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Copywrite Das Halbe und das Ganze

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01.07.2006
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Das Halbe und das Ganze

Als er gerade achtzehn geworden war, ging er mit Freunden in einen neuen Klub am Rande der Stadt. Später dachte er oft darüber nach, was so besonders an ihr gewesen war. Nicht das wilde Durcheinander ihrer Haare, nicht die Allwissenheit in ihren Augen, nicht einmal das Strotzende ihrer Brüste. Er kam zu dem Schluss, dass ihn damals das Licht getrogen haben musste. Zufällig hatte sie in einem roten Lichtkegel gestanden, zufällig verharrte sie so lange darin, bis er sie bemerkte, zufällig sah sie genau in diesem Moment aus wie ein Idol, das man anbeten musste.

Er vertraute auf sein gutes Aussehen, prostete ihr mit seiner Bierflasche zu und deutete auf den Ausgang. Hier drinnen war an eine Unterhaltung nicht zu denken. Der Bass aus den Lautsprechern dröhnte in seiner Magengrube - als sie nickte, gesellte sich zu dem Dröhnen eine prickelnde Melodie.
Draußen bot er ihr sein Bier an, sie lehnte ab, er sah ihren ersten Makel: Ein Schneidezahn stand etwas vor, sie konnte ihre Lippen daher nie ganz schließen. Als er sie viele Jahre später hasste, lachte er innerlich hämisch darüber, wenn sie beim Sprechen aufgrund dieser Fehlstellung spuckte. Niemals ekelte er sich jedoch vor ihr.
"Ich bin Gitti." Zögernd sah sie ihm dabei in die Augen.
"Hey, ich hab keine K.O-Tropfen hier drin!" Er grinste und schwenkte seine Flasche.
"Hast du auch gar nicht nötig, oder?" Ihre Direktheit oder vielmehr der Ernst, mit dem sie das sagte, ließ ihm keinen Ausweg, er verliebte sich.
"Sag mir doch auch mal deinen Namen ... oder warte, ich errate den auch so. Hm, Waldemar oder Othmar oder ... oder Rainer-Maria? Du siehst nach irgendeinem `Mar´ aus!" Dabei sah sie ihn weiter durchdringend an, er zweifelte kurz an ihrem Verstand, an seiner Wirkung auf Frauen, an der Hitze in seinem Bauch.
„Armin“, sagte er. Sie begann zu lachen.

Bei sich nannte er sie Mädchenpäckchen, weil sie so klein, kompakt und handlich war. Und sich zumindest am Beginn immer und überall anfassen ließ. Er konnte sie hier und da hinlegen, sie öffnen und wieder verschnüren, sie ließ sich heben und schieben und stoßen. Mit der Zeit langweilte ihn diese passive Bereitwilligkeit aber, er begann sich heimlich mit großen, schlanken Frauen zu treffen, die es verstanden, sich im Bett elegant zu bewegen. Ihre Körper wurden jedoch nicht weich unter seinen Händen und ihr Inneres hüteten sie gut. So konnte er sich nie entschließen, Gitti zu verlassen.
Ihr gemeinsames Leben verlief ruhig. Sie studierte Wirtschaft und machte anschließend Karriere als Managerin in einem großen Unternehmen, er studierte einmal dies und dann das, bis schließlich sein Vater starb und Armin mit dem Erbe eine schicke Bar eröffnen konnte, die den Großteil seiner Zeit beanspruchte. Er trank zu viel, er hatte die falschen Freunde und vor allem die falschen Freundinnen, er vernachlässigte sein Geschäft. Als er knapp vor dem Konkurs stand, half ihm ein Kellner dabei, die Bar so geschickt in Brand zu setzen, dass weder die Feuerwehr noch die Versicherung Brandlegung vermutete. Sie gingen davon aus, dass ein später Gast eine Zigarette unsachgemäß weggeworfen und so einen Schwelbrand verursacht hatte, der erst in der Nacht voll ausgebrochen war. Eine betagte Nachbarin kam durch Rauchgasvergiftung ums Leben.
Mit dem Geld der Versicherung startete Armin neu durch. Aus der Bar wurde ein gediegenes Kaffeehaus, er löschte alle Telefonnummern seiner diversen Freundinnen, gab sich Mühe, wieder mit Gitti zu schlafen. Er vergaß das Gesicht der Nachbarin. Den Alkohol ersetzte er durch Sport. Sein Körper wurde ein straff gespannter Bogen, seine Seele ein abgeerntetes Feld, in dessen Furchen die Wintervögel ihre Schnäbel stießen.

Die Pracht des Lebens entfaltete sich nur noch in dem Terrarium, das Gitti eines Tages gekauft hatte. Goldgrüne, winzige Schildkröten krochen darin ziellos herum, ihre stets feuchte Haut erleuchtete das düstere Wohnzimmer. Jeden Abend saß Gitti auf der Couch, beobachtete die lebendigen Schmuckstücke und begann dann in einem dicken Roman zu lesen.
An diesem Abend stellte sich Armin absichtlich so, dass Gitti die Tiere nicht mehr sehen konnte. Irgendwas wollte er ihr antun. Sie provozieren. Er trommelte auf die Scheibe des Terrariums. Das goldene Gepurzel dieser Schildkröten war auch zum Höhepunkt seines Tages geworden, wie er sich eingestehen musste.
“Lass das Getrommel, die sind empfindlich!”, sagte Gitti müde.
“Ich geh nochmal hinaus, brauch Zigaretten.”
“Ich dachte, du rauchst nicht mehr?”
Alles, was Spaß machte, hatte er für sie aufgegeben, die Scheiß-Zigaretten und diese Scheiß-Viecher waren das Einzige, was ihn noch am Leben hielt. Im Prinzip. Haha! Diese Scheiße sagte sie immer, wenn sie stritten. “Im Prinzip ist es ja so, dass ... " Wie gesetzt sie das immer sagte! Wie gleichförmig ihre Stimme dabei klang! Nichts regte sie auf. Sie maßregelte ihn nur wie eine Lehrerin, die nachsichtig, aber bestimmt mit einem etwas ungehorsamen Schüler umging. Prinzipiell hatte ja immer sie recht. Prinzipiell geschah immer das, was sie wollte. Sie machte ihre Beine prinzipiell nicht mehr für ihn breit. Unterhalb des Nabels war er bereits tot und das mit 38! Er hatte ohnehin keine Lust mehr auf sie, sie war in Form und Größe kaum von den Kissen auf der Couch zu unterscheiden! Prinzipiell war sie scheißfett geworden! Ha! Und die Kissen würden sich beim Ficken stärker bewegen als sie! Ha!
"Prinzipiell rauch ich nicht mehr, aber heute schon!"
"Warum gerade heute?"
Bekam sie überhaupt nichts mit? Was sollte diese beschissene "Warum"-Fragerei?
"Brauch auch ein bisschen frische Luft."
"Dir ist schon klar, was das für ein Widerspruch ist?"
"Ich will einfach nur eine beschissene Zigarette rauchen, an der beschissenen frischen Luft, ohne deine beschissenen Kommentare."
Während er im Vorzimmer seine Jacke vom Haken nahm, hörte er, wie sie sich von der Couch wälzte, ihre nackten Füße tapsten über das Laminat.
Im hellen Licht des Vorzimmers musste sie mit den Augen blinzeln.
"Dir ist schon klar, dass du voll das Klischee bist!"
"Aha."
"Du träumst davon, nicht mehr wiederzukommen. Aber dir muss klar sein, dass jeder Mann ab und zu davon träumt", sagte sie und gähnte.
"Wird das jetzt wieder einer deiner Vorträge, wie Männer wirklich sind?"
"Im Prinzip sind alle Männer gleich, ja."
Als er sich die Schnürsenkel zuband, zitterten seine Hände.
Er sah ihr Gesicht nicht, während sie ruhig weitersprach: "Falls du wirklich irgendwann abhaun solltest, zeig ich dich bei der Polizei an, das ist noch nicht verjährt!"

Die U-Bahn brachte ihn weit weg, auf die Insel im Fluss, er setzte sich ans Ufer und rauchte. Die Lichter der Stadt blinkten wie immer verheißungsvoll, irgendwo raschelte eine Bisamratte oder ein Obdachloser im Gebüsch, Wasser schwappte über seine Schuhe. Der Himmel war weit und arglos. Langsam begann Armin sich auszuziehen, die Zigaretten legte er sorgfältig unter einen Stein weiter oben, das Gewand ließ er einfach liegen. Zuerst war der Fluss eine kalte Teufelin, die ihn zu fest umarmte, seine Brust wurde eng, dann legte er sich ruhig auf die Wasseroberfläche und ließ sich treiben. Manchmal streichelten ihn von unten behutsame Pflanzen, es roch nach grünem Schlamm. Die Zigarette danach wärmte ihn und während des Rauchens wichste er rasch ins Gras.
Zu Hause fand er sie schlafend auf der Couch, ihr Mund stand offen, er hasste sie nicht, ihr Fleisch war nachgiebig und weich wie immer, als er sie hochhob und aufs Bett legte. Sie erwachte nicht, nichts störte jemals ihre tiefe Ruhe.

Das Café machte sie reich. Sie kauften sich ein Haus am Rande der Stadt mit einem großen Garten, aus dem Gitti ein Paradies machte. Alles gedieh unter ihren Händen, über ihre Beziehung legte sich eine heitere Gleichgültigkeit, ab und zu schliefen sie sogar wieder miteinander, etwa so wie Äste im Wind klappern. Sie küssten und umarmten sich nur selten. Mit Mitte vierzig begannen sie in einen Swingerklub zu gehen, dort masturbierten sie beide für sich, während sie andere Pärchen beobachteten, zu Hause nahm Armin sie dann härter als sonst, würgte sie auch manchmal ein wenig, bis sie kam. Für kurze Zeit hatte Gitti einen Liebhaber, den sie im Klub kennen gelernt hatte, Armin ahnte es, aber es machte ihm nichts aus. Wenn er später an diese Zeit zurückdachte, glaubte er, sich an einen Film zu erinnern, den er zu oft gesehen hatte.

An diesem Abend lag sie nicht auf der Couch, sondern saß steif auf einem der Stahlrohrhocker in der Küche.
"Ich muss dir was sagen!"
Sie wollte ihn verlassen, da war er sich sicher. Hoffnung und Angst keimten auf. Ihn schwindelte und er kletterte auf das andere Stahlungetüm, als ob es sein Pferd wäre. Desperado ... er würde über Zäune springen, besinnungslos leben und auf die Queen of Hearts scheißen.
"Ich habe Krebs, Brustkrebs." Sofort begann sie zu weinen.
"Was? Warum? Hab gar nicht gewusst, dass du die Untersuchung gemacht hast."
Was sollte das jetzt? Warum hatte sie auf einmal Krebs? Er dachte an verfaulende, blau verschwollene Brüste, an haarlose Köpfe und mitfühlende Freundinnen, die ständig zu Besuch kämen. Ein Heer von weinenden Frauen! Mit rosa Maschen auf ihren eigenen tadellosen Brüsten! Das war einfach unfair! Er hatte Gitti all die Jahre ertragen und das war nun die Belohnung dafür? Er würde sich um sie kümmern müssen, es gab keinen Ausweg mehr, sein Leben war vorbei. Endgültig hatte sie ihn an der Leine. Er begann mit dem Hocker hin und her zu schaukeln.
"Lass das!", schrie sie. Er hatte sie noch nie schreien gehört.
"Ist das deine ganze Reaktion? Ich werde vielleicht sterben und du schaukelst auf deinem Stuhl wie ein kleiner Schuljunge und schweigst einfach!"
Greinend verzog sie ihr Gesicht und fasziniert sah er, wie sich ihr Vorderzahn in die Unterlippe grub. Nie mehr würde sie reizvoll sein, er hatte eine kranke, hässliche alte Frau am Hals. Sie sackte zusammen und legte ihren Kopf auf den Tisch.
Er war übervoll mit Worten, sie drängten aus seinem Mund wie quecksilbrige Kohlensäurebläschen, lustig und lebendig und stechend, sein Mund prickelte davon.
"Wirst jetzt im Klub wohl nicht mehr so schnell einen Aufriss machen mit deinen Brüsten!"
"Wie bitte? Was hast du gesagt?" Ihr Gesicht war weiß, als sie den Kopf hob. Auf ihrer Stirn prangte eine rote Druckstelle von der Tischkante. Seine rotgestreifte Dämonin.
"Eh nix."
Ruhig stieg sie von ihrem Sitz, ihre Tränen waren versiegt, sie kam auf ihn zu, sie musste nicht viel machen, nur etwas gegen die Hockerbeine treten, und er lag auf dem Boden. Armin starrte auf ihre Fesseln, die erstaunlich grazil waren, eine Elefantenkuh auf Gazellenbeinen, er zog ihr die Füße weg, sie fiel mit dem Hinterkopf auf den Schemel, auf den sie sich immer stellte, wenn sie aus den oberen Regalen was brauchte. Kurze Zeit war sie benommen, dann begann sie ihn zu treten, gegen die Brust, gegen den Hals, den Kopf. Es tat Armin nicht weh. Er nahm ihre Tritte ruhig hin, bis sie aufhörte, sich auf die Seite drehte und wieder zu schluchzen begann.
"Bist du jetzt fertig?"
Sie antwortete nicht, ihr ganzer Körper zuckte. Er stand auf, ging ins Bad und wusch sich das Gesicht, auf dem er Staubflusen fühlte.
"AAAhhh", machte Gitti, er sah von oben auf sie herab, wie sie sich auf dem Boden wand, Krämpfe gingen in Wellen von ihrem Bauch aus über ihren ganzen Körper, sie schlug mit den Händen und mit dem Kopf auf die Fliesen. Er fühlte Genugtuung, ihre Ruhe war endlich dahin.
"Ah - ah -ah -ah." Schluckauf zerhackte ihr Stöhnen.
"Gitti, hör endlich auf, hör auf!", schrie er sie an, beugte sich hinab und rüttelte sie an den Schultern. Er wollte nichts Beruhigendes sagen, genoss ihr Außer-sich-Sein. Als sie nicht aufhörte mit dem Heulen und Schluchzen und Hin-und-Herwerfen, legte er sich auf sie und drückte sie mit aller Kraft auf den Boden. Das Zucken ihres Körpers ging in seinen über, aber da war noch mehr, etwas Betäubendes stieg von ihr auf ... ihr Geruch nach Milch und Honig. Wie hatte er nur auf diesen Geruch vergessen können? Ihr Leid und ihre Angst wurden sein Leid und seine Angst und ein einziges Mal schluchzte auch er auf. Und endlich erkannte er sie. Am Hals war die Stelle, wo sie am süßesten roch, da begann er mit seinen Küssen. Der Körper unter ihm war ganz still geworden, sein Nest, seine Zuflucht, seine Erlösung. Das Hemd wurde nass von den Tränen, die noch immer über ihr Gesicht liefen, aber sie schlang Arme und Beine um ihn, als ob sie Angst hätte, ins Leere zu stürzen. Für einen Moment hielten sie sich so fest, dass er nicht mehr wusste, wo er aufhörte und wo sie begann. Er spritzte sofort in seine Hose. Als sie es bemerkte, fing das Zittern wieder an, weil sie gleichzeitig weinen und lachen musste.
"Schsch", sagte er, hob sie vom Boden auf und legte sie im Schlafzimmer auf´s Bett.
"Jetzt machen wir es richtig. Es wird alles gut. Ich will deinen Busen verehren."

