- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 3
Das Problem
"Es tut mir aufrichtig leid."
Schon verstanden es tut Ihnen leid. Von wegen!
"Es tut mir wirklich leid."
Meinen Sie, nur weil Sie sich wiederholt haben, würde ich Ihnen Glauben schenken? Da haben Sie sich haben aber geschnitten, Sie Unschuldslamm.
Und warum werde ich jetzt doch nicht befördert? Ich spüre genau wie Sie stocken. Ja, jetzt kommen Sie ins Zaudern. Und plötzlich fällt Ihnen gar nichts mehr ein. Das tut mir aber nun gar nicht leid.
Sie machen den Mund auf. Nun bin ich aber mal gespannt auf Ihre Antwort. Ja ...?
"Sie haben sich mit Ihrer Entscheidung eindeutig gegen die Karriere entschieden. Wir haben jetzt ein Problem. Beziehungsweise Sie haben eines."
Welche Entscheidung? Anscheinend kann man nicht beides haben. Ein Problem und eine Karriere. Offensichtlich nicht! Und ich war zu allem Überfluss auch noch so naiv und habe das gedacht.
"Wenn Sie es allerdings schon früher beseitigt hätten, hätte ich Ihnen eine Chance gegeben."
Ich habe ein Problem? Sie kennen das doch. Und Sie haben sogar drei. Also müssten Sie es eigentlich verstehen. Aber Sie haben auch eine Frau. Ich nur einen Mann.
"Sehen Sie es positiv. Sie haben dann mehr Zeit für Ihr Problem. Und mehr Zeit für Ihren Mann. Und Ihren Haushalt."
Richtig, nicht, dass er noch vernachlässigt wird. Ich meine meinen Haushalt und meinen Mann. Dies interessiert Sie auch erst seit kurzem. Davor, ist es Ihnen noch nicht einmal in den Sinn gekommen, danach zu fragen. Sie haben es vergessen, genau.
Und wer wird stattdessen befördert?
"Ihr Kollege. Sie wissen schon, Herr ..."
Ich kann es mir denken. Was hat er, was ich nicht habe? Ach, ich glaube, diese Frage ist falsch. Was habe ich, was er nicht hat? Ich habe ein Problem.
"Es ist nicht Ihr Problem, das auschlaggebend war für meine Entscheidung. Jedenfalls nicht nur. Er war besser. Er hat sich in den letzten sechs Monaten mehr angestrengt."
Natürlich. Genau das gleiche haben Sie mir ja auch vor drei Monaten erzählt, als Sie mir die Beförderung in Aussicht gestellt haben. Sie wissen genau, dass Sie lügen. Sie wollen es bloß nicht zugeben. Sie sind ja nicht einer von dieser Sorte, der Frauen nur wegen einem Problem benachteiligt. Wer hat denn die Nächte in der Firma verbracht? Wer hat sich nie über die Überstunden beklagt? Wer war immer zuverlässig? Er? Nein! ICH! Nicht er! Ach, das sehen Sie jetzt aber anders. Und zwar erst seit zwei Wochen denken Sie so über mich, als ich Ihnen davon erzählt habe. Ich bin Schuld, weil ich mich für das Problem entschieden habe. Alles klar.
"Sie sind nicht flexibel genung. Zu wenig belastbar. Und auf Dauer einfach zu teuer."
Ich bin nichts für Ihr Geld wert? Was? Für mich ist diese Unterhaltung jetzt beendet. Ich denke ich gehe besser.
Ich. Der Risikofaktor. Ich. Die Unzuverlässige. Ich. Die, die falsche Entscheidung getroffen hat. Ich. Die Unzurechnungsfähige. Ich. Die mit dem Problem. Ich. Die jetzt einen Termin beim Frauenarzt hat. Damit man schaut, ob es meinem Problem auch richtig gut geht.
Nicht ich habe ein Problem, flüstere ich meinem Problem zu und spüre es. Ich streichle über den Bauch. Er wird bald dicker werden. In 6 Monaten ist es soweit. Ich freue mich, dass es dich gibt, Problem. In Wahrheit, bist du nämlich gar keines. Sondern das Gegenteil: meine Lösung.