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Thema des Monats Das Leben des Mr. Rawley

Seniors
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12.12.2001
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Das Leben des Mr. Rawley

Ob es von Bedeutung war, wußte ich noch nicht, aber dieses ungewöhnliche Detail zog sofort meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Anstelle der rechten Hand war nur ein wirres schwarzgraues Durcheinander scheinbar willkürlich auf die Leinwand geworfener Striche zu erkennen, die aber dennoch nicht den Eindruck machten, nicht zum Übrigen zu passen, sondern im Gegenteil wie ein elementarer Bestandteil des Portraits wirkten. Der Übergang zwischen den prächtigen Farben und dem dunklen Bereich der Hand war fließend, die Farbläufe ins Graue meisterhaft ausgeführt als wäre die Stelle über Jahre von ihrem zentralen Punkt nach außen ausgebleicht. Scott Rawley, der laut des kleinen Schriftzuges am unteren Rand des an arabesker Ornamentik reichen Rahmens hier dargestellt war, hatte den Körper leicht zu seiner Linken gewandt und den rechten Arm in einer an die typischen Darstellungen Napoleons gemahnenden angewinkelten Haltung, so daß der farblose Wirbel am Ende des Armes die Mitte des Bildes beschrieb.
Er trug einen tiefblauen Anzug, besetzt mit silbernen Knöpfen, die von einer nicht zu sehenden Lichtquelle getroffen funkelten und dazu weiße Handschuhe und einen ebensolchen Gürtel, der das Jackett mit einer Hose, die bis kurz über die Knie zu sehen war, verband. Das Gesicht Mister Rawleys war von stolzen Zügen, soweit man diese unter dem aufwändigen tiefschwarzen Bart erkennen konnte, ein sorgfältig gestutzer Vollbart bildete das Ende eines direkt über den Wangen genau gestutzten Backenbartes und dazu zierte ein nach unten gekämmter, buschiger Oberlippenbart das würdevolle Antlitz, das weiters von einem in sehr dunklem Blau gehaltenen Zylinder begrenzt wurde.
Ich hielt den Dargestellten zuerst für einen Offizier und mochte denken, er habe womöglich im Bürgerkrieg seine Hand verloren, doch nach längerem Betrachten erschien mir das immer unzutreffender; ohne daß ich sagen könnte warum, kam ich zu der Überzeugung, es müsse sich um einen Künstler handeln, wohl einen eitlen, alten Maler, der sich hier in einem Selbstportrait überhöht hatte. Den Hintergrund des Gemäldes bildete nämlich die hölzerne Galerie des Hauses, das ich vor einigen Wochen gekauft, und in dem ich gleich bei meinem ersten Besuch vor besagtem Portrait stand.
Es war ein altes Gemäuer, das von außen betrachtet recht heruntergekommen aussah, aber mit seinen grotesken Fratzen und zahlreichen, mir unbekannten in den Stein gehauenen Symbolen trotzdem Ehrfurcht in mir und den anderen hervorrief. Innen war jeder Raum mit dunkelbraunem, rauem Holz verkleidet, das wiederum an den Wänden mit unzähligen Gemälden behangen war, deren Rahmen, wenngleich verwirrend geschwungen, in demselben Holz gehalten fast unmerklich in die Mauerverkleidung übergingen. Am beeindruckendsten war die Eingangshalle, in der sich die erwähnte Galerie befand, direkt gegenüber der Haustür. Zwei Treppen führten dort hinauf, eine an jeder Seite des Raumes. In der Mitte der Galerie hing das Portrait Scott Rawleys in Übergröße, daneben befand sich nichts als hölzerne Wand. Nur im unteren Bereich des Zimmers und der Treppen hingen weitere Gemälde, hauptsächlich düstere Landschaftsmotive, wie sie die Romantik liebte. Dieser Aufbau ermöglichte eine perfekt exponierte Position für das beschriebene Bild, so daß der Dargestellte unter seinem tiefgezogenen Zylinderhut den Eingang und alle Ausgänge aus der Halle im Blick hatte. An dieser Stelle muß es von Interesse sein, daß ich trotz aller Bemühungen nichts über die Geschichte dieses Hauses erfahren konnte. Ich hatte es erworben, ohne es vorher begutachten zu können, da es günstig war und sich direkt neben der Miscatonic Universität befand. Davor hatte es jahrelang leer gestanden bis es schließlich in den Besitz meines Verkäufers gelangt war, der nicht einsah, warum ein solch stolzes Haus unbewohnt zu sein habe. Mehr Einsicht über den Gegenstand unseres Handels hatte jedoch auch er nicht und so schloß ich, daß meine Annahme, der Portraitierte müsse ein Maler sein, richtig war und meinte in ihm den Vorbesitzer meines neuen Heimes zu erkennen.

