Das Leben steckt voller Überraschungen
Leise rauschte das Meer am Strand von St. Bernando. Die Schiffe schaukelten im Takt und der Wind rauschte sein Lied dazu. Melancholisch strahlte die Sonne ihre frühen Abendstrahlen in den Hafen, so dass alles in einem feuerroten Schimmer unterging.
Er sass auf einem Felsen am Strand und schaute aufs Meer. Sein Blick verriet tiefe Sehnsucht und seine Augen waren gebannt auf einen Punkt am Meer fixiert. Ein grosses Passagierschiff, was sich langsam dem Hafen näherte. Sein Herz pochte, sein Atem blieb ruhig und doch war er unendlich nervös.
Er trug dunkelgraue Shorts und ein weisses Kaki-Hemd. Typische Touristenkluft.
Hinter ihm standen zwei Männer die ebenfalls luftig und „touristisch“ gekleidet waren. Einer hielt eine grosse Filmkamera und der andere ein Mikrofon, dass an einem langen Stab befestigt war. Beides zeigte in seine Richtung.
„Wir müssen jetzt hier verschwinden, Jack. Wir fangen sie am Hafen ab“ sagte ein dritter Mann und kam auf den Felsen herauf.
Sein Blick schweifte vom Schiff über das Meer bis zum Hafen und dann stand er auf. „Okay, dann lasst uns fahren. Ich will sie sehen“ sagte er und setzte sich in Bewegung.
Sie stiegen vom Felsen und gingen den Strand entlang zu einer Strasse, wo sie in einen geparkten schwarzen Van stiegen. Der Motor heulte auf und der Wagen bewegte sich in Richtung Strand.
Selbst am Abend herrschte in St. Bernando immer noch reger Betrieb an der Strandpromenade. Dutzende Touristen sassen vor den Restaurants und Cafés und genossen die letzten Sonnenstrahlen. Tausende Autos befuhren die Strasse. Arbeiter auf dem Weg nach Hause.
Der schwarze Van parkte im Hafen. Direkt an den grossen Ports. Hier standen schon mehrere Autos hintereinander. „Sie bleiben hier“ sagte der Beifahrer und stieg mit den anderen dreien aus. Sie gingen zum Kofferraum und packten das Filmequipment wieder aus.
Sie positionierten sich vor den Schiffen und filmten die Einfahrt des grossen Passagierschiffes. Jack konnte den Namen erkennen „Sydney“.
Es dauerte lange, bis das Schiff komplett stand und die Brücke an das Ufer gelassen wurde. Erst, als sich nichts mehr bewegte, öffnete sich die Schranke und eine grosse Menschenmenge verliess das Schiff. Jack klebte an der Seitenscheibe. Er versuchte, all die Menschen auseinanderzuhalten. Er suchte konzentriert. Es dauerte lange, aber schliesslich breitete sich ein lächeln auf seinen Lippen aus. Er hatte sie gefunden. Seine Lippen formten lautlos ein Wort „Jessie“.
Sie trug ein ärmelloses Shirt und weisse Shorts. Ebenfalls touristisch. In der Menschenmasse fiel sie nicht auf. Die Reisetasche zog sie auf ihrem Rücken und den Koffer fuhr sie hinter sich her. Es sah aus, als wolle sie einen Monat bleiben. Jack lachte kurz auf und schüttelte den Kopf. Frauen...
Als sie am Ufer waren, stoppte sie, lies die Reisetasche kurz auf den Boden fallen und schaute sich um. Ihre Hand fuhr durch ihr Haar. Sie trug es anders als sonst... Jack war ein wenig überrascht, denn es stand ihr sehr gut.
Vor ihnen stand die Reihe mit geparkten Autos, wo auch er stand. Er war allerdings ausser Reichweite. Vor den Autos standen Männer. Meist Einheimische. Einige hielten Schilder in der Hand.
Er sah, wie Jessie sich kurz mit ihrer Freundin beratschlagte und wie sie auf einen der Einheimischen deutete. Dann schnappte sie sich wieder die Tasche und ging auf diesen zu. Als sie näher an die Autos kamen, vergrösserte Jack seinen Abstand zur Scheibe. Es war Quatsch, aber er tat es trotzdem...