Natürlich wurde nicht alles gut. Gitti verlor eine Brust. Für die verbliebene machte Armin ein Fest mit Schlagsahne und Erdbeeren, als sie vom Krankenhaus nach Hause kam. Sie fand das peinlich. Es gab auch wieder andere Frauen in Armins Leben, im Grunde wollte er jedoch nur seine neue Lust testen und zufrieden stellte er fest, dass es tatsächlich mit Gitti am meisten Spaß machte. Ihre allumfassende Gelassenheit und Besserwisserei regten ihn manchmal noch immer auf, aber sie blieben einander zugewandt. Sie konnten nur gut einschlafen, wenn sie irgendeine Stelle am Körper des anderen berührten.
Gitti ruhte wie ein Buddha in sich und wurde noch runder. Nach fünf Jahren kehrte der Krebs zurück. Sie nahm es hin, was den alten Ärger in ihm wieder aufkeimen ließ. Er hatte sich aber so weit im Griff, dass er in ihren letzten Tagen nicht mehr gemein zu Gitti war. Stattdessen rupfte er zu Hause ihre geliebten Pflanzen aus und hackte in der Erde herum. Es half alles nichts, sie starb.
Anfangs kam er jeden Tag zum Grab und bildete sich ein, dort einen leichten Honiggeruch wahrzunehmen. Für eine Zeit lang trank er wieder ein bisschen, begann dann mit dem Radfahren und bereitete sich auf das Alter vor.

 
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Hallo Andrea,

auch ich kenne schon einige deiner Texte und freue mich, dass du hier wieder im Forum auftauchst. Ein ganzes Beziehungsleben in einer Geschichte, wow. Besonders gut gefällt mir die Balance zwischen Erzähltem und Gezeigtem, beides in deinem besonderen Erzählton, lakonisch, gnadenlos aufdeckend und mit aufregenden Details. Die Protagonisten bleiben mir fremd, da ist viel Distanz zu den Figuren aber auch zwischen den Beiden. Momente der Wärme fallen richtig auf. Bis zu deinem wunderbaren Schlusssatz habe ich die Geschichte mit Spannung verfolgt. Ein paar sprachliche Kleinigkeiten sind mir aufgefallen.

Nicht das wilde Durcheinander ihrer Haare, nicht die Allwissenheit in ihren Augen, nicht einmal das Strotzende ihrer Brüste.

Mir fällt auch nichts Besseres ein, aber "das Strotzende" gefällt mir nicht so gut, reine Geschmackssache.

Er kam zu dem Schluss, dass ihn damals das Licht getrogen haben musste. Zufällig war sie in einem roten Lichtkegel gestanden, zufällig verharrte sie so lange darin, bis er sie bemerkte, zufällig sah sie genau in diesem Moment aus wie ein Idol, das man anbeten musste.

Das hat mich sofort in den Text hineingezogen. Großartig!

Er vertraute auf sein gutes Aussehen, welches er bereits einige Male erfolgreich getestet hatte, prostete ihr mit seiner Bierflasche zu und deutete auf den Ausgang.

Das Fettgedruckte finde ich entbehrlich.

Ein Schneidezahn stand etwas vor, sie konnte ihre Lippen daher nie ganz schließen. Als er sie viele Jahre später hasste, lachte er innerlich hämisch darüber, wenn sie beim Sprechen aufgrund dieser Fehlstellung spuckte. Niemals ekelte er sich jedoch vor ihr.

Wunderbar, wie du neugierig machst auf diese Beziehung. Auch, wie sich hier schon diese merkwürdige Mischung abzeichnet. Gehässigkeit, aber auch wieder etwas anderes.

Ihre Direktheit oder vielmehr der Ernst, mit dem sie das sagte, ließ ihm keinen Ausweg, er verliebte sich.

Ich würde mich entscheiden, Direktheit oder Ernst.

„Armin“, sagte er. Sie begann zu lachen.

Sehr schön!

Bei sich nannte er sie Mädchenpäckchen, weil sie so klein, kompakt und handlich war.

Interessant finde ich, wie du die verschiedenen Eigenschaften kontrastierst. Vorher hatte ich den Eindruck gewonnen, dass sie so etwas Überlegenes hat, dass sie ihn mit dem "mar"-Ding auch ein bisschen klein macht. Jetzt wird sie klein und handlich. Aber er nennt sie auch nur für sich so.

Mit dem Geld der Versicherung startete Armin neu durch. Aus der Bar wurde ein gediegenes Kaffeehaus, er löschte alle Telefonnummern seiner diversen Freundinnen, gab sich Mühe, wieder mit Gitti zu schlafen. Er vergaß das Gesicht der Nachbarin. Den Alkohol ersetzte er durch Sport.

Klingt nach einem ziemlich skrupellosen, unangenehmen Typ. Hier erfährt man noch nichts über ihre Reaktion auf das Ganze. Auch interessant, die Lücken, die du läßt.

Sein Körper wurde ein straff gespannter Bogen, seine Seele ein abgeerntetes Feld, in dessen Furchen die Wintervögel ihre Schnäbel stießen.

Tolles Bild. Erinnert mich ein bisschen an Dorian Gray.

Die Pracht des Lebens entfaltete sich nur noch in dem Terrarium, das Gitti eines Tages gekauft hatte.

Auch hier kippt das Bild wieder. Gerade dachte ich noch, für ihn war es eine positive Entwicklung, das Kaffeehaus, aber der neue Start war wohl doch zu teuer erkauft.

Goldgrüne, winzige Schildkröten krochen darin ziellos herum, ihre stets feuchte Haut erleuchtete das düstere Wohnzimmer, sie waren einfach nur schön.

Das Fettgedruckte finde ich wieder entbehrlich. Ist für mich so eine Wertung, die rausfällt.

An diesem Abend stellte sich Armin absichtlich so, dass Gitti die Tiere nicht mehr sehen konnte. Irgendwas wollte er ihr antun. Sie provozieren. Er trommelte auf die Scheibe des Terrariums und bemitleidete sich selbst. Das goldene Gepurzel dieser Schildkröten war doch tatsächlich auch zum Höhepunkt seines Tages geworden, wie er sich eingestehen musste.

Auch das Selbstmitleid erkenne ich schon gut, aus dem, was du beschreibst. Könnte auch weg.

Alles, was Spaß machte, hatte er für sie aufgegeben, die Scheiß-Zigaretten und diese Scheiß-Viecher waren das Einzige, was ihn noch am Leben hielt. Im Prinzip. Haha! Diese Scheiße sagte sie immer, wenn sie stritten. “Im Prinzip ist es ja so, dass ... Wie gesetzt sie das immer sagte! Wie gleichförmig ihre Stimme dabei klang! Nichts regte sie auf. S

Den ganzen Abschnitt, wie er sich da reinsteigert, sie für seinen Überdruß verantwortlich macht, das finde ich toll geschrieben.

"Dir ist schon klar, was das für ein Widerspruch ist?"
"Ich will einfach nur eine beschissene Zigarette rauchen, an der beschissenen frischen Luft, ohne deine beschissenen Kommentare."
Während er im Vorzimmer seine Jacke vom Haken nahm, hörte er, wie sie sich von der Couch wälzte, ihre nackten Füße tapsten über den Laminat.
Im hellen Licht des Vorzimmers musste sie mit den Augen blinzeln.
"Dir ist schon klar, dass du voll das Klischee bist!"

Und hier kann ich seine Gereiztheit sogar verstehen. Sie sagt nicht nur "Im Prinzip", sie sagt auch noch ständig "Dir ist schon klar ..." Oh, schrecklich, wie sie miteinander umgehen.

Er sah ihr Gesicht nicht, während sie ruhig weitersprach: "Falls du wirklich irgendwann abhaun solltest, zeig ich dich bei der Polizei an, das ist noch nicht verjährt!"

Das ist jetzt so gruselig, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, dass da noch ein Funken zu retten ist. Das wirkt so tot.

Zuerst war der Fluss eine kalte Teufelin, die ihn zu fest umarmte, seine Brust wurde eng, dann legte er sich ruhig auf die Wasseroberfläche und ließ sich treiben.

Eben, toter Mann.

Zu Hause fand er sie schlafend auf der Couch, ihr Mund stand offen, er hasste sie nicht, ihr Fleisch war nachgiebig und weich wie immer, als er sie hochhob und auf´s Bett legte. Sie erwachte nicht, nichts störte jemals ihre tiefe Ruhe.

Und jetzt, nach dieser äußersten Feindseligkeit zwischen den Beiden, so eine zärtliche, vertrauensvolle Szene. Ich hatte die Phantasie, dass er versuchen würde, sie umzubringen. Übrigens habe ich es hier nicht so verstanden, dass er mit ihr schläft. Er trägt sie nur ins Bett, denke ich. Diese Geschichte spielt für mich am Rande der Glaubwürdigkeit und gleichzeitig finde ich es spannend so etwas zusammen zu denken. Dass ein Mann, der so gegangen ist, seine Frau hinterher ins Bett trägt.

Das Cafe machte sie reich. Sie kauften sich ein Haus am Rande der Stadt mit einem großen Garten, aus dem Gitti ein Paradies machte.

Der Ausdruck Paradies hat hier fast etwas Groteskes für mich und dann plätschern alle diese Dinge durch Bild, der Garten, der Swingerclub, ihre Sexualität, die doch irgendwie weiterläuft.

An diesem Abend lag sie nicht auf der Couch, sondern saß steif auf einem der Stahlrohrhocker in der Küche.
"Ich muss dir was sagen!"
Sie wollte ihn verlassen, da war er sich sicher. Hoffnung und Angst keimten auf. Ihn schwindelte und er kletterte auf das andere Stahlungetüm, als ob es sein Pferd wäre. Desperado ... er würde über Zäune springen, besinnunglos leben und auf die Queen of hearts scheißen.

Das mit den Stahlrohrhockern finde ich klasse. Dieses Kalte, Fragile, wie du das weiter einsetzt, großartig.

"Ich habe Krebs, Brustkrebs." Sofort begann sie zu weinen.

Das hat mich echt überrascht. Und auch das Brutale seiner Reaktion. Als wenn in all der Zeit kein Funke Liebe oder Vertrautheit zwischen ihnen gewachsen ist.

Er hatte Gitti all die Jahre ertragen und das war nun die Belohnung dafür? Er würde sich um sie kümmern müssen, es gab keinen Ausweg mehr, sein Leben war vorbei. Endgültig hatte sie ihn an der Leine.

Es gibt eine Geschichte von maria.meerhaba,("Leben und Sterben in Istanbul) wo der Mann seine krebskranke Frau sitzen läßt. Daran musste ich denken. Was ich tatsächlich nicht verstehe, ist, warum er sich nicht vorher getrennt hat. Wie ernst es ihr mit der Erpressung war und vor allem, warum sie sich nicht getrennt hat. Ich verstehe nicht, was die beiden aneinander bindet. Ich merke, dass ich die beiden nur so nehmen kann, wie du sie behauptest. Nachvollziehen kann ich sie nicht.

"Wirst jetzt im Klub wohl nicht mehr so schnell einen Aufriss machen mit deinen Brüsten!"
"Wie bitte? Was hast du gesagt?" Ihr Gesicht war weiß, als sie den Kopf hob. Auf ihrer Stirn prangte eine rote Druckstelle von der Tischkante. Seine rotgestreifte Dämonin.

Wieder die Mischung aus Hartherzigkeit und kalter Beobachtungsgabe. Die Szene ist brutal, endet wieder erstaunlich. Immer, wenn ich das Gefühl habe, dass jetzt aber wirklich alles zerschlagen ist, finden sie sich wieder.

"Gitti, hör endlich auf, hör auf!", schrie er sie an, beugte sich hinab und rüttelte sie an den Schultern. Er wollte nichts Beruhigendes sagen, genoss ihr Außer-sich-Sein. Als sie nicht aufhörte mit dem Heulen und Schluchzen und Hin-und-Herwerfen, legte er sich auf sie und drückte sie mit aller Kraft auf den Boden. Das Zucken ihres Körpers ging in seinen über, aber da war noch mehr, etwas Betäubendes stieg von ihr auf ... ihr Geruch nach Milch und Honig. Wie hatte er nur auf diesen Geruch vergessen können? Ihr Leid und ihre Angst wurden sein Leid und seine Angst und ein einziges Mal schluchzte auch er auf. Und endlich erkannte er sie. Am Hals war die Stelle an ihr, wo sie am süßesten roch, da begann er mit seinen Küssen. Der Körper unter ihm war ganz still geworden, sein Nest, seine Zuflucht, seine Erlösung.

aber sie blieben einander zugewandt. Sie konnten nur gut einschlafen, wenn sie irgendeine Stelle am Körper des anderen berührten.

Die wärmste Stelle in der Geschichte für mich.

Sie nahm es hin, was den alten Ärger in ihm wieder aufkeimen ließ.

Also sein Haß auf sie hat etwas mit ihrer Abgeklärtheit, ihrer Überlegenheit zu tun. Ein Machtkampf? Läßt sie ihn fühlen, wie kindlich er ist? Oder kommt er nicht an sie heran? Ich rätsel immer noch, was die Feindschaft dieser Beziehung ausmacht.

Anfangs kam er jeden Tag zum Grab und bildete sich ein, dort einen leichten Honiggeruch wahrzunehmen.

Mit dem Honiggeruch, das ist mir hier ein bisschen zu poetisch. Eher könnte ich mir einen Hinweis darauf noch am Anfang vorstellen. Denn der Honiggeruch taucht, glaube ich, zum ersten Mal in der Stahlrohrhockerszene auf.

Für eine Zeit lang trank er wieder ein bisschen, begann dann mit dem Radfahren und bereitete sich auf das Alter vor.