Der erste Vorfall, der mich beunruhigte und an meiner Entscheidung, hier zu wohnen, zweifeln ließ, war der Tod meines Katers. Gleich am zweiten Tag, oder vermutlich vielmehr in der ersten Nacht, nach meiner Ankunft wurde er getötet. Ja, es war kein Unfall und gewiß kein natürlicher Tod, denn ich fand ihn am Fuße der von der Türe aus rechts gelegenen Treppe mit zerquetschtem Hals. Der Kleine war auf bestialische Weise erwürgt worden, ich konnte mir keinen Menschen denken, der erstens zu solcher Tat fähig war und zweitens die Kraft hatte, den Kopf des Tieres fast völlig vom Körper zu lösen. Auch fehlte, wie ich meine eigentlich unnötig zu sagen, jegliches Motiv. Auf ein weiteres Rätsel machte mich das Zimmermädchen aufmerksam; es war das Eindringen des Mörders keineswegs offensichtlich, da mir mein Diener versicherte, die Tür verschloßen zu haben und sich auch sonst keine Spuren fanden, die auf einen möglichen Weg in das Haus deuteten.
Diese Umstände verwirrten mich völlig und waren zusammen mit meiner Trauer über den Verlust meines geliebten und langjährigen Begleiters wohl auch nicht unschuldig daran, daß ich noch am Abend erkrankte und die folgenden Tage auf Anraten des Arztes im Bett verbrachte.
Doch ganz vermochte ich mich an diese Anweisung nicht zu halten, zu aufgewühlt war ich und zu neu war mir noch die Umgebung als daß mich mein Zimmer hätte zur Ruhe kommen lassen können. Ich wußte diesen Umstand des Neuen jedoch zu nutzen und unternahm einige kleine Spaziergänge durch die Gänge des dreistöckigen Hauses, das von Tag zu Tag größer zu werden schien, obwohl ich nicht sagen kann, wie sehr mein Fieber mich dabei täuschte. Auf Wanderschaft in den eigenen Wänden zu gehen, mag unter normalen Umständen nicht als Zeitvertreib erscheinen, der dazu taugt, den Wanderer lange zu beschäftigen. Aber die zahlreichen Malereien meines vermutlichen Vorgängers schlugen mich ein ums andere Mal in ihren Bann. Gerade die Naturbilder, die sein Lieblingsthema gewesen sein mußten, vermittelten mir den Eindruck des Fernen, des Sehnsüchtigen und je länger ich sie betrachtete, desto fremder wurde ich im mir ohnehin noch wenig bekannten eigenen Heim. Es befeuerte meine natürliche Neugier, die immer wiederkehrenden und doch virtuos variierten Motive zu schauen: Wilde Bäche und Flüße, auf denen die Schaumkronen tanzten, stürzten sich durch dichte Wälder, die stets in sommerlichem Grün standen. Stürme jagten über weite Blumenwiesen und rissen blaue Blüten in Höhe, die im Kontrast vor dem wolkenverhangenen Himmel noch kräftiger wirkten als unten am Boden. Auch das Meer schien ihm lieb gewesen zu sein, meistens in hohen Wellen gegen wild geformte Felsen schlagend. Kurz, trotz meiner Krankheit konnte ich das Leben dieser Kunstwerke deutlich spüren.
Am heftigsten aber traf mich eine Entdeckung, die ich am Ende eines abgelegenen Ganges machte, der nur zur Tür zum Dachboden führte. Ich meinte, bei meinem ersten Rundgang kein Gemälde gesehen zu haben, sondern bloß braune Holzverkleidung. Und doch hing dort ein Bild, an der Wand rechts des Aufganges zum Speicher, das keine Landschaft zeigte. Aber auch hier blühte das Leben: Das Werk zeigte eine Katze, die auf allen Vieren auf einem Dach thronte und mit offenem Maul die Zähne zeigend und funkelnden dunkelblauen Augen den Betrachter anstarrte.
Es war mein Kater, der da vor mir auf der Leinwand zu sehen war. Ich kannte die Fellfarbe und jedes Detail, etwa den dunkleren Fleck auf der Brust. Am auffälligsten aber war die Augenfarbe, zumal blauäugige Katzen alles andere als häufig vorkamen.
Mir fiel es schwer, den absurden Gedanken zu verdrängen. Die Ähnlichkeit des Bildes mit meinem verunglückten Gefährten war frappierend und der Zufall dieser Übereinstimmung nicht minder ungeheuerlich. Gegenüber meinem Personal erwähnte ich nichts davon, sondern baute darauf, daß nachlassendes Fieber diesen Eindruck vertreiben würde. Dennoch war es mir die folgenden Nächte fast unmöglich, Schlaf zu finden.