Die beiden Damen erreichten den Einheimischen, liessen ihre Sachen fallen und gaben ihm zur Begrüssung die Hand.
Jack fand, es war einer dieser Klischee-Einheimischen. Gutaussehend, gebräunte Haut, ein Waschechter Latino... Nun ja... Wenn man’s für wichtig empfand...
Das Filmteam hielt voll drauf. Jack grinste... Ein Wunder, dass sie nicht erwischt wurden.
Die Mädels stiegen hinten ein, während der Chico sein Schild und das Gepäck der Damen sicher im Kofferraum verstaute. Dann stieg auch er ein und sie fuhren los...
Das Filmteam war schnell wieder am Auto, packte die Sachen provisorisch in den Kofferraum und stiegen wieder ein. Dann fuhren auch sie los. „Wir kennen eine Abkürzung. Wir werden eher da sein“.
Der Wagen hielt vor dem Hotel und der Chico stieg aus. Er hielt den beiden Damen die Türe auf und lies sie aussteigen. Jack überlegte, ob man ihm das alles befohlen hat, aber daran glaubte er nicht wirklich. Er war wohl ein einfacher Animateur und tat seinen Job wie immer gut.
Es war alles sehr gut zu filmen. Sie hatten sich in einem Restaurant vor dem Hotel plaziert und filmten aus dem inneren Bereich.
Die Mädels und der Chico betraten das Hotel und waren somit erst einmal verschwunden.
Jack nippte an seinem Bier. Ein zufriedenes Lächeln sass auf seinen Lippen. Alles lief nach Plan. Bisher hätte so viel schiefgehen können, der Rest würde ein Klacks sein.
Ihre Familie hatte ihr diese Reise geschenkt. Sie sollte sich eine Freundin packen und für eine Woche nach St. Bernando reisen. Sie hatte geglaubt, dass ihre Eltern einen Knall haben, glaubte es aber mit der Zeit trotzdem. Sie erklärte es sich so, dass ihre Eltern den Stress wohl mitbekommen haben, der bei ihr in der letzten Zeit Gang und Gebe war. Ihr Job lies wenig Freiraum und ihren Freund konnte sie nur einen Tag die Woche sehen... Das war nicht unbedingt schlecht, aber es liess ihnen nicht viel Zeit über wichtige Sachen nachzudenken. Das alles machte ihr zu schaffen...
Das war die einzige Erklärung...
Jack konnte nicht mit. Er hatte keinen Urlaub bekommen. Das hatte sie geschmerzt. Sie hatte sich überlegt, ob es überhaupt Sinn machte, ohne ihn zu fahren. Ihre Freundin Nina hatte sie überredet und ist schliesslich mit ihr gefahren. Sie würden ihren Spass haben, meinte Nina. Jessie glaubte da nicht so dran...
Das war der offizielle Teil... Der inoffizielle Teil war, dass alles inszeniert war, um Kai Pflaume bei „Nur die Liebe zählt“ eine schöne Liebesgeschichte zu bieten. 2 Menschen, die sich nicht so oft sehen, wurden gemeinsam für eine Woche in die wunderschöne, romantische Stadt St. Bernando geschifft und dort würde es zu einem Treffen kommen. Das war Jacks Idee. Er hatte es geplant, durchdacht und mit den Regisseuren durchgesprochen. Er befahl, sie bezahlten, so war es... Die Geschichte klang traumhaft. Überraschungseffekt 100 %.
Sie sollte erst einmal 2 ruhige Tage erleben. Sich erholen und einleben und alles geniessen. Der Chico wurde engagiert, um den beiden die Stadt zu zeigen, und um ihre Wünsche zu erfüllen. Sie befahlen, er tat es. Und das umsonst. Bezahlt wurde er von ihren „Eltern“.
Der Chico sollte sich mit Nina auf ein Techtelmechtel einlassen. Sie war solo, er war Latino. Es passte. Das Treffen würde am 3. Tag in der Nacht stattfinden. An der Strandbar würde Nina dann mal mit ihm alleine sein wollen und Jessie sollte solange am Strand spazieren gehen... Dann würde es hell werden. Strahler, Kameras und... Jack. Und die Überraschung wäre perfekt...