Sehr guter Schlusssatz. Er bleibt als Figur stimmig.

Spannender Text, Andrea. Vielleicht kannst du mit dem einen oder anderen Gedanken etwas anfangen. Und es macht mir ja Hoffnung, dass noch nach so langer Zeit ein Copywrite auftauchen kann (Huhu ernst offshore!) Die Geschichte von Bas würde mich jetzt natürlich interessieren.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo Bea Milana!

Ich bin dir sehr dankbar für diesen ersten Kommentar. Ein bisschen bin ich nach so langer Zeit auf Nadeln gesessen und du hast mich erlöst! :) Es freut mich auch, dass du "Miraculum" liebst. In gewisser Weise könnte man sagen, dass Gitti die erwachsene Mira ist.

Ich hab jetzt "war sie gestanden" zu "hatte sie gestanden" umgewandelt, aber ich glaube, dich hat eher das Plusquamperfekt daran gestört. Die Vorzeitigkeit war mir wichtig, ich wollte sie aber nicht durchgehend, damit es nicht eintönig wird. Das "Ganze" im Titel meint auch, dass der Erzähler eine Position einnimmt, die gleichsam die Zeit als Ganzes überblickt. Deswegen ist mir das Plusquamperfekt auch wichtig.

- als sie nickte, gesellte sich zu dem Dröhnen ... Gedankenstrich (Halbgeviert) statt Bindestrich (Viertelgeviert)
Ich mag den langen Gedankenstrich nicht. :D

Sie studierte Wirtschaft und machte anschließend Karriere als Managerin in einem großen Unternehmen
, Hm. Also, die Managerin nehme ich dir irgendwie nicht ab. Kann ich grad nicht begründen, warum, was ich bedaure, aber dieser Beruf passt nicht zu ihr. Sie wirkt in allem so genügsam und das ist eine Eigenschaft, die mMn. zu Managerinnen nicht passt.
Ja, schwierig zu sagen, muss ich mir noch überlegen.

Das goldene Gepurzel dieser Schildkröten war doch tatsächlich auch zum Höhepunkt seines Tages geworden, wie er sich eingestehen musste.
goldenes (?) Gepurzel ... hm. Meinst du „goldig“ im Sinne von „niedlich“, „putzig“. Ob golden da passt? "doch tatsächlich auch" - mind. eines der Füllwörter streichen.
Vorher verwende ich "goldgrün" und "leuchtende Haut", also in dem Sinn ist das zu verstehen, nicht im Sinn von "niedlich". Zwei Füllwörter sind gestrichen.

Die Gespräch-Passage, die du gerne streichen würdest, finde ich aber schon wichtig, damit man auch sieht, was das Nervende ist an der Beziehung, das musste hier einmal richtig gezeigt werden.

Dass er sauer auf sie bzw. ihr abgestorbenes Sexuallleben und seine beschissene Situation ist, ist nachvollziehbar, aber er scheint hier stark emotional aufgeladen, was er sonst im Text nicht ist. Daher würde ich überdenken, die Haha! und Ha! rauszunehmen / zu reduzieren und event. die Emotion etwas zurückzufahren.
Ich mag die Stelle, weil sie zeigt, wie er sie innerlich vom Podest stoßen will, weil sie ihn nicht mehr ranlässt und weil er unfrei ist in dieser Beziehung. Ich finde das Emotionale hier sogar sehr wichtig, um seine innere Anspannung zu zeigen.

als er sie hochhob und auf´s Bett legte. Sie erwachte nicht, nichts störte jemals ihre tiefe Ruhe.
Wie schön, dass Gitti so tief schlafen kann! Aber dass sie nix merkt, wenn man sie hochhebt (und vögelt) Nimmt sie Tabletten?
Da steht nix davon, dass er sie vögelt! ;)

Schön-traurig-fiese Geschichte, in der Sex eine große Rolle spielt (wie in den meisten deiner Stories). Großartig dieser lebensumspannende Bogen, die Abhängigkeiten, die Streitszenen! Über all die Jahrzehnte zu erzählen, was du von Anfang bis Ende durchgehalten hast, ist große Kunst. Chapeau! Sehr, sehr gern gelesen!
Das freut mich wirklich! Ich danke dir!

Hallo Chutney!

auch ich kenne schon einige deiner Texte und freue mich, dass du hier wieder im Forum auftauchst. Ein ganzes Beziehungsleben in einer Geschichte, wow. Besonders gut gefällt mir die Balance zwischen Erzähltem und Gezeigtem, beides in deinem besonderen Erzählton, lakonisch, gnadenlos aufdeckend und mit aufregenden Details. Die Protagonisten bleiben mir fremd, da ist viel Distanz zu den Figuren aber auch zwischen den Beiden. Momente der Wärme fallen richtig auf. Bis zu deinem wunderbaren Schlusssatz habe ich die Geschichte mit Spannung verfolgt. Ein paar sprachliche Kleinigkeiten sind mir aufgefallen.
Schön, dass ich auch bei dir in Erinnerung geblieben bin! Und schön, dass es dir so gut gefallen hat! :)

Das "strotzend" hab ich von Doderer geklaut, ich find das toll in Verbindung mit Brüsten, aber klar, das ist Geschmackssache.

Ein Schneidezahn stand etwas vor, sie konnte ihre Lippen daher nie ganz schließen. Als er sie viele Jahre später hasste, lachte er innerlich hämisch darüber, wenn sie beim Sprechen aufgrund dieser Fehlstellung spuckte. Niemals ekelte er sich jedoch vor ihr.
Wunderbar, wie du neugierig machst auf diese Beziehung. Auch, wie sich hier schon diese merkwürdige Mischung abzeichnet. Gehässigkeit, aber auch wieder etwas anderes.
Das hast du gut erkannt! Ja, irgendetwas lässt ihn bleiben, nicht nur ihre Erpressung. Ich wollte vielleicht auch die vielen Fäden zeigen, die sich zwischen Partnern spannen, die guten und die schlechten. Und ich habe versucht, bei aller Feindseligkeit zwischen den beiden, diesen letzten guten Faden nicht zu verlieren.

Mit dem Geld der Versicherung startete Armin neu durch. Aus der Bar wurde ein gediegenes Kaffeehaus, er löschte alle Telefonnummern seiner diversen Freundinnen, gab sich Mühe, wieder mit Gitti zu schlafen. Er vergaß das Gesicht der Nachbarin. Den Alkohol ersetzte er durch Sport.
Klingt nach einem ziemlich skrupellosen, unangenehmen Typ. Hier erfährt man noch nichts über ihre Reaktion auf das Ganze. Auch interessant, die Lücken, die du läßt.
Ja, es sind natürlich viele Lücken drin, sonst wär´s wohl ein Roman geworden.

Diese Geschichte spielt für mich am Rande der Glaubwürdigkeit und gleichzeitig finde ich es spannend so etwas zusammen zu denken. Dass ein Mann, der so gegangen ist, seine Frau hinterher ins Bett trägt.
Das war auch das Reizvolle für mich an der Geschichte, wie weit man eine Partnerschaft zwischen Liebe und Hass aufspannen kann.

An diesem Abend lag sie nicht auf der Couch, sondern saß steif auf einem der Stahlrohrhocker in der Küche.
"Ich muss dir was sagen!"
Sie wollte ihn verlassen, da war er sich sicher. Hoffnung und Angst keimten auf. Ihn schwindelte und er kletterte auf das andere Stahlungetüm, als ob es sein Pferd wäre. Desperado ... er würde über Zäune springen, besinnunglos leben und auf die Queen of hearts scheißen.
Das mit den Stahlrohrhockern finde ich klasse. Dieses Kalte, Fragile, wie du das weiter einsetzt, großartig
.
Freut mich, dass das bei dir funktioniert hat!

Sie nahm es hin, was den alten Ärger in ihm wieder aufkeimen ließ.
Also sein Haß auf sie hat etwas mit ihrer Abgeklärtheit, ihrer Überlegenheit zu tun. Ein Machtkampf? Läßt sie ihn fühlen, wie kindlich er ist? Oder kommt er nicht an sie heran? Ich rätsel immer noch, was die Feindschaft dieser Beziehung ausmacht.
Vielleicht hat sie ja recht und es ist einfach die Angst der Männer vor einer fixen Beziehung, die sie unfrei macht. ;)

Anfangs kam er jeden Tag zum Grab und bildete sich ein, dort einen leichten Honiggeruch wahrzunehmen.
Mit dem Honiggeruch, das ist mir hier ein bisschen zu poetisch. Eher könnte ich mir einen Hinweis darauf noch am Anfang vorstellen. Denn der Honiggeruch taucht, glaube ich, zum ersten Mal in der Stahlrohrhockerszene auf.
Hm, ja, aber ich wollte damit auch zeigen, wie weich er geworden ist. Aber ich überleg mir das noch.


Spannender Text, Andrea. Vielleicht kannst du mit dem einen oder anderen Gedanken etwas anfangen. Und es macht mir ja Hoffnung, dass noch nach so langer Zeit ein Copywrite auftauchen kann (Huhu ernst offshore!) Die Geschichte von Bas würde mich jetzt natürlich interessieren.
Ich kann sehr viel damit anfangen! Du hast sehr genau gelesen und es so verstanden, wie ich es gemeint hab. Die meisten deiner Verbesserungsvorschläge hab ich angenommen. Ich danke dir! :) Und ja, mach ernst offshore ein bisschen Feuer unterm Arsch! :D

Vielleicht erlaubt mir Bas ja, dass ich seinen Text hier als Kommentar einfüge, ich habe ihn noch.

Gruß
Andrea

 
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Liebe Andy,

ich war mal richtig platt, als ich gesehen hab, Du reichst echt noch das CW nach. Und nicht nur wegen der Copy, auch so, weil man mal wieder was von Dir zu lesen bekommt, oder ganz allgemein etwas von Dir hört. Was für eine Freude!
Dreifach gleich. Ach, so schön war es.

Ich finde es richtig gut gemacht, wie Du es schaffst, über einen solch langen Zeitraum zu erzählen, und man hat trotzdem am Ende das Gefühl, die Geschichte ist in sich geschlossen, und der tell-Anteil legte sich nicht träge aufs Gemüt, um den man ja bei einem solchen Vorhaben nicht herum kommt. Der Focus ist natürlich sehr konzentriert und Du ziehst das auch ganz konsequent bis zum Ende durch, das scheint mir fast die Lösung dafür zu sein, fast ein ganzes Leben in eine KG zu bekommen. Aber das Du Dein Handwerk beherrscht, darüber muss ich nicht reden.

Später dachte er oft darüber nach, was so besonders an ihr gewesen war. Nicht das wilde Durcheinander ihrer Haare, nicht die Allwissenheit in ihren Augen, nicht einmal das Strotzende ihrer Brüste. Er kam zu dem Schluss, dass ihn damals das Licht getrogen haben musste.

So geil! Weil man auch gleich weiß, wohin die Reise geht.

... er sah ihren ersten Makel: Ein Schneidezahn stand etwas vor, sie konnte ihre Lippen daher nie ganz schließen. Als er sie viele Jahre später hasste, lachte er innerlich hämisch darüber, wenn sie beim Sprechen aufgrund dieser Fehlstellung spuckte. Niemals ekelte er sich jedoch vor ihr.

Das ist auch so gut gemacht. Indem Du das 'nicht ekeln' hinterher schiebst, bleibt da doch ein kleiner Funken von Zuneigung übrig, der dann ja auch so ist. Der Satz ist wie Thomas Mann, in den ersten Absätzen steckt schon der komplette Romanverlauf. Du hast geklaut! :D

"Hast du auch gar nicht nötig, oder?" Ihre Direktheit oder vielmehr der Ernst, mit dem sie das sagte, ließ ihm keinen Ausweg, er verliebte sich.

Ja. Damit ist wohl alles gesagt. All das Ganze wieso, weshalb, warum. Man versteht, was er an ihr findet (oder besser früher an ihr fand). Das mein ich mit ganz konzentriertem Schreiben. Hier muss jeder Absatz eine geschlossen Lebensphase einfangen, zumindest mit Blick auf das Wesentliche für den weiteren Verlauf.

Dabei sah sie ihn weiter durchdringend an, er zweifelte kurz an ihrem Verstand, an seiner Wirkung auf Frauen, an der Hitze in seinem Bauch.

Hehe.

Bei sich nannte er sie Mädchenpäckchen, weil sie so klein, kompakt und handlich war.

Das ist so ein schöner roter Faden!

Er konnte sie hier und da hinlegen, sie öffnen und wieder verschnüren, sie ließ sich heben und schieben und stoßen.

Großartig. Der Satz ist wie die Frau: Klein und kompakt.

Eine betagte Nachbarin kam durch Rauchgasvergiftung ums Leben.

Du schenkst deinen Figuren auch echt nichts. Ein Drama reicht Dir nicht, zwei Dramen müssen es schon mindestens sein. Böse! Und so verdammt gut!

Mit dem Geld der Versicherung startete Armin neu durch. Aus der Bar wurde ein gediegenes Kaffeehaus, er löschte alle Telefonnummern seiner diversen Freundinnen, gab sich Mühe, wieder mit Gitti zu schlafen. Er vergaß das Gesicht der Nachbarin. Den Alkohol ersetzte er durch Sport. Sein Körper wurde ein straff gespannter Bogen, seine Seele ein abgeerntetes Feld, in dessen Furchen die Wintervögel ihre Schnäbel stießen.

Da hat sich aber jemand ordentlich selbst neu erfunden. Das war so ein Absatz, den ich nicht ganz so gelungen empfunden hab. Ich mein, es wird alles gesagt und man hat auch nicht den Raum in einer KG das wieso, weshalb, warum in aller Konsequenz aufzudröseln, die Motivation steckt irgendwo im vorherigen Absatz, aber dass das so glatt geht, so gar kein Laster übrig bleibt, das einfach so zu schlucken, fiel mir schon schwerer. Vielleicht, weil es so komplett von schwarz zu weiß war. Schwarz zu grau hätte mich mehr überzeugt.

Die Pracht des Lebens entfaltete sich nur noch in dem Terrarium, das Gitti eines Tages gekauft hatte.

Boah! Hammersatz.

Irgendwas wollte er ihr antun. Sie provozieren. Er trommelte auf die Scheibe des Terrariums. Das goldene Gepurzel dieser Schildkröten war auch zum Höhepunkt seines Tages geworden, wie er sich eingestehen musste.

Das auch. Was für eine Ansage. Was für ein cooles Bild.

