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Das Glas Wasser
Ich sitze im dunklen Wohnzimmer, eingepackt in einer Decke und dem dicksten Daunenanorak, den ich finden konnte und friere. Mein Hals fühlt sich an wie ein Minenfeld, über das gerade eine Kuhherde getrieben wurde, wenn man sich Mandelentzündung so verstellen mag – oder, so wie ich, sie sich vorstellen muss. Geschluckt habe ich seit einer Stunde nicht mehr, ich will nämlich nicht den Verstand verlieren oder sterben. Das sei aber schlecht für die Nieren, sagt meine Krankenschwestermutter. Und so sitze ich jetzt da, im dunklen Wohnzimmer, und halte in der Hand die Ausgeburt der Hölle, die Zehnerpotenz des Satans, das Ende der Welt in Schmerzen gerechnet: ein Glas Wasser. Rein und klar, unschuldig-kohlensäurefrei, ruhig – es lauert, wartet. Und ich glaube sein hämisches Grinsen zu sehen, arrogante Siegeszuversicht lacht mir entgegen. Denn es hat einen Verbündeten, herausgetreten aus der Abwehrkette meines Ichs: mein Gewissen. Das Wasser weiß nun, wo es den Hebel ansetzen muss: genau an dieser Lücke, und es stemmt wie wild. Herr, steh mir bei, warum muss ich mir den Himmel so hart verdienen!?
Ruhig steht es da, mit nichts als der bloßen Existenz beschäftigt. Schlicht, aber doch so wunderbar und wichtig! Ich werde es mit Dankbarkeit trinken.