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Das Taschentuch

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16.04.2006
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Das Taschentuch

Das Taschentuch

Der schmale Pfad bildet vor ihren Augen eine Gablung. Die Dämmerung senkt sich über den Wald. Das Pfeifen und Rütteln des Windes ist das einzige Geräusch, welches die Stille des Waldes unterbricht.
Das rote Taschentuch in ihrer Faust wird langsam hart. In Panik presst und knetet, dreht und rollt sie es, bis es wieder zu einem nassen, warmen Ball wird.
Die Profile der Bäume lösen sich langsam auf. Es wird nicht lange brauchen, bis die Farben völlig verschwunden sein werden.
Ihr Herz schlägt. Sie beginnt zu laufen. Ihr Atem fliegt und die Faust ist verkrampft. Die Augen! Diese verschleierten Augen, vermischt mit dem bitteren Geschmack von Schweiß und Blut!
Noch zittert sie. Ein Flüstern, ganz dicht an ihrem Ohr. Leise; zärtlich; heiser.: „Ich bring dich um, mein Liebling. Sterben musst du!...Sterben“.
Das Keuchen hatte sie würgen lasen, der Gestank von Whisky und Tabak war in sie eingedrungen. Er hatte scheinbar das Blut in ihren Adern ersetzt.

Das Mädchen fliegt durch den Wald. Ihre Augen sind geschlossen. Die Weggablung hat sie längst hinter sich gelassen, ohne sich zu entscheiden, welchen Weg sie einschlägt. Das Pfeifen des Windes verwandelt sich in das Brüllen eines Sturmes, der durch das kahle Geäst braust. Schwarze Wolkentürme nehmen den Patz der grauen Wolkendecke ein.
Ein heiseres Kreischen lässt das Mädchen zusammenfahren. Wie erstarrt bleibt sie stehen. Sie spürt das vertraute Gefühl des roten Taschentuches in ihrer kalten Faust. Sie hebt sie hoch. Dunkle Bächlein laufen über ihren Handrücken, bahnen sich einen bequemen Weg bis hin zu dem Saum ihres hellen Blusenärmels. Dort versickern sie. Schnell lässt sie den Arm sinken. Die Bächlein fließen über ihre Fingerknöchel, tropfen lautlos zu Boden.
Mühevoll versucht sie dem Sturm standzuhalten und torkelt noch einige Schritte weiter. Sie hebt den Kopf und starrt in den Wald. Die schwarzen Schatten der Bäumen versperren ihr die Sicht. Der Wind beißt in ihre Wangen und stiehlt ihr den Atem aus dem Mund. Es regnet harte Tannenzapfen und Äste. Sie merkt es nicht. Zögernd bewegen sich ihre Füße einige Schritte vorwärts.
Es kreischt erneut. Von oben. Über ihrem Kopf lassen sich unzählige Schatten treiben. Sie kreischen hungrig gegen den Sturm an.
´Es werden wohl Krähen sein. Sie können ihren Flug nicht mehr bestimmen. Sie halten sich an den Wind´ denkt das Mädchen. ´Sie können nicht anders´.
Ihre Füße berühren den gefrorenen Waldboden.
Nun weiß sie wo sie ist. Sie ist im Kreis gelaufen.
Sie weiß, welcher Fleck gefrorener Waldboden es ist, über den die Krähen kreisen.
´Sie sperren ihn ein! Die Krähen lassen ihn nie mehr frei!´
Sie erkennet das unförmige, schattenhafte Bündel auf dem Boden. Nur noch einige Schritte von ihr entfernt.

Sie spürt den kalten Griff des Messers noch in ihrer Faust. Er hatte feine Rillen gehabt und hatte schlecht in ihrer Hand gelegen. Er war zu groß gewesen. Sie hatte das Messer hochgehoben und es mit aller Kraft in den sich aufbäumenden Körper gestoßen. Die scharfe Klinge hatte Stoff, Haut, Fleisch und Knochen durchbohrt. Die Augen des Körpers waren nach innen gerichtet gewesen. Hatten sie nicht mehr mit gierigem Glitzern angestarrt gehabt. Und Irgendwie war der Körper mit einem mal ganz ruhig gewesen und das Mädchen auch. Eine kalte Hand hatte sich um ihr Herz gekrallt und sie war von einer irrsinnigen Panik erfasst gewesen. Da war sie aufgesprungen.

Die Nägel ihrer Finger bohren sich in ihr Fleisch, helle Abdrücke bleiben zurück.
Verträumt steht sie da. Die Krähen krächzen und kreischen zusammen mit dem Sturm über ihrem Kopf. Angestrengt bemühen sie sich, nicht abgetrieben zu werden. Mit zerzaustem Federkleid trudeln sie durch die Nacht. Ihr Geschrei wird immer lauter, sie haben Hunger.
Am Boden rinnt leise die dunkle Flüssigkeit aus dem toten Körper.
Das Mädchen geht zu dem Körper und öffnet ihre Faust. Das ehemals helle Taschentuch darf seinen Dienst wiederholen. Sorgfältig tupft und wischt sie den gefrorenen Waldboden sauber. Der Körper darf doch nicht mit dunkler Farbe besudelt werden. Der Boden auch nicht.

„Du schläfst. Und wenn du erwachst, wirst du dich wundern, denn die Krähen werden dich nicht gehen lassen“ sagt sie erbost zu dem Körper.
Ihre Faust umkrampft erneut das nun noch dunklere Taschentuch. Zufrieden betