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Das Gartenhaus
Zielstrebig schritt er auf das einladende Schaufenster zu. Hier würde er alles finden was er für sein Vorhaben brauchte. Ein Gartenhaus wollte er bauen und es sollte das schönste werden, dass jemals in irgendeinem Garten gestanden hatte. Der Mercedes unter den Gartenhäusern. Nicht so ein seelenloser Selbstbausatz. Das konnte ja jeder!
Im Heimwerkercenter würde er alles Nötige finden. Er hatte sich eine Liste und eine Zeichnung gemacht. Schließlich war er ein ordentlicher Mensch. Der typische Buchhalter eben.
Hans Kleinschmitt, 56, Hobby: Heimwerken.
Zugegeben, er war nicht mit goldenen Händen gesegnet, aber eine gute Planung ist schließlich alles. So betrat Hans Kleinschmitt siegessicher den Baumarkt und sah sich nach einem Verkäufer um. Bei den Linoleumböden fand er schließlich jemanden. Ein junger Mann in roter Baumarktkluft und ausgestattet mit dem verkäufertypischen Zahnpastalächeln.
„Guten Tag junger Mann, ich werde ein Gartenhaus bauen. Ich habe hier eine Liste mit Dingen, die ich benötige. Könnten sie mir wohl behilflich sein?“
„Selbstverständlich! Zeigen sie doch mal her.“ Er studierte die Liste.
„Ja, sie scheinen an alles gedacht zu haben: Kanthölzer, Dachlatten, Bretter, Dachpappe, Schrauben, Dübel und Nägel. Für die Fassade würde ich ihnen unsere Bretter vom Typ Luxor empfehlen. Sehr schön und garantiert Wetterfest.“
„Ja gut, stellen sie mir das zusammen!“ Hans war froh so einen kompetenten Fachmann gefunden zu haben. „Ach, wie sieht es eigentlich mit Werkzeug aus? Wir haben zur Zeit unsere Masterflash 1500 XS Handkreissäge im Angebot für 699,00 €
„Nein, nein junger Mann lassen sie nur. Ich vertraue auf das althergebrachte Werkzeug meines Vaters. Schließlich bin ich in den besten Mannesjahren und kann mit Fuchsschwanz und Handbohrer umgehen!“, entgegnete Hans mit stolzem Ton.
„Wie Sie meinen. Sie können ihre Sachen dann an der Warenausgabe abholen.“
Gesagt getan. Eine gute halbe Stunde später hatte Hans das Material in seinen Garten geschafft. Zuerst musste er die Unterkonstruktion bauen. Also erst mal die Dachlatten zurechtsägen. Fuchsschwanz raus und frisch ans Werk. Ausmessen war vollkommen unnötig, schließlich besaß er ein gutes Augenmaß. Kaum eine Stunde später waren alle vier Latten zurechtgesägt. Es war doch mühseliger als er gedacht hatte. Beim aneinander nageln stellte er zudem fest, dass sein Augenmaß wohl doch nicht so gut war. Statt eines geraden Quadrates, lag so etwas wie ein Schiefeck vor ihm auf dem Boden. Aber das machte nichts, ein bisschen Toleranz ist immer drin. Nun musste er das ganze nur noch mit Brettern versehen und schon würde der Fußboden fertig sein. Zwei weitere Stunden sägen und hämmern später, war auch das geschafft. Der Boden sah zwar etwas uneben aus und ein paar Bretter wackelten, aber die Hütte sollte ruhig etwas rustikal aussehen, so wie eine Alpenhütte.
Jetzt war erst einmal Mittagspause angesagt. Seine Frau Reni hatte eine kräftigende Erbsensuppe für ihn gekocht. Richtige Hausmannskost für richtige Heimwerker. „Und, wie kommst du voran?“, erkundigte sie sich.
„Blendend, ich denke heute Abend werde ich fertig sein. Dann können wir unser kleines Ferienhäuschen beziehen.“ Er lächelte verschmitzt.
„Aber das du mir aufpasst, dass du dich nicht verletzt mit dem ganzen Werkzeug.“, sagte sie besorgt. Hans schüttelte den Kopf. „Lass mich mal machen!“, sagte er und erhob sich vom Tisch.
Zurück im Garten nahm er sich die tragende Konstruktion für Wände und Dach vor. Sein Händchen im zurechtsägen war in der Zwischenzeit nicht besser geworden. Als er zwei Stunden später damit fertig war, reckte sich vor ihm ein Gerüst in die Höhe, das dem schiefen Turm von Pisa alle Ehre gemacht hatte. Aber Hans war mit sich zufrieden. Nun musste nur noch alles mit Brettern verschalt werden. Dies war die mit Abstand umfangreichste Arbeit. So dauerte es vier Stunden bis er fertig war. Es wurde auch höchste Zeit, denn so langsam begann es zu dämmern.
Da die Unterkonstruktion nicht so besonders gerade war, war es natürlich auch schwierig gewesen die Bretter gerade anzubringen. Deshalb klafften teilweise recht große Lücken zwischen den einzelnen Brettern und die Fenster in der Vorderfront hatten eine rautenartige Form. Aber eine gute Lüftung ist immer wichtig.
Das ganze sah mittlerweile mehr wie ein abstraktes Kunstwerk aus, als wie ein Gartenhaus aus. Jetzt nur noch schnell die Dachpappe drauf und dann war es fertig. Das ganze Haus wankte bedenklich als Hans aufs Dach stieg um die Pappe auszurollen. Aber es hielt. Er rief seine Frau, um ihr sein Werk zu zeigen. Skeptisch lief sie um den Bau herum und betrachtete ihn eingehend von allen Seiten. „Hm, du hast dir wirklich sehr viel Mühe gegeben. Es ist sehr...äh... sehr schön. Wir können es als Geräteschuppen verwenden und unsere Fahrräder hineinstellen.“
„Geräteschuppen? Bist du wahnsinnig? Das ist Luxorholz. Das Beste vom Besten. Dies wird unser Freizeitparadies. Hier werden wir unsere Wochenenden verbringen, ob du nun willst oder nicht.“ ,brüllte er wütend.
„Nun ja, ich wollte ja nicht sagen, dass es mir nicht gefällt. Aber es sieht ein bisschen wackelig aus. Bist du sicher, dass es nicht einstürzen wird?“
„Ich wird dir zeigen wie stabil das ist. Schließlich habe ich das gebaut!“, antwortete Hans erzürnt.
Er nahm Anlauf. „Hans, was machst du da? Verletz dich bitte nicht. So war es doch gar nicht gemeint.“, flehte Reni. „Du wirst schon sehen. Von wegen nicht stabil!“, brummelte er. Er lief an und warf sich mit voller Wucht gegen die Vorderfront. Es gab einen lauten Knall. Einer der Stützpfeiler war geborsten. Und langsam, ganz langsam neigte sich die Hütte der Erde zu. Bretter und Latten knickten ein und vielen herunter. Übrig blieb nur ein großer Haufen Holz. Stumm standen die beiden vor der Ruine. Hans rieb sich die vom Aufprall schmerzende Schulter.
„Du kannst es ja wieder aufbauen. Es war wirklich schön!“, versuchte seine Frau die Situation zu retten.
„Nein, lass mal.
Ist nächste Woche nicht Osterfeuer?"