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Das Haus des Mädchens

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18.10.2005
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Das Haus des Mädchens

Menschen, die mit mir sprachen, die sich mit mir RICHTIG beschäftigten? Zu lange her.

Ich bin alt.
Ich habe nicht mitgezählt, wieviele Jahre in ihrem gesamten schon an mir vorbeizogen. Doch die Jugend steckt immer noch in mir, sie lässt mich nicht ruhen, sie lässt mein äußeres nicht wandeln. Ich sehe aus, wie eine 19-jährige.

Ich wohne in einem alten Haus.
Zumindest denk ich das - nicht, dass es ein altes Haus ist, sondern dass ich darin wohne. Zeitweise kommen Vermieter - ich denke dass es Vermieter sind; sie tragen Anzug, erzählen den Menschen, dass sie sich in meinem Haus auskennen, führen fremde Leute durch mein Haus, zeigen ihnen meine Wohnung, meine Wertgegenstände und versuchen den Leuten mein Haus zu verkaufen. Natürlich versuch ich das zu verhindern, schließlich ist es immer noch mein Haus, eigentlich das Haus meiner Eltern, die sind aber vor einer sehr, sehr langen Zeit (und ich kann es nur nochmal betonen, es ist sehr lang.) verstorben. Die letzten Worte meiner Mutter waren, für immer auf das Haus aufzupassen. Verständlich, es war schon seit Ewigkeiten im Familienbesitz, Generationen sind hier geboren und verstorben... teilweise auch gleichzeitig. Traurige Geschichten, in manchen Fällen.

Wenn ich den Vertretern sage, dass das mein Haus ist, und sie es nicht einfach so an sich reißen können, ignorieren sie mich. Auch die Menschen, die der Vertreter mit sich bringt. Ich glaube, sie nehmen mich nicht ernst. Manchmal - aber nur wenn ich richtig sauer bin - zerstöre ich deswegen Sachen. Das verscheucht die meisten Menschen wieder. Und macht den Vertreter sauer... doch auch er verlässt das Haus dann schnell. Dann hab ich auch meistens eine Zeit lang Ruhe.

Einmal allerdings geschah es, dass Menschen dann blieben, auch als der Vertreter ging. Kurze Zeit später kamen große Autos und stellten ebenso große Kisten vor mein Haus.

Es war scheinbar ein altes Ehepaar. Ein älterer Herr, seine Haare waren schon ergraut und ohne seinen Gehstock war er Hilflos, fast ständig in Begleitung von seiner Frau. Sie war klein, vermutlich vom Alter, und hatte schneeweißes Haar, welches ganz zu meiner Verwunderung trotz ihrer beachtlichen Länge noch ziemlich dicht war. Wie lang die Haare der Frau im Endeffekt sind, kann ich nicht abschätzen, sie trug sie immer in zwei Zöpfe, die nach hinten geflochten waren. Schulterlang. Also die Zöpfe. Beide trugen Brille, genau wie meine Eltern früher. Und auch meine Großeltern.

Von anderen Menschen wurden diese großen Kisten in mein Haus gebracht. Das passierte sonst nie. Ich sagte den Menschen, dass sie die Kisten wieder nach draußen bringen mögen, versuchte auch selbst, sie wieder nach draußen zu ziehen, doch es ist mir unmöglich, dieses Gewicht zu ziehen oder zu drücken.

Ich wurde sauer und zerstörte wieder Sachen. Die Menschen, die die Kisten ins Haus brachten, verschwanden dadurch auch schnell, nicht aber das alte Ehepaar. Ganz im Gegenteil, die Frau wischte sogar die kaputten Sachen auf, und schmiss sie wortlos weg.

In den Kisten befanden sich Möbel, Kleidung, Bücher, Fotos und noch viel mehr Kleinkram. Dinge, die ich hier auch hab. Überhaupt, wieso bringen sie sowas in mein Haus? Als Geschenk? Für meine lange Einsamkeit? Warum sprechen sie dann nicht mit mir? Ich fragte die Frau, wieso sie in meinem Haus sei, und warum sie Möbel bringen, doch sie antwortete nicht. Sie beachtete mich nichtmal. Auch ihr Mann konnte mir keine Auskunft geben... naja... auch hier spielte sich so gesehen dasselbe Spiel ab. Wieso sind alle Menschen nur so kalt geworden?

Das Ehepaar schmiss einige meiner Möbel weg, und stellte die neuen hin. Prinzipiell fand ich das ja auch nicht schlecht, da meine Möbel ja ohnehin schon alt waren, und die neuen Möbel nicht schlecht aussahen, allerdings fand ich es doch ein wenig unhöflich, auch in meinem Zimmer zu räumen. Auch dass sie die Fotos von meinen Verwandten einfach so von den Schränken nahmen fand ich nicht nett. Da mich allerdings das alte Ehepaar bei meinen Aufhalteversuchen gut ignorierte, ging ich in die Küche, und schmiss einige ihrer Teller zu boden. Man wird zwar im Alter manchmal kurzsichtig oder hört nicht mehr so gut, aber das kanns doch nicht sein?