Es war Idiotensicher und es gab Tausende Notpläne. Sie hofften aber, dass diese Version so klappen würde. Aber es war trotzdem gut zu wissen, dass nichts schiefgehen konnte. Das Team war professionell und alle Mitspieler, soweit es ging, informiert und eingeweiht.
Pierre, der Chico hatte man erklärt, er solle etwas mit dem Mädel mit den langen Haaren flirten, solle sich an sie ranschmeissen. Auch sie wusste Bescheid. Nina, Jessies Freundin war eingeweiht. Beiden hatte man Mikros angelegt und erklärt, dass sie zeitweise von Kameras verfolgt und gefilmt wurden und beide hatten es verstanden und waren einverstanden...
Die Strandbar war hell erleuchtet und vom anderen Teil des Strandes immer gut sichtbar. Man konnte aus einem Kilometer immer noch alles sehr gut erkennen. Es war ein guter Treffpunkt, um sich ruhig und romantisch durch den Abend leiten zu lassen.
Jessie und Nina sassen beide auf den Barhockern. Der Chico sass neben Jessie. Es war ein taktischer Fehler von Nina gewesen. Sie hatte einen kleinen Moment nicht aufgepasst. Es war geplant gewesen, dass er neben ihr sass. Er hatte vermutlich selbst nicht dran gedacht...
Nun versuchte sie über 2 Plätze mit ihm zu kommunizieren. Er spendierte den Mädels nach und nach Drinks. Die Kameras, die aus der Dunkelheit des Strandes zu ihnen rüberfilmten konnten sie nicht sehen. Die Stimmung war locker und lustig. Jessie bekam der Alkohol gut. Auch sie wurde lustig und verstand sich prima mit Pierre. Nina schien beklemmend zu versuchen, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken... hatte damit aber wenig Erfolg...
Jack sass mit drei Männern in einem Restaurant in der Stadt und dinierte. Sie gingen den nächsten Tag durch und planten die Schritte.
Es war Shopping mit Pierre angesagt in den dichten Einkaufsstrassen. Filmen war dort fast unmöglich, aber Foto Kameras würden ihnen ständig auf der Spur sein. Nach dem Mittagessen würden sie an den Strand gehen. Baden, sonnen, relaxen. Der Standart halt. Und Abends dann wieder zur Strandbar.
Pierre stand um Acht Uhr morgens vor der Türe der Mädels, um sie aufzuwecken. Die Türe ging auf und sie kamen ihm fertig entgegen. Jessie lächelte ihm auffordernd entgegen und er staunte nicht schlecht. „Geht’s los?“ fragte sie kokett und ging vor...
„Was soll denn schieflaufen, Jungs? Sie unterhält sich doch nur mit ihm...“ Jack sass auf der vorderen Rückbank des Vans. Hinter ihm die drei vom Team. „flirten die denn nicht?“ fragte einer der drei. Jack lächelte. „Vielleicht. Es soll ihr gegönnt sein. Sie weiss schon, wann sie aufhört. Sie will doch auch nur Spass.“
„Aber Pierre scheint darauf einzugehen. Das ist kein gutes Filmmaterial, wenn er eine Romanze mit Jessie aufbaut, statt mit Nina. Ausserdem bringt das alles durcheinander“. Jetzt lachte Jack wirklich laut auf. „Ihr tut gerade so, als würde sie mit ihm in die Kiste springen. Sie lächeln doch nur beide, haben Spass, machen Scherze und unterhalten sich. Ich verspreche euch, dass sie schon damit aufhören wird. Er hat doch den Auftrag für Spass zu sorgen“. Jack blieb ruhig. „Aber nur mit Nina“ Der rechte der drei Männer wendete seinen Blick aus dem Fenster. „Das klappt schon Jungs. Er wird schon tun, was ihm befohlen wurde“. „Wenn du meinst“.
Der Einkaufsbummel schien den Mädels gut zu tun. Sie zogen durch die Strassen, zeigten Pierre Klamotten, probierten an und liessen ihn auswählen. Sie lachten, flirteten und waren fröhlich.
Wie besprochen, zogen mehrere verdeckte Fotografen mit ihnen los, um Fotos zu machen. Filmkameras waren in diesen engen Gassen das Auffälligste, was man nur haben konnte.
