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Das Mobile

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27.12.2006
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Das Mobile

Ein paar Augen schieben sich in mein Blickfeld. Lippen bewegen sich. „Mary! Trink doch noch etwas Tee, bevor er kalt wird!“ Mein Blick huscht über die Tasse hinweg. Eine Melodie erklingt. Eine wunderschöne Melodie. Wieder die Stimme.
„Mary...? Willst du lieberwiederzurkindenZimr?“ Die Worte gehen ineinander über. Unerkennbar für meine Ohren. Ich lausche den Tönen der Melodie. Nehme nicht wahr, was um mich herum geschieht. „Mary, komm wir bringen dich hin!“ Eine Hand umfasst meinen Arm. Die Melodie verklingt. Ich schüttel den Kopf. Jemand schreit. Ein lauter durchdringender Schrei. Meine Hände tasten nach meinen Ohren. Ich will diesem Schrei entgehen. Dann eine Stimme. „Mary!“ Etwas ist an meinem Mund. Eine Hand legt sich über ihn. Es wird still.
Die Hand löst sich von meinem Mund und zieht an meinem Arm. Meine Beine strampeln. Der Stuhl wackelt. Es kracht. Ich seh den Boden auf mich zukommen. Werde hochgerissen. Sehe den Boden sich bewegen.
Plötzlich liege ich. Sehe ein Gesicht über mir schweben, Hände die mich zudecken.
Es wird dunkel. Ich sehe wieder die Hände. Jetzt sind es Händchen, die Hände eines Babys. Klein und rosig grapschen sie nach mir. Die Melodie ertönt wieder. Ich höre ein Baby lachen. Dann gluckst es erfreut. Die Hände wedeln in der Luft. Ich wiege mich im Takt der Melodie. Und noch zwei Babyhände. Sie greifen nach den anderen Händchen. Sie kommen von mir. Es sind meine. Meine berühren die anderen Patschehändchen, umschließen sie. Und die anderen umschließen meine. Doch plötzlich sind sie weg. Ich greife ins Leere. Strecke meine Ärmchen suchend in die Luft. Aber die anderen Babyhändchen bleiben verschwunden.
Auf einmal werde ich unsanft an den Schultern gepackt und festgehalten. Die Melodie hört auf zu spielen. Ich reiße die Augen auf. Ein Frauengesicht schaut auf mich herab. Da lassen ihre Hände meine Schultern los. Ich schließe die Augen. Versuche die Melodie zurückzurufen. Hoffe, dass die Babyhände wiederkommen.
Ich bewege meinen Kopf hin und her. Versuche vergeblich die Melodie wieder erklingen zu lassen. Doch zwei Hände halten meinen Kopf fest. Die Stimme klingt barsch. „Versuch zu schlafen, Mary!“ Mein Mund öffnet sich zu einem lautlosen Schrei. „Mary, du musst jetzt schlafen!
Dann wird es wieder dunkel, danach gleißend hell. Die Melodie spielt. Ich sehe Gittersprossen, die mich umgeben. Über mir drehen sich Farben im Kreis. Die Formen kann ich nicht erkennen. Sie verschwimmen zu einem wirbelnden Farbendurcheinander.
Die Melodie. Sie spielt. Klar und deutlich hör ich sie. Von oben rieseln ihre Töne auf mich herab.
Eine Klinke wird runtergedrückt und eine Tür öffnet sich. Eine Frau erscheint über mir und verdeckt so das von mir geliebte Farbenspiel.
„Komm, Marylein, willst du ein bisschen zu deiner Schwester?“ Die Frau hebt mich hoch und legt mich in ein von Holzstäben umschlossenes Quadrat auf dem Fußboden. Ich versuche mich auf den Bauch zu rollen. Nach zwei Anläufen habe ich es endlich geschafft und sehe, dass ich nicht mehr allein bin in diesem Babygefängnis. Meine Schwester guckt mich mit großen Augen an und stößt einen unverständlichen Laut der Freude aus. Im nächsten Moment fallen ihr die Augen zu und sie ist eingeschlafen. Ich lausche den wunderbaren Tönen der Melodie und schlafe schließlich ebenfalls ein.
Irres Geschrei reißt mich aus meinen Träumen. Die Melodie hat aufgehört zu klingen. Das andere Baby schläft nicht mehr neben mir. Die Frau hat es auf dem Arm. Es bewegt sich nicht, hängt schlaff in ihren Händen. Der Frau laufen Tränen über die Wangen, sie schreit vor Verzweiflung und rennt aus dem Zimmer. Mich lässt man allein zurück.

 

Hallo und Willkommen!

Gar nicht schlecht für den Anfang. ;)

Ehrlich gesagt musste ich zunächst an eine Mutter denken, die ihr Baby verloren hat / das umgekommen ist, und darüber wahnsinnig wurde. Also die Geschichte aus der Drogen- und Verzweiflungssicht einer Mutter in der Nervenklinik erzählt wird.

Gut, es stellt sich dann ja heraus, dass du aus Sicht eines Kleinkindes schreibst. Wobei ich mich frage, wieviel ein Baby tatsächlich von seiner Umgebung versteht. Weiß es wirklich, dass das andere Baby die Schwester ist? Möglicherweise.