Das erste Mißtrauen gegenüber dem Portrait auf der Galerie kam nur kurze Zeit später. Die beiden Katzen, die tote und mehr noch die sehr lebendige, die immer noch am Ende des Ganges hing, wie ich mich mehrfach vergewissert hatte, hatten mir sehr zugesetzt und mein Zustand war zusehends schlechter geworden. Das Fieber wurde schlimmer und meine Neugierde durch eine unangenehme Mattheit gedämpft, so daß ich die kurzen Spaziergänge schließlich einstellte. Ich sah nächtens stets meinen Kater durch mein Zimmer streifen und war an jedem Morgen unsicher, ob ich geträumt hatte oder nicht.
Fünf Tage nach der Begegnung mit dem unheimlichen Tierbild starb das Dienstmädchen auf dieselbe grausige Weise wie mein Haustier. Ich saß am frühen Morgen noch halb im Schlaf am Tisch neben meinem Bett und wartete auf meinen Tee, von dem ich mir neue Lebensgeister für den Tag versprach, als ich das Mädchen in Panik schreien hörte. Es war kein Schrei, wie man ihn gewöhnlich ausstößt, wenn man durch eine angesprochene Phobie in Panik verfiel, sondern ein verzweifelter Ruf nach Hilfe, so verzerrt, daß er kaum zu verstehen war. Noch bevor ich mich erheben konnte, um zur Zimmertür zu eilen, wurde diese von Außen aufgerissen. Das Dienstmädchen jagte herein und fiel, indem sie sich hektisch umblickte und mich endlich sah, über meine kleine Couch und landete schließlich auf den Knien vor meinem Tisch. Sie war hysterisch, hatte nicht aufgehört, unentwegt zu schreien und weinte in einem fort. Nachdem ich meinen anfänglichen Schock überwunden hatte, kam ich zu ihr um ihr aufzuhelfen, was sich jedoch als unmöglich erwies, auch aufgrund meiner eigenen Schwäche, und so versuchte ich stattdessen, sie zu beruhigen, indem ich auf sie eindrang, sie möge sich beherrschen und mir berichten, was vorgefallen war. Es dauerte Minuten, bis sie ihr Kreischen einstellte und wenigstens ihre Bewegungen wieder unter Kontrolle hatte. Ansonsten blieb sie aber wirr.
Ohne mit dem Weinen aufhören zu können, erzählte sie mir in unzusammenhängenden Sätzen von der Begegnung, die sie so aufgelöst hatte. Sie sei, das Tablett mit dem Tee in der Hand, die Treppe hochgestiegen, als ihr um die Ecke eine Hand entgegenflog - eine Hand, das entnahm ich mit einiger Verwirrung ihren gestammelten Ausführungen, die sich tatsächlich ohne zugehörigen Körper auf sie zubewegt habe. Es schüttelte sie bei jeder Erwähnung dieses phantastischen Zusammentreffens, so daß ich es vorzog, nicht weiter nachzufragen. Inzwischen war mein Diener herbeigeeilt, der den Lärm auch vernommen hatte, und zusammen brachten wir das Mädchen auf ihr Zimmer, wo ich meinem Helfer auftrug, den Arzt zu holen, um nach ihr und gleichwohl nach mir zu sehen.
Dann kehrte ich zur Treppe zurück, an deren oberem Ende ich auch gleich das Teeservice fand, das die Arme fallen gelassen hatte. Von einer Hand jedoch war nichts zu sehen. Ich hatte natürlich auch nichts derartiges erwartet, wenngleich es mich, eingedenk meines fiebrigen Zustandes, nicht sehr gewundert hätte, die herrenlose Hand tatsächlich zu erblicken. Ich wollte wieder auf mein Zimmer gehen, um dort auf das Eintreffen des Doktors zu warten, doch dann fiel mir das Portrait ein, das die Panik des Dienstmädchens beobachtet haben mußte. So ging ich steifen Schrittes auf das Bild zu, schon zitternd, und starrte lange und, wie es mir im Nachhinein vorkommt, ohne ein einziges mal zu blinzeln, auf die graue Stelle des Mister Rawley, an deren Statt sich einmal seine Hand befunden haben mußte.
Mir wurde schwindlig und ich wankte unsicher an mein Bett, auf das ich halb in Trance sank. Jedoch gestattete ich mir nicht, mich ganz zu verlieren, auch wenn die Müdigkeit plötzlich übermächtig schien. Die Angst, die mich bei dem Gedanken ergriffen hatte, wich nur langsam von mir, so sehr hatte mich der Anblick des Scott Rawley getroffen. Erst als ich wieder einigermaßen bei mir war, suchte ich nach rationalen Erklärungen für die Vorfälle, die sicher auch die nüchternste Vorstellungskraft zu überwältigen geneigt waren. Das Portrait mußte auf das Mädchen die gleiche, auf beunruhigende Weise intensive Wirkung gehabt haben wie auf mich. Ein Unbehagen beschlich mich immer in der großen Eingangshalle, aber ich konnte es stets überspielen. Wahrscheinlich, so mutmaßte ich, war es ihr ähnlich ergangen, nur, daß ihre Phantasie schließlich doch die Oberhand gewonnen hatte und ihr mit einer ebensolchen einen bösen Streich spielte. Das war keine überzeugende Antwort, ich wußte es, und hatte wiederum nur mein Fieber als Erklärung dafür, daß mir all die bisherigen Erlebnisse so seltsam bedrückend schienen. Der Arzt bestärkte mich in dieser Diagnose.
Es vergingen nach dessen Besuch nur wenige Stunden, die ich schlafend und das Dienstmädchen, wie ich annahm, ebenso verbrachte, bis ich wieder ihren Schrei hörte. Er klang ebenso panisch wie der erste, aber verstummte nach wenigen Sekunden abrupt.
Ein eiskalter Schauer lief über meinen Rücken und die kleinen Häärchen an meinen Armen standen nach oben, während mir der Atem stockte. Erst der erschrockene Ruf meines Dieners riß mich los und begab mich, mich dazu zwingend, alle Eile zu vermeiden, mit böser Ahnung in die Galerie. Dort stand er neben dem Mädchen, das am Fuß der linken Treppe in einer Blutlache lag. Alles erinnerte an den Tod meines Tieres, bis auf das Detail, daß es die andere Treppe war, vor der die Leiche sich befand. Auch ihr Hals war bestialisch zusammen gequetscht worden, was bei einem Menschen noch unmöglicher erschien als bei einer Hauskatze. Diese Überlegungen machte ich dank meiner plötzlichen Ohnmacht alle viel später, nachdem ich aus tiefem und langem, aber keineswegs erholsamem Schlaf erwacht war. Ich konnte mich nicht erinnern, wie ich in mein Bett gelangt war, aber die Entdeckung des toten Mädchens war mir noch in allen Einzelheiten bewußt. Der Diener hatte, wie er mir berichtete, in der Zwischenzeit die Polizei kommen lassen, die wiederum ein weiteres Mal den Arzt zu mir bat und versicherte, sich des ominösen Mordfalles anzunehmen.

Die folgenden Tage war einige Unruhe im Haus. Sorgfältig wurde das ganze Gemäuer überprüft, weil man ja davon ausgehen mußte, daß der Mörder auf mir unbekanntem Wege sich Zutritt verschafft hatte. Ob man auch mich und meinen Diener verdächtigte, wußte ich nicht, wich aber auch jedem Gespräch mit dem jungen Inspektor, der mit dem Fall betraut war, aus, so gut es mir möglich war.
Mein Fieber hatte glücklicherweise nachgelassen, plagte mich aber noch immer, wofür ich halb dankbar war, konnte ich mich doch zum einen dadurch von den Ermittlungen fernhalten und zum anderen mir einreden, es werde sich schon alles aufklären. Meine Überlegungen und die absurden Befürchtungen, die mit der von der nun Toten erwähnten Hand und dem allsehenden Portrait zusammenhingen, behielt ich für mich.