Erst am Strand, am Nachmittag konnte vernünftig mit den Dreharbeiten weitergemacht werden. Nachdem die drei in einem Restaurant am Strand zu mittag gegessen hatten, fuhren sie zurück zum Hotel, zogen sich dort um, nahmen Strandequipment mit und fuhren zu eben diesem zurück. Nina wusste, wo sie sich zu plazieren hatten und sie nahm das in die Hand. Diesmal achtete sie, wie schon den ganzen Tag darauf, eine gewisse Nähe zu Pierre aufzubauen...
Gefilmt wurde Ninas vergeblicher Versuch, sich an Pierre ranzuschmeissen. Sowohl sie, als auch das Filmteam machte das sehr stutzig. Es sah fast so aus, als flirte Jessie mit dem Chico und nicht er mit Nina... Was war nur falsch gelaufen...?
Nina lies niemanden aus den Augen. Sie schwirrte immer um die beiden herum und lies nicht locker. Sie blieb hart, aber erfolglos. Es schien ihr, als habe Pierre etwas missverstanden... oder er handelte nach seinem Kopf.
Jack sass auf seinem Balkon und genoss die Sonne. Er hatte den Strand räumen müssen, nachdem die Mädels ihr Essen beendet hatten. Sonst wäre es schon zu einem frühzeitigen Ende des Projektes gekommen. Danach hatte er selber in dem Restaurant etwas gegessen und ist danach in sein Hotel gefahren. Natürlich war ihm langweilig, aber er nutzte die Zeit einfach nur, um zu entspannen und den Alltag zu vergessen.
Aber Jessie ging ihm natürlich nicht aus dem Kopf. Es war schwierig, herauszufinden, was sie im Moment empfand... und was sie dazu brachte, mit dem Chico zu flirten. Er wusste natürlich, dass sie es tat. Er hatte das Filmteam nur beruhigen wollen. Aber trotzdem fand er, dass alles noch in einer Art Toleranzgrenze war, die ihm sagte, dass er das Treffen nicht vorziehen sollte. Nina musste sich einfach nur mehr anstrengen...
Es klopfte wild an der Türe. Die 3 Herren vom Filmteam sprangen auf und öffneten die Türe. Es war Nina. „Was zum Teufel...“
„Ich glaube, da läuft was nicht richtig.“ Der Chef des Teams schien sauer. „Was machen sie hier, Nina. Sie sollten die beiden nicht alleine lassen.“
„Ich hab gesagt ich muss aufs Klo. Pierre scheint was falsch verstanden zu haben. Er macht genau das falsche. Er schmeisst sich an Jessie ran. Ich glaube, er verwechselt uns.“
Der Chef nickte. „Das habe ich mir schon gedacht, als ich sah, dass Jessie nun ihre Haare anders trägt. Das scheint ihn verwirrt zu haben. Sie müssen wieder zurück. Sehen sie zu, dass sie Pierre heute irgendwann einmal alleine lassen. Wir schnappen ihn uns dann.“ Sie nickte und verliess das Zimmer.
Die drei sahen sich an. „Sollen wir’s ihm sagen?“ fragte einer. Lange Stille. „Nein. Vorerst nicht. Wir korrigieren das.“
Es war einfach traurig, wie sehr sich Nina versuchte. Sie gab sich Mühe, aber sie schaffte es nicht, Pierre klar zu machen, dass er falsch liegt.
Als alle drei am Abend zum Sonnenuntergang am Strand spazieren gingen, hielt sich Jessie sehr nahe an Pierre. Es war unübersehbar, dass sich beide sehr nahe kamen. Er führte die beiden an ein abgelegenes Örtchen, was von Felsen umringt war. Nina machte sich etwas Sorgen, weil es hier unmöglich war, zu filmen. Sie musste irgendwie mit Jessie reden. Sie musste ihn alleine lassen. Aber wie...?
Die Sonne versank im Meer. Es war ein Sonnenuntergang, der allen ganz tief in die Seele ging. Jack sass auf seinem Balkon und dachte an Jessie. Er vermisste sie schrecklich, obwohl sie ihm so nah war. Plötzlich war er nicht mehr aufgeregt, sondern er hatte Angst vor dem nächsten Tag...
