- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 7
Das Mädchen am Teich
Das Mädchen am Teich
Es war Nacht. Sie saß am Ufer des Sees und betrachtete den Mond, eine runde silberne Scheibe auf einem dunkelblauen Stück Stoff. Bens Mund wurde trocken, obwohl es eigentlich nichts zu sehen gab. Sie saß mit dem Rücken zu ihm, ihre langen schweren Haare fielen ihr auf den Rücken wie Bitterschokolade auf Karamell. Das Mädchen warf den Kopf zurück, dann stand es auf. Ihre weiche Haut schimmerte im Mondlicht; ihre Glieder waren so zart und schön. Ben stand da wie versteinert. Unfähig sich zu bewegen, berauscht von ihrer Schönheit. Sie streckte sich und glitt ins Wasser. Endlich löste Ben sich aus seiner Starre und huschte wie ein Schatten in den Schutz eines Baumes. Weiterhin beobachtete er sie. Sie schwamm langsam, glitt ruhig durch das Wasser. Ben betrachtete sie. Sie war zu schön für ein menschliches Wesen, zu perfekt für etwas von Menschenhand Geschaffenes. Doch wer, oder was, war sie dann? Eine Fee, eine Elfe, eine Göttin? Waren die alten Sagen und Märchen wahr? Gab es solche Wesen?
Ben schloss die Augen. Sie war so schön, dass es fast weh tat sie längere zeit zu betrachten. Als er wieder hinschaute, war sie verschwunden. Ein paar Wellen verrieten ihm, dass sie den See verlassen hatte. Nachdenklich betrachtete er die Wasseroberfläche. Still wie ein Spiegel lag sie da. Ruhig. Der aufkommende Wind kräuselte sie. Das Schilf wiegte sich hin und her. Das silberne Licht des Mondes ließ alles irgendwie verwunschen wirken. Geheimnisvoll. Übernatürlich.
Eine Stimme schreckte ihn aus seinen Gedanken. „Na, genug gesehen? Du machst es wie Pan! Beobachtest die Frauen beim Baden. Und in was soll ich mich jetzt verwandeln? In ein Schilfrohr? Oder vielleicht doch lieber in eine Rose? Dann pass aber auf, dass du dich nicht stichst!“ Er drehte sich um. Aufrecht stand sie vor ihm. Wie eine Königin. Sie trug mittlerweile ein langes weißes Kleid, wie gesponnenes Mondlicht. Ben war unfähig zu antworten. Seine Stimme gehorchte ihm nicht mehr. Er konnte sie nur noch anstarren. Sie schenkte ihm eine mitleidiges Lächeln, drehte sich um und ging. Das heißt, sie schwebte eher. Ben sah ihr hinterher. Ihre Stimme hallte in seinem Kopf nach. Ein bisschen rau und süß wie Honig.