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Das gar tragische Ende der Vanessa Klei

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23.12.2003
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Das gar tragische Ende der Vanessa Klei

Das gar tragische Ende der Vanessa Klei

Als Vanessa Klei am Morgen des 3. Septembers 2004 erwachte, wusste sie weder, wo sie war, noch, wie sie dorthin gekommen war. Da Letzteres eher die kleinere Rolle spielte, versuchte sie sich zunächst an dem ersten Problem.

Es war kein normales Erwachen. Es gab kein schlaftrunkenes hin und her wälzen, kein wohltuendes Gähnen oder Strecken der Glieder.
Sie war von einem Moment auf den Anderen hellwach und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.

Sie öffnete die Augen und sah nichts.
Vanessa wusste, dass das nicht normal war. Man sah immer irgendetwas beim Erwachen. Selbst bei vollkommener Dunkelheit gab es immer irgendeine Lichtquelle. Die Leuchtziffern des Weckers auf dem Nachttisch oder das Leuchten des winzigen LED-Lämpchens am DVD-Player oder Fernseher.
Sie wandte rasch den Kopf auf der Suche nach dem imaginären Licht, und dabei fiel ihr auf, dass sie weder auf ihrem Kopfkissen lag, noch von ihrer wärmenden Decke bedeckt war, obwohl sie die passende Kleidung dafür trug, nämlich ihr schwarzes Seidennachthemd, wie sie nach raschem Nachfühlen feststellte. Sie lag nicht in Ihrem Bett, sondern auf einem hartem Holzboden. Und sie befand sich auch nicht in ihrem Schlafzimmer, sondern in einem massiven Eichensarg.

Vanessa richtete sich nach dieser Erkenntnis ruckartig auf und prallte mit dem Kopf hart gegen den Deckel des Sarges. Benommen sank sie wieder zurück.
Das kann nicht sein, dachte sie. So etwas kam doch nur in zweitklassigen Actionfilmen oder schlechten Romanen vor! Panik drohte sie zu überwältigen, doch sie kämpfte sie tapfer nieder und zwang sich zu klarem Denken.
An ihrer Situation gab es nicht den geringsten Zweifel. Sie sah und hörte, abgesehen von ihren schnellen Atemzügen, absolut nichts, was sie die harten Holzbohlen überall um sie herum, über die sie mit ihren Fingern strich, noch intensiver fühlen ließ. Sie fühlte sogar die haarfeinen Rillen der Maserung im Holz. Sie hoffte, dass die Würmer es schwer haben würden, allzu schnell zu ihr durchzudringen. Aber bis es soweit war, wäre sie mit Sicherheit schon längst erstickt. Oder?

Sie stellte sich vor, wie Würmer und anderes Getier geduldig an der Aussenhaut des Sarges nagten und kratzten. Waren da nicht schon leise Schabgeräusche? Sie hielt den Atem an und lauschte einen Moment lang intensiv. Sie vernahm eine so vollkommene Stille, dass sie sofort wieder hastig zu atmen anfing. Vollkommene Finsternis und Stille waren mehr, als sie ertragen konnte. Plötzlich verspürte sie das heftige Bedürfnis, irgendeinen Laut zu vernehmen, irgendetwas, dass sie wissen ließ, dass sie nicht schon tot war.
"Mein Name ist Vanessa Klei und ich bin lebendig begraben.", sagte sie lakonisch.
Danach schüttelte sie ein heftiger Weinkrampf.

Nachdem Sie sich erholt hatte, lag sie still und wünschte, sie könnte die Gedankenflut hinter ihrer Stirn stoppen oder wenigstens kontrollieren. Es dominierte immer dieselbe Frage, nämlich die, warum sie zum Teufel in einem Sarg 6 Fuß unter der Erde lag und noch lebte. Sie erschuf in ihrer Fantasie die aberwitzigsten Erklärungen.
Vielleicht hatte sie einen Herzinfarkt erlitten, wurde obduziert und für tot erklärt, begraben und betrauert. Nur, dass sie in Wahrheit gar nicht tot war. Aber so etwas gab es doch in der heutigen Zeit nicht mehr. Oder?
Ausserdem, wieso hatte sie dann noch das Nachthemd an, mit dem sie am Abend zuvor zu Bett gegangen war? Aber alle anderen Erklärungen waren genauso fantastisch. Sie hatte sich niemals mit einer grösseren kriminellen Organisation oder der Regierung oder sonstwas angelegt, was eine solche Racheaktion zur Folge haben könnte. Es gab einfach keine logische Erklärung.
Flüchtig fragte sie sich, ob sie träumte. Sie verzichtete auf das obligatorische in den Arm kneifen, denn als sie langsam begann, wimmernd an den harten Bohlen des Sargdeckels zu kratzen, fühlte es sich bedrückend real an.

