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Das Leben der Johanna Balloch

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21.09.2003
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Das Leben der Johanna Balloch

Johann Balloch war ein weiches Kind. Er wurde am 23.8.1931 in Bad Ems am See geboren. Sein Vater war Herbert Balloch, der einen Bauernhof hatte, den er sein Lebtag versorgen mußte. Seine Mutter war eine geborene Matthis, die den kleinen Johann mit Liebe zu überschütten pflegte. Johann verbrachte seine Kindheit sozusagen in einem riesigen Vakuum aus Liebe, das mit einem gewaltigen Knall zerplatzte, als seine Eltern ihn mit 12 Jahren, um seine schulische Bildung besorgt, auf das Otto-von-Bismarck - Internat schickten.

Herausgerissen aus der heimischen Idylle fand sich der junge Johann plötzlich in einer riesigen Stadt wieder, die mit ihren Hochhäusern und den vielen Autos eine Kälte ausstrahlte, das man zu frieren anfing, wenn man durch die Straßen lief.
Das Internat war da nicht viel besser. Hier gab es keine nette Frau Schmidt mehr, wie in seiner Grundschule, hier gab es Oberstudienrat Fritsch und hier gab Professor Lüdemann, der mit mathematischen Zahlen und Formeln genau so um sich zu schlagen pflegte wie mit dem Rohrstock.
Johann zog sich zurück, angewidert von der Kälte und der Unfreundlichkeit der Welt. Er vermißte den Bauernhof und er vermißte vor allem seine Mutter. Er galt als Einzelgänger, introvertiert und exzentrisch. Niemand von seinen Mitschülern wußte von Johanns geheimer Leidenschaft, die er in seinem Internat - Zimmer, das er als einzelner bewohnte, auslebte so oft er konnte.
Er hatte damit begonnen, Frauen - Kleidung zu tragen, als er in das Internat gekommen war. Er fühlte sich darin wohler. Wenn er lange Kleider und Schminke trug, schämte er sich seiner Tränen nicht.

Nach Beendigung seiner Internatzeit war in Johann der Entschluß gereift, eine Frau zu werden. Dieser Entschluß zog zwar den Bruch mit den geliebten Eltern nach sich, doch Johann ließ sich davon nicht beirren. Geschlechtsoperationen waren im Jahr 1951 noch nicht legalisiert, so mußte sich Johann an einen Arzt wenden, der bereit war, die Operation illegal für ein Butterbrot durchzuführen. Ein solcher Arzt war Dr. Nicholas van Orton, den Johann von einem Besuch in einem Transvestiten - Lokal im Leipziger Untergrund her kannte. Van Orton war bereit, die Operation als Freundschaftsdienst durchzuführen. Er spritzte Johann Östrogene, setzte zwei, mit Flüssigkeit gefüllte Brustimplantate ein und entfernte unter Vollnarkose das, was Johann an sich schon immer am wenigsten gemocht hatte.
Als Johann einige Stunden später erwachte, war er der glücklichste Mensch auf Erden. Eine unangenehme Nebenwirkung der Operation war allerdings, daß Johanns Körper auf den Östrogen - Überschuß mit einer enormen Gewichtszunahme reagierte. So wurde aus dem immer etwas schmächtigen, dünnen Johann eine pralle, dicke Johanna, die von nun an glücklich durchs Leben rollte. Nach dem sich Johanna nun an ihre Existenz als Frau gewöhnt hatte, stellte sich für sie mit zunehmender Geldknappheit die Frage nach einer beruflichen Existenz.

Zusammen mit einer Freundin beschloß sie, eine Kneipe in der Leipziger Innenstadt zu eröffnen. Bei der Bank erwirkten sie einen Kredit, der es ihnen erlaubte, einen alten, baufälligen Schuppen neben dem Kaufparadies in der Selmholster-Straße zu renovieren. Zwei Wochen später war aus dem baufälligen Schuppen eine ansehnliche Kneipe mit dem Namen "Bei Johanna" geworden. Johanna stand höchstpersönlich hinter dem Tresen und bediente die anfänglich noch nicht sehr zahlreichen Gäste. Doch schnell sprach sich rum, daß neben dem Kaufparadies ein interessanter, neuer Laden aufgemacht hatte und so füllte es sich jede Woche ein bißchen mehr.
Bald war "Bei Johanna" zu einem echten Szenelokal geworden, in dem jedes Wochenende eine riesige Party stieg. Johanna stand hinter dem Tresen, schäkerte mit den Gästen, sang lauthals alle Lieder mit, die aus der Jukebox dröhnten und verbreitete eine bombastische Stimmung. Nie im Leben sollte Johanna wieder so glücklich werden wie zu dieser Zeit. So hätte es immer weiter gehen können.

Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das Kaufparadies machte pleite und wurde abgerissen. In Folge der Abrißarbeiten brach ein etwa 20 Tonnen schweres Mauerteil aus dem Bereich, wo früher die Herren-Unterwäsche zum Verkauf angeboten wurde und landete direkt auf Johannas Kneipe. Danach war von dem Szenelokal nicht mehr allzuviel übrig. Erschlagen von der Herren-Unterwäsche-Abteilung. Zum Glück befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls niemand im "Johannas", so daß lediglich ein riesiger Sachschaden entstand. Dieser Sachschaden allerdings sollte ihnen daß Genick brechen. Der Kredit bei der Bank war noch lange nicht abbezahlt und die Herren - Unterwäsche - Abteilung hatte ihre einzige Einnahmequelle auf zwanzig Zentimter Höhe zusammengequetscht.
Das einzige, was ihnen noch blieb, waren die Einnahmen, die sie in den ersten paar Wochen im "Johannas" gemacht hatten. Doch mit diesen Einnahmen brannte dann kurz darauf Johannas Freundin Magda durch, mit der sie das Lokal zusammen geführt hatte.
So kam es, daß Johanna plötzlich alleine auf einem riesen Berg Schulden saß, von dem sie so schnell nicht wieder herunterkommen sollte. Als der Kredit nicht abbezahlt wurde, schaltete die Bank die Polizei ein, doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich Johanna schon längst nach Frankfurt abgesetzt.

Als sie am Frankfurter Bahnhof aus dem Zug stieg, war sie völlig mittellos, von der Polizei gesucht und ohne Freunde oder Bekannte. In dieser Situation traf sie auf Otto Wampe, der eine ebensolche hatte. Wampe, ehemals SS-Sturmbannführer mit Stalingrad - Trauma, hatte sich in Leipzig eine Existenz als Promoter für Frauencatch-Veranstaltungen aufgebaut. Johanna mit ihrem beträchtlichem Körperumfang machte direkt Eindruck auf ihn und in Johannas derzeitiger Situation war es für Wampe kein großes Problem, sie als Nachwuchscatcherin zu engagieren. Von da an machte Johanna in der Catch-Welt von Frankfurt als Big Mama von sich reden, die ihre Gegnerinnen für gewöhnlich mit einem gewaltigen Unterarmschlag niederzustrecken pflegte.
So schlug sie sich einige Jahre lang durchs Leben, verdiente mit dem Catchen gerademal soviel Geld, daß es zum Leben reichte. So wohnte, wie jede der Catcherinnen von Otto Wampe, in einem kleinen Wohnwagen, der im Lager mit den anderen direkt neben dem Veranstaltungszelt stand.
Der Wohnwagen litt an Altersschwäche, ständig mußte etwas repariert werden, was sehr an Johannas Finanzen zehrte. Zu dieser Zeit war sie ganz zufrieden mit sich und der Welt. Sie hatte regelmäßig ein Dach über dem Kopf (auch wenn dieses Dach gelegentlich Löcher hatte), verdiente genug um sich und ihre Katze Mia zu ernähren und konnte jeden Abend im Ring ihren ebenso runden wie weiblichen Körper präsentieren.
Doch ihre Catch-Karriere endete ebenso abrupt, wie sie begonnen hatte. Beim alljährlich stattfindenden Queen of the Ring-Turnier 1976 wurde Big Mama im Main Event von einer japanischen Catch-Dampfwalze namens Sumo Trulla überrollt. Die Niederlage sollte für Big Mama weitreichende Konsequenzen haben, denn Sumo Trulla beendete das zweifelsohne spannende Match mit ihrem gefürchteten Samurai Splash vom dritten Seil und landete dabei dermaßen unsanft auf Big Mama, daß dabei Johannas linkes Brustimplantat platzte.
Noch vielmals später sollte Johanna erzählen, daß es eben dieser Moment war, diese eine Sekunde, in der Sumo Trullas nicht gerade elfengleicher Körper ihr Brustimplantat zum Platzen brachte, als sie das erste Mal eine göttliche Vision hatte. In dieser Vision sprach der Erzengel Horst zu ihr, der aus dem göttlichen Himmelsreich herabgestiegen war, um ihr mitzuteilen, daß sie eine Reinkarnation der Mutter Maria war und daß es von nun an ihre Lebensaufgabe sein solle, die Ungläubigen gläubig zu machen und die frohe Botschaft der baldigen Rückkehr des Herrn Jesu kundzutun.

