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Das Fegefeuer der Kranken
Der Anfang war gemacht. 39,4° Fieber und Schwindelgefühl. Grund genug, um mich stationär aufzunehmen. Ich betrat das Krankenzimmer, hässlicher Gestank streckte seine Tentakel aus und umhüllte meine Nase. Graue Wesen lagen in weißen Laken gehüllt auf sanitären Betten.
Ihre Augen waren schwarze Löcher, die Haut ekelhaft gelb gefärbt und ihr Mund hatte sich zu einem dünnen blauen Strich zusammen gezogen, welcher in unregelmäßigen Abständen zitterte. Zwischen zwei Betten flimmerte ein kleiner Kasten, zeigte schnell hintereinander folgende Bilder. Der Bildschirm war das einzige Licht, welches den hohen, kalten, sterilen Raum ausleuchtete. Die Köpfe der grauen Wesen bewegten sich frameweise ruckartig. Faules, müdes Fleisch drehte sich in meine Richtung, ich hörte das knacken der schon lange nicht mehr gebrauchten Knochen und ein Geruch von totem Gedärm machte sich breit. Die Kadaver hoben ihre Hände in meine Richtung, gaben dumpfe Laute von sich, ihre Augen wurden dunkel und ein tiefes Schwarz machte sich in ihren Löchern breit. Beim Teufels Namen und dessen Gehilfen Oiquaquil, Decaiquan, Zaitabor und wie sie alle hießen.. äh, heißen. Ich bin zwar kein Dilettant in Sachen Medizin, doch diese Wesen waren übelste Gestalten, Böses in Form von kranken Krüppeln. Ich hatte zuwenig Zeit um nachzudenken. Ich flog in mein, für mich brav gerichtetes Bett, sicherlich für die Toten geweiht, eine Art Altar für die hässlichen Unwesen gegenüber, und stürzte in einen furchtbaren Traum.
Schweißgebadet öffnete ich Stunden später meine Augen, die Stirn war glühend heiß und mein Hals kratzte als wäre ein ganzer Ballen Stroh auf meiner Kehle auf Ausgang. Ich stöhnte, erhob meinen schwachen Körper und sah mich um. Der Raum war größer geworden, vermutlich trogen meine wässrigen Augen und ließen mir ein Trugbild vermitteln. Ich erblickte die hässlichen Fratzen, sie glotzen immer noch regungslos in ihren Multimediakasten. Ihr Gesicht war noch weiter eingefallen, ihre Teufelsgesichter schienen sich zu amüsieren. Ich hasste die Laute, konnte beim besten Willen nicht schlafen. Die Maschine, dieses Stück aus Plastik und überlegener Technologie. Sie brachte mich zum Wahnsinn, der Lärm war unerträglich. Ich hatte inzwischen 39,8° Fieber, das Los des schweren Leidens hab ich gezogen, so wie es die schwarzen Jungfrauen taten.
So organisierte mir, (der Freundlichkeit wegen ewigen Dank) ein junger Sanitäter ein paar Ohrenpropfen. Von nun an, wenn ich trunken in den Schlaf sank, war dieser geräuschlos. Alles was ich hörte, war mein eigenes Herz und meine gut funktionierenden Lungenflügel.
So verging die erste Nacht, ich hatte alle guten Engel bei mir, sie beschützen mich vor dem Bösen auf der anderen Seite, hegten mich und legten ihre kühlen Hände über mein Haupt.
Doch sobald der zweite Tag auch sein Ende nahm, steigerte sich die Kraft von den Ausgeburten der Hölle. Sie drehten ihren rostigen Draht zur Welt lauter und ließen mich ganz bei ihrer okkulten Messe teilhaben.
Trotz des Wankelmuts und den dunklen Umständen heilte mein Körper. Ich fühlte mich zwar besser, doch setzen diese schaalen Typen alles daran, an meinen Kräften zu zehren.
In der zweiten Nacht, oh heiliges androgynes, hässliches Wesen, du hast mir diese zur unvergesslichen gemacht.
Es war um neun, als tausend Stiche meinen Magen aufschlitzten. Hämisch lachend und mit frevelhaftem Schelm donnerten, wahrscheinlich von den Kanalratten gegenüber gesandt, die bösartigen Viren in meinem Bauch. Krümmend und keuchend vor Schmerz verlangte ich um zwei Uhr am Morgen nach einer Schmerztablette, welche aber nichts nutzte denn die bösgesalbten Viren waren immun gegen menschliche Mixturen. So triefte ich dahin bis es Morgen wurde. Plötzlich waren die Schmerzen verschwunden, ich konnte in einen wunderbaren, von weichen und stillen Wolken behangenen Traum fallen. Doch nicht von langer Dauer. Die lästernden Pestizide aus meiner Nachbarwelt, welche zurzeit mit mir zusammen im Zimmer gefangen waren, hatten andere Dinge geplant. Der dürre und von Schwielen bedeckte Finger eines dieser Wesen drückte auf einen Knopf, welcher die Kiste mit den hässlichen Lauten aktivierte, und machte es sich auf seiner faulen, von Asche überzogenen Haut bequem. Ich entdeckte ein kurzes Glitzern in seinen dunklen Augenhöhlen und eine Gänsehaut machte sich auf meinem, noch gesunden Rücken breit.
Crede firmiter et pecca fortiter - Glaube fest und sündige kräftig. Mit diesen einfachen Worten wollt ich mit zweifelhafter Falschheit auf ihre Seite wechseln und sie von innen zerstören. Ihr negativistisches Charma strahlte jedoch so eine Macht aus, dass meine Beine schwächten und ich es nicht weiter schaffte, als es ihr Schutzschild zuließ. Getränkt von Hass und Krankheit verfiel ich dem Schlaf und zog durch karge Wüstenlandschaften.
Als ich am nächsten Morgen gepeinigt von den sadistischen Schlägen des Fiebers aufwachte, waren meine Augen ebenfalls dunkel und meine Haut war grau.
Langsam dämmerte es mir, nicht in den Kreaturen da drüben hauste der Teufel, der Teufel war der Raum selbst!
Er herrschte in der weißen Katakombe der Kranken. Und wenn einer der Krankheit erlag, nistet er unbemerkt in dessen Innereien. Welch Schmach!
Zugleich merkte ich, dass die grauen Wesen gegenüber von mir verschwunden waren. Sie mussten aufgebrochen sein, als die trügerische Dunkelheit sie deckte. Sie verschlang. Waren sie geheilt? In welche Richtung gingen sie? Ihre Nicht – Anwesenheit lockerte mich ein wenig. Ich bin Fundamentalist und als eloquenter, junger Mann werde ich mich dieser Macht wohl entreißen können.
In meinem Körper tobte eine Schlacht von tausend Mannen. Mir war weder Durst, Hunger noch Schlaf vergönnt. Mein Körper war im Finale. Stunden vergingen und ich wand mich in Höllenfeuer.
Heute Morgen dann, kam der Richter. Die oberste Gottheit selbst, Herr von Blitz und Donner, jüngster Sohn von Uranos, Zeus betrat den verseuchten Raum und blickte auf meinen malträtierten Körper.
Er war gekleidet wie ein ziviler Arzt, doch ich erkannte durch sein Kleid seine unendliche Güte. Er sagte mir, dass ich geheilt wäre. Seine Worte waren tief und Balsam für meine Seele. Blumen wuchsen auf meinem Herz und mein Hirn war frei von aalenden Würmern. Ich hatte es geschafft, ich entrann dem Fegefeuer.
Doch für wie lange?