Erst als es den nächsten Mord gab, begann der Inspektor sich energischer um mich zu bemühen. Um ehrlich zu sein, weiß ich bis jetzt nicht, ob es wirklich einen Todesfall gegeben hatte, aber das plötzliche Verschwinden meines verbliebenen Angestellten ließ keine andere Erklärung zu. Der alte Diener war plötzlich nicht mehr aufzufinden. Daß er vor den Geschehnissen der letzten Zeit geflüchtet war, wie es der junge Polizist vermutete, konnte ich ausschließen, war mein Diener doch eine treue Seele, die mich seit Jahren begleitete, und außerdem von einer ungeheuer abgebrühten und ruhigen Art, die ich besonders in diesen Tagen sehr zu bewundern und vor allem zu schätzen gewußt hatte. Natürlich mußte dieses Bekenntnis dazu führen, daß der Verschwundene unter Verdacht geriet.
Meine Beteuerungen, diese These sei völlig unzutreffend ignorierend, quartierte sich der Inspektor kurzerhand in einem der Gästezimmer ein, was mir, muß ich sagen, nicht völlig unrecht war, da meine Unsicherheit wohl verständlicherweise weiter wuchs, und mich die Einsamkeit in diesem Haus vermutlich völlig gelähmt hätte. Ich hatte mehrfach darüber nachgedacht, es zu verlassen, aber erst machte mir das Fieber diese Überlegungen zunichte und jetzt mein neuer Mitbewohner.
Der Inspektor war ein feiner, junger Mann, voll des Elans für seine Arbeit. Er hielt sich kaum in seinem Zimmer auf, sondern war unentwegt im großen Anwesen unterwegs, um etwas zu finden, das ihm bisher entgangen sein mußte. Er war entschieden der Meinung, einen Eingang, eine Tür, ein Fenster oder gar einen geheimen Gang übersehen zu haben. Auch ihn schlugen die Bilder in ihren Bann, er erwies sich als ausgesprochener Kunstkenner und setzte mir mehrfach das pulsierende Leben der, wie er sagte, großartigen romantischen Landschaften auseinander, die wie erwähnt den Großteil der Wände zierten.
Natürlich blieb es dabei nicht aus, daß das Gespräch auf das Portrait des Mister Rawley kam. Er versicherte mir, meine Vermutungen seien korrekt, der Strich dieses Gemäldes sei unverkennbar derselbe wie der der romantischen Naturbilder, für die er so voll des Lobes war. Gleichzeitig äußerte er Verwunderung darüber, daß ihm von diesem Meister, der in Arkham wohl hätte bekannt sein müssen, noch nie etwas zu Ohren gekommen war. Ein solch gewaltiger Künstler in seiner Stadt, von dem nie jemand etwas gehört, das war ihm, dieses Wort benutzte er tatsächlich, sehr unheimlich.
Die ersten Tage geschah nichts Außergewöhnliches, was sicher dazu beitrug, daß ich wieder die Kontrolle über mich selbst erlangte und das Fieber endlich ganz loswerden konnte. Derart gesundet und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, schien mir meine phantastische Angst immer lächerlicher, wenngleich ich das Unbehagen angesichts des Verlustes meiner Mitbewohner bis heute nicht ablegen konnte. Jedenfalls war ich bald soweit, daß ich dem noch immer ungemein aktiven Inspektor alles erzählte, was ich wußte oder mir zusammengereimt hatte. Er lachte angesichts des Bildes meiner Katze, die er ja nicht gesehen hatte und so die große Ähnlichkeit nicht feststellen konnte, und meinte, das müsse man wohl der äußerst dynamischen Darstellung des Tieres anrechnen. Die Augen, das Fell, das sei bloßer Zufall, obschon, wie er zugab, ein höchst erstaunlicher. Aber das seien Zufälle ja meistens, fügte er hinzu. Die Hand, die das Dienstmädchen gesehen haben wollte, kommentierte er nur mit einem Stirnrunzeln und ich wußte nicht, ob er es einfach als Einbildung eines hysterischen Mädchens abtat oder meiner Erinnerung ob meines langen Fiebers mißtraute.
Die seltsame Farblosigkeit der Hand des Mister Rawley, die ihm auch schon aufgefallen sei, konnte er allerdings auch nicht erklären.
Mir schien das Portrait immer lebendiger zu werden, aber das sagte ich nicht.