Kurzentschlossen, wie Johanna nun mal war, erklärte sie ihre Catcher-Karriere für beendet, noch bevor der Ringrichter bis drei gezählt hatte. Noch am selben Abend kündigte sie bei Otto Wampe, der mit einer einbrüstigen Big Mama sowieso nicht mehr viel anzufangen wußte; packte ihre Sachen und verließ nicht nur ihren Wohnwagen sondern auch die gesamte Catch-Welt von Frankfurt.
Als Anhalterin trampte sie bis nach München, wo sie den Glaubensorden "Das sehende Auge" gründete. Sie nannte sich von jetzt an 'Lavuella, das sehende Auge', und verkündete ihren Anhängern die frohe Botschaft der baldigen Niederkunft des Herrn Jesu Christi auf Erden.
Auf einer Waldlichtung beim Ecksteiner Weiher hatten ihre Anhänger, die in dem Orden auf den Namen 'Yogische Reiter' hörten, einen Glaubenstempel errichtet, in dem Lavuella mit ihren Yogischen Reitern residierte.
Der Inhalt ihrer Glaubensphilosophie besagte, daß in naher Zukunft Jesu Christi wieder auf die Erde zurückkehren und mit seinen gläubigsten Anhängern auf einem riesigen, weißen Pegasus namens Jefgeni in den Himmel hinaufreiten würde. Und daß gerade sie, die yogischen Reiter des sehenden Auges, die gläubigsten Anhänger Jesus seien, das predigte ihnen ihre geistige Führerin Lavuella Tag für Tag.
Daß die Mitgliedschaft im Orden des sehenden Auges ein Vermögen kostete, störte die yogischen Reiter nicht weiter. Was ist schon Geld, wenn man dafür mit Jesus in den Himmel reiten darf? Außerdem wurde das Geld von Lavuella ja im Sinne des Ordens verwaltet. Sie bezahlte davon das Brot, daß die yogischen Reiter verzehrten und das vor jedem Essen mit heiligem Wasser geweiht wurde. Daß dieses heilige Wasser aus dem Ecksteiner Weiher stammte, wußten die yogischen Reiter nicht, aber das mußten sie ja auch nicht wissen. Des weiteren bezahlte Johanna von den Mitgliedsbeiträgen das Wasser und die Kleidung der yogischen Reiter und eine Glaubensreise, die sie einmal pro Jahr antrat und die sie stets für 12 Wochen nach Jerusalem führte, wo sie den ganzen Tag meditierte und mit Jesus kommunizierte.
Daß ihr Jerusalem in Wirklichkeit aus dem 5 Sterne - Hotel 'Gran Paradiso' auf Mallorca bestand, wußten die yogischen Reiter auch nicht, aber auch das mußten sie ja nicht wissen.