Sie maßregelte ihn nur wie eine Lehrerin, die nachsichtig, aber bestimmt mit einem etwas ungehorsamen Schüler umging. Prinzipiell hatte ja immer sie recht. Prinzipiell geschah immer das, was sie wollte. Sie machte ihre Beine prinzipiell nicht mehr für ihn breit. Unterhalb des Nabels war er bereits tot und das mit 38! Er hatte ohnehin keine Lust mehr auf sie, sie war in Form und Größe kaum von den Kissen auf der Couch zu unterscheiden! Prinzipiell war sie scheißfett geworden! Ha! Und die Kissen würden sich beim Ficken stärker bewegen als sie! Ha!

Einfach nur :huldig: Ja, man kann seinen Frust auf sie schon verstehen. Und der Dialog danach spricht das auch noch mal so schön aus.

Er sah ihr Gesicht nicht, während sie ruhig weitersprach: "Falls du wirklich irgendwann abhaun solltest, zeig ich dich bei der Polizei an, das ist noch nicht verjährt!"

Was für ein herrlicher Rosenkrieg.

Das Cafe machte sie reich. Sie kauften sich ein Haus am Rande der Stadt mit einem großen Garten, aus dem Gitti ein Paradies machte.

Aber Gitti ist Managerin in einem großen, erfolgreichen Unternehmen. Ich hätte nicht gedacht, dass die jetzt erst Kohle haben. War echt irritiert.

Alles gedieh unter ihren Händen, über ihre Beziehung legte sich eine heitere Gleichgültigkeit, ab und zu schliefen sie sogar wieder miteinander, etwa so wie Äste im Wind klappern.

Dieses auf und ab, finden und entzweien, das hast Du so super Hinbekommen. Das dürfte auf die meisten Beziehungen zutreffen.

An diesem Abend lag sie nicht auf der Couch, sondern saß steif auf einem der Stahlrohrhocker in der Küche.
"Ich muss dir was sagen!"
Sie wollte ihn verlassen, da war er sich sicher. Hoffnung und Angst keimten auf. Ihn schwindelte und er kletterte auf das andere Stahlungetüm, als ob es sein Pferd wäre. Desperado ... er würde über Zäune springen, besinnungslos leben und auf die Queen of Hearts scheißen.
"Ich habe Krebs, Brustkrebs." Sofort begann sie zu weinen.

Das fühlt sich an, wie mit der Peitsche geschlagen. Echt. Die Zeilen tun fast körperlich weh.

Was sollte das jetzt? Warum hatte sie auf einmal Krebs? Er dachte an verfaulende, blau verschwollene Brüste, an haarlose Köpfe und mitfühlende Freundinnen, die ständig zu Besuch kämen. Ein Heer von weinenden Frauen! Mit rosa Maschen auf ihren eigenen tadellosen Brüsten! Das war einfach unfair! Er hatte Gitti all die Jahre ertragen und das war nun die Belohnung dafür? Er würde sich um sie kümmern müssen, es gab keinen Ausweg mehr, sein Leben war vorbei. Endgültig hatte sie ihn an der Leine. Er begann mit dem Hocker hin und her zu schaukeln.

Und gleich noch einen hinterher. Doppeldrama. Andy-Stil. Das guck ich mir jetzt von dir ab.

Ruhig stieg sie von ihrem Sitz, ihre Tränen waren versiegt, sie kam auf ihn zu, sie musste nicht viel machen, nur etwas gegen die Hockerbeine treten, und er lag auf dem Boden.

Und wieder mitten drin, Rosenkrieg, nächste Runde.

... etwas Betäubendes stieg von ihr auf ... ihr Geruch nach Milch und Honig. Wie hatte er nur auf diesen Geruch vergessen können? Ihr Leid und ihre Angst wurden sein Leid und seine Angst und ein einziges Mal schluchzte auch er auf.

Ich versteh was Du willst. Ging mir persönlich aber bisschen schnell. Hier hast Du Dir es ein bisschen sehr einfach gemacht. Man kennt das, dass ein Moment alles auf den Kopf stellen kann und Geruch ist sicher ein guter Auslöser, aber das die da gleich auch in ihren Ängsten verschmelzen, schwierig. Ich würde den Satz später (wenn überhaupt) einbringen.

Natürlich wurde nicht alles gut. Gitti verlor eine Brust. Für die verbliebene machte Armin ein Fest mit Schlagsahne und Erdbeeren, als sie vom Krankenhaus nach Hause kam. Sie fand das peinlich. Es gab auch wieder andere Frauen in Armins Leben, im Grunde wollte er jedoch nur seine neue Lust testen und zufrieden stellte er fest, dass es tatsächlich mit Gitti am meisten Spaß machte. Ihre allumfassende Gelassenheit und Besserwisserei regten ihn manchmal noch immer auf, aber sie blieben einander zugewandt. Sie konnten nur gut einschlafen, wenn sie irgendeine Stelle am Körper des anderen berührten.
Gitti ruhte wie ein Buddha in sich und wurde noch runder. Nach fünf Jahren kehrte der Krebs zurück. Sie nahm es hin, was den alten Ärger in ihm wieder aufkeimen ließ. Er hatte sich aber so weit im Griff, dass er in ihren letzten Tagen nicht mehr gemein zu Gitti war. Stattdessen rupfte er zu Hause ihre geliebten Pflanzen aus und hackte in der Erde herum. Es half alles nichts, sie starb.

Das liest sich bisschen Märchenlike. Passt nicht zum vorherigen Ton. So gar nicht. Liest sich eher so, als wenn Du es endlich hinter Dich bringen wolltest.

Aber ab davon, finde ich die Geschichte ganz, ganz groß. Du solltest viel mehr schreiben. Aber das rede ich ja schon seit Jahren.

Ich wünsche Dir was fürs Jahr, nur das Beste natürlich, und das in allen Facetten!

Liebsten Gruß, Fliege

 

Nach einem Wort des Theatermannes Michael Thalheimer, ist Liebe launisch und einzig ihr Wandel beständig. Niemand kann sicher sein, dass sie lange dauert. Da hilft es nicht, sie in einem Schloss zu halten oder in einen Käfig zu sperren, sie konservieren zu wollen bedeutet ihr Ende, denn allemal ist das Eingrenzende vergeblich und der größte Feind der Liebe ist der Zwang und erste recht die bürgerliche Eigentumsordnung. Über die Geschichte - Du weißt ja, dass ich nicht nacherzähle, die Geschichte will ja gelesen und nicht nacherzählt werden, zudem wird ein Therapeut wie Wolfgang Schmidbauer bessere Ergebnisse in der Deutung erzielen als ein grober Klotz wie ich,

liebe Andrea.

Meinem Wesen nach kommt mir das Ende geradezu alttestamentarisch daher, wenn's heißt

Wie hatte er nur auf diesen Geruch vergessen können? Ihr Leid und ihre Angst wurden sein Leid und seine Angst und ein einziges Mal schluchzte auch er auf. Und endlich erkannte er sie.
(Wo heute Romane drüber geschrieben werden bemerkt die Bibel ohne allen Voyeurismus "und er erkannte sein Weib", was schon mit Adam beginnt - sollte aber keiner vergessen, vor Eva gab's Lilith, die von den Machern des AT des Paradieses verwiesen wird, weil sie dem Manne weniger eine Rippe und bloße Hilfe als gleichberechtigt war. Solle sich niemand paradiesische Zeiten wünschen!).

Und der Schluss hat es in seiner alttestamentarischen Kürze in sich:

... und bereitete sich auf das Alter vor.
So mag ich es!

Trivialeres

Du hängst sehr an der Schulgrammatik, was ja nicht falsch sein kann, aber doch sehr umständlich und zu Anfang geradezu ins Auge springt

Als er gerade achtzehn geworden war, ging er mit Freunden in einen neuen Klub am Rande der Stadt. Später dachte er oft darüber nach, was so besonders an ihr gewesen war.
... geworden war, .. was so besonders an ihr gewesen war.
Da Nachdenken ließe sich gefahrlos in den Konjunktiv verpacken "was so besonders an ihr gewesen sei" etwa, wenn er Zweifel an der Erinnerung hat, wäre sogar der Konj. II jenseits aller korrekten Zeitenfolgen zu vertreten

Bei sich nannte er sie Mädchenpäckchen, weil ...
Hm, hier bezweifel ich, dass die Präposition "bei" passe, meint es doch, Nähe zu jemand/etwas anzugeben (etwa eine lose Berührung des andern), "für" wäre m. E. sinnvoller zur sehr privaten Angabe eines Vergleichs.

Kleine Flüchtigkeiten,

hier wird's auslaufende Gänsefüßchen vergessen

“Im Prinzip ist es ja so, dass ... Wie gesetzt sie das immer sagte!
... tapsten über den Laminat.
"über das L."
Langsam begann Armin[,] sich auszuziehen, die ...
(Infinitivgruppe ist von Substantiv (Armin) bzw. dessen Sellvertreters "sich" abhängig

wieder miteinander, etwa so[,] wie Äste im Wind klappern. Sie küssten und umarmten sich nur selten. Mit Mitte vierzig begannen sie[,] in einen Swingerklub zu gehen, dort ...

(Klappern Äste im Wind? Wenn sie brechen knackts an sich und wenn sie im Winde sich wiegen hört man doch auch nix klappern, wohl aber die Mühle am rauschenden Bach und Zähneklappern gints auch noch ...)

Kurze Zeit war sie benommen, dann begann sie[,] ihn zu treten, gegen ...

"AAAhhh", machte Gitti, ...
Wie sieht dieses "ah" lautschriftlich aus, mutmaßlich [a:], wie jedes schlichte "Ah" - und warum "macht" es Gitti. Ruft sie es nicht aus?

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch ein gutes 2018 wünscht, bevor's wieder rum ist!

 
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Ob nun das

Das Halbe und das Ganze
oder das Anderthalbe,

liebe Andrea,

Literatur ist genauso ein seltsames Spiel wie die Liebe, die schon von Connie Francis besungen wurde. eigentlich eine Jazzsängerin, die aber auch schon mal was verdienen wollte und es mit der Binsenwahrheit schaffte, denn die Liebe geht von einem zum andern und wird im schlimmsten Falle zum Wanderpokal degradiert und von ihrer Bedeutung her auf den Kopf gestellt - und das wird sie ja in deiner Geschichte nicht.

Ich noch ma' - denn eigentlich juckte es mich schon gestern in den Fingern zu dieser Passage

"Ich bin Gitti." Zögernd sah sie ihm dabei in die Augen.
"Hey, ich hab keine K.O-Tropfen hier drin!" Er grinste und schwenkte seine Flasche.
"Hast du auch gar nicht nötig, oder?" Ihre Direktheit oder vielmehr der Ernst, mit dem sie das sagte, ließ ihm keinen Ausweg, er verliebte sich.
"Sag mir doch auch mal deinen Namen ... oder warte, ich errate den auch so. Hm, Waldemar oder Othmar oder ... oder Rainer-Maria? Du siehst nach irgendeinem `Mar´ aus!" Dabei sah sie ihn weiter durchdringend an, er zweifelte kurz an ihrem Verstand, an seiner Wirkung auf Frauen, an der Hitze in seinem Bauch.
„Armin“, sagte er. Sie begann zu lachen.

Bei sich nannte er sie Mädchenpäckchen, weil ...


zu würdigen - aber da hielt es mich scheues Rehlein zurück, einen Teelöffel Ironie dem eher ernsten Thema beizugeben. Aber durch die bezaubernde Bea Milana daran erinnert ... erkenn ich Ironie als Mittel der Selbstverteidigung, denn was bei "Gitti" einfach erscheint, wird für das Spiel "...mar" (als Anfangssilbe kämen nur lateinische Nahmen hervor - Makus, Martin z. B.), als germanistische Silbe kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus.

"Briganti" - eine altirische Lichtgottheit und der Name lebt fort in der heiligen Brighild, ob als Brigitte oder Birgit. Geradezu poetisch (und auch jüngst schon in einem Märchen Isegrims untergebracht) Margaret(h)e, margarites, die Perle. Im Persischen käme das Wort wieder zurück zu den Lichtgottheiten, wird die Perle mit dem Tautropfen verglichen, der sich mit dem Licht verändert - also im Sonnenlicht anders wirkt als im Mondenschein ... Wenn das kein Ansatz zur Romantik ist - was sonst?

Vom Arminius weiß man nur so viel, dass er Cherusker und Geisel (zur Sicherung eines Friedensvertrages wurden Kinder der je Herrschenden als Geisel an den Vertragspartner gegeben, die nun keineswegs Trübsal, sondern ein durchaus komfortables Leben beim Geiselnehmer führen konnten. Arminius wird also eine hervorragende Bildung und Ausbildung genossen haben) der Römer war. Von seinem römischen Namen her könnte er in Armenien stationiert gewesen sein - womit wir wieder in die Nähe der Perser wären -, bevor er als Kenner und Muttersprachler germanistischer Zunge am Niederrhein stationiert wurde).

Eine bestimmte Richtung der Geschichtsschreibung leitet den Namen von irmin/ermin (= groß, gewaltig, stark) ab, der in der berühmten Irminsäule weiterlebte, bis der große Karl (oder doch der unbewaffete Bonifatius und dann doch mit einer Axt hantierende?, da gibt's diverse fromme Legenden) eigenhändig auf sächsischem Gebiet fällte, ohne dass Donar/Thor mit dem Hammer zugeschlagen hätte... und schon blühte die Nächstenliebe, als noch an einem Tage 3.000 sächsische Köpfe rollten ... Eher weniger Legende als der rüde Umgang im 8. Jh.

Kurios, wenn man nur die ahd. Silbe "mar" nimmt, die einfach nur das heutige Adjektiv "lang" bedeutet, mit einer weiblichen Endung aber als "mara" zum "Mahr", also auch "Nachtmahr" (s. auch andere germanistische Zungen wie beim nightmare) - Armin ein umgelautetes Nachtgespenst!
(Köbler, ahd. Wörterbuch)

Tschüss

Friedel

 

Hallo Frollein Y.!

ich war mal richtig platt, als ich gesehen hab, Du reichst echt noch das CW nach. Und nicht nur wegen der Copy, auch so, weil man mal wieder was von Dir zu lesen bekommt, oder ganz allgemein etwas von Dir hört. Was für eine Freude!
Dreifach gleich. Ach, so schön war es.
Ich wiederhole mich: Du bist lieb! :)

Ich finde es richtig gut gemacht, wie Du es schaffst, über einen solch langen Zeitraum zu erzählen, und man hat trotzdem am Ende das Gefühl, die Geschichte ist in sich geschlossen, und der tell-Anteil legte sich nicht träge aufs Gemüt, um den man ja bei einem solchen Vorhaben nicht herum kommt.
Puuh, das ist mir sehr wichtig, dass das funktioniert! Mir kommt diese Tell-Abneigung zunehmend eigenartig vor - gute Romane sind voll davon.
Der Satz ist wie Thomas Mann, in den ersten Absätzen steckt schon der komplette Romanverlauf. Du hast geklaut!
oh, Thomas Mann!
Das mein ich mit ganz konzentriertem Schreiben. Hier muss jeder Absatz eine geschlossen Lebensphase einfangen, zumindest mit Blick auf das Wesentliche für den weiteren Verlauf.
Ja, ich glaube, viele Autoren haben aus den Augen verloren, was "episch" eigentlich bedeutet: Nämlich das Ganze aus der Distanz im Auge zu haben. Heutzutage scheint mir, dass literarische Texte oft den Film nachmachen und glauben, ganz unmittelbar sein zu müssen. Aber Sprache kann das gar nicht so gut leisten, weil sie "langsam" ist und reihend.