Was den jungen Mann am Bild des Katers am meisten interessierte, war die danebengelegene Tür, die wie berichtet, hinauf auf den Dachboden führte. Nachdem er sich erkundet hatte, daß nur ich über einen Schlüssel zu dieser Tür verfügte, bat er mich, sie aufzuschließen und ihm über die dahinter befindliche alte Holztreppe auf den Speicher zu folgen. Er hatte eine Öllampe dabei, die wir allerdings nicht brauchten, da das Dach über mehrere Fenster verfügte, die von Außen durch die Höhe des Hauses und den sehr niedrigen Giebel nicht zu sehen waren.
So mußten wir uns gebückt in dem Raum umsehen, der trotz der niedrigen Decke bemerkenswert geräumig war. Nur ein paar alte Möbel standen hier und da im Weg, und einige leere Rahmen, deren Ornamente durch die dicke Staubschicht kaum mehr zu erkennen waren, und andere Malutensilien lagen verstreut auf dem Boden. Sonst sah alles unverkennbar nach Dachboden aus: Spinnweben und Staub kleideten alles in ein häßliches Weiß.
Der Inspektor begutachtete sogleich die Fenster, die er, besonders angesichts der Beschaffenheit des Daches, für eine ideale Einstiegsmöglichkeit hielt. Auch das Auffinden des Katzenbildes direkt neben dem Aufgang deute darauf hin. Meinen Einwand, ein eventueller Einbrecher könne unmöglich die Türe benutzt haben, die ja die ganze Zeit verschloßen gewesen war, ließ er nicht gelten.
Die ersten Fenster waren zu, ließen sich auch durch starkes Rütteln nicht öffnen und waren obendrein mit einer Schicht von Staub bedeckt, die völlig unberührt war. Wenigstens auf seinem Rückweg hätte der Täter Spuren hinterlassen müssen. Darauf wolle er auch die Fenster weiter hinten untersuchen, er rechts, ich auf der Linken. Ich konnte auf meiner Seite nichts finden, was mich nicht wunderte, und wollte umdrehen als ich den Inspektor hinter mir plötzlich keuschen hörte als habe sich sein Puls schlagartig verdoppelt.
Er stand wenige Meter neben mir in der Mitte des Raumes und starrte auf eine Stelle an der Wand gegenüber des Treppenaufganges. Ich folgte seinem Blick und nahm noch wahr, wie mein Herz in wahnsinniger Geschwindigkeit schlug, ehe ich mich verlor und in Ohnmacht fiel.
Ich muß schon nach kurzer Zeit wieder zu mir gekommen sein, der Inspektor kniete neben mir, ohne die Augen von dem Bild zu lassen, das dort an der spinnwebenverhangenen Holzverkleidung angelehnt war. Wieder ging mein Puls schneller als es mir bewußt wurde: Das Gemälde war augenscheinlich neu gemalt, kein Staubkörnchen bedeckte die Leinwand und die arabesken Windungen des Rahmens waren überdeutlich und verwirrend zu erkennen. Es war ein Portrait, daß eine junge Frau zeigte, die, es besteht daran keinerlei Zweifel, mein Dienstmädchen war.
Wir saßen lange Zeit reglos am Boden, ohne uns abwenden zu können, ohne daß wir auch nur die Augen zu schließen vermochten. Er fing sich als erstes, was er mit einem tiefen Verschnaufen zu erkennen gab und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Dann schüttelte er den Kopf und sprang ruckartig auf, um seinen Blick von dem Bild zu lösen und sich neuerlich umzuschauen. Mit bestimmten Schritten stampfte er einige Meter zurück Richtung Treppe und zog zwischen einem ruinierten Schreibtisch und einem übergroßen, häßlichen Kissen einen weiteren Bilderrahmen hervor. Mir war schlagartig klar, was er suchte.
Doch ob er es gefunden hatte, konnte er nicht mehr überprüfen, denn in dem Moment als er das Gemälde umdrehen und die Vorderseite betrachten wollte, sprang eine Hand aus den Spinnweben am Schreibtisch auf seine Schulter. Er stolperte erschrocken zur Seite, und schrie mit weit aufgerissenen Augen panisch, als er sah, was ihn da attackierte. Seine hektischen Bewegungen vermochten nichts mehr zu ändern. Erst fiel das Bild zu Boden und danach der Inspektor selbst, mit im Schrei erstarrtem Mund und weit hervorgetretenen Augen. Die Hand hatte ihm den Hals fast durchgedrückt und war verschwunden, ich konnte nicht sagen wohin. Aber ich sah, daß er Recht gehabt hatte: Das Gemälde, das er gefunden, zeigte meinen Diener.

Ich nahm das alles in seltsamer Ruhe war, die mich vermuten läßt, daß der Wahnsinn mich schon in seinen Klauen hält. Stunden mußte ich dort oben gesessen haben, ehe ich es schaffte, mich hier in mein Zimmer zu schleppen. Noch nicht einmal die Tür zum Speicher habe ich abgeschloßen, es scheint mir sinnlos. Auch nach dem Gemälde des Inspektors zu suchen, das nun unzweifelhaft irgendwo in diesem Haus an einer Wand hängen muß, fehlt mir die Kraft. Ich habe verstanden. Es ist bitter und mir selbst unheimlich, mit welcher Ruhe ich mir bewußt machen konnte, daß die einzige noch zu beantwortende Frage die ist, welche Holzverkleidung ich zieren werde.

Diese Schrift fand ich in seinem Zimmer auf dem Tisch, an dem er saß. Er mußte daran geschrieben habe, als ich ihn umbrachte. Wozu war mir schleierhaft. Um mir zu zeigen, daß er mich durchschaut hatte? Ein sinnloser Triumph, den ich ihm gönne. Ich fühle mich lebendig, ich bin lebendig, und das verdanke ich ihm. Und um ihm meinen Respekt zu erweisen, habe ich entschieden, mein eigenes Portrait in der Galerie mit dem zu ersetzen, an dem ich gerade arbeite. Damit er alles sehen kann, das in diesem Hause vorgeht.

 
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Hallo falk, da bin ich wieder.