Die alte Frau stürmte in die Küche - naja, was heißt stürmte, sie ging so schnell es ihr Alter und ihre gebrechlichen Knochen zuließen - und wischte die Scherben wieder auf. Wieder wortlos. Ohne etwas zu sagen. Sie sah mich nichtmal böse an, besser gesagt, sie sah mich gar nicht an. Was soll das?

Eine längere Zeit, viele Sonnenauf- und untergänge und viele zerstörten Gegenstände später konnte ich an einem Morgen das alte Ehepaar nicht mehr finden. Ich hatte die ganze Nacht in der Küche und im Wohnzimmer verbracht, auf der Suche nach Gegenständen, mit denen man möglichst die Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Normalerweise kam auch immer gleich jemand, um die Scherben oder Splitter oder ähnliches wegzumachen, diesmal aber nicht.
Vielleicht noch ein Bild das kaputt gemacht werden muss? ...... nein?

Wo war das alte Ehepaar? Waren sie über Nacht doch verschwunden? Wie sonst alle Menschen? Ich war schon sehr zufrieden, dass sie nicht noch länger in meinem Haus bleiben wollten. Dass sie meine Möbel ausgetauscht haben, finde ich wirklich sehr nett von ihnen, dass sie allerdings die ganzen Erinnerungen an meine Familie zerstört haben, fand ich grausam. Und wie jeder Mensch ignorierten sie meine Gefühle dabei total. Nein, besser gesagt, sie ignorierten mich.

Doch warum hab ich sie dann diese Nacht nicht aus dem Haus gehen sehen? Oder etwas gehört? Schließlich hört man Leute in dem Alter einfach, vor allem den Herrn mit seinem Gehstock. Plötzlich hörte ich ein Poltern aus einem Zimmer. Sie sind also doch noch da. Aber wo sind sie? Die Neugierde besiegte mich im Endeffekt doch, und ich ging den Geräuschen nach.

In einem der größeren Räume sah ich das Ehepaar. Als ich den Raum betretete, fand ich meine alten Möbel, zumindest ein Teil davon, meine ganzen Familienalben, -fotos und -erinnerungen, und eigentlich alles, was ich in diesem Haus hätte behüten sollen. Neben dem Haus natürlich. Ein Zettel lag auf meinem Bett.

"Für unseren Hausgeist, dein eigener Raum, mit all dem was wir hier gefunden haben, und als wichtig empfanden. Damit du uns nicht böse bist, dass wir in deinem Haus wohnen! In Liebe, Ema und Franz."

Endlich Leute, die meine Gegenwart bemerkten. Ich bin glücklich.

 

Hah, was soll ich sagen, eine super Geschichte!
Bin voll beeindruckt! Es ist faszinierend wie man langsam merkt das der prot nur ein Geist ist... :thumbsup: :thumbsup:

MakoChan schrieb:
Ich bin alt.
Ich habe nicht mitgezählt, wieviele Jahre in ihrem gesamten schon an mir vorbeizogen. Doch die Jugend steckt immer noch in mir, sie lässt mich nicht ruhen, sie lässt mein äußeres nicht wandeln. Ich sehe aus, wie eine 19-jährige.
Starker Anfang. Sehr schön

MakoChan schrieb:
Natürlich versuch ich das zu verhindern, schließlich ist es immer noch mein Haus, eigentlich das Haus meiner Eltern, die sind aber vor einer sehr, sehr langen Zeit (und ich kann es nur nochmal betonen, es ist sehr lang.)
Die Klammer ist überflüssig. Da ist zu oft die gleiche Information

MakoChan schrieb:
Es war scheinbar ein altes Ehepaar. Ein älterer Herr, seine Haare waren schon ergraut und ohne seinen Gehstock war er Hilflos, fast ständig in Begleitung von seiner Frau.
Das gefällt mir von der Formulierung her. Aber "hilflos" -> klein

MakoChan schrieb:
"Für unseren Hausgeist, dein eigener Raum, mit all dem was wir hier gefunden haben, und als wichtig empfanden. Damit du uns nicht böse bist, dass wir in deinem Haus wohnen! In Liebe, Ema und Franz."
Das es ein Hausgeist ist weiss man inzwischen. Vielleicht kannst du es irgendwie schöner Formuliern, sonst kommt es so platt rüber.

Allso alles in allem: n1 Story :D

 

Hallo MakoChan,

herzlich Willkommen auf Kurzgeschichten.de!