Und ein bitteres Ende. Kann nicht sagen, ob es mir gefällt oder nicht (inhaltlich auf die Geschichte bezogen).

Beste Grüße

Nothlia

 

Hallo,
danke für die Anmerkungen! :)

Gar nicht schlecht für den Anfang.
Danke! :)


Ehrlich gesagt musste ich zunächst an eine Mutter denken, die ihr Baby verloren hat / das umgekommen ist, und darüber wahnsinnig wurde. Also die Geschichte aus der Drogen- und Verzweiflungssicht einer Mutter in der Nervenklinik erzählt wird.
Wär auch 'ne Möglichkeit gewesen vom Anfang her. :D
Naja, bei Kurzgeschichten ist es ja öfter so, dass man zuerst nicht (genau) weiß, worum es geht.


Gut, es stellt sich dann ja heraus, dass du aus Sicht eines Kleinkindes schreibst.
Ja, in den Rückblicken.


Wobei ich mich frage, wieviel ein Baby tatsächlich von seiner Umgebung versteht. Weiß es wirklich, dass das andere Baby die Schwester ist? Möglicherweise.
Die erste Passage aus Sicht des Babys ist sowieso nur ein Traum der Protagonistin. Die zweite Passage wird auch von ihr geträumt, allerdings besteht dieser Traum aus Erinnerungen (heftige, bedeutsame Ereignisse prägen sich ein). Und dass das andere Baby ihre Schwester ist, wusste sie damals wahrscheinlich noch nicht (ahnte es höchsten.. :hmm:), später aber erfuhr sie es schließlich und dieses Wissen kann im Traum natürlich verwendet werden.


Und ein bitteres Ende. Kann nicht sagen, ob es mir gefällt oder nicht (inhaltlich auf die Geschichte bezogen).
Meinst du, das mit dem Kindstod - generell zu grausam, oder es passt nicht zur Geschichte oder dass die Geschichte irgendwie falsch (zu aprupt) aufhört o.Ä. ?


lG, Shema

 

Hallo!

Wenn die Geschichte als Erinnerung geschrieben ist, ergibt sich ein neues Problem: Niemand kann sich an sein Babysein erinnern. (Ich kann mich nicht mal mehr wirklich an meine Kindergartenzeit erinnern)
Ich meine auch, dass das ein generelles Phänomen ist, also es tatsächlich niemanden gibt, der das kann. Aber ich mag mich auch täuschen.

Zum Ende: :hmm: Schwierig zu sagen. Zu grausam? Nein. Zu abrupt? Vielleicht. Vielleicht auch zu kurz. Im letzten Absatz passieren nämlich viele Dinge: Aufwachen, merken, das was nicht stimmt, Schwester tot, allein gelassen werden.
Aber ich bin mir auch nicht sicher, ob ein auseinanderklamüsern des Endes die Geschichte weiterbringen würde. Probier's aus und überlege, was dir besser gefällt. ;)

Beste Grüße

Nothlia

 

Ja, das mit dem Erinnern ist wohl etwas schwierig. Evtl. sind es Erzählungen (von der Mutter) und/oder auch von der Prot. gedachte, angenommene und letzlich einfach erfundene Details, die ihren zweiten Traum in dieser Weise gestalten. (Dass ihre Schwester als Baby gestorben ist, weiß sie von den Eltern; wie dies passiert ist, hat sich die Frau zusammengereimt, ausgedacht.)

Das Ende.. hmm.. beim Schreiben der Geschichte hatte ich erst gedacht, dieses Ende reicht noch nicht aus, da muss noch etwas kommen, als es dann aber so geschrieben war, hab ich es für ausreichend gehalten, da ich finde, dass der letzte Satz auf ihr zukünftiges Leben hinweist. Sie wird alleine gelassen. Nicht nur in dem Moment, in dem ihre Schwester gestorben ist, sondern auch in ihrer weiteren Kindheit, bis hin zum Erwachsenwerden. Sie wird vernachlässigt, bekommt nicht genug Liebe usw. (...evtl. gibt die Mutter ihr die Schuld am Tod der Schwester - beim plötzlichen Kindstod sind schließlich keine genauen Ursachen zu erkennen) Vielleicht wird die Mutter drogen- oder alkoholabhängig, vielleicht kommt die Protagonistin in ein Heim...


lG, Shema

 

Hi!

Wow, da interpretierst du in den letzten Satz einiges hinein.

Mich lässt man allein zurück.

Bezieht sich in erster Linie auf die vorausgegangene Situation, meiner Einschätzung nach. Andere Interpretationen sind da schon ein wenig zu weit entfernt. Allerdings solltest du die Geschichte nicht in dieser Hinsicht erweitern (ich meine den Bezu auf das weiter Leben und das Alleinsein), damit gewinnst du meiner Meinung nach nichts.
Wenn dir das Ende so gefällt, dann lass es so. ;)

Beste Grüße

Nothlia

 

Hey!

Ja, mal sehen, wie ich es letztendlich machen werde.
Aber danke für deine Meinungsäußerung! :)


lG, Shema

 

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