Eine betagte Nachbarin kam durch Rauchgasvergiftung ums Leben. Du schenkst deinen Figuren auch echt nichts. Ein Drama reicht Dir nicht, zwei Dramen müssen es schon mindestens sein. Böse! Und so verdammt gut!
Ja, ich bin eine verkappte Dramaqueen, kann es aber nur beim Schreiben rauslassen!

Mit dem Geld der Versicherung startete Armin neu durch. Aus der Bar wurde ein gediegenes Kaffeehaus, er löschte alle Telefonnummern seiner diversen Freundinnen, gab sich Mühe, wieder mit Gitti zu schlafen. Er vergaß das Gesicht der Nachbarin. Den Alkohol ersetzte er durch Sport. Sein Körper wurde ein straff gespannter Bogen, seine Seele ein abgeerntetes Feld, in dessen Furchen die Wintervögel ihre Schnäbel stießen.
Da hat sich aber jemand ordentlich selbst neu erfunden. Das war so ein Absatz, den ich nicht ganz so gelungen empfunden hab. Ich mein, es wird alles gesagt und man hat auch nicht den Raum in einer KG das wieso, weshalb, warum in aller Konsequenz aufzudröseln, die Motivation steckt irgendwo im vorherigen Absatz, aber dass das so glatt geht, so gar kein Laster übrig bleibt, das einfach so zu schlucken, fiel mir schon schwerer. Vielleicht, weil es so komplett von schwarz zu weiß war. Schwarz zu grau hätte mich mehr überzeugt.
Ich hoffte, durch den letzten Satz wird diese Wandlung relativiert, hm, muss ich mir noch überlegen.

Sie maßregelte ihn nur wie eine Lehrerin, die nachsichtig, aber bestimmt mit einem etwas ungehorsamen Schüler umging. Prinzipiell hatte ja immer sie recht. Prinzipiell geschah immer das, was sie wollte. Sie machte ihre Beine prinzipiell nicht mehr für ihn breit. Unterhalb des Nabels war er bereits tot und das mit 38! Er hatte ohnehin keine Lust mehr auf sie, sie war in Form und Größe kaum von den Kissen auf der Couch zu unterscheiden! Prinzipiell war sie scheißfett geworden! Ha! Und die Kissen würden sich beim Ficken stärker bewegen als sie! Ha!
Einfach nur Ja, man kann seinen Frust auf sie schon verstehen. Und der Dialog danach spricht das auch noch mal so schön aus.
Schön, dass diese Stelle für dich gut funktioniert!

Das Cafe machte sie reich. Sie kauften sich ein Haus am Rande der Stadt mit einem großen Garten, aus dem Gitti ein Paradies machte.
Aber Gitti ist Managerin in einem großen, erfolgreichen Unternehmen. Ich hätte nicht gedacht, dass die jetzt erst Kohle haben. War echt irritiert.
Ich glaub, ich mach jetzt was anderes aus der, ist ja kein Ding.

Und wieder mitten drin, Rosenkrieg, nächste Runde.
Vielleicht ist ja auch so, dass er genau das erreichen wollte irgendwie, dass sie endlich mal Emotionen oder Temperament zeigt. Vielleicht ist es auch das, was ihn anturnt in dieser Szene.

... etwas Betäubendes stieg von ihr auf ... ihr Geruch nach Milch und Honig. Wie hatte er nur auf diesen Geruch vergessen können? Ihr Leid und ihre Angst wurden sein Leid und seine Angst und ein einziges Mal schluchzte auch er auf.
Ich versteh was Du willst. Ging mir persönlich aber bisschen schnell. Hier hast Du Dir es ein bisschen sehr einfach gemacht. Man kennt das, dass ein Moment alles auf den Kopf stellen kann und Geruch ist sicher ein guter Auslöser, aber das die da gleich auch in ihren Ängsten verschmelzen, schwierig. Ich würde den Satz später (wenn überhaupt) einbringen.
Ja, das ist bisschen dick, ich werde das ändern.

Das liest sich bisschen Märchenlike. Passt nicht zum vorherigen Ton. So gar nicht. Liest sich eher so, als wenn Du es endlich hinter Dich bringen wolltest.
Es musste ja jetzt auf die Höhepunktszene wieder ein Tell-Teil folgen. Der ist mir echt schwer gefallen. Und ich hab mir alle Mühe gegeben, dass man sieht, dass die wieder als Paar zusammengekommen sind, aber dass eben nicht alles eitel Wonne ist. Da muss ich auch drüber nachdenken. :)

Aber ab davon, finde ich die Geschichte ganz, ganz groß. Du solltest viel mehr schreiben. Aber das rede ich ja schon seit Jahren.
Mach nur weiter so! :)

Ich wünsche Dir was fürs Jahr, nur das Beste natürlich, und das in allen Facetten!
Ich wünsche dir auch ein tolles Jahr - und wahrscheinlich sehen wir uns sogar in Frankfurt! ;)


Hallo Friedrichard!

Ach ja, ich vergaß, dass das mit dem "erkennen" aus der Bibel kommt, danke für den Hinweis!

... geworden war, .. was so besonders an ihr gewesen war. Da Nachdenken ließe sich gefahrlos in den Konjunktiv verpacken "was so besonders an ihr gewesen sei" etwa, wenn er Zweifel an der Erinnerung hat, wäre sogar der Konj. II jenseits aller korrekten Zeitenfolgen zu vertreten
Auf keinen Fall! Das würde mich sehr stören!
Bei sich nannte er sie Mädchenpäckchen, weil ... Hm, hier bezweifel ich, dass die Präposition "bei" passe, meint es doch, Nähe zu jemand/etwas anzugeben (etwa eine lose Berührung des andern), "für" wäre m. E. sinnvoller zur sehr privaten Angabe eines Vergleichs.
Das bleibt auch! ;)

Langsam begann Armin[,] sich auszuziehen, die ... (Infinitivgruppe ist von Substantiv (Armin) bzw. dessen Sellvertreters "sich" abhängig
Hier muss man kein Komma machen.
wieder miteinander, etwa so[,] wie Äste im Wind klappern. Sie küssten und umarmten sich nur selten. Mit Mitte vierzig begannen sie[,] in einen Swingerklub zu gehen, dort ... (Klappern Äste im Wind? Wenn sie brechen knackts an sich und wenn sie im Winde sich wiegen hört man doch auch nix klappern, wohl aber die Mühle am rauschenden Bach und Zähneklappern gints auch noch ...)
Natürlich klappern Äste, wenn sie bei Wind aneinander stoßen. Holzschwerter z.B. können durchaus auch klappern und die Mühle klappert auch, weil sie eben aus Holz ist.

"AAAhhh", machte Gitti, ... Wie sieht dieses "ah" lautschriftlich aus, mutmaßlich [a:], wie jedes schlichte "Ah" - und warum "macht" es Gitti. Ruft sie es nicht aus?
Ich mag "machen"!


Bei sich nannte er sie Mädchenpäckchen, weil ... zu würdigen - aber da hielt es mich scheues Rehlein zurück, einen Teelöffel Ironie dem eher ernsten Thema beizugeben. Aber durch die bezaubernde @Bea Milana daran erinnert ... erkenn ich Ironie als Mittel der Selbstverteidigung, denn was bei "Gitti" einfach erscheint, wird für das Spiel "...mar" (als Anfangssilbe kämen nur lateinische Nahmen hervor - Makus, Martin z. B.), als germanistische Silbe kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus.

"Briganti" - eine altirische Lichtgottheit und der Name lebt fort in der heiligen Brighild, ob als Brigitte oder Birgit. Geradezu poetisch (und auch jüngst schon in einem Märchen @Isegrims untergebracht) Margaret(h)e, margarites, die Perle. Im Persischen käme das Wort wieder zurück zu den Lichtgottheiten, wird die Perle mit dem Tautropfen verglichen, der sich mit dem Licht verändert - also im Sonnenlicht anders wirkt als im Mondenschein ... Wenn das kein Ansatz zur Romantik ist - was sonst?

Vom Arminius weiß man nur so viel, dass er Cherusker und Geisel (zur Sicherung eines Friedensvertrages wurden Kinder der je Herrschenden als Geisel an den Vertragspartner gegeben, die nun keineswegs Trübsal, sondern ein durchaus komfortables Leben beim Geiselnehmer führen konnten. Arminius wird also eine hervorragende Bildung und Ausbildung genossen haben) der Römer war. Von seinem römischen Namen her könnte er in Armenien stationiert gewesen sein - womit wir wieder in die Nähe der Perser wären -, bevor er als Kenner und Muttersprachler germanistischer Zunge am Niederrhein stationiert wurde).

Eine bestimmte Richtung der Geschichtsschreibung leitet den Namen von irmin/ermin (= groß, gewaltig, stark) ab, der in der berühmten Irminsäule weiterlebte, bis der große Karl (oder doch der unbewaffete Bonifatius und dann doch mit einer Axt hantierende?, da gibt's diverse fromme Legenden) eigenhändig auf sächsischem Gebiet fällte, ohne dass Donar/Thor mit dem Hammer zugeschlagen hätte... und schon blühte die Nächstenliebe, als noch an einem Tage 3.000 sächsische Köpfe rollten ... Eher weniger Legende als der rüde Umgang im 8. Jh.

Kurios, wenn man nur die ahd. Silbe "mar" nimmt, die einfach nur das heutige Adjektiv "lang" bedeutet, mit einer weiblichen Endung aber als "mara" zum "Mahr", also auch "Nachtmahr" (s. auch andere germanistische Zungen wie beim nightmare) - Armin ein umgelautetes Nachtgespenst!
(Köbler, ahd. Wörterbuch)

Ja, das fließt alles in meine Geschichte ein, ist doch nahe liegend! ;)


Gern gelesen vom

Friedel,
der noch ein gutes 2018 wünscht, bevor's wieder rum ist!

Danke dir! Schön, dass du noch der Alte bist! :) Ich wünsch dir auch ein schönes Neues Jahr!

Nochmals Bea:

Betrifft die Wortspielerei mit seinem Namen "mar" = Armin auch ihren, Gitti = igitt?
Nein, daran hab ich überhaupt nicht gedacht. Aber gut, dass dir Geschichte noch im Kopf rumgeht. :)

Ich danke euch allen fürs Lesen und Kommentieren!

 

Ja, das fließt alles in meine Geschichte ein, ist doch nahe liegend!

Weiß ich Alter doch,

liebe Andrea,

und recht hastu . niemand muss müssen, außer ... Wozu hätt' denn jeder seinen eigenen Kopf? Ich hab meinen nicht zum Haare schneiden!

Tschüss

Friedel

 

Frollein

Wie ich es vermisst hab :)

Es musste ja jetzt auf die Höhepunktszene wieder ein Tell-Teil folgen. Der ist mir echt schwer gefallen. Und ich hab mir alle Mühe gegeben, dass man sieht, dass die wieder als Paar zusammengekommen sind, aber dass eben nicht alles eitel Wonne ist. Da muss ich auch drüber nachdenken. :)

Ich sage auch nicht inhaltlich. Der Sound ist komisch. Das klingt so "serviert", weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Nach, noch schnell den Schluß schreiben - irgendwie.

... und wahrscheinlich sehen wir uns sogar in Frankfurt!

:confused: Ich fahre doch gar nicht ... Mach mich ruhig noch trauriger!

 

Hier der Text der Originalgeschichte:

»Was ist denn mit der Schildkröte los? Die bewegt sich ja kaum vom Fleck.«
»Wozu auch?«
Wahrscheinlich hat sie recht, und die Art, wie sie es sagt, während sie da sitzt, einen Roman von Hamsun in der Hand, zeigt mir wieder deutlich, dass wir nicht an diesen Ort gehören. Ich klopfe an die Scheibe vom Terrarium.
»Lass das!«, sagt sie nur.
Ich schlurfe durch den Flur in die dunkle Küche und lasse etwas Wasser aus dem Hahn in mein Glas laufen. Hier bin ich also, blicke aus dem Fenster über die Dächer der Stadt und wundere mich, wann wir so geworden sind. Das Wasser ist eine lauwarme Brühe, es kostet mich Überwindung, es überhaupt zu schlucken. Im Haus gegenüber steht jemand auf dem Balkon und raucht, für einen kurzen Moment flammt sein Gesicht orangerot auf, bevor es wieder in der Dunkelheit verschwindet.
Ich muss hier raus, irgendwas tun, also schlüpfe ich in die ausgetretenen Turnschuhe und ziehe die Winterjacke an. Es ist Januar, auch wenn die Fliegen, die wild poppend durch unsere Bude fliegen, ein anderes Bild vermitteln.
»Was hast du denn vor?«
Ich hab schon gar nicht mehr an sie gedacht. Sie sitzt noch immer auf dem braunen Sofa, den Zeigefinger als Lesezeichen zwischen die Seiten des Buches gelegt, und blickt mich ungläubig an.
»Nur schnell Kippen holen.«

Draußen ist es eisig kalt, doch es tut gut, wieder durchatmen zu können. Ziellos schlendere ich durch die ausgestorbenen Straßen. Ich ziehe mir eine Schachtel Zigaretten aus dem Automaten, schnipse die halbaufgerauchte Kippe dann aber in den Rinnstein, wo sie Funken schlägt, und vergrabe meine durchgefrorene Hand wieder in der warmen Jacke. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal wirklich glücklich war. Wann ich überhaupt etwas gefühlt habe. Ich beneide die traurigen Menschen.

