Was ist neu

Das Faultier

Mitglied
Beitritt
01.09.2004
Beiträge
70
Zuletzt bearbeitet:

Das Faultier

Ich saß vor der Glotze und bearbeitete grade ´ne Flasche Bier. Man muss dazu sagen, ich hab´ ´ne Schwäche für Tiersendungen. Da passiert immer allerhand Verschrobenes. Jede Menge Aktion und nichts ist einstudiert. Alles frei improvisiert.
Da war auf jeden Fall dieses Faultier. Es hing an irgend so ´nem Baum, in schwindelnder Höhe, im Regenwald und die Langeweile quoll ihm schon aus den Ohren. Das zottelige Monster hatte schon von zu vielem Hängen ´n Scheitel auf seinem Bauch. Ich mein das Ding tut absolut nichts. Außer Hängen, Fressen und Scheißen.

Der Kronkorken von der zweiten Buddel pfloppte.

Na ja wie auch immer. Ich weiß nicht ob es dann vergessen hatte sich festzuhalten, oder abgerutscht ist, aber auf einmal fiel das Ding runter. Mitten in einen Fluss. Muss ´ne ziemliche Blamage für so ´n Faultier sein. Und ich kann euch sagen, das war wirklich ´ne beachtliche Höhe. Jetzt dümpelte es, klödernass wie so ´n begossener Pudel, da so rum und unternahm keinen Versuch sich ans rettende Ufer zu wuchten. Wahrscheinlich hatte dieser lange Lulatsch keinen Bock zu schwimmen. Es war ganz einfach zu faul. Würd´ mir auch stinken, wenn ich langes Fell hätte und ich nicht fürs Wasser gemacht wäre.

Ich fischte nach dem dritten Bier.

So weit so gut, aber wie solls auch anders sein, als sich kurz darauf ´ne riesige Würgeschlange zu Wasser ließ, um sich den faulen Lump einzuverleiben. Jetzt wurd’s brenzlig. Spätestens da hätte ich gemacht, dass ich schnurstracks aus dem Wasser rauskomme. Nicht aber das Faultier. Die coole Sau.

Aber das ist wahrscheinlich der Punkt. Was gibt es Konsequenteres aus der Sicht des Faultieres, als sich treiben zu lassen. Es hat sein Dasein in der Faulheit. Würde er sich aus dem Wasser hieven und seinen Baum wieder hochklettern, so hätte seine Faulheit doch keinen Sinn. Er würde seine Existenz nur sinnlos verlängern. Es muss seinen eigenen Tod wollen. Es muss die Gelegenheit der Zufälligkeit beim Schopfe packen und wie immer nichts tun. So würde sein Leben einen Sinn ergeben.

Aber das Faultier macht sich keine Gedanken, sondern handelt nach Instinkt. Aber dafür war ´s zu spät und ich sage: „Selbst Schuld, du dämliches Tier, warum bist du überhaupt runter gefallen?“

Und das letzte Bier beendete das Schauspiel.

 

Hallo Flip,

deine Geschichte lässt mich etwas zwiespältig zurück. Zum einen hat mir die Idee und die Parallelen zwischen dem Säufer und dem Faultier gut gefallen - vielleicht ist es die Bestimmung des Faultiers, faul zu sein, aber zum Glück hat der Mensch da unterschiedliche Möglichkeiten sich zu verwirklichen ;)
Zur Umsetzung hab ich einige Anmerkungen: die Umgangssprache hat mich gestört, aber ich weiß, dass ich da empfindlich bin und dass es Geschmackssache ist. Wenn du sie benutzt, würde ich aber vorschlagen, dann konsequent mit dem Apostroph zu arbeiten, wenn du was auslässt. Zum Erzähler passt die Sprache auf jeden Fall. Was mich zum zweiten Punkt bringt: Warum erzählst du in der "Ich-Form"? Denn da stellt sich die Frage: warum erzählt der Bier-Trinker die Geschichte? Er wird wohl kaum erkannt haben, wie ähnlich er dem Faultier ist. Wenn du es in der dritten Person erzählst, wäre die Verdeutlichung der Parallelen ganz deutlich die Erzählmotivation.