So lebte Johanna sehr bequem von 1976 bis 1985 und von ihr aus hätte es auch noch viele Jahre so weiter gehen können. Doch leider endete ihre Karriere als Glaubensführerin Lavuella sehr abrupt an ihrem 54. Geburtstag.
Zu diesem Zeitpunkt befand sie sich gerade auf einer ihrer 'Glaubensreisen" in Mallorca. Unglücklicherweise befand sich auch ein Bruder eines yogischen Reiters zu diesem Zeitpunkt auf der Insel und wunderte sich doch sehr, warum das 'sehende Auge' seines Bruders nicht in Jerusalem mit Jesus konspirierte, sondern im Szenelokal 'Saitensprung' mit einem jungen Spanier auf dem Tisch tanzte und lauthals "Griechischer Wein" von Udo Jürgens grölte.
Ein paar Telefonanrufe genügten um alle yogischen Träume von dem weißen Pegasus und der Rückkehr Christi wie eine Seifenblase zerplatzen zu lassen. Johanna, die durch einen Zufall mitgekriegt hatte, was sich da am Ecksteiner Weiher in ihrem Glaubenstempel zusammenbraute, hielt es für besser, erst gar nicht mehr dort hin zurückzukehren. Wäre ihr auch nicht gut bekommen, denn die yogischen Reiter tobten vor Wut. Johanna schaffte es so gerade noch, ihre Schweizer Bankkonten zu plündern, wo sämtliche Gelder des 'sehendes Auges' lagerten und sich nach Argentinien abzusetzen, bevor die Polizei eingeschaltet und eine Großfahndung nach Lavuella eingeleitet wurde.
Ein aufmerksamer Kripo-Kommissar namens David Mills durchforstete einige Akten und stellte dabei erstaunliche, optische Paralellen zwischen der gesuchten Lavuella und einer Kredit - Betrügerin namens Johanna Balloch aus Leipzig fest, die vor Jahren einen Kredit für eine Kneipe nicht abbezahlt hatte und deswegen noch immer auf der Fahndungs-Liste stand.
Zum Glück für Johanna hielten es sowohl die Kripo-Leute als auch die wutschnaubenden yogischen Reiter für unwahrscheinlich, daß sie sich außerhalb Deutschlands aufhielt und so wurde nur innerhalb des Landes gesucht. Als die Suche nach einigen erfolglosen Monaten dann doch noch international ausgedehnt wurde, hatte sich Johanna in aller Seelenruhe in Argentinien das Gesicht operieren lassen und ein kleines Häuschen in Buenos Aires gekauft. Dort lebt sie noch heute unter dem Namen Evita Garcia.
Von den veruntreuten Geldern ihres Glaubensordens kann sie gut leben. Sie sitzt häufig am Hafen von Buenos Aires an den Kais, und erzählt den Kindern aus dem Dorf von ihrem Leben. Von ihrer Existenz als Junge, von der Kneipe "Bei Johanna", von der Catch - Queen Big Mama und von Lavuella, dem sehenden Auge. Johanna Balloch ist heute 71 Jahre alt.

Die Polizei hat sie niemals gefunden.

 

hi marian,

ich kann mich existence nur anschließen.

bernadette

 

Hi marian!

Die Geschichte ist eine willkürliche Aneinanderreihung von dahinerzählten Episoden, die sich beliebig ver- und austauschen lassen. Der Telling-Stil ist zwar flüssig zu lesen, aber auf die Dauer so langweilig, dass ich die zweite Hälfte des Textes nur noch überfliegen konnte.

Situationskomik lebt eben davon, wie man sie rüberbringt - es gibt keine Konstellationen, über die "objektiv" alle Leser lachen müssten.

Beim nächsten Mal sollte es ein Text sein, bei dem Figuren miteinander interagieren, oder du solltest einen Ich-Erzähler platzieren, der auf den Leser vom Charakter her komisch wirkt.
Das Herunterleiern von Episoden funktioniert jedenfalls in keinster Weise.

Ciao, Megabjörnie

 

Moin Marian,

Ich muss meinen Vorrednern widersprechen. Teilweise zumindest. Mich hat deine Geschichte nämlich durchaus unterhalten.
Leider kommt sie durch den sehr distanzierten und berichtenden Stil stellenweise langatmig daher und richtiger Lacher gibt es auch nicht. Ist aber beides nicht weiter schlimm, da der Text durch einen angenehm ironischen Unterton dennoch unterhält - auch und vor allem, und hier widerspreche ich Existence, durch die Nennung der vielen eigentlich unwichtigen Details. Das ist halt Geschmackssache.
Nicht zum Lachen komisch zwar, aber irgendwie trotzdem witzig.

so mußte sich Johann an einen Arzt wenden, der bereit war, die Operation illegal für ein Butterbrot durchzuführen.
Ich nehme mal an, daß ein Arzt für eine illegale Operation ein wenig mehr als ein Butterbrot nehmen würde. Klar, ist metaphorisch gemeint - funktioniert aber trotzdem nicht.
Dieser Sachschaden allerdings sollte ihnen daß Genick brechen.
das Genick
Daß ihr Jerusalem in Wirklichkeit aus dem 5 Sterne - Hotel 'Gran Paradiso' auf Mallorca bestand, wußten die yogischen Reiter auch nicht, aber auch das mußten sie ja nicht wissen.
Den Anhang brauchts nicht. Daß Johanne die Leute ausnimmt und die Kohle im Urlaub verprasst, geht aus dem Satz davor eigentlich schon hervor.

 

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