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Das Paar

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28.10.2004
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Das Paar

Das Paar

Ich ging spazieren. Es war ein geradezu berauschender Tag. Die sommerschweren Bäume wiegten ihr Grün und ihre vom Frühling zurückgelassenen Blüten in einem sanften Wind. Die Sonne schien aus aller Kraft, nur ein paar stilvolle Wölkchen tummelten sich am Himmel. Die Luft, geschwängert mit den prallen Düften der Erde, wirbelte wie ein Segen durch meine Lunge. Man musste nicht einmal angestrengt lauschen oder innehalten, um die Kinder des Windes singen zu hören. Sie sangen, auf ihren Ästen sitzend, tief im Gestrüpp verborgen oder übermutig durch die Baumkronen jagend. Ihre Stimmen waren so laut, wie sie sonst nur in der frühen Morgendämmerung zu hören sind. Dann, wenn sie keine Angst haben vor den Feinden der Nacht oder denen des Tageslichtes. Sie alle um mich herum schienen so ausgelassen fröhlich, so allessagend, ja fast schon verliebt, dass ihr Laune mich ansteckte.
Ich folgte der Landstraße, die zu meiner rechten von hohen Laubbäumen, zu meiner Linken von endlos freiem Feld gesäumt war. Ich ließ mir Zeit, jeden meiner Schritte auf dem Asphalt zu beobachten. Wenn man achtsam war, so fand man in ihm von Zeit zu Zeit bunte Kieselsteine eingebettet. Ich ließ mir alle Zeit, das stille Laut der Welt in mich aufzunehmen, denn ich hatte kein Ziel und niemand erwartete mich. Nicht mehr.
Als ich aufblickte, entdeckte ich ein junges Paar. Verspielt umkreisten sie sich in ihrem Element. Einer dem anderen ständig auf der Flügelspitze folgend vollführten sie virtuose Schleifen, Haken und Sturzflüge. Sie erschienen mit fast, wie ein und derselbe Vogel. Es war eine absolute Harmonie. Ich hielt inne und fragte mich, ob es so etwas wie Liebe zwischen Tieren überhaupt gab. Sie zu beobachten war herrlich.
Nach einer wilden Jagd ließen sich beide auf der Straße, nicht weit weg von der Stelle, an der ich stand, nieder. Sie hatten die Größe und auch die Farbe von Spatzen. Aber sie schienen schlanker, hatten kurze Schnäbel und lange, beim Picken auf den Asphalt hektische wippende, Schwanzfedern. Vergnügt hopsten sie pickend und piepsend auf der Straße herum.
Ich bemerkte es erst, als es schon zu spät war. Ich hörte das Geräusch des heranfahrenden Autos nicht. Ich nahm keine Gefahr wahr, vor allem, weil ich annahm, dass diese kleinen Wesen sich ihrer Situation bewusst waren und sich flink in spätestens in letzter Sekunde in Sicherheit bringen würde. Ich begann erst, es zu realisieren, als ich das diskrete Geräusch eines kleinen auf etwas hartem aufschlagenden Körper vernahm. Das Auto entfernte sich und ließ die Leiche eines Vogels zurück. Starr lag er auf dem sonnenwarmen Stein. Der Chor der Vogel verstummte.
Es brach mir das Herz, als ich den anderen Vogel neben dem Leichnam stehen sah. Er starrte auf ihn, wie unter Schock. Er flog nicht einfach weg. Er blieb tatsächlich. Er liebte. Sein Schnabel öffnete sich, ohne dass ein Laut ihm entfuhr. Seine zitternden Augen starrten auf den zertrümmerten Körper.
Er saß immer noch da, als ich beschloss, zu gehen. Ich sah mich immer wieder um, bis ich nur noch einen kleinen dunklen Fleck erkennen konnte.
Vielleicht hatte er Glück und starb ebenfalls.

 

Hallo Anna-Fee!

Erstens kleine Dinge:

Die sommerschweren Bäume wiegten ihr Grün und ihre vom Frühling zurückgelassenen Blüten in einem sanften Wind.
Da die Bäume sommerschwer sind, ist der Frühliung wohl vorbei. Meinst du vielleicht die vom frühluing zurückgebliebenen Blüten oder hat der Frühling bei seinem Verschwinden einige Blüten zurückgelassen (hat ja auch genug mit seinem blauen Flatterband zu tun).
stilvolle Wölkchen tummelten sich am Himmel.
vermutlich Schäfchenwölkchen - aber stilvoll? So perfekt gemalt?
Die Luft, geschwängert mit den prallen Düften der Erde
Keine gute Vorstellung für Athmatiker wie mich (aber trotzdem schön).
dass sie mich ansteckten.
Ich ging spazieren.
Weil der Prot angesteckt ist? Anscheinend hats Du hier einen Absatz vorgesehen (Ist im Textbild nicht deutlich) und der Übergang ist doch recht abrupt. Sie hatten mich angesteckt und ich beschloß spazierenzugehen, - ist das gemeint. Andererseits ist der Prot ja offensichtlich schon draussen. Also ein längerer Spaziergang als eigentlich geplant?

Also zum Inhalt: Ich habe solche Erlebnissse auch schon gehabt und habe schrecklich mit dem übriggebliebenen Vogel mitgelitten. Es gibt ja Vögel (und auch andere Tiere), die monogam sind, also nach dem Tod des Partners in der Regel allein bleiben (Kann man bei Konrad Lorenz und seinen Graugänsen sehr schön nachlesen). Bei vielen aber ist die Bindung auf eine Brutperiode beschränkt, es bleibt also die Hoffnung, dass der verlassene Vogel eine neue Liebe findet.