Ich komme an den Fluss und setze mich auf die Stufen. Vor ein paar Sommern saßen wir hier jeden Tag, tranken Bier aus Plastikflaschen und rauchten selbstgedrehte Zigaretten. Niemand konnte uns etwas anhaben. Stundenlang saßen wir einfach nur da und beobachteten die Menschen und Tiere, die vorbeikamen. Keine Sekunde dachten wir an den Ärger, der uns daheim und in der Schule erwartete.
Wann habe ich eigentlich angefangen, Erlebtes in Jahreszeiten einzuteilen? »Ein paar Sommer« … Ich könnte nicht mal mit Bestimmtheit sagen, ob das alles zwei oder zehn Jahre her war. Wie sollte das erst werden, wenn ich ein alter Mann bin? Der Gedanke an eine grauhaarige Version von mir hatte schon immer etwas Absurdes, als Kind war ich der festen Überzeugung, niemals alt zu werden. Niemals erwachsen zu werden.

In der Ferne rauscht die Straßenbahn über die Brücke. Ich zünde mir noch eine Zigarette an, die Giftmischung knistert verheißungsvoll in der Nachtluft, der Rauch kräuselt sich in feinen Fäden an meinen Fingern entlang. Es ist beinahe windstill. Solche Kleinigkeiten brannten sich schon immer tief in mein Gedächtnis, während ich mir die wirklich wichtigen Dinge im Leben die merken konnte. Nie merken wollte. Ich wollte immer nur schreiben. Nie fand ich die Kraft dazu.

Während ich so dasitze und an der Kippe ziehe, kommt mir eine Geschichte in den Sinn, die ich mal gelesen habe. Sie handelte von einem Schriftsteller, der den Mantel seinen Bruders verpfändet hat, um mit dem Geld Karten zu spielen und auf Pferde zu wetten. Sein Bruder hat ihn verprügelt, als er es herausfand. Jede Nacht zog der Schriftsteller los, um das Geld reinzubekommen, den Mantel zurückkaufen zu können, und immer, wenn er das Geld zusammenhatte, spielte er noch ein Spiel oder setzte auf noch ein Pferd und stand am Morgen wieder mit leeren Taschen da und wurde von seinem Bruder verprügelt. Eines Tages kreuzte der Bruder mit einem neuen Mantel auf und fragte den Schriftsteller, ob er heute etwas geschrieben hatte. Wenn du Schriftsteller bist, musst du schreiben, sagte er. Die Sache mit dem Mantel erwähnte er nie wieder. Ich möchte auch solche Geschichten schreiben können, aber ich bin gelähmt. Ich bin müde.

Der Nachthimmel ist jetzt zweigeteilt, eine dichte, schwarze Wolkendecke hat sich bedrohlich über die Sterne gelegt. Im orangeroten Laternenlicht schweben erste feine Schneeflocken, überall sonst sind sie noch unsichtbar. Ich stehe auf und machte mich auf den Heimweg.

Sie liegt auf der Couch, den Mund leicht geöffnet, die Arme und Beine in alle Himmelsrichtungen von ihr gestreckt. So schläft sie immer, wälzt sich wie Ringkämpfer im Bett herum, bevor sie in einen komatösen Schlaf fällt. Auf dem Boden liegt das Buch, das sie gelesen hatte. Hunger von Hamsun. Ich decke sie zu und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn.

Und jetzt liege ich mit hinterm Kopf verschränkten Armen im Bett, höre ihr sanftes Atmen im Zimmer nebenan und das Knacken der Heizungsrohre in der Wand.
Morgen früh werde ich anfangen zu schreiben. Wenn ich es schaffe.

 
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Hey Andrea

Mir kommt diese Tell-Abneigung zunehmend eigenartig vor - gute Romane sind voll davon.

Ich verstehe, was du meinst, möchte dazu aber noch etwas Senf abgeben, weil ich mich angesprochen fühle.
Roman oder Kurzgeschichte macht erstens schon einen Unterschied. Ich führe das jetzt nicht weiter aus.
Zweitens würde ich unterschieden zwischen einem Tell, das längere Zeiträume zusammenfasst, und einem anderen, weniger günstigen Tell. In deinem Text zum Beispiel ist ja das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit sehr krass. In solchen Kontexten habe ich überhaupt kein Problem mit Tell. Im Gegenteil, ich lese das sogar sehr gerne, wie zum Beispiel folgende Passagen.

Mit der Zeit langweilte ihn diese passive Bereitwilligkeit aber, er begann sich heimlich mit großen, schlanken Frauen zu treffen, die es verstanden, sich im Bett elegant zu bewegen.

Das Café machte sie reich. Sie kauften sich ein Haus am Rande der Stadt mit einem großen Garten, aus dem Gitti ein Paradies machte. Alles gedieh unter ihren Händen, über ihre Beziehung legte sich eine heitere Gleichgültigkeit, ab und zu schliefen sie sogar wieder miteinander, etwa so wie Äste im Wind klappern. Sie küssten und umarmten sich nur selten. Mit Mitte vierzig begannen sie in einen Swingerklub zu gehen, dort masturbierten sie beide für sich, während sie andere Pärchen beobachteten, zu Hause nahm Armin sie dann härter als sonst, würgte sie auch manchmal ein wenig, bis sie kam. Für kurze Zeit hatte Gitti einen Liebhaber, den sie im Klub kennen gelernt hatte, Armin ahnte es, aber es machte ihm nichts aus. Wenn er später an diese Zeit zurückdachte, glaubte er, sich an einen Film zu erinnern, den er zu oft gesehen hatte.

Ich könnte da noch viel mehr zitieren, dein Text ist voll von diesen gelungenen Passagen.

Etwas anderes ist es, wenn ein Text / ein Abschnitt grundsätzlich szenisch angelegt ist, kleinere Zeiträume abhandelt, mit Dialog und Gesten arbeitet. In solchen Kontext empfinde ich Tell dann als störend. Das kommt in deinem Text kaum vor, aber die zwei Passagen habe ich gefunden:

Als er sie viele Jahre später hasste, lachte er innerlich hämisch darüber, wenn sie beim Sprechen aufgrund dieser Fehlstellung spuckte.

An diesem Abend stellte sich Armin absichtlich so, dass Gitti die Tiere nicht mehr sehen konnte. Irgendwas wollte er ihr antun. Sie provozieren.

Da fungiert das Tell nicht als Zusammenfassung, sondern hat viel stärker erklärenden Charakter. Das schliesst für mich die Räume, statt sie zu öffnen. „Hämisch“ ist ein Prädikat, das ich dem Armin zuschreiben und nicht serviert bekommen möchte.

Allerdings gibt es da noch einen Satz in deinem Text, der innerhalb einer Szene steht und auf den ersten Blick in die zweite Kategorie gehört.

Hoffnung und Angst keimten auf.

Ein Sonderfall. Wenn nur Hoffnung aufkeimen würde, oder nur Angst, fände ich den Satz ziemlich lasch. Hier aber beides, knapp einander gegenüber gestellt. Könnte man ja im Show gar nicht machen, oder bräuchte viel Zeit. Ich finde den Satz toll.

Also, du merkst, mir hat die Art, wie du erzählst, sehr gefallen, obwohl ich selbst den Tell-Anteil in meinen Texten klein zu halten versuche (auch im Roman).

Jetzt aber zum Text. Zunächst Kleinscheiss, danach ein kurzes Fazit.

Nicht das wilde Durcheinander ihrer Haare, nicht die Allwissenheit in ihren Augen, nicht einmal das Strotzende ihrer Brüste.

Etwas too much, für mich.

Er kam zu dem Schluss, dass ihn damals das Licht getrogen haben musste.

Kann weg.

Hier drinnen war an eine Unterhaltung nicht zu denken.

Kann weg. Sollte m.E. sogar weg, weil du hier relativ distanziert erzählst, nicht so sehr aus Armins Perspektive.

Draußen bot er ihr sein Bier an, sie lehnte ab, er sah ihren ersten Makel: Ein Schneidezahn stand etwas vor, sie konnte ihre Lippen daher nie ganz schließen. Als er sie viele Jahre später hasste, lachte er innerlich hämisch darüber, wenn sie beim Sprechen aufgrund dieser Fehlstellung spuckte. Niemals ekelte er sich jedoch vor ihr.

Zweimal kausale Erklärungen. Beide kann man streichen, denn der Leser stellt den Zusammenhang selbst her. Das „daher“ hat mich allerdings nicht gestört, das „aufgrund dieser Fehlstellung“ dafür umso mehr.

Zögernd sah sie ihm dabei in die Augen.

Kann weg.

Ihre Direktheit oder vielmehr der Ernst, mit dem sie das sagte, ließ ihm keinen Ausweg, er verliebte sich.

Direktheit gehört m.E. wieder zur Kategorie weniger gutes Tell. Auch dieses Rumeiern, x oder vielleicht doch eher vielmehr y, gefällt mir nicht so. Ist aber sicher Geschmackssache. Auf alle Fälle fände ich: „Der Ernst, mit dem sie das sagte, liess ihm keinen Ausweg, er verliebte sich.“ viel knackiger, zumal das eine wirklich grossartige Aussage ist, ich musste echt lachen, das ist so bitterböse.

„Armin“, sagte er.

Sehr schön, wir haben eine Übereinstimmung, MAR kommt vor, aber verkehrt, so wie ihre ganze Beziehung irgendwie passt aber auch verkehrt ist.

Sie begann zu lachen.

Ich finde, man braucht man immer einen guten Grund, jemanden eine Handlung beginnen, statt ihn einfach handeln zu lassen, und den sehe ich hier nicht. Sie lachte.

Er konnte sie hier und da hinlegen, sie öffnen und wieder verschnüren, sie ließ sich heben und schieben und stoßen.

Eine tolle Passage, das ist sehr originell, aber auch stimmig. Klasse!

Sie studierte Wirtschaft und machte anschließend Karriere als Managerin in einem großen Unternehmen

Kann weg.

Als er knapp vor dem Konkurs stand, half ihm ein Kellner dabei, die Bar so geschickt in Brand zu setzen, dass weder die Feuerwehr noch die Versicherung Brandlegung vermutete. Sie gingen davon aus, dass ein später Gast eine Zigarette unsachgemäß weggeworfen und so einen Schwelbrand verursacht hatte, der erst in der Nacht voll ausgebrochen war. Eine betagte Nachbarin kam durch Rauchgasvergiftung ums Leben.

Ich finde, das Fettmarkierte trägt nichts zur Geschichte bei. Genau so stelle ich mir das nämlich vor. Ich finde die Passage insgesamt sehr schön, gerafft, aber man kriegt dennoch eine gute Vorstellung. Da passt diese Detailaussage, die wie gesagt nicht sehr grossen Informationsgehalt aufweist, nicht so.

. Aus der Bar wurde ein gediegenes Kaffeehaus, er löschte alleTelefonnummern seiner diversen Freundinnen

Ich würde hier „die“ schreiben. Mein Sprachgefühl lässt mich bei deiner Formulierung nämlich annehmen, jede der Freudinnen habe mehrere Nummern.

Sein Körper wurde ein straff gespannter Bogen, seine Seele ein abgeerntetes Feld, in dessen Furchen die Wintervögel ihre Schnäbel stießen.

Schön!

Er vergaß das Gesicht der Nachbarin.

Ebenfalls gut gemacht. Ein kurzer Satz, der viel auftut. Man hätte hier vier Sätze lang von Alpträumen schreiben können, die mit der Zeit nachlassen, blabla, tausendmal gelesen. Du machst das viel eleganter und dem Ton der Geschichte entsprechend.

Die Pracht des Lebens entfaltete sich nur noch in dem Terrarium, das Gitti eines Tages gekauft hatte.

Den Übergang fand ich nicht so gelungen. Im ganzen vorherigen Abschnitt geht es aufwärts. Klar, hier bist du auf einer anderen Ebene, wendest dich dem Innenleben zu. Aber irritiert hat es mich trotzdem, so nahtlos von „nur noch“ zu lesen.

An diesem Abend stellte sich Armin absichtlich so, dass Gitti die Tiere nicht mehr sehen konnte. Irgendwas wollte er ihr antun. Sie provozieren.

Das ist für mich dreifach genäht, eines davon würde mir genügen.

Alles, was Spaß machte, hatte er für sie aufgegeben, die Scheiß-Zigaretten und diese Scheiß-Viecher waren das Einzige, was ihn noch am Leben hielt. Im Prinzip. Haha! Diese Scheiße sagte sie immer, wenn sie stritten. “Im Prinzip ist es ja so, dass ... " Wie gesetzt sie das immer sagte! Wie gleichförmig ihre Stimme dabei klang! Nichts regte sie auf. Sie maßregelte ihn nur wie eine Lehrerin, die nachsichtig, aber bestimmt mit einem etwas ungehorsamen Schüler umging. Prinzipiell hatte ja immer sie recht. Prinzipiell geschah immer das, was sie wollte. Sie machte ihre Beine prinzipiell nicht mehr für ihn breit. Unterhalb des Nabels war er bereits tot und das mit 38! Er hatte ohnehin keine Lust mehr auf sie, sie war in Form und Größe kaum von den Kissen auf der Couch zu unterscheiden! Prinzipiell war sie scheißfett geworden! Ha! Und die Kissen würden sich beim Ficken stärker bewegen als sie! Ha!

Der Abschnitt hat mir gar nicht gefallen. Der fällt ganz aus dem bisherigen Erzählton raus, was an sich noch kein Argument ist. Aber ich mag diese aggressiven Innenschauen mit Scheiss und Ha! und Ausrufezeichen nach jedem zweiten Satz einfach nicht. Erinnert mich zu sehr an Anfängertexte, die einen Amoklauf nachzuzeichnen versuchen, auch wenn der Abschnitt an sich gut geschrieben ist.

"Ich will einfach nur eine beschissene Zigarette rauchen, an der beschissenen frischen Luft, ohne deine beschissenen Kommentare."

Du hast ja nämlich die Dialoge, in denen du das zeigen kannst. Finde ich doppelt gemoppelt.

Der Himmel war weit und arglos.

Klasse!

Die Zigarette danach wärmte ihn und während des Rauchens wichste er rasch ins Gras.

Finde ich stark gemacht!

Er hatte Gitti all die Jahre ertragen und das war nun die Belohnung dafür? Er würde sich um sie kümmern müssen, es gab keinen Ausweg mehr, sein Leben war vorbei.

Krass. Ich finde das sehr gut, das gibt dem Text noch mal so einen richtigen Kick!

"Wirst jetzt im Klub wohl nicht mehr so schnell einen Aufriss machen mit deinen Brüsten!"

Das klingt jetzt vielleicht ein wenig pathetisch, aber ich denke, es gibt nicht viele Autoren, die ihre Protagonisten so etwas sagen lassen können! Ein Schlag in die Magengrube, obwohl der Leser Armin inzwischen ja kennt. Stark.