Also mit dem Stil habe ich so meine Probleme. Egal, welchen Autor du zitierst, ich würde ihn nach kurzer Zeit wegen der extrem umständlichen Formulierungen zu Seite legen. Klar, Du hast Dich um alte Rechtschreibung bemüht, deßhalb auch die vielen ß. Deine Geschichte bezieht sich vermutlich auf eine Episode aus dem Horrorfilm (musste kurz googeln) "Die Todeskarten des Doktor Schreck" aus den sechziger Jahren mit Peter Cushing. Offensichtlich eine Fortschreibung (ich kenne den Film nicht genau, glaube aber, dass es vor kurzem eine Neuverfilmung gab, kann das sein?). In dem Filmlexikon heißt es, die Episoden sind "modern" (also nicht aus den Federn klassischer Autoren wie Poe). Oder gibt es eine ältere Vorlage mit einer abgetrennten mordenden Hand eines Malers? Falls nicht, wäre der Beitrag genaugenommen nicht zum "Thema des Monats" passend.

Der Anfang gefiel mir noch recht gut, atmosphärisch dicht, ich hatte das Haus und das Bild wunderbar vor Augen.
Im letzten Absatz wechselt die Perspektive. Das kommt derart unvermittelt, dass ich zweimal lesen musste. Ich hatte schon auf eine kleine Überraschung gehofft.

Dies hier noch:

und MIT offenem Maul die Zähne zeigend und funkelnden dunkelblauen Augen den Betrachter anstarrte.

ich mich mehrfach vergewißert hatte
auch nach alter RS mit zwei "s"

frühen Morgen noch halb im Schlafe am Tisch neben meinem Bett und wartete auf meinen Tee
müsste konsequenter Weise dann auch "Tische" und Bette" heißen...

versprach als ich das Mädchen in Panik schreien hörte
Komma vor "als"

wenn man, durch eine angesprochene Phobie, in Panik verfiel
alle Kommas raus

Das Dienstmädchen jagte hinein und fiel
Aus Sicht des Erzählers müsste es "herein" heißen

Sie war hysterisch, hatte nicht aufgehört, unentwegt zu schreien und weinte in einem Fort.
In einem Fort? Wie das im Western? Oder in "einem fort" ;)

anfänglichen Schock überwunden hatte, kam ich zu ihr um ihr aufzuhelfen
Komma vor "um"

die tatsächlich alleine, ohne zugehörigen Körper, sich auf sie zubewegt gesehen zu haben sie vermeinte.
Schönes Beispiel, warum ich den verschachtelten Stil nicht besonders mag.

das Portrait ein, daß die Panik des Dienstmädchens beobachtet haben musste
auf jeden Fall "s" auch bei alter RS

mein Bett, auf daß ich halb in Trance sank
auf jeden Fall "s"

so sehr hatte mich der Anblick des Scott Rawley getroffen
er sieht ihn nicht zum ersten Mal. Vielleicht "erneut getroffen"?

Ein Unbehagen hatte beschlich mich immer in der großen Eingangshalle, aber ich konnte es stets überspielen
muss raus

daß ihre Phantasie schließlich doch die Oberhand gewonnen hatte und ihr mit eienr ebensolchen einen bösen Streich spielte.
...

lief über meinen Rücken und die kleinen Häärchen an meinen Armen standen nach oben
auf jeden Fall ein "ä"

erschrockene Ruf meines Dieners riß mich los und begab mich, mich dazu zwingend, alle Eile zu vermeiden,
ich denke, auch bei alter RS mit zwei ""

Mädchen, daß am Fuß der linken Treppe in einer Blutlache lag
auf jeden Fall "s"

Diese Überlegungen machte ich alle viel später als ich aus tiefem und langem, aber keineswegs erholsamem Schlaf erwachte.
Er findet sein Dienstmädchen ermordet auf und schläft erstmal ein???

die mit der vond er nun Toten erwähnten Hand
...

ungeheuer abgebrühten und ruhigen Art, die ich ebsonders in diesen Tagen sehr zu bewundern und vor allem zu schätzen gewußt hatte

Meine Beteuerungen, diese These sei völlig unzutreffend, ignorierend, quartierte sich der Inspektor kurzerhand in einem der Gästezimmer ein
Komma raus

Inspektor Willkins war ein feiner, junger Mann, voll des Elans für seine Arbeit.
Wenn schon der Name des Inspektors genannt wird, würde ich dies früher tun

daß ich wieder die ganze Kontrolle über mich selbst erlangte und das Fieber endlich ganz loswerden konnte. Derart gesundet und im Vollbesitz meienr geistigen Kräfte
2 x "ganz" ...

war die danebengelegene Tür, die wie berichtet, hinauf auf den Dachboden führte.
nach die müsste wohl ein Komma rein

da das Dach über mehrere Fenster verfügten
verfügte

seinem Rückweg hätte der Täter Spuren hinterlassen müssen.Darauf wolle er auch die Fenster weiter hinten untersuchen.
Leerzeichen dazwischen

was mich nicht wunderte, und wollte umdrehen als ich den Inspektor hinter mir plötzlich keuschen hörte als habe sich sein Puls schlagartig verdoppelt.
keuchen

ohne die Augen von dem Bild zu lassen, daß dort an der spinnwebenverhangenen Holzverkleidung angelehnt war
s

Wieder ging mein Puls schneller als es mir bewußt wurde
Wie kann er das schreiben, wenn es ihm doch nicht bewusst ist?

und schrie mit weit aufgerissenen Augen panisch als er sah, was ihn da attackierte
Komma nach "panisch"

Ich nahm das alles in seltsamer Ruhe war, die mich vermuten läßt, daß der Wahnsinn mich schon in seinen Klauen hält.
In diesem Absatz geraten die Zeiten etwas durcheinander.

Besten Gruß
nic

 
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Ich sehe gerade, dass ich meine erste Kritik mit den Korrekturvorschlägen zum ersten Teil versehentlich überschrieben habe. Zu dumm. Ich hoffe, Du hattest sie noch gesehen?

Nachbemerkt: warum hat er nicht einfach das Haus verlassen? Kein Fluchtgedanke?