Sie sassen alle drei nebeneinander im Sand. Jessie und Pierre etwas näher. Eine Träne bahnte sich den Weg durch ihr Gesicht und vergrub sich in den Tiefen des Sandes. Wem sie galt, wusste nur Jessie selbst.
Nina war am Ende. Sie wusste nicht mehr, was sie machen sollte. Sie war sauer auf Jessie, dass sie sich auf ein Urlaubsabenteuer einliess und damit das System kaputt machte und sie war sauer auf sich, dass ihr nichts einfiel, um die Situation zu retten. Sie wusste, dass das Team auf der Lauer lag. Sie mussten nur 10 Sekunden haben und schon war alles in Butter. Er musste alleine sein. Das Team musste ihn erreichen.
„Ich muss mit dir reden“ Sie sprang auf. Jessie sah sie entrüstet an. „Jetzt? In diesem Augenblick? Was soll das?“ Jessie schien sauer. „Es ist sehr wichtig, Jessie. Glaub mir, lass uns reden“. Jetzt war sie richtig sauer. Sie sprang auf und ging ziellos von den Klippen weg. Nina verfolgte sie eiligen Schrittes.
Kaum waren beide hinter der Ecke verschwunden, sprangen 4 Gestalten über den Klippen auf Pierre zu.
„Sie verdammter Idiot, sie haben die falsche angemacht.“ Pierre hatte sich erschrocken, wusste nicht, wie ihm geschah. „Die falsche?“ fragte er mit leicht italienischem Akzent. „Sie sollen die andere anmachen. Sie machen seine Freundin an.“ Nun schien Pierre total erschrocken. Er schlug mit der Faust in den Sand und sah wieder zu seinem Gesprächspartner hoch. „Sie verstehen das nicht, Sir“ Er blickte ihm in die Augen. „Was verstehe ich nicht?“ Pierre sah zu Boden. „Keiner versteht das...“
„Was zum Teufel ist mit dir los, Nina?“ Jessie starrte entrüstet in Nina’s Gesicht. „Mit mir? Dasselbe wollte ich dich gerade fragen. Wenn du willst, dass ich wieder nach Hause fahre, dann sag’s doch einfach. Statt dessen reisst du unseren Animateur auf. Bist du etwa solo, oder ich?“ „Ach“, meinte Jessie, „das heisst also, du hättest ihn lieber. Bist also eifersüchtig, was? Na und.. dann habe ich mich nun mal verliebt und er wohl auch und was soll’s?“ Nina war baff. Das hätte sie nicht erwartet. „Und... was ist mit Jack?“ stammelte sie leise. Jessie sah sich flüchtig um und sprach leise weiter. „Siehst du ihn hier irgendwo?“ Nina hätte nun laut aufgelacht, wenn sie gekonnt hätte... Statt dessen blieb sie geschockt. Flüchtig blickte sie sich um und sah dann Jessie in die Augen. „Das hätte ich nicht von dir gedacht.“ Jessie zuckte mit den Schultern und drehte sich um.
Einer des Teams fasste sich ans Ohr und horchte. Er ging zum Chef und berührte seine Schulter. „Chef, sie kommen zurück.“ Schnell sprangen alle über die Klippen und es war niemand mehr zu sehen...
Er versuchte einen ruhigen Gesichtsausdruck zu machen, aber er glaubte, dass seine Anspannung wohl nicht so schnell wieder vergehen würde. Jessie kam schnellen Schrittes zurück und setzte sich neben ihm. Nina kam langsam und setzte sich an die andere Seite... „Ist was...?“ fragte Pierre. „Nö...“ antwortete Jessie und sah sich die letzte Röte der schon untergegangenen Sonne an.
Es war immer noch genauso warm, als sie wieder die Strandbar erreichten. Pierre hatte seine Konzentration von Jessie abgelenkt und versuchte nun, sich beiden neutral zu verhalten. Er machte es sich zur Aufgabe, Jessie das so wenig wie nur möglich merken zu lassen. Aber sie merkte es doch und es kam ihr komisch vor.