Die Idee deiner Geschichte fand ich gut. Ich habe zwar schon relativ früh geahnt, dass die Protagonistin ein Geist ist. Falls das Ende deiner Geschichte als Pointe gedacht war, hast du zumindest mich nicht überrascht.
Schön fand ich das Happy-End, dass endlich jemand sie bemerkt und ihr sogar ein eigenes Zimmer zur Verfügung stellt.

Sprachlich/Stilistisch habe ich ein paar Anmerkungen, die du weiter unten findest - im Allgemeinen:
Störend fand ich die vielen Wortwiederholungen. Die kann man finden, wenn man sich die Geschichte nach dem Schreiben nochmal durchliest. Zumindest ich bemerke bei meinen Geschichten die meisten.
Auch nicht so gut gefallen haben mir die vielen Füllwörter, die du verwendest "auch", "dann", "eigentlich" etc. - meistens sind diese Wörter unnötig, sie zu streichen verändert nicht den Sinn des Satzes. Vielleicht kannst du nochmal nach diesen Wörtern suchen und überlegen, ob es möglich wäre sie zu streichen.

Details:

Ich habe nicht mitgezählt, wieviele Jahre in ihrem gesamten schon an mir vorbeizogen.

Ich bin mir nicht völlig sicher, aber das klingt etwas komisch, finde ich. Ich würde hier einfach "insgesamt" schreiben oder es ganz weglassen.

Doch die Jugend steckt immer noch in mir, sie lässt mich nicht ruhen, sie lässt mein äußeres nicht wandeln.

Äußeres (groß)

Ich sehe aus, wie eine 19-jährige.

Ich wohne in einem alten Haus. Zumindest denk ich das - nicht, dass es ein altes Haus ist, sondern dass ich darin wohne. Zeitweise kommen Vermieter - ich denke dass es Vermieter sind; sie tragen Anzug, erzählen den Menschen, dass sie sich in meinem Haus auskennen, führen fremde Leute durch mein Haus, zeigen ihnen meine Wohnung, meine Wertgegenstände und versuchen den Leuten mein Haus zu verkaufen. Natürlich versuch ich das zu verhindern, schließlich ist es immer noch mein Haus, eigentlich das Haus meiner Eltern, die sind aber vor einer sehr, sehr langen Zeit (und ich kann es nur nochmal betonen, es ist sehr lang.) verstorben.

Na? :)
Etwas viel "Haus", oder?

Die letzten Worte meiner Mutter waren, für immer auf das Haus aufzupassen.

Die letzten Worte meiner Mutter waren, dass ich für immer auf das Haus aufpassen sollte.

Und macht den Vertreter sauer... doch auch er verlässt das Haus dann schnell. Dann hab ich auch meistens eine Zeit lang Ruhe.

Wortwiederholung/ Satzanfänge mit "Dann" finde ich persönlich etwas unschön.

Einmal allerdings geschah es, dass Menschen dann blieben, auch als der Vertreter ging.

Hier wieder "dann". In vielen Fällen ist "dann" ein völlig unnötiges Wort, ein Lückenfüller. Du könntest es gut streichen. Außerdem ist mir dieser Satz etwas unlogisch - normalerweise bleibt man doch nicht sofort in einem Haus, wenn man sich entschlossen hat es zu kaufen.

Kurze Zeit später kamen große Autos und stellten ebenso große Kisten vor mein Haus.

Hehe... Die großen Autos stellten die Kisten vor das Haus? Waren es nicht eher die Fahrer? :D


Es war scheinbar ein altes Ehepaar. Ein älterer Herr, seine Haare waren schon ergraut und ohne seinen Gehstock war er Hilflos, fast ständig in Begleitung von seiner Frau.

Hier würde ich erwähnen, dass es sich um die Personen handelt, die nun eingezogen sind. Sonst kommt der Sprung vom Möbelwagen zu den neuen Bewohner zu schnell.

Also die Zöpfe.

Ähm... was sonst?

Ich sagte den Menschen, dass sie die Kisten wieder nach draußen bringen mögen, versuchte auch selbst, sie wieder nach draußen zu ziehen, doch es ist mir unmöglich, dieses Gewicht zu ziehen oder zu drücken.

war (hier rutscht du kurz in eine andere Zeit)

Das Ehepaar schmiss einige meiner Möbel weg, und stellte die neuen hin. Prinzipiell fand ich das ja auch nicht schlecht, da meine Möbel ja ohnehin schon alt waren, und die neuen Möbel nicht schlecht aussahen, allerdings fand ich es doch ein wenig unhöflich, auch in meinem Zimmer zu räumen.

Wortwiederholungen

LG
Bella

 

Ich finde die Idee aus der sicht eines Geistes zu schreiben nicht schlecht, finde das Ende aber nicht so befriedigend, was nicht heissen soll, dass ich ein HAPPY END grunsätzlich ablehne.

mfg freshOmat

 

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