Nachdem sie sich ein paar Fingernägel abgebrochen hatte und warmes Blut an ihren Fingerkuppen spürte, hielt sie inne und verfiel in eine wohltuende Lethargie. Sie fühlte mit einem mal gar nichts mehr. Keine Trauer, keine Angst, keinen Schmerz.
Möglicherweise war dies der verspätet einsetzende Schock. Vanessa verfiel in einen gnädigen Dämmerzustand und glitt schließlich hinüber in die Welt des Schlafes.

Als sie erwachte, hatte sie eine trockene Kehle und einen pelzigen Geschmack auf der Zunge. Entsetzt stellte sie fest, dass sie noch immer lebte.
Mittlerweile wünschte sie sich nichts sehnlicher, als gerettet zu werden oder zu sterben, wobei sie Ersterem weit weniger Chancen einräumte.
Sie hoffte nur, dass es ein gnädiger Tod sein würde. Sie wollte aufgrund des Sauerstoffmangels einschlafen und einfach nicht mehr aufwachen, doch sie glaubte nicht, dass es so schmerzlos abgehen würde. Schnell schob sie den Gedanken von sich, um nicht vollends den Verstand zu verlieren.
Sie fühlte, dass der Wahnsinn schon auf der Lauer lag, wie ein Raubtier, dass auf eine Blöße wartete. Noch konnte sie ihn zurückdrängen, doch er hatte Geduld. Die Geduld eines Jägers, der weiss, dass seine Beute nicht entkommen kann.

Vanessa biss auf ihren Nägeln herum und spürte den Schmerz, als die verkrusteten Wunden wieder aufbrachen und Blut heraustrat. "Wie lange habe ich geschlafen?", fragte sie sich mit einemmal. "Und wie lange habe ich überhaupt noch Luft?", dachte sie entsetzt. Trotz ihres aufkeimenden Todeswunsches behielt ihr Überlebenstrieb noch die Überhand.
Wie lange konnte ein Mensch in einem Luftdichten Sarg 3 Meter unter dem Erdboden überleben? 6 Stunden? 8 Stunden? Einen ganzen Tag? Sie wusste es nicht. Und selbst wenn sie es gewusst hätte, hätte es ihr nichts genutzt, da sie schon vor einer ganzen Weile jegliches Zeitgefühl verloren hatte.
Vanessa steckte sich die blutenden Finger in den Mund und saugte an den Wunden. Dabei bemerkte sie den quälenden Durst, der sie schon eine ganze Weile plagte, der bis jetzt aber von den ganzen anderen schrecklichen Empfindungen überlagert worden war. Jetzt hatte sie also die Wahl zwischen verdursten, ersticken und den Verstand verlieren.

In Vanessa keimte die verzweifelte Hoffnung auf, dass die ganze Sache ein reichlich morbider Scherz von ihren Freunden war. Ja, so war es! Sie hatten sich einen Spass daraus gemacht, sie zu erschrecken und sie in ihrem Schlafzimmer nachts in einen Sarg gesperrt. Einigen von ihnen hatte sie in letzter Zeit ja wirklich ziemlich übel mitgespielt. Seit ihrer Beförderung hatte sie nur noch wenig Zeit für sie erübrigen können. Dafür wurde sie jetzt bestraft. Es musste einfach so sein!
"Ihr könnt mich jetzt rauslassen!", schrie Vanessa in die trostlose leere hinaus. Sie erschrak selbst vor der Lautstärke ihrer eigenen Stimme. "Habt ihr gehört? Macht sofort auf! Es tut mir Leid!" Mit aller Kraft hämmerte sie gegen die Decke ihres dunklen Gefängnisses. Blutstropfen fielen auf ihr Gesicht. Ihre Schreie wurden immer verzweifelter. "Lasst mich raus! Ich will raus!", kreischte sie immer und immer wieder. Danach wurde sie erneut von einem heftigem Weinkrampf überwältigt.