Als schon einige Zeit vergangen war, und der Alkohol schon seine erste Wirkung zeigte, begann sie mit erneuten Spielchen. Sie genoss es, seine Blicke auf ihrer Haut zu spüren. Sie zeigte, was sie hatte, beugte sich nach vorne, um ihm unbewusst Zugang in ihre Privatsphäre zu schaffen. Sie sah ihm in die Augen und berührte seine Hände und genoss es zu sehen, wie sie ihn bezauberte.
Er bewunderte ihre Schönheit, wusste, dass er falsches tat, konnte sich aber nicht wehren. Er verstand nicht, was das mit dem Projekt zu tun haben sollte. So viel wusste er eh nicht. Aber er wusste, dass das nicht dazu gehörte.
Sie gingen spazieren, Hand in Hand. Nina lief hinterher, fühlte sich schwach und verloren. Sie war sauer und entrüstet, was Jessie da machte. Sie überlegte, ob sie alles platzen lassen sollte. Das Projekt war damit vorbei. Er hielt sich nicht an die Regeln, sie hielt sich nicht an die Treue und somit war das Projekt verloren und Jack war bestimmt schon auf dem Weg nach Hause, um ihre Fotos zu zerreissen. Sie merkte, wie ihr alles zu Kopf stieg. Merkte, wie sinnlos alles wurde und dann merkte sie, wie der Boden unter ihr näherkam. Sie stürzte in den Sand und weinte. Sie weinte und weinte.
Jessie drehte sich um, vergass Pierre und wurde mit einem Schlag in die Realität zurückgebracht. Sie lief zurück beugte sich zu ihr, tröstete sie, streichelte sie und redete auf sie ein. Pierre hob sie vom Sand auf und trug sie zurück zur bar. Dort setzte sie sich und trank einen Schluck Wasser.
Das Team war entrüstet, der Chef deprimiert und alle machten sich bereit, das Projekt abzubrechen. Der Morgen würde entscheiden. Es war psychisch nicht zu ertragen. Und für Nina würde dies zu tragisch werden. Am Morgen würde das Projekt beendet werden.
Jack sass in seinem Hotelzimmer und sah fern. Sein Bett war durcheinander und es sah aus, als hätte er schon längere Zeit hier verbracht. Die letzte Träne lief an seinem Gesicht herunter, bevor er einschlief und von dem träumte, was ihm der Chef des Filmteams vor etwa einer Stunde berichtet hat.
Es hatte ihn getroffen. Geahnt hatte er es, aber es wusste nicht, dass sie so weit gehen konnte. Sie war also wirklich dabei, sich zu verlieben. Er war aus ihrem Kopf verschwunden und der andere hatte nun seinen Platz eingenommen. Mit diesen Gedanken endete sein Tag und begann sein nächster. Es war der Tag seiner Abreise. Er hatte seinen Rückflug telefonisch am Vorabend gebucht. Nachdem der Chef sein Zimmer verlassen hat, hatte seine Hand schockiert nach dem Hörer gegriffen. Um 14:30 Uhr war sein Urlaub hier vorbei. Er würde sich dann Zuhause von ihr berichten lassen, wie weit es gekommen ist. Würde dann entscheiden, wie es nun weitergeht. Erst einmal musste er hier weg.
Er wachte auf und blieb nicht lange liegen. Er sah auf den Wecker. 10:52 Uhr. Nun... er hatte also noch Zeit. Es war nun eh alles egal. Er duschte, zog sich um und verliess das Hotel.
Sein Weg führte ihn zum Strand und zum Felsen, auf dem vor 2 Tagen das Projekt begann. Alles Geld, alle Pläne. All die kostbare Zeit, die gebraucht wurde, um das Projekt auf die Beine zu stellen. All das war nun mit einem Schlag erloschen. Traurig aber wahr.
Er entdeckte eine Kamera links von sich. Sie hatten also immer noch nicht aufgegeben. Dumme Bande, dachte er und sah auf’s Meer. Die Sonne war heiss. Sie brannte auf seinem Körper. Zu dieser Tageszeit war sie am stärksten. Er hoffte, dass sein Sonnenschutz das versprach, was auf der Tube stand...
Es war ein kratzendes Geräusch, was ihn aus seinen Gedanken riss. Wahrscheinlich einer vom Filmteam mit einem Mikro, der gerade den Felsen von hinten erklomm. Dann blieb es ein paar Sekunden still. „Na du Casanova.“ Er erstarrte... überlegte, ordnete und zog den Entschluss, dass die Stimme zu Jessie gehörte. Langsam, fast unendlich langsam drehte er sich um.