Stell dir einmal vor, zwei Menschen umturteln einander und das Auto Schicksal trifft sie. Was geschieht mit dem Übriggebliebenen?

Vielleicht hatte er Glück und starb ebenfalls
- irgendwie gefällt mir deine Lösung nicht so recht. Aber sonst eine sehr schöne Geschichte mit einem abrupten Schluß - aber Leben ist eben wirklich so.

Lieben Gruß

Jo

 

Hallo Jobär!

Danke fürs Lesen und fürs Kommentar. Wenn ich eine KG neu rein gestellt habe, warte ich immer ganz ungeduldig auf den ersten Beitrag von einem lieben kG-Mitglied. Übrigens habe ich sofort korrigiert. Jemand sollte mich auf den Kopf tätscheln, loben und mir ein Leckerli reichen :)

Ich kann verstehen, wenn dich das Ende nicht befriedigt. Aber wenn du dir einmal vorstellst, dass der Mensch, den du am aller stärksten liebst, stirbt, dann kommt es dir vieleicht doch wie ein Segen vor, wenn es dich auch erwischt.

Gruß

Fee

 
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Hallo Anna-Fee!

Mir hat der Text gut gefallen, besonders der Teil vor dem heranrasenden Auto (und dies nicht nur, weil es dort so schön harmonisch zugeht ;) ). Ich denke, du hättest den Schluss noch etwas aussagekräftiger gestalten können. Damit meine ich nicht unbedingt, dass es schockierender - oder länger - sein müsste, aber irgendwie fehlt mir da etwas. Auch der letzte Satz liess mich etwas unbefriedigt zurück.

Ansonsten aber insgesamt Daumen hoch! :)

Noch eine kleine Anmerkung:

Anna-Fee schrieb:
nur ein paar stilvolle Wölkchen

Im Gegensatz zu meinem Vor-Kritiker hat diese Umschreibung bei mir besonders gut gewirkt. Stilvolle Wölkchen, den Himmel schmückend - doch, ich finde das hat was :)

 
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Hallo Anna-Fee!

wenn du dir einmal vorstellst, dass der Mensch, den du am aller stärksten liebst, stirbt, dann kommt es dir vieleicht doch wie ein Segen vor, wenn es dich auch erwischt.

Ich lebe in dieser Situation und nach der schrecklichen Flut leben viele tausend Menschen auf einen Schlag in dieser Situation. Vielleicht macht mich dein Text deshalb so betroffen. Und weil das Leben weitergehen muß und der Wunsch, auch zu sterben mE keine Lösung ist, finde ich eben deinen Schluß nicht so gut. Aber das ist meine Interpretation. Naja und der Stil - ich finde, er passt zu der GEschichte - einschließlich der stilvollen Wölklein.

Kopftätschel-Smiley (besseren hab ich noch nicht gefunden)

Lieben Gruß

Jo

 

Hmm, meine Kritik würde leider so in Richtung Groper gehen. Nur nicht ganz zu harsh;-). Ich fand sie so eigentlich ganz nett. Erstrecht die Wendung und das Übertragen des Tod einer geliebten Person auf das Tierreich. Aber ich muss leider auch anmerken, dass manchmal ein bisschen weniger mehr sein kann. Über Ausdrücke wie "stilvolle Wolken" die du lieber beschreiben solltest über "die Kinder des Windes", bei denen ich erst nicht ganz verstanden hatte, wer eigentlich gemeint ist. Das Paar war mir am Anfang auch nicht ganz klar. Hast noch einige Sachen dieser Art. Ich würde an deiner Stelle versuchen, erst einmal ohne diese ganzen Ausschmückungen zu schreiben und mir danach genau überlegen an welchen Stellen man diese einsetzen kann um eine treffende und runde Wirkung zu bekommen, die den Leser nicht verwirrt.

Aber trotzdem fand es keinenfalls eine Zeitverschwendung deine Geschichte gelesen zu haben!! Schön:-)

 

Schön, mal etwas kurzes zu lesen, was trotzdem überzeugt. Habe sie erst nach deiner ersten Korrektur gelesen und finde sie gut für zwischendurch; was sie nicht entwerten soll! Ich mag die Bilder, die du malst.

 

Hi Anna Fee,

habe mich mal kurz dem Partytrubel entzogen. Irgendwie gibt mir das nicht mehr so viel. (obs am Alter liegt?) :hmm:

Eine kleine traurige Geschichte hast du geschrieben.

Ich denke, deine Prot war selber in einer melancholischen Stimmung.
Da sieht man die Welt, Bäume, Wolken, die ganze Umgebung romant./philosoph.
Sicher haben die Vögel ihren Gesang nicht unterbrochen. Doch wird es deiner Prot so vorgekommen sein. Für sie hat nach dem Tod des kleinen Vogels, die Welt für einen Moment aufgehört zu leben.

Du beschreibst genau das, was jeden Tag auf unserem Planeten geschieht.
Und manchmal ist es nicht nur der kleine Vogel, von dem die Welt nichts erfahren wird.
Manchmal liegt in der Schöheit der Natur, das Grauen, das der Mensch zu spät erkennt und vor dem er dann nicht mehr fliehen kann.

Hätte der Tsunamie meine Familie geholt, so glaube ich wäre es in dem Moment, auch mein Wunsch nicht mehr zu leben.

Und doch bietet das glatte, blaue Meer danach wieder einen herrlichen Anblick.
Genau so, wird dein kleiner Vogel wieder seine Schwingen ausbreiten und dem blauen Himmel entgegenfliegen.

Dein kleiner Vergleich, trifft den Kern unseres Lebens.

So, nun gehe ich weiter "feiern". :Pfeif:

ganz lieben Gruß, coleratio

 

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