Nochmals Grüße
nic

 
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Ja, die Verbesserungen aus deinem ersten Teil hatte ich schon eingearbeitet. Vielen Dank dafür und auch für die neuen Anmerkungen!

Den Film, den du erwähnst, kenne ich nicht. Wußte auch gar nicht, daß es mordende Hände schon gibt, insofern sollte ich mir den Streifen wohl mal anschauen. :D
Ich zitiere thematisch etwas anderes als die Hand, wenngleich das möglicherweise nicht genau genug rauskommt, wenn man das Vorbild nicht kennt.

Der umständliche Stil ist eben der der Romantik, ohne daß ich jetzt behaupten wollte, ihn genau getroffen zu haben. Poe und Lovecraft sind gleichsam deren erste Kinder - gerade Poe hat nachweislich E.T.A. Hoffmann gelesen und von diesem auch die Idee übernommen, die mich hier vorantrieb.

In diesem Absatz geraten die Zeiten etwas durcheinander.

Das ist Absicht.
Die alte Rechtschreibung hat nichts mit der "Hommage an die Alten" zu tun, sondern ist mir einfach sympathischer.

Schönes Beispiel, warum ich den verschachtelten Stil nicht besonders mag.

Ach, das hat nichts mit "verschachteltem Stil" zu tun, das ist einfach dumm formuliert... geändert.

warum hat er nicht einfach das Haus verlassen? Kein Fluchtgedanke?

Weil er zuerst krank ist und dann durch den Inspektor ans Haus gebunden. Aber vielleicht sollte ich ihn diese Überlegung wenigstens selbst anstellen lassen.

 
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Hallo nochmal,

also ich bin hocherstaunt, dass Du die Filmepisode "Disembodied Hand" nicht kanntest. Habe aber keinen Zweifel daran.

In der Story aus den sechziger Jahren geht es um die mordende abgetrennte Hand eines Malers (!), der Selbstmord begangen hatte. Die Hand im Film ging übrigens auch gegen den Hals... Unterschied zu Deiner Geschichte: die lebendige Hand des toten Malers war nur darauf scharf, an einem Kunstkritiker Rache zu üben.

Besten Gruß
nic

P.S. Jetzt habe ich auch die Neuverfilmung gefunden: "The Hand" von Oliver Stone mit Michael Caine von 1981. Caine ist der Comiczeichner Lansdale (schon wieder ein Künstler), der durch einen Unfall eine Hand verloren hat. Diese Hand entwickelt ein Eigenleben und ermordet mehrere Menschen, die Lansdale schwer enttäuscht hatten (oder so). Ich habe den sogar mal vor Jahren gesehen, fand ihn aber ziemlich mau...

 

Hallo!

"Die Hand" ist der Erstling von Stone. Nichtsdestotrotz tatsächlich ziemlich fad und recht langweilig.

Hi falk!

Ich hatte mir fast gedacht, dass du zu diesem Monatsthema was schreiben würdest, kenne ich doch deinen Hang zu dieser "altmodischen" Schreibe.

Ich finde die Einführung, die du dem Leser gewährst, ziemlich ungewöhnlich, und das nicht im positiven Sinne. Normalerweise versuche ich dem Leser mit ein/zwei Sätzen darzulegen, worum es in der Story geht, versuche den Schauplatz zu umreißen, die Figuren einzuführen und, wenn es geht, das Hauptthema anzureißen. Das ist ziemlich kompliziert, weil man m.M. nach nicht viel Zeit hat, den Leser zu fesseln und an den Text zu binden.
Doch du machst so gut wie das Gegenteil von dem. Dass es sich um ein Gemälde handelt - der erste Hinweis darauf - erfahre ich erst ziemlich spät, wenn ich mir nicht vorgenommen hätte, die Geschichte zu lesen, ich glaube nicht, dass ich über den Einstieg hinweg gekommen wäre.

Weiterhin kann man bei jedem Absatz, den du machst, sehr schön erkennen, wie du versuchst, dem Leser vorzugeben, was er zu denken hat.

Der erste Vorfall, der mich beunruhigte und an meiner Entscheidung, hier zu wohnen, zweifeln ließ, war der Tod meines Katers.

Das erste Mißtrauen gegenüber dem Portrait auf der Galerie kam nur kurze Zeit später.

Erst als es den nächsten Mord gab, begann der Inspektor sich energischer um mich zu bemühen.

Dass der Prot beunruhigt ist, dass er dem Porträt gegenüber Misstrauen empfindet oder der Inspektor sich um ihn bemüht, das solltest du zeigen, nicht sagen, finde ich. Anhand von kleinen kurzen Episoden klarmachen, wie es um die Prot. steht.
Du erzählst aber viel in deiner Geschichte und sagst herzlich wenig.
Ich denke, das ist ein Stückweit dem Thema geschuldet, aber ich bin überzeugt, dass es hätte besser klappen können.

Von einer Hand war nichts zu sehen. Ich hatte natürlich auch nichts derartiges erwartet, wenngleich es mich, eingedenk meines fiebrigen Zustandes, nicht sehr gewundert hätte, die herrenlose Hand tatsächlich zu erblicken.

Im ersten Teilsatz sagst du etwas komplett anderes, als im zweiten. Du sagst, dass du keine Hand erwartet hast, aber dann negierst du diesen Satz, indem du sagst, dass du dich nicht gewundert hättest, eine Hand zu erblicken. Das zerrt am Lesefluss, ehrlich. In dieselbe Kategorie fällt folgender Satz:

Mein Fieber hatte glücklicherweise nachgelassen, plagte mich aber noch immer,

Es gibt viele Formulierungen, die nur schön aussehen, offensichtlich aber keinem anderen Zweck, als ebendiesem dienen. Es ist mühselig, sich da durch zu arbeiten.

