltflucht

 

das mit dem "kühl" ist so gewollt

die geschichte ist mehr ein dialog; manch einer findet es langweilig, andere interessant...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi,
ich noch mal, dass mit dem Kühl verstehe ich nicht, meinst du der Leser hat beim ersten kühl es so schnell vergessn, dass es kühl ist. Wenn diese Wiederholungen sich durch deinen ganzen Text ziehen würden, dann könnte ich es, als deinen Stil erkennen, aber so verstehe ich es nicht.
Und dass in der Geschichte Dialoge vorkommen, das ist mir nicht entgangen und Dialoge, wenn sie gut sind und den Leser neugierig machen, aufs weiter lesen.Dagegen habe ich überhaupt nichts. Auch habe iches nicht behauptet, dass mir deine Geschichte deshalb nicht gefällt.
Es wäre sehr nett, wenn du auf meinen Kommentar eine Antwort schreibst, der sich auf meinen Kommentar bezieht oder nur ein Danke:)

lg. Weltflucht

 

deine meinung ist bei mir angekommen

andere meinungen sind willkommen^^

ne, ist gut, aber vielleicht schreibt mal ein anderer leser, was er davon hält? das wäre toll, dann wüsste ich ob du (weltflucht) den nagel auf den kopf getroffen hast

 
Zuletzt bearbeitet:

Zunächst einmal: Ich mag die Pointe. Sie ist etwas vorhersehbar, aber mir gefällt sie. Ich würde sogar so weit gehen, die Einleitung beider Situationen in genau die gleichen Worte zu kleiden.

Wie dem auch sei, der Verlauf der Geschichte gestaltet sich nichtsdestotrotz mitunter quälend. Von der Fehlerkorrektur, die du scheinbar ausgelassen hast ("Wie wärs mit `ner Coce?", "...und dann muss eines Beine weggebrochen sein...") abgesehen meine ich damit:

Deneb Frosts Verwandte heißen Dancer. Das ist möglich - aber verwirrend. Außerdem sind Frost und Dancer...gewagte Namen, wenn sie keine Bedeutung verpacken sollen.

Deneb wirkt blöd. Er bemerkt sehr spät, dass ihn sein Gegenüber mit dem Namen anspricht (was du später aufklärst, ja)...und seine Reaktion auf die Erwähnung des rosafarbenen Armbands ist sogar in der beschriebenen Situation unglaubwürdig. Mindestens ein "Sie auch?" hätte ich erwartet.

„Sie hat die Katze sehr geliebt. Ich war fast ein bisschen neidisch. Einmal, da hatten wir Besuch. Ein Kerl hat nach der Katze getreten. Susan hat die Tomatensoße, die sie zum Abendessen gekocht hatte, über seinen Kopf verschüttet. Versehentlich natürlich. Da es eine Knoblauchsoße war, hatte er am nächsten Tag ein tolles Deo.“

Nicht nur, dass die Geschichte unglaublich konstruiert wirkt und die Eifersucht dadurch nicht klar wird - der Deo-Witz spottet ja wohl jeder Beschreibung.

Gabriel Dancer verbrannte in seinem Auto. Patrick DeGussa, ein zwölfjähriger Junge in einem der anderen Autos, wollte ihm Helfen, schaffte es aber nicht. Dieses Erlebnis hat ihn dazu motiviert, Feuerwehrmann zu werden. In zwei Jahren wird er bei einem Großbrand sieben Menschen das Leben retten.
[...] Gabriel Dancers einziger Lebenszweck war es, die Weichen zu stellen, damit Patrick diese sieben Menschen rettet.

Die Idee gefällt mir erstmal gut, aber dann kommt:

Ich kann den Lauf der Dinge beeinflussen, aber doch nicht festlegen, wie jemand sterben soll. Ich ergreife Gelegenheiten, ja das ist es.

Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, wo ich hier den Konflikt sehe...aber zuerst erscheint es, als habe der Tod den ganzen Unfall ausgeheckt...danach sagt er, er könne das nicht - aber eine "genutzte Gelegenheit" ist das doch wohl nicht? Ferner würde ich an Denebs Stelle sicherlich nicht allzu relaxt reagieren, wenn jemand den Lebenszweck meines Onkels derart reduziert.