Ein paar Kleinigkeiten noch:

Jede Menge Aktion und nichts ist einstudiert.
Ich weiß nicht ob es dann vergessen hatte sich festzuhalten, oder abgerutscht ist, aber auf einmal fiel das Ding runter.
Würd´ mir auch stinken, wenn ich langes Fell hätte und ich nicht fürs Wasser gemacht wäre.
Jetzt wird’s brenzlig.
Warum hier Gegenwart? Auch sonst haben mich die Zeitenwechsel irritiert, wobei ich natürlich weiß, dass du immer dann gesprungen bist, wenn du von der Situation unabhängige Eigenschaften des Faultiers verdeutlichen wolltest.
Was gibt es Konsequenteres

Liebe Grüße
Juschi

 

moin juschi

vielen dank für deine kritik und deine anmerkungen zur verbesserungen. sind schon erledigt.
also vorweg: die parallele mit dem typen und dem faultier war gar nicht meine intention. ging es mir doch viel mehr darum einen existentialistischen lebensentwurf des faultiers zu beschreiben. mich reizen inhalte, die in logischer weise an absurdität gewinnen. die frage natürlich was dann in diesem falle für den menschen gilt, ist zwar nicht weniger interessant, aber eine ganz andere. ich finde es allerdings gut, eine andere sichtweise von der geschichte bekommen zu haben, die ja auch ziemlich nahe liegt.
jaaa die umgangssprache. natürlich ist es geschmackssache, aber ich persönlich muss sagen, sie reitzt mich sehr. mal mehr mal weniger. und wie du schon anmerkst passt es gut. außerdem, bei der kleinen philosophischen erklärung nehme ich ja auch abstand von der umgangssprache.
erklärend daraus, dass es nicht meine absicht war, einen vergleich zwischen mensch und tier zu ziehen, komm ich auf die frage, warum ich in der ich-form erzähle. (auch wenn das, was ich jetzt schreibe vielleicht nicht gerne gesehen wird, weil uninteressant für die geschichte, aber in diesem falle wohl doch wichtig) ich bin der biertrinker. wenn ich mich nicht gerade mit philosphie oder sowas beschäftige, kann ich ein ziemlich pöbelnder suffkopp sein, der riesig gerne tierfilme/dokus sieht. sorry, aber ich wusste nicht wie ich dir sonst meine vorgehensweise mit dem ich-erzähler plausibel machen soll.

also schönen gruß
flip

 

Hallo Flip,

Lustig.
Übrigens habe ich auch nicht die Parallele gezogen zwischen dem Erzähler und dem Faultier, das fände ich auch gar nicht so interessant wie die Beschreibung dieses Faultier-Lebens.
Die Umgangssprache finde ich für die Geschichte okay. Ich stell mir nur gerade vor, dass du wirklich so ein extremer Säufer bist wie der in der Geschichte, und dir dabei solche, vielleicht sogar genau diese Dokumentation anguckst. Wobei der Säufer in der Geschichte ja nicht unbedingt ein so "extremer" Säufer sein muss.:)

Da passiert immer allerhand Verschrobenes.
Irgendwie finde ich den Satz, auch in Bezug auf die Umgangssprache, komisch. Das Wort "Verschrobenes" wirkt so "falsch" da.

Auf Wiedersehen!

 

Hallo Flip,

irgendwer muss Dir doch sagen, dass diese Geschichte grandios ist. :) Die großen Fragen der Existenz, die gar nicht so groß sind, Lebensaufgabe, Konsequenz und kausale Natur einer Existenzform. Möglicherweise hat der Text bei anderen zu ganz anderen Gedanken geführt. Mich hat er inspiriert. Du coole Sau! ;)

Diese Qualitäten haben nichts mit der Umgangssprache zu tun. Sie wirkt natürlicher, wenn Du die Apostrophe (oder heißt es "Apostrophen"?) nach Möglichkeit weglässt. Du beherrschst sicher auch andere Stile.

Gern gelesen!

Fritz

 

Hallo Flip

Mir hat auch die Parallele (ob nun gewollt oder nicht) der beiden Protagonisten gefallen.
Instinkt versus Bewusstsein, wie sieht wohl der existentielle Lebensplan für den Erzähler aus, spinnt man die Parallelität weiter...

Vom Stil her fand ich die Umgangssprache ok, hatte dadurch sogleich ein Bild vom Erzähler im Kopf.
:bier:

Dagegen solltest du mMn die direkte Rede und die Biersätze optisch trennen.
Gänsefüsschen, italic, o.ä

Gruss
dot

 

Hallo Flip,

inhaltlich und sprachlich 1A, dein Werk. Man liest mit einem breiten Grinsen, der Stil ist sehr flüssig zu lesen und die Existenzfragen, die du ansprichst, treffen einen trotz (oder vielleicht gerade wegen) der humorvollen Verpackung voll in die Nieren.

Das Einzige, was mich persönlich ein wenig stört, sind die vielen Elisionen. Das macht sich nicht schön in dem Text. Gerade bei "hab´ ´ne Schwäche" ist es schon ziemlich brutal anzusehen. Dein Stil würde auch ohne dieser Elisionen funktionieren. Aber das ist wohl Geschmackssache.

Jedenfalls gern gelesen.

Grüße

Thomas

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom