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Das Meisterwerk
Schon seit Kindheitstagen war es sein größter Traum, ein gefeierter Schriftsteller zu werden, ohne Geldsorgen und ohne einen stupiden Job.
Um sein Ziel zu verwirklichen, deckte er sich mit den Werken der großen Autoren ein: Dostojewski, Schiller, Stephen King.
Sein Hunger nach Literatur war dermaßen gewaltig, dass er ganze Wochenenden nur mit Lesen verbrachte und langsam vereinsamte.
Gebannt und fasziniert folgten seine Gedanken den Phantasiewelten von Wildfremden und er vergaß dabei völlig seinen Freundeskreis.
Irgendwann stellte er fest, dass niemand mehr vorbei kam geschweige denn ihn auf der Straße grüßte.
Doch anstatt sich zu besinnen und seine Beziehungen zu pflegen, fasste er einen folgenschweren Entschluss.
„Jetzt erst recht“, dachte er sturköpfig und ließ seine Finger über die Tastatur schweben.
Stunden vergingen, ohne dass ihm etwas Sinnvolles eingefallen wäre und er verzweifelte innerlich.
War er etwa nicht der Schriftstellergott, für den er sich insgeheim hielt?
Nein, er hatte sicher nur eine unbedeutende Schreibblockade, nichts Ernstes also.
Nach einer Tasse Kaffee begann er erneut mit seinem Meisterwerk.
Der erste Satz sollte mysteriös und gleichzeitig intellektuell wirken.
Er schrieb: „Das Leben ist wie ein Marathon.“
Aufgrund seiner Unsportlichkeit verwarf er den Gedanken.
Plötzlich einsetzende Stiche durchbohrten sein Herz.
Schmerzverzerrt kippte er vom Stuhl.
Er war nicht bereit.
Er war unvollendet
Schlechtes Timing.
Abspann
…