"Wie bitte? Was hast du gesagt?"

Passt schon. Aber wenn eine Figur genau so reagiert, wie es der Gefühlslage der Leser entspricht, dem Leser also „aus der Seele“ spricht, kann das auch abschwächen. Das Verstörende der Aussage wird offiziell gemacht.

Natürlich wurde nicht alles gut.

Gefällt mir nicht. Ich empfinde das als an der Leser gerichtet, auf einer Metaebene.

Hat mir sehr gut gefallen. Zwei Leben auf wenigen Seiten. Hat sich viel aufgetan, ich habe den Eindruck, einen viel längeren Text gelesen zu haben. Du erzählst schonungslos, raubst mir als Leser auch mal den Atem. Bas findet den Text verstörend. Ich auch, aber ich mag das. Ja, der macht was, der Text, Kompliment!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Hola Andrea H.,

Deinen Text habe ich ‘mit gemischten Gefühlen’ gelesen. Wenn’s um Menschen geht, ist nichts unwahrscheinlich, sie verhalten sich oft anders – einzeln oder wie hier als Paar – als es der Außenstehende erwartet. Du bist eine erfahrene Autorin und ich gehe davon aus, dass Du den Text genau so geformt hast, wie er Deiner Meinung nach sein sollte.
Wenn also die Protas das tun, was Du sie tun lässt, dann ist das volle Absicht – wenn mir vieles davon nicht einleuchtet, dann ist das eben nur meine Meinung und sonst nichts.

... dass ein später Gast eine Zigarette unsachgemäß weggeworfen ...
Wie wirft man eine Zigarette ‚sachgemäß’ weg?

Als er sich die Schnürsenkel zuband, zitterten seine Hände.
Viel Aufwand, um eine rauchen zu gehen. Gelungen.

Die Lichter der Stadt blinkten wie immer verheißungsvoll, ...
Auch der leichte Sarkasmus ‚wie immer’ macht ‚verheißungsvoll’ nicht besser. Dieses Wort ist draußen. Lass doch die Stadtlichter etwas bewirken beim Betrachter.

Der Himmel war weit und arglos.
Ein argloser Himmel? Weiß nicht so recht ...

... das Gewand ließ er einfach liegen.
Kommt er von einer Mittelalter-Sause?

Zuerst war der Fluss eine kalte Teufelin ...
Der Fluss ist eine Teufelin? Ich glaube, das geht besser.

... legte er sich ruhig auf die Wasseroberfläche und ließ sich treiben. Manchmal streichelten ihn von unten behutsame Pflanzen, es roch nach grünem Schlamm. Die Zigarette danach wärmte ihn und während des Rauchens wichste er rasch ins Gras.
Mal langsam: Er lässt sich treiben in einem Fluss, bei Nacht, das Wasser ist scheißkalt. Da ist man schnell paar hundert Meter abgetrieben, aber er findet bei Dunkelheit ohne langes Suchen seine unter einem Stein (vor wem?) verborgenen Zigaretten! Das lernt man bei der Waldjugend:D. Durchgefroren fällt ihm nichts Besseres ein, als zu wichsen?
Nee, Andrea, da möchte man zwei Pullover, unten ist alles taub, glaube mir. Und grüner Schlamm riecht anders als grauer?
Diese Zeitrafferszene überzeugt mich gar nicht, denn sie ist unrealistisch.

... ihr Fleisch war nachgiebig und weich wie immer, ...
... schliefen sie sogar wieder miteinander, etwa so wie Äste im Wind klappern ...
Das haut nicht hin. Ich denke, das hat mit der Routine zu tun. Du schreibst wirklich sicher und routiniert, kreativ und gescheit – aber besteht nicht die Gefahr, dass man zu sehr seinem Genius vertraut und weniger kritisch wird über die Zeit? In anderen Bereichen spricht man von Betriebsblindheit.
Mit Mitte vierzig begannen sie in einen Swingerklub zu gehen, dort masturbierten sie beide für sich, ...
Ach, watt ein Elend! Ne Kassette und zu Hause bleiben wär’ billiger gekommen. Aber dass die beiden so vor sich hin masturbieren, halte ich für ein Gerücht – und dann nimmt Armin sein Schätzken daheim noch mal so richtig hart ran! Was für eine Potenz! Du hast Fantasie, aber originell ist das nicht, und glaubwürdig schon gar nicht.

Das sind meine Mäkeleien. Die guten Stellen habe ich nicht zitiert, denn die sind wir von Dir gewöhnt. Mir geht es um eine – pardon – gewisse Überheblichkeit derer, die meinen, schreiben zu können und es auch oft tatsächlich hinbekommen.
Im wahren Leben sind diejenigen die besseren Künstler, die auch kurz vor der Rente noch Lampenfieber bekommen; auch wir Schreiberlinge sollten unsere Texte lieber hundertmal als zehnmal durchforsten.
Zum Beispiel ist es nicht vorstellbar, dass ein Mensch in Armins Situation so versagt:

"Wirst jetzt im Klub wohl nicht mehr so schnell einen Aufriss machen mit deinen Brüsten!"
Das ist ekelhaft, mMn kann so nur ein völlig kaputter Mensch reagieren, und dieser Armin ist noch nicht so weit.

... dann begann sie ihn zu treten, gegen die Brust, gegen den Hals, den Kopf. Es tat Armin nicht weh.
Ach, was Sie nicht sagen? Ist er aus Plastik? Tritte gegen den Kopf?
Er nahm ihre Tritte ruhig hin, ...
Unvorstellbar, hat sich noch nicht einmal weggedreht; vielleicht hat er die Tritte gegen Brust, Hals und Kopf sogar genossen:D?

Wie hatte er nur auf diesen Geruch vergessen können?
Klingt nicht gut.

Er spritzte sofort in seine Hose. Als sie es bemerkte, fing das Zittern wieder an, weil sie gleichzeitig weinen und lachen musste ... ...
"Jetzt machen wir es richtig.
Der Armin in seinem Alter ist doch kein Spritz-Roboter. Und dann mit Gitti!? Das kann nicht funktionieren.

Und dann setzt er noch einen drauf:

Es wird alles gut. Ich will deinen Busen verehren."
Das soll der gesagt haben? Liebe Andrea, wenn Armin die Schnauze so gestrichen voll hat von seiner Gitti, dann wird er sich nicht ins Höschen spritzen, der vorstehende Zahn wird immer größer, aber er will sie so richtig schön bumsen und ihren verkrebsten Busen verehren.
Für mich nicht vorstellbar.

Gitti verlor eine Brust. Für die verbliebene machte Armin ein Fest mit Schlagsahne und Erdbeeren ...
Das ist verächtlich, unwürdig. Und auch wenn Du es ganz anders meinst, bin ich bei Bas und finde es abstoßend.
Was die einen als amüsant betrachten, empfinden andere als makaber.

... wollte er jedoch nur seine neue Lust testen und zufrieden stellte er fest, dass es tatsächlich mit Gitti am meisten Spaß machte.
Was denn für eine ‚neue Lust’? Mit der fetten Gitti, nach zig Jahren Ehe? Es ist nicht so, dass der Autor so viel Suggestivkraft mit seinen Worten hat, auch wenn sie gekonnt eingesetzt werden, dass dadurch der Leser sein Denken und seine Gefühle abstellt. So etwas wirkt auf mich wie an den Haaren herbeigezogen.
Bei mir stellt sich ein großer Widerwille gegen diesen Text ein, der meint, er könne manipulieren und kopfstehende Dinge – ganz nach Wunsch – als normal erscheinen lassen.

Nach fünf Jahren kehrte der Krebs zurück. Sie nahm es hin, was den alten Ärger in ihm wieder aufkeimen ließ.
Das ist alles, was zu dieser Katastrophe zu sagen ist? Sehr enttäuschend. Aber schnell zu schreiben:shy:.

Er hatte sich aber so weit im Griff, dass er in ihren letzten Tagen nicht mehr gemein zu Gitti war. Stattdessen rupfte er zu Hause ihre geliebten Pflanzen aus und hackte in der Erde herum.
‚Zu Hause’ stehen die Pflanzen sicherlich nicht, eher im Garten. Und dass Armin statt zu ihr gemein zu sein, in der Erde herumhackt, ist Kappes. Für ein solches Drama müsste der Autor mehr Gas geben und nicht lapidar herunterschreiben, was ihm gerade einfällt.
Ich empfinde Deine 'Schreibe' besonders an den heiklen Punkten als ‚von oben herab’, beinahe arrogant; Du machst Dich oft lustig über diese einfältig-dummen Leute. Ja, es ist zum Heulen, wie sie ihre Jahre verpulvern, und auch, wie viel falsch gestellte Weichen sie in eine Richtung drängen, in die sie nie wollten – abgesehen von den Weichen, die sie selbst verkehrt gestellt haben.

Das alles ist nicht bitterböse gemeint, aber da wir uns verbessern wollen, sollten wir schon Klartext reden. Ich bitte, meine Meinung als unmaßgeblich betrachten zu wollen.

Habe die Ehre, küss die Hand!

José

 
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Hallo Bas!

Als ich deine Geschichte das erste Mal gelesen habe, brauchte ich eine ganze Weile, bis ich darin etwas von mir entdecken konnte. Aber das ist ja das Spannende an der Copywritesache, es bleibt jedem selbst überlassen, wie viel »kopiert« und wird und wie viel eigener Weg eingeschlagen wird.
Für mich ist die Verbindungsstelle zwischen unseren beiden Geschichten das alte Klischee, dass ein Mann weggeht, um Zigaretten zu holen und nicht mehr wiederzukommen. Klar, bei dir will der Mann wieder zurückkommen, aber er hat Probleme mit der ganzen Situation zu Hause. Du hast ja im Grunde nur diese eine Szene, ich wollte die in ein größeres Ganzes bringen.

Und vielleicht bin auch aufgrund meiner Position hier zu voreingenommen, jedenfalls fiel es mir sehr schwer, Gefallen an deiner Geschichte zu finden. Zu großen Teilen lag das daran, dass mir die auftretenden Leutchen absolut unsympathisch waren.
Um so mehr muss ich mich dafür bedanken, dass du sie zu Ende gelesen und sogar kommentiert hast. Figuren unympathisch zu finden ist doch voll legitim.

Hm, was ein Idiot, denke ich mir da schon. Ja, soll er sie halt so nennen. Soll er sie öffnen und verschnüren und heben und schieben und stoßen, wie er will, soll er andere Mädels treffen, alles schön und gut. Nur ist er mit dieser Sichtweise eben ein Idiot in meinen Augen. Da hilft es auch nicht, dass er sich später »Mühe gibt, wieder mit Gitti zu schlafen«.
Diese Sichtweise teilen aber sehr, sehr viele Männer.

Vielleicht bin ich auch zu blauäugig, zu romantisch, und deine Geschichte zu ehrlich. Ich brauche jemanden, an dem ich mich festhalten kann. Da bin ich nicht wählerisch, wenn es sein muss, kann das auch eine kindermordende Bestie sein, wenn sie Charme hat, Witz hat, wenn sie eine menschliche, verletzliche Seite offenbart, die mich sogar über Unentschuldbares hinwegsehen lässt. Aber an wen kann ich mich hier klammern? An die maßregelnde Gitti? An den Idiot? Die werden beide ihre Gründe dafür habe, so geworden zu sein, aber den Weg bin ich nicht mit ihnen mitgegangen, davon wurde mir nur beiläufig berichtet, sodass ich nur zwei Unsympathen in ihnen sehe.
Wenn ich das richtig verstehe, geht es dir darum, mit Figuren Mit-Leid im wahrsten Sinn des Wortes haben zu können. Ja, vielleicht hab ich diese Beziehung zu sezierend und aus zu großer Distanz gesehen. Eine ungute Mechanik bloß gelegt, die meiner Meinung nach in vielen Beziehungen so abläuft. Ein Durcheinander von positiven und negativen Gefühlen.

Und dann wichst Armin ins Gras. Hm. Jetzt wird er mir auch noch auf sexueller Ebene unsympathisch. Statt dort zu sitzen und nachzudenken über all das … wichst er. Verstehe ich nicht, kann ich nicht nachvollziehen, macht ihn für mich zu einem noch komischeren Typen.
Wer sagt denn, dass er vorher nicht nachgedacht hat? Ist es nicht nahe liegend, dass er den Weg in die Natur nur gesucht hat, um klarer zu sehen? Nur weil da keine Innenschau ist, heißt das ja nicht, dass er kein Innenleben hat. Das Wasser entspannt ihn und deswegen wichst er auch, mit Gitti läuft sexuell ja nix mehr.

Und dann kommt die Krebsszene, die mich fassungslos gemacht hat. Vielleicht ist auch das einfach zu ehrlich, es ist eine Ausnahmesituation und da ist viel Aufgestautes, Nichtgesagtes zwischen den beiden, das zu komischen Reaktionen führen kann – mich schreckt es jedenfalls ab. Zwei Verrückte sehe ich da vor mir, keine mitfühlenden, menschliche Wesen.
Ja, mein Gott, Menschen sind doch nicht in jeder Situation mitfühlend, sondern manchmal auch egoistisch, gemein und gewalttätig. Ich kann doch nicht nur Geschichten schreiben, in denen es immer menschlich, warmherzig und gefühlvoll zugeht, oder?

Und dann … herrje, ich hab hier ein Muster in meinem Kommentar … und dann kommt der Geruch nach Milch und Honig ins Spiel. Das könnte jetzt so eine Szene sein, in der die Menschlichkeit, die Wärme Oberhand gewinnt, in der Armin erkennt, dass er ein Idiot ist und sie in den Arm nimmt und mit ihr mitfühlt und sich entschuldigt für das, was passiert ist und – was zum Fick – dann wichst er sich doch tatsächlich in die Hose! Und dann will er … ihren Busen verehren!
Ich wollte sie nicht mit Hilfe dessen darstellen, was sie sagen, sondern mit Hilfe dessen, was sie tun. Und er nimmt sie doch in den Arm, ist zärtlich.
Für einen Moment hielten sie sich so fest, dass er nicht mehr wusste, wo er aufhörte und wo sie begann.
Und wo steht denn da, dass er wichst? Er spürt einfach nichts mehr Negatives zwischen ihnen beiden und aus dieser Erleichterung heraus, weil er wieder ganz bei und mit ihr ist, spritzt er einfach so ab. Weil eine Schranke gefallen ist und er sich ganz eins fühlt mit ihr. Das mit der Busenverehrung - ja, er ist halt unbeholfen darin, seine erste gemeine Reaktion wieder gut zu machen - das ist halt seine Art, mit ihrer Krankheit umzugehen.