Dazu kommt Denebs Ende, das wieder für viele offene Fragen und Ungereimtheiten sorgt. Der Tod kann die Leben der beiden tauschen, Susan aber nicht einfach wieder lebendig machen, okay. Aber warum will er Deneb vor'm Sterben bewahren - was ist Denebs "Lebenszweck"? Wenn da ein Zweck ist, wieso lässt er sich so schnell auf den Handel ein? Überhaupt kommt der Tausch unfassbar schnell zustande. Sollte der Tod wissen, was geschehen wird - warum lässt er das nicht durchblicken?

Wie gesagt, durchaus eine schöne Idee - aber die Umsetzung holpert in meinen Augen.

-DoT

P.S.:
Was die Wiederholung des Wörtchens "kühl" angeht...natürlich gehört das da zweimal hin. Verstehe Weltfluchts Kritik an diesem Punkt auch nicht...

 

hallo,

Interessante Geschichte. An manchen Stellen gehst du mir ein wenig zu sehr ins Detail, an anderen kümmerst du dich zu ausführlich um Dinge, die nicht weit aufgegriffen werden (z. B. das mit den Farben), oder nicht so wichtig sind (die Episode mit der Katze könntest du weitaus kürzer darstellen).

Der Witz mit frisch frischer Tomatensoße ist einfach eine Katastrophe, die durch das Gelächter der beiden noch verschlimmert wird. Würde ich herausnehmen, denn das stört.

Die Erklärungen des Todes erscheinen teilweise ziemlich konstruiert. Das solltest du noch einmal drübergehen, evtl. eher vage bleiben, aber so viel zu erklären ist dann ein Problem, wenn man nicht so richtig weiß, in welche Richtung man erklären will. Das soll keine Unterstellung sein, ich habe einfach dieses Gefühl. du suggerierst, dass der Tod handlungsfähig ist, letzten Endes ist es aber ein einziges reagieren auf irgendwelche Umstände und aus dieser Sicht erscheint mir die Person Tod unpassend charakterisiert. Das Erscheinungsbild eines Penners fände ich stimmiger, weil dadurch gewissermaßen eine Frustration deutlich würde, doch das machte aus deinem Text eine völlig andere Geschichte, was auch nicht Zweck der Übung ist. Der Tod wird in die übermächtig dargestellt, ist es aber noch nicht mal andeutungsweise.

Die zweimalige Verwendung des Wortes kühl ist keineswegs falsch. Das ist eine Geschmacksfrage und mir persönlich gefällt es.

Herzliche Grüße
Georg

 

Hi Bad Rabbit,

da ich ja Horror nun mal nicht lese, habe ich mir eine deiner älteren Geschichten vorgenommen. Vielleicht hast du ja Lust, daran auch noch mal zu arbeiten.
Den Titel, auch wenn das Ganze im Herbst spielt und jemand stirbt, bekomme ich nicht in Einklang mit der Geschichte. Er ist mir etwas zu larifari oder nichtssagend.
Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee war, für den zweiten Teil, der ja im Grunde die Erzählung Denebs enthält, in die dritte Person zu wechseln. Persönlich hätte ich es sinnvoller gefunden, die Perspektive beizubehalten. So reißt es aus der Atmosphäre und schafft unnötigen Abstand.
Den dritten Teil finde ich etwas zu geschwafelt, vor allem die theoretischen Erklärungen auf die Frage nach den Hungersnöten. Selbst die Frage selbst finde ich überflüssig und auch unstimmig, da Deneb doch noch so nah an seinem Schmerz ist, dass er egoistisch eher nach dem Warum fragte, aus dem Susann sterben musste.
Die Idee mit den farblichen Markierungen Hinterbliebener finde ich recht gut, würde sie aber für eine eigene Geschichte ausbauen und aus dieser Geschichte rausnehmen, da sie für diese Geschichte unwichtig ist. Der Tod als Omnipotenz hätte Deneb auch so erkannt und über ihn Bescheid gewusst. So wie du sie einbringst, verwirren sie auch nur, statt der Geschichte zu dienen. Da hast du eine im Grunde gute Idee verschenkt.
Der Tausch zum Schluss hingegen hätte durchaus ein paar mehr Gedanken vertragen, etwa, warum ein Liebender in scheinbar altruistischer Haltung (Nimm mich an ihresstatt) letztlich der geliebten Person zumuten möchte, woran er zerbricht?
Noch einige Details:

