Das letzte Mal
Der Nebel legt sich kalt auf meine Haut, dringt durch meine Kleidung und lässt mich zittern. Ich halte mich an meiner Kippe wie an einem Rettungsring fest. Erstaunlich, dass sie überhaupt brennt.
Du bist noch immer nicht in Sicht. Wahrscheinlich musst du ihr noch eine glaubhafte Geschichte erzählen.
Das letzte Mal. Es wird das letzte Mal sein, dass wir uns erzählen, dass es das letzte Mal war.
Deine Scheinwerfer durchscheiden die weiße Luft. Dein Wagen hält neben mir und die Beifahrertür öffnet sich mir. Dahinter kommt die süße Hölle deines Autos zum Vorschein. Dein Geruch schlägt mir entgegen...gepaart mit ihrem. Ich lasse meine Kippe auf den nassen Asphalt fallen. Ich brauche sie nicht mehr. Ich kann mich an dir festhalten, mein Rettungsring, der mich in die Tiefe zieht.
Das weiche Leder des Sitzes schmiegt sich an meine Beine und ich erschaudere in der Wärme des Wagens. Dein Blick ist auf die Straße gerichtet. Sobald ich die Tür schließe fährst du los. Fährst zu unserem Platz. Deine Hand legt sich auf meinen Oberschenkel und ich ziehe sie höher, bis sie in meinem Schritt liegt. Du atmest scharf ein, lässt deine Hand aber wo sie ist.
Sobald wir stehen und die Scheinwerfer erlöschen, traust du dich mich anzusehen. Wer könnte diesem Blick widerstehen? Meine Lippen finden deine, deine eine Hand findet meine Haare, deine andere taucht ab. Du rückst den Fahrersitz zurück und ich stürze mich auf dich. Atme dich ein, bedecke jeden Zentimeter deines Körpers mit Küssen. Deine Berührungen machen süchtig, schreien nach mehr und ich gebe es dir.
Im Schutze des Nebels lieben wir uns, gieren nacheinander. Es gibt nur uns, nur uns. Du ziehst mich hinab und ich lasse es zu. Wer könnte deinem Blick widerstehen? Die Scheiben beschlagen und verbergen uns vor der Welt.
Deine Hände streichen über meinen Oberkörper, zärtlich, liebevoll. Machst du das auch bei ihr? Kannst du das?
Du fährst mich zurück. Bleibst stehen, wartest, dass ich aussteige, dass ich dich mit deiner Pein allein lasse. Doch ich bleibe. Warte, höre auf jeden deiner Atemzüge. Warte, bis du dich traust mir in die Augen zu sehen. Es dauert, doch du traust dich, zögernd, doch du wagst es. "Das war das letzte Mal", sage ich und du nickst. Zu oft schon habe ich es gesagt, zu oft schon hast du es geschworen. Wir glauben uns nicht mehr. Doch dieses eine Mal glaube ich mir. "Ich mache das nicht mehr mit, Jona. Du traust dich nicht. Du versteckst dich lieber, versteckst uns. Ich gehe. Ich fahre morgen fort." Deine Augen werden groß, füllen sich mit Schmerz, füllen sich mit Mitleid. "Du weißt, dass ich...ich kann nicht. Ich... lie...", "Ich weiß", unterbreche ich dich, "Und sie liebt dich. Du traust dich nicht. Also gehe ich. " Deine Stirn berührt meine und für einen Augenblick will ich meinen Plan aufgeben. Ich spüre deinen Atem, deine Tränen. Dann kämpfe ich mich hoch, schwimme, schwimme, bis ich die Oberfläche erreiche, bis ich mich von meinem tödlichen Rettungsring lösen kann.
Ich steige aus.
"Leb wohl, Jona."
"Leb wohl, Luca."