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Das nette Satellittchen
Statt einer Neun hatte Gerd versehentlich ein Fragezeichen in das Navigationssystem eingegeben.
Er wollte gerade korrigieren, als das eingespeicherte Programm tatsächlich ein Fragezeichen anstatt der Hausnummer fand.
Der Straßenname verschwand vom Display und es wurde eine Entfernung von 4,5 Kilometern angezeigt. Die schnellste Route vorausgesetzt.
Ehe Gerd stutzen konnte, befahl die tonlose Frauenstimme bereits das Abbiegen nach rechts.
Als Ziel stand da nach wie vor ein Fragezeichen.
Er fuhr den Wagen sachte an. Eine Mischung aus Belustigung über den offensichtlichen Softwarefehler und Neugier lies ihn vergessen, dass er es im Grunde ziemlich eilig hatte.
"Fragezeichen, hm? Dann wollen wir mal sehen. Du bist wohl noch dümmer als mein dummes Weib."
Nach zwei Kilometern fuhr er an dem REWE Markt vorbei, bei dem Sandra immer einkaufte.
Nach drei Kilometern kam der eingezäunte Bereich mit den Pferden, die gelangweilt in der Gegend rumglotzten und sich von der Sonne bescheinen ließen.
"Potenzielles Gulasch", huschte es über Gerds Lippen.
Fünfhundert Meter blieben übrig, als das Navigationssystem ihn von der Straße abbrachte, und über einen Wanderweg lotste, der für Kraftfahrzeuge eigentlich verboten war.
Dann kam der Wald.
Gerd stieg aus, entfernte den TomTom aus seiner Halterung und ging in Richtung Dickicht.
Als er neben zwei ziemlich großen Laubbäumen vorbeikam, meldete sich das Gerät wieder.
"Biegen Sie links ab und halten Sie sich mittig."
Allmählich fand Gerd diese Fehlfunktion doch recht merkwürdig.
Eine Axt steckte im Waldboden.
Seltsam
Als er am breiten Stiel zog, um das massive Werkzeug aus seiner festgefahrenen Position zu befreien, berechnete der kleine Kasten in Gerds freier Hand die Route neu.
Wieder 4,5 Kilometer. Doch statt des Fragezeichens stand im Zielbereich nun ein Ausrufezeichen.
Völlig verwirrt kehrte Gerd zurück zu seinem BMW.
Der hat einiges gekostet, ging es ihm zusammenhangslos durch den Kopf. Die Axt ließ er lose baumeln. Wäre er auf einen Spaziergänger getroffen, hätte dieser zumindest ziemlich verunsichert dreingeschaut.
Die Plastikpinne des Navigationssystems klackten, als sie heimkehrten.
Wie ein elegant geölter Blitz in Zeitlupe setzte sich die Limousine in Bewegung.
Erneut die dumpfen Pferde.
Erneut der REWE Markt.
"Die dumme Fotze sollte schon vor zwei Tagen neue Fertiggerichte kaufen. Diät, immer höre ich nur Diät", flüsterte Gerd akustisch zu sich selbst, und gedanklich zu seiner Frau. Dabei vermied er es, seinen dicken Bauch anzuschauen.
Als er schließlich wieder vor seinem Haus stand, musste er lachen. Noch dreißig Meter bis zum Ziel.
"GPS. So genau, wie die Amis nunmal sind."
Gerd wollte das Spielchen zuende bringen, und entfernte daher den TomTom ein weiteres mal aus der Halterung.
"Biegen Sie in fünf Metern links ab."
Gerd war schlecht im Abschätzen von Entfernungen, aber fünf Meter schienen von seinem derzeitigen Standpunkt aus gesehen doch ziemlich auf die Haustür zuzutreffen.
Das seltsame Gefühl von vorhin kehrte zurück.
Seltsamer Softwarefehler.
Er schloss die Tür auf, und hörte sofort heftiges Gestöhne von oben.
"Wechseln Sie jetzt auf die Auffahrt."
Die Axt baumelte immer noch lose herum, während er die Treppe hinter sich brachte.
Mehrere Sekunden lang betrachtete er Sandra und den namenlosen Mann, wie sie wild umhertobten.
"Deshalb kannst du wohl nicht einkaufen gehen, hm?"
Die beiden erstarrten.
"Noch drei Meter geradeaus, und ..."
Gerd zog die Axt auf Kopfhöhe. - "Du verficktes Flittchen! Ich werds euch beiden zeigen!"
Dann lief er los.
Zu spät registrierte er, wie beide Körper das Bett verließen, und noch später erkannte Gerd, dass das Fenster am Kopfende offenstand.
Als er nach unten fiel, dachte er noch: "Du Miststück!"
Zuerst schlug die Axt, dann Gerds Schädel auf.
Die zwei Hälften klappten sauber auseinander.
"Glückwunsch ... Sie haben Ihr Ziel erreicht!"