Er ließ seinen Blick ein letztes mal über das Tal schweifen
ein letztes Mal (auch im übernächsten Satz und in den folgenden ...)
Gleich würde er....
Leerzeichen; drei Punkte
Deneb erschrak so heftig, dass er das Gleichgewicht verloren hätte, wenn ihn der Fremde nicht am Ärmel gepackt hätte.
In der Satzkonstruktion steckt der Wurm, wie du an den zwei "hätte" bemerkst, die du so zwingend brauchst.
„Wa-wa-wer sind Sie?“
Effektstotterer. Flucht man nicht erstmal? Oder ist erstmal völlig still und lässt den "Retter" das Gespräch eröffnen?
Die Überraschung stand Deneb deutlich ins Gesicht geschrieben.
Wie sah das aus?
Sein Atem ging Heftig.
heftig
„Begrüsst man so seinen Retter?“
Die Frage wäre nach einem Flcu von Deneb viel logischer.
Deneb drehte sich unbeholfen um und nahm sich die Zeit, den Fremden etwas genauer zu betrachten
er hat ihn doch schon angeschaut, weshalb dreht er sich um?
Er trug eine schwarze Jeans, ein dunkelblaues T-Shirt und eine schwarze Lederjacke.
für Jeans wird auch im Deutschen der Plural verwendet: Er trug schwarze Jeans
Irgendetwas sagt mir, dass Sie sich mal aussprechen sollten!“
Oh, ein Scherzbold
Diese Aussicht sollte einen eigentlich Aufmuntern
aufmuntern
„Ah, das Armband. Sie haben einen geliebten Menschen durch Krebs verloren!“
Ganz offensichtlich habe ich hier ein Informationsdefizit. Armbänder legt man doch nur Neugeborenen um, oder?
Krebs. Wir haben das mit der Vorsorge immer schleifen lassen
"Krebs" muss er hier nicht sagen, weiß der Fremde ja schon.
Aber das Leben geht weiter, mein Freund!
Streich diesen Satz.
Oder lasse den Fremden insgesamt etwas Sinnvolleres weniger Abgedroschenes sagen.
Der Fremde lächelte Deneb an.
„Wussten Sie, dass es für jede tödliche Krankheit eine eigene Farbe gibt?“
„Wie meinen?“
„Na diese Armbänder
Zeilenumbrüche verdeutlichen nicht, wer spricht. "Der Fremde ..." ohne Zeilenumbruch nach "... enden" oder, wenn er weiter spricht, auch ohne Zeilenumbruch vor "Wussten Sie".
Dass Deneb diese Frage stellt, erscheint unlogisch, da der Fremde ja an dem Armband erkannt hat, woran der geliebte Mensch gestorben ist. Also muss er es wissen.
Deneb fühlte, wie die tiefe Trauer der ersten Tage wieder in ihm hochkam
Diese "wie"-Konstruktion verunstaltet Sätze meistens durch künstliche Verlängerung. Deneb fühlte die tiefe Trauer der ersten Tage wieder (in sich aufsteigen/hochkommen) und die gute Laune ...
Würden Sie dieses Armband wirklich so sinnlos finden, dann würden Sie es nicht tragen.
Auch in wörtlicher Rede kannst du auf ein "würde" verzichten: Fänden Sie dieses Armband wirklich so sinnlos, würden Sie es nicht tragen.
Deneb schaute misstrauisch zu dem Fremden hinüber
"hinüber" ist redundant.
„Aber wo fange ich an?“
„Natürlich am Anfang!“ sagte der Fremde fast schon empört, als wenn Deneb eine absolut dumme Frage gestellt hätte.
„Am Anfang. Na gut.
unnötig, da viel zu abgedroschen.
Ich war noch Student, und jobbte bei einer Umzugsfirma.
Kein Komma
„Hallo, Jungs! Wie wärs mit `ner Coce?
Das Auslassungszeichen sitzt über der Rautetaste; Coke
Susan, die sichtlich erleichtert war, folgte Deneb zum Truck.
Auch, wenn du die Wortwiederholung vermeiden willst, ein Truck ist etwas deutlich anderes als ein Umzugslaster.
Nun haben sie sich mal nicht so
"Sie"
Ich...Moment...was....woher...?
Ich ... Moment ... was ... woher ...?
Ein Autounfall. Seine Verbrennungen waren zu schwer. Ich habe Sie geerntet, wie es meine Aufgabe ist.“
sie


Liebe Grüße
sim

 

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