Wobei ich bis jetzt nur negativ über deinen Text gesprochen habe, das liegt mir allerdings fern. Es gibt, wie gesagt, schöne Formulierungen und geschliffene Worte, die allerdings in den meisten Fällen die Geschichte nicht vorantreiben.

So fand ich es dann auch ziemlich atemberaubend, wie du geendet bist.

Alles in allem würde der Geschichte eine deutliche Straffung guttun.

Mit Grüßen von dieser Seite!

 
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Hmm... danke auch für deine Kritik, aber ich fürchte, darauf nicht wirklich reagieren zu können. Was du kritisierst ist großteils das, was die Geschichte bzw. den Stil ausmacht - das zu ändern, hieße, die Geschichte zu begraben. D.h. es wird nicht deutlich gestrafft und auch nichts gezeigt statt erzählt. Gerade dieses ausschweifende Erzählen, der Verzicht auf allzuviel Zeigen, ist das konstituierende Element vieler Geschichten Lovecrafts (weniger Poes).

Im ersten Teilsatz sagst du etwas komplett anderes, als im zweiten.

Eigentlich nicht. Man muß etwas nicht erwarten, um sich darüber wundern zu können. Einfacher: Ich erwarte nicht, daß das neue Buch des Autors XY schlecht wird, weil mir bisher alle seine Schinken gefallen haben, aber angesichts der ganzen Vorab-Kritik, die man so liest, wunderte es mich auch nicht, wenn meine Erwartung enttäuscht würde.
Auch der zweite Satz funktioniert einwandfrei: Wenn du Fieber hast, kann es nachlassen, aber dich immer noch plagen. Statt 41 Grad hast du nur noch 38 - fit bist du deswegen trotzdem nicht.

Mir ist es eigentlich zuwider, auf Kritiken mit bloßem "Nö, seh ich anders" zu antworten, aber in diesem Falle sehe ich nicht, was ich ändern könnte, ohne daß die Erzählung gleich eine ganz andere wird.

Wie du wohl weißt, ist mir dieser flüßige Stil ("Show, dont tell") auf's Schlimmste zuwider, so daß ich in der Tat hoffte, angesichts des TdM auf etwas mehr Gnade zu treffen. Aber wem's nicht gefällt, dem gefällt's nicht. :(

€:

Dass es sich um ein Gemälde handelt - der erste Hinweis darauf - erfahre ich erst ziemlich spät

Das ist in der Tat etwas, daß ich nicht beabsichtigt habe und daher ändern würde. Allerdings ist gleich im zweiten Satz von Strichen auf einer Leinwand die Rede - ist das nicht eindeutig?

 
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Glück auf!

Hoch erfreut war ich, als ich wieder einmal den guten alten Stil zu lesen bekam. Wesentlich tiefer und eindringlicher als neumodische Oberflächlichkeit sowie jugendlich salopper Jargon.

Leider zieht sich der Gesamttext doch relativ spannungsarm dahin. Es knistert nicht so richtig, verstehst du? Es ist, als säße man in einem Ferrari, der aber lediglich zwei Gänge hat. Dein Fehler ist wohl der, dass es nicht ab spätestens Mitte des Textes mal einen Punkt gibt, ab dem es unheimlich wird - und damit meine ich RICHTIG unheimlich. Es schleppt sich immer so dahin. Ich denke, es wäre möglich gewesen, die Spannung extrem zu verdichten - vielleicht mit einem immer stärker werdenden Wahn des Protagonisten. Sicher auch mit anderen Möglichkeiten, die mir jetzt auf die Schnelle gar nicht einfallen.

Die Schreibe an sich ist wirklich in Ordnung. Ein Satz störte mich bißchen:

"So mußten wir uns gebückt in dem Raum umsehen, der trotz der niedrigen Decke bemerkenswert geräumig war."

(Natürlich kann es auch trotz niedriger Decke geräumig sein, wenn es sich in etliche Meter Länge und Breite verläuft. Ist aber eine Kleinigkeit, und solche Dinge passieren mir selber auch öfter.)

Aber Hochachtung! Alte Schwarzweiß-Gruselfilme, alte Hammer-Streifen, altehrwürdige Texte - das sind Dinge, die nie aussterben sollten! Kreativität in heutiger Zeit muss einfach solche Sachen am Leben erhalten!

Gruß Leichnam

 

Danke dir für das Lob! :)

Ich denke, du hast Recht, was die mangelnde Spannung angeht. Zwar wollte ich recht nüchtern und lakonisch schreiben, habe es aber wohl etwas übertrieben. Es ist allerdings, finde ich, sehr schwierig, etwas wie Wahnsinn zu zeigen ohne den Stil aufzubrechen - wenn man plötzlich schneller wird, hektischer und große Emotionen anschlägt, hat man am Ende quasi zwei Geschichten in einer.
Aber ich werde es mal versuchen. Man muß eben das richtige Maß finden.

 

falk schrieb:
Danke dir für das Lob! :)

Ich denke, du hast Recht, was die mangelnde Spannung angeht. Zwar wollte ich recht nüchtern und lakonisch schreiben, habe es aber wohl etwas übertrieben. Es ist allerdings, finde ich, sehr schwierig, etwas wie Wahnsinn zu zeigen ohne den Stil aufzubrechen - wenn man plötzlich schneller wird, hektischer und große Emotionen anschlägt, hat man am Ende quasi zwei Geschichten in einer.
Aber ich werde es mal versuchen. Man muß eben das richtige Maß finden.


Klar! Versuche mal! Dir wird das schon gelingen!!! :thumbsup:

Gruß Leichnam

 

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