Vielleicht schreibe ich einfach gerne verstörende Geschichten, nur bei dieser hier hab ich eigentlich nicht damit gerechnet, dass sie weiß Gott wie verstörend ist.

Nochmals vielen Dank, dass du dich trotzdem damit auseinandergesetzt hast! :)

Hallo Peeperkorn!

Ich finde es sehr interessant, was du zum "Tell" gesagt hast. Ich hab mir das hier so vorgestellt, dass aus der Sicht von Armin erzählt wird, aber von einer zeitlichen Position aus, wo schon alles vorbei ist, er sozusagen das Ganze seiner Beziehung mit Gitti überblickt. Deswegen waren mir so Vorgriffe wie das Zitat mit dem "hämisch" wichtig, aber ich denke auch, dass das innerhalb einer Kurzgeschichte tatsächlich schwierig ist und dass sie da so weit aufgespannt wird, dass sie vielleicht an manchen Stellen reißt.
Also ich halte mein Vorhaben selbst nicht ganz geglückt. Ich hatte z. B. immer meine Probleme, von einem Tell-Teil ins Szenische zu wechseln.

Hoffnung und Angst keimten auf.
Ein Sonderfall. Wenn nur Hoffnung aufkeimen würde, oder nur Angst, fände ich den Satz ziemlich lasch. Hier aber beides, knapp einander gegenüber gestellt. Könnte man ja im Show gar nicht machen, oder bräuchte viel Zeit. Ich finde den Satz toll.
Ja, die ganze Ambivalenz ihrer Beziehung in einem kurzen Satz.


Ich habe deinen "Kleinscheiß" zur Gänze übernommen, nur bei dem "beginnenden Lachen" muss ich noch drüber nachdenken.

Aus der Bar wurde ein gediegenes Kaffeehaus, er löschte alle Telefonnummern seiner diversen Freundinnen
Ich würde hier „die“ schreiben. Mein Sprachgefühl lässt mich bei deiner Formulierung nämlich annehmen, jede der Freudinnen habe mehrere Nummern.
Dein Sprachgefühl ist super, meins etwas eingerostet! :D

Die Pracht des Lebens entfaltete sich nur noch in dem Terrarium, das Gitti eines Tages gekauft hatte.
Den Übergang fand ich nicht so gelungen. Im ganzen vorherigen Abschnitt geht es aufwärts. Klar, hier bist du auf einer anderen Ebene, wendest dich dem Innenleben zu. Aber irritiert hat es mich trotzdem, so nahtlos von „nur noch“ zu lesen.
Und ich dachte, das mit den Wintervögeln würde genügen, um ein Gefühl zu erzeugen, dass es eben innerlich eher bergab geht.

Der innere Monolog, der dir nicht gefällt, weil er herausfällt - ja, das kann ich nachvollziehen, muss mir noch überlegen, ob ich mich dran klammere oder was ich stattdessen mache.

Hat mir sehr gut gefallen. Zwei Leben auf wenigen Seiten. Hat sich viel aufgetan, ich habe den Eindruck, einen viel längeren Text gelesen zu haben. Du erzählst schonungslos, raubst mir als Leser auch mal den Atem. Bas findet den Text verstörend. Ich auch, aber ich mag das. Ja, der macht was, der Text, Kompliment!
Oh, ich danke dir! :)


Hallo josefelipe!

Du bist eine erfahrene Autorin und ich gehe davon aus, dass Du den Text genau so geformt hast, wie er Deiner Meinung nach sein sollte.
Ja, hab ich. Komisch, Bas hat etwas Ähnliches gesagt, so als ob ich gefährliches oder verbotenes Terrain betreten würde oder als ob ich gänzlich ins Klo gegriffen hätte.

... dass ein später Gast eine Zigarette unsachgemäß weggeworfen ...
Wie wirft man eine Zigarette ‚sachgemäß’ weg?
Indem man auf den Stummel tritt und so die Glut ausmacht.

Die Lichter der Stadt blinkten wie immer verheißungsvoll, ...
Auch der leichte Sarkasmus ‚wie immer’ macht ‚verheißungsvoll’ nicht besser. Dieses Wort ist draußen. Lass doch die Stadtlichter etwas bewirken beim Betrachter.
Die Stadt ist trotz allem noch immer verheißungsvoll, also lockend für ihn, versteh nicht, was daran falsch sein sollte. Da ist überhaupt kein Sarkasmus dabei.
Der Himmel war weit und arglos.
Ein argloser Himmel? Weiß nicht so recht ...
Der Natur verhält sich gar nicht zu Armin, er und seine ganze Misere sind ihr egal, was für ihn vielleicht was Befreiendes hat.
.
.. das Gewand ließ er einfach liegen.
Kommt er von einer Mittelalter-Sause?
sagt man in Österreich so, ich fand "Gewand" weicher als "Kleidung".
Zuerst war der Fluss eine kalte Teufelin ...
Der Fluss ist eine Teufelin? Ich glaube, das geht besser.
Wenn man in kaltes Wasser geht, schnürt es einem im ersten Moment die Brust zu, es ist also wie eine kalte Umarmung und wer umarmt kalt? - der Teufel! Und in seinem Fall eben eine Teufelin, so schwer zu begreifen ist die Übertragung ja wirklich nicht, mein Gott!

Mal langsam: Er lässt sich treiben in einem Fluss, bei Nacht, das Wasser ist scheißkalt. Da ist man schnell paar hundert Meter abgetrieben, aber er findet bei Dunkelheit ohne langes Suchen seine unter einem Stein (vor wem?) verborgenen Zigaretten! Das lernt man bei der Waldjugend. Durchgefroren fällt ihm nichts Besseres ein, als zu wichsen?
Er bleibt in Ufernähe, wo es kaum Strömung gibt, außerdem ist er höchstwahrscheinlich da nicht zum ersten Mal schwimmen und er kennt die Stelle, wo er ins Wasser geht. Er verbirgt die Zigaretten vor niemandem, sondern sichert sie nur, damit der Wind sie nicht wegweht, sie sind ihm wichtiger als sein GEWAND, das wollte ich damit sagen. Ich hab nie was von einer Jahreszeit gesagt, es könnte eine nicht ganz warme Sommernacht sein.

Nee, Andrea, da möchte man zwei Pullover, unten ist alles taub, glaube mir. Und grüner Schlamm riecht anders als grauer?
Du willst mir jetzt echt hier erklären, unter welchen Umständen man wichst und unter welchen nicht?^^ Und ja, grüner Schlamm riecht nämlich nach abgestorbenen Pflanzen und nicht nach Erde.

... ihr Fleisch war nachgiebig und weich wie immer, ... ... schliefen sie sogar wieder miteinander, etwa so wie Äste im Wind klappern ...
Das haut nicht hin.
Ich mein das doch hier nicht buchstäblich, sondern das ist eine Metapher für die Lieblosigkeit ihrer sexuellen Begegnungen und nicht, dass sie beide beim Sex klappern, weil sie magersüchtig sind.
Mit Mitte vierzig begannen sie in einen Swingerklub zu gehen, dort masturbierten sie beide für sich, ...
Ach, watt ein Elend! Ne Kassette und zu Hause bleiben wär’ billiger gekommen. Aber dass die beiden so vor sich hin masturbieren, halte ich für ein Gerücht – und dann nimmt Armin sein Schätzken daheim noch mal so richtig hart ran! Was für eine Potenz! Du hast Fantasie, aber originell ist das nicht, und glaubwürdig schon gar nicht.
Klar, in Swingerklubs wird garantiert NICHT masturbiert.^^ Weder sag ich hier, dass beide zum Orgasmus kommen beim Masturbieren, noch ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein Mitvierziger nach, sagen wir mal, einer Stunde, noch einen Schuss im Rohr hat.

Das sind meine Mäkeleien. Die guten Stellen habe ich nicht zitiert, denn die sind wir von Dir gewöhnt. Mir geht es um eine – pardon – gewisse Überheblichkeit derer, die meinen, schreiben zu können und es auch oft tatsächlich hinbekommen.
Im wahren Leben sind diejenigen die besseren Künstler, die auch kurz vor der Rente noch Lampenfieber bekommen; auch wir Schreiberlinge sollten unsere Texte lieber hundertmal als zehnmal durchforsten.
Und dieses Urteil über mich als Schreibende ist jetzt gar nicht überheblich, oder?

Zum Beispiel ist es nicht vorstellbar, dass ein Mensch in Armins Situation so versagt:
"Wirst jetzt im Klub wohl nicht mehr so schnell einen Aufriss machen mit deinen Brüsten!" Das ist ekelhaft, mMn kann so nur ein völlig kaputter Mensch reagieren, und dieser Armin ist noch nicht so weit.
Oder ein Mensch, der keinen Ausweg sieht und um sich schlägt. Dem die ganzen aufgestauten negativen Gefühle plötzlich beim Mund rausdrängen.
... dann begann sie ihn zu treten, gegen die Brust, gegen den Hals, den Kopf.
Es tat Armin nicht weh.
Ach, was Sie nicht sagen? Ist er aus Plastik? Tritte gegen den Kopf?
Er nahm ihre Tritte ruhig hin, ... Unvorstellbar, hat sich noch nicht einmal weggedreht; vielleicht hat er die Tritte gegen Brust, Hals und Kopf sogar genossen?
Möglicherweise kann sie gar nicht mit voller Kraft treten, weil sie auch liegt und weil sie so fertig ist.

Und dann setzt er noch einen drauf:
Es wird alles gut. Ich will deinen Busen verehren."
Das soll der gesagt haben? Liebe Andrea, wenn Armin die Schnauze so gestrichen voll hat von seiner Gitti, dann wird er sich nicht ins Höschen spritzen, der vorstehende Zahn wird immer größer, aber er will sie so richtig schön bumsen und ihren verkrebsten Busen verehren.
Für mich nicht vorstellbar.
Er will seine vorhergehende Gemeinheit wieder gut machen. Sie haben sich doch wieder gefunden. Ich fürchte, du hast meine Geschichte nicht genau genug gelesen, dann hättest du mitbekommen, dass sie sich zwar angenervt haben, dass sie aber auch nicht wirklich ohne einander sein konnten.

Gitti verlor eine Brust. Für die verbliebene machte Armin ein Fest mit Schlagsahne und Erdbeeren ...
Das ist verächtlich, unwürdig. Und auch wenn Du es ganz anders meinst, bin ich bei Bas und finde es abstoßend.
Was die einen als amüsant betrachten, empfinden andere als makaber.
Du hast hier den nachfolgenden Satz unterschlagen, nämlich dass das Gitti peinlich war. Er wollte halt vielleicht was Neues und Gewagtes ausprobieren und ihr gleichzeitig zeigen, dass er sie immer noch sexy findet und hat dabei aber etwas übertrieben. Ich hab das auch überhaupt nicht amüsant gemeint.


Nach fünf Jahren kehrte der Krebs zurück. Sie nahm es hin, was den alten Ärger in ihm wieder aufkeimen ließ.
Das ist alles, was zu dieser Katastrophe zu sagen ist? Sehr enttäuschend. Aber schnell zu schreibenü.
Es ist ein Beziehungsdrama, kein Krebsdrama.

Er hatte sich aber so weit im Griff, dass er in ihren letzten Tagen nicht mehr gemein zu Gitti war. Stattdessen rupfte er zu Hause ihre geliebten Pflanzen aus und hackte in der Erde herum.
‚Zu Hause’ stehen die Pflanzen sicherlich nicht, eher im Garten.
Der Garten gehört nicht zu einem Zuhause?

Ich empfinde Deine 'Schreibe' besonders an den heiklen Punkten als ‚von oben herab’, beinahe arrogant; Du machst Dich oft lustig über diese einfältig-dummen Leute. Ja, es ist zum Heulen, wie sie ihre Jahre verpulvern, und auch, wie viel falsch gestellte Weichen sie in eine Richtung drängen, in die sie nie wollten – abgesehen von den Weichen, die sie selbst verkehrt gestellt haben.
Ach, jetzt auf einmal stellst du es so da, als ob das eh normale Leute wären mit ihren normalen Problemen, auf die ich jetzt arrogant hinunterschaue. Zeig mir bitte EINE Stelle, wo der Erzähler eine "arrogante" Haltung zu seinen Protagonisten einnimmt, oder wo er sich über sie lustig macht!

Das alles ist nicht bitterböse gemeint, aber da wir uns verbessern wollen, sollten wir schon Klartext reden. Ich bitte, meine Meinung als unmaßgeblich betrachten zu wollen.
Du wolltest mir auf jeden Fall ans Bein pinkeln, warum: Ich hab keine Ahnung. Was Konstruktives mitnehmen konnte ich aus deinem Kommentar nicht.


Gruß
Andrea

 

Hallo @Andrea H. ,

ich habe in die Geschichte reingelesen und bin geblieben, weil mir deine Sprache gefällt. Immer wieder habe ich gedacht, dass dieser Text ernst genommen wurde. Ich hab mir vorgestellt, dass du da mit Gefühl, Einstimmung und Disziplin beobachtet und Poesie fabriziert hast. Vielleicht liege ich ja falsch ...
Die Figurendetails haben mir gleich Bilder eingegeben. Der hervorstehende Schneidezahn, der das Schließen der Lippen verhindert, hat mich noch genauer lesen lassen. Du hast wirklich ein ganzes Bündel an guten Beobachtungen, präziser Poesie in diesen Text gegeben. Jedes Wort wirkt wohldurchdacht.
Wie toxisch diese Beziehung ist ... Wie bösartig dieser Mann mit seiner Partnerin umgeht und wie sinnentleert diese Gemeinschaft auf mich wirkt.
Eine emotionale Wirkung hat der Text bei mir erst im letzten Viertel entfaltet. Die Grausamkeiten zwischen den beiden haben mich nah an die Tränen gebracht. Ich musste sehr an die Katharsis-Theorie denken. In diesem Fall hatte ich das Gefühl, dass so etwas bei mir passiert ist. Zumindest im Kleinen. Als es wieder nur um ihn geht, als sie ihm von ihrer Krankheit erzählt. Wie widerlich er über sie denkt und mit ihr umspringt. Es hat mich stellenweise wirklich angeekelt.
Ich denke, du könntest im zweiten und dritten Viertel (ergo im Hauptteil :lol:) straffen. Hier bringst du sehr viele auch wunderschöne Details, die den Text aber auch in die Länge ziehen.
Ein durcharbeiteter, gefühl- und detailvoller Text, der mir gefallen hat.

Liebe Grüße
Carlo

 

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