Das hat keinen Sinn, wenn du dich schon angegriffen fühlen willst, nur weil man am Text diskutiert, gibt es keine Möglichkeit, dich nicht zu beleidigen.
Also jetzt noch einmal fett: Der Text zeugt von Sprachgefühl und Talent
Dass er mir trotzdem nicht gefällt hat Gründe, die ich dir genannt habe, auf die du allerdings nicht eingegangen bist. Suhlst du dich lieber im Habitus des unverstandenen an der spießigen Engstirnigkeit von Unbekannten scheiternden Genies oder möchtest du argumentieren?
Also Textarbeit:
Manchmal ist die Einsamkeit, die ein ordinärer Flur vermittelt, mehr als man mit den größten Worten auszudrücken vermag.
Also mit größten Zitaten (denn nur dann sind eine Ansammlung von Wörtern Worte)?
Und wie lang sind denn die größten Worte? Wie viele Seiten dürfen sie umfassen? Oder wie viele Buchstaben haben die größten Wörter? Donaudampfschiffahrtsgesellschaftskapitän oder Superkalifragilistikexpialigetisch drücken die Einsamkeit eines ordinären Flurs tatsächlich nicht aus.
Aber warum startest du einen Text mit der Einleitung, Worte könnten, die Einsamkeit, die der Flur vermittelt, nicht ausdrücken, um es dann doch über die nächsten 18 Zeilen zu versuchen?
Die Wände weiß, die Decke weiß – der Fußboden grau meliert.
Ja, so sehen Flure oft aus, egal ob in Treppenhäusern, in Bürogebäuden, in Kliniken, Altersheimen, Schulen oder Jugendherbergen. Die Farben allein ergeben noch keine Einsamkeit, so trist du sie auch wählst.
Ein wenig Farbe muss sein.
Sagt wer oder was? Die Autorin, um dem Leser das Denken abzunehmen, ihre Meinung aufzuzwingen? Deutlich zu machen, Hey, weiß und grau ist doch ein unhaltbarer Zustand? Oder um den Versuch, Weiß und Grau durch andere Farben zu ergänzen, ironisch zu denunzieren?
Blumen blühen in ewigem Plastikglanz, täuschen die gewillten Sinne
hier kann von jedem und keinem Flur die Rede sein. Plastikblumen kenne ich eher aus Treppenhäusern denn aus Altenheimen, schon gar nicht aus den Fluren. In Krankenhäusern werden die echten Blumen sogar manchmal aus den Krankenzimmern in die Flure gestellt, damit eventuelle Keime den Genesungsprozess nicht gefährden. Du entwickelst also ein Bild für eine Stimmung, die laut eigener Aussage des Textes nicht in Worte zu fassen ist und liegst auch prompt daneben. Nur um deine Wertung der Stimmung durchzudrücken tust du so, als sei etwas Fakt, das vielleicht in einem Altenheim so ist, vielleicht auch in mehreren, verallgemeinerst diesen aber zu einem endgültigen Bild zum Tod (laut Überschrift). Merkst du, wie du hier deine eigene Moral, deine eigene Meinung zur allgemeinverbindlichen Wahrheit erklärst?
Geräusche gedämpft – Gefühle verhalten. Man will nicht stören.
Ein Ort der Ruhe kann etwas wunderbares sein. Das hat mit Einsamkeit nichts zu tun. Ob die Gefühle verhalten sind, wenn der Arzt den Verwandten vielleicht gerade erzählt, es täte ihm Leid, es wäre nichts mehr zu tun gewesen, wage ich zu bezweifeln. Und durch "Man will nicht stören" verhinderst du schon wieder, dass der Leser denkt. Er soll nur und ausschließlich deiner Moral folgen. Gedämpfte Geräusche und verhaltene Gefühle sind etwas ganz grauenhaftes. Warum?
Die Bluse weiß, die Hose weiß – der Nagellack grau meliert.
Ein Lächeln muss sein.
Im Porzellangesicht der ungewohnten Jugend.
Ja, und dann diskreditierst du mal eben pauschal alle Menschen, die es sich vielleicht zur Aufgabe gemacht haben, alten Menschen tatsächlich so etwas wie Achtung zu geben. Das Lächeln kommt nicht von Herzen, sondern nur weil es sein muss, etc ...
Es mag ja sein, dass du das in einem Fall so erlebt hast, das will ich dir nicht abstreiten. Aber dann erzähle von diesem einen Fall, dann erzähle die Geschichte des Menschen, der unter solchen Umständen gestorben ist, von der Enkelin, die ihre Großmutter so im Altenheim vorgefunden hat. Nein, stattdessen fällst du ein Urteil und der Leser hat dir gefälligst zu folgen. Stattdessen ergehst du dich in einer sinnlosen, weil ja ohnehin nicht in größten Worten auszudrückenden Bilderflut und vermittelst eine Atmosphäre, ohne die Geschichte dazu.
Es soll jedermans Geschichte sein können. So werden Horoskope von Tageszeitungen verfasst. Jeder soll sich darin wiederfinden können. Und alles, in dem sich jeder wiederfinden soll, geht, wie die Horoskope, an der Wahrheit vorbei, gerade, weil es so viele als so wahr empfinden können.
Das meinte ich mit MTV Lyrik, nicht etwas einen persönlichen Angriff oder gar eine Beleidigung.
Es mag sein, dass bei deinem Text mancher seufzt, wie schön. Es mag auch sein, dass mancher denkt, genau so habe er es auch erlebt. Aber das nur, weil er sich eben nicht mit deinem Text beschäftigt, weil er sich einfach nur durch die Worte einlullen lässt und den Wahrheitsgehalt nicht mehr überprüft. Weil du ihn mit deiner atmosphärischen Dichtung manipulierst, denn wie nachgewiesen, lieferst du ihm ja die Bewertungen, die er gefälligst zu übernehmen hat, gleich mit.
Genau deshalb, lieber Aris, ist es auch keine Frage mangelnder Offenheit oder mangelnden Verständnisses, sich gegen solche Texte auszusprechen und die Geschichte zu den Stimmungen einzufordern, sondern eine Notwendigkeit.
Lieben Gruß, sim