Sie stand hinter ihm. Ihre Haare flatterten im Wind. Sie trug ein weisses Sommerkleid, welches vom Wind hochgewirbelt wurde. Er sah sich um und realisierte 4 Kameras in näherer Umgebung. Was nun? „Was soll das?“ Er versuchte locker zu bleiben und Nicht auszuflippen. Er hatte sie eigentlich vor seiner Abreise nicht mehr sehen wollen. Langsam ging sie auf ihn zu, ein Mikro folgte ihr. Sie hockte sich vor ihm und sah ihm in die Augen. Sie sprach leise, aber es schallte in seinen Ohren, wie ein Paukenschlag. „Reingelegt“. Sie lächelte...
Er war leicht verwirrt. Klar, dass würde er auch sagen... „Ich lasse mich nicht gerne überraschen, das weisst du. Als ich die Kameras vorgestern Abend an der Strandbar entdeckte, war ich schon etwas überrascht, das gebe ich zu, aber du kennst mich.“ Er versuchte zu lächeln. „Sie waren gut versteckt, du kannst sie nicht.....“ „Die Linsen spiegelten das Licht der Bar. Es ist dumm, wenn man ein Amateurteam hat.“ Sie lächelte zum Chef runter. Dieser sah sie wütend an. Der Mann neben ihm grinste leicht. „Und da dachtest du dir direkt, dass ich dahinter stecke oder was?“ Er wollte noch nicht locker lassen. „Nein... Erst als sich Nina bei unserem kleinen Streit gestern bei deinem Namen umgesehen hat, dachte ich mir, dass da was faul ist. Die Männer mit den Foto-Kameras habe ich beim Einkaufen entdeckt, und die Fussspuren, die nach unserem Streit überall an dem kleinen Fleckchen Strand noch dazugekommen waren, hatten mich besonders mißtrauisch gemacht. Und das Mikrofon, dass Nina an ihrem Körper hatte, nachdem sie leider am Abend zusammengeklappt war hat mir dann den Rest gegeben. Da war mir dann alles klar. Ich habe ihr sofort im Hotel gesagt, das ich’s weiss und alles nur gespielt habe. Es ist nun alles wieder gut.“ Er sah sich um. Nina stand hinter ihm. Sie lächelte ihn an. Nach und nach merkte er, dass sie doch eine sehr aufmerksame Frau war. Er lächelte, sah zu Boden. „Du hast mich erschreckt, Jessie“ flüsterte er. Sie hob seinen Kopf an, sah ihm in die Augen und lies ihn dahin schmelzen. „Ich weiss.“ Sagte sie und küsste ihn zärtlich. Er schloss seine Augen, genoss sie. Er hatte sie wieder. Sein Herz klopfte wie wild, sein Adrenalin durchschoss seinen Körper. Seine Angst war vorüber. Er hatte den Kampf verloren...
„... und wir alle haben dabei zugesehen, wie eine junge Frau uns bei unseren Dreharbeiten zur Verzweiflung gebracht hat.“ Kai Pflaume blieb wie immer recht sachlich, aber amüsiert war er schon. „In der Geschichte von ‚Nur die Liebe zählt’ hat es dass noch nicht gegeben. Sehen sie sich unsere Dreharbeiten an. Lachen und weinen sie mit uns und sehen sie, wie schief etwas laufen kann, wenn man ein paar Momente nicht aufpasst.“
Auf dem Fernseher erschien der Hafen von St. Bernando. Die Kamera zoomte an die Klippen heran und zeigten Jack, wie er auf dem Felsen sass. Dann ein Schwenk auf das herannahende Personenschiff.
„Wir sehen dieses Video schon zum dritten Mal, Schatz. So langsam wird es langweilig zu sehen, wie sich alle über mich lustig machen.“ Er sass auf der Couch, sie lag mit dem Kopf auf seinem Schoss. Beide sahen auf den Bildschirm. Sie lächelte. „Na und... Ich find’s immer noch lustig.“ Sie schaute zu ihm hoch, setzte sich auf und küsste ihn lange und zärtlich...