Vanessa wusste nun, warum lebendig begrabene Leute an ihrem Gefängnis kratzen. Nicht, um herauszukommen, denn das ist aus eigener Kraft nicht möglich.
Ihre Hände bluteten mittlerweile ununterbrochen, doch der Schmerz half ihr, den immer näher kommenden Wahnsinn und die Panik zu bekämpfen. Immer, wenn eine neue Woge des gestaltlosen Grauens bevorstand, wenn sie sich ihrer Situation, ihrem Schicksal in vollem Ausmaß bewusst wurde, bereitete sie sich selbst diese beinahe unerträglichen Schmerzen. Sie klammerte sich an Sie wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. Sie konzentrierte sich nur noch auf den Schmerz, bis er alles andere in den Hintergrund drängte. Er war das einzige, was sie noch hatte.

Sie versuchte, sich an ihr Leben vor "Dem Sarg" zu erinnern, wie sie ihre unerklärliche Bestrafung Gottes nun nannte. Sie war sich mittlerweile sicher, dass es so war. Eine andere Erklärung gab es nicht.
Wenn sie an ihre Arbeit dachte, ihre Freunde, Bekannte und Verwandte, sah sie diese wie durch einen nebligen Schleier, so als ob es das Leben einer völlig anderen Person wäre. Sie hatte das Gefühl, schon ewig eingesperrt zu sein.
Sie sah nicht ihr bisheriges Leben vor sich ablaufen wie einen Film. Sie hatte Berichte gesehen, in denen beinahe gestorbene so etwas erzählten. Das wäre auch wirklich zu klischeehaft gewesen, dachte sie und lachte.
Sie fragte sich, wie ihr in solch einer Situation nach Lachen zumute sein konnte, doch sie fand keine Antwort. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander:

Ich denke also bin ich darf nicht aufhören zu denken zu existieren nicht aufhören zu lieben sex und zärtlichkeit empfinden werde ich nie wieder mein prinz komm und befrei mich küss mich wach ich bin dein dornröschen den rasen ich muss den rasen mähen die blumen sind schon ganz welk und tod tod tod will nicht sterben will leben was passiert mit mir was was was grosser gott ich lache ja noch immer willst du lachend sterben die toten tulpen ich habe meine blumen sterben lassen sie rächen sich nun ich sterbe sterbe sterbe was soll auf meinem grabstein stehn lachend wird sie in den tod nun gehn warum muss ich sterben hab doch nichts getan niemand niemals alles nichts jetzt die ewigkeit...

Copyright © 2005 by Marcel Seis, all rights reserved.


08.05.2005

 

Hey Seth!

Ich schreibe selbst gerade an einer Geschichte, in der jemand lebendig begraben wird, daher weiss ich wie schwierig es ist, die Gefühle des Prots. in die passenden Worte zu verpacken.

Insgesamt fand ich deine Geschichte angenehm zu lesen. Aber ich finde auch, dass du Vanessas Verzweiflung noch etwas dringlicher hättest beschreiben können. Zb. Sie hatte ja nur ihr Nachthemd an: War ihr kalt? War es Winter, der Boden vieleicht sogar gefroren? Oder war es da unten erstickend heiß?

Aber wie gesagt: ich tüfftele selbst herum und komme nicht wirklich weiter. :)

Mfg
Odin

 

@ Existence: Stimmt, die geschichte ist auf jeden fall verbesserungswürdig, allerdings sehe ich davon lieber ab, da sie meiner meinung nach es zu meinen eher zweitklassigen gehört.
Es ist, wie odin auch schon sagte, sehr schwierig, so eine geschichte zu schreiben, da sie im grunde keine handlung hat und man muss sehr aufpassen, dass sie aus diesem grunde nicht schnell langweilig wird.

In kill bill 2 kommt so eine szene vor :)
(zweitklassiger actionfilm *g*)


@ Odin: wenn du deine angefangene geschichte weiterschreiben willst, versuche mal zu überlegen, wie *du* dich in einem sarg fühlen würdest. was würdest du denken, wie würdest du handeln usw...mir hat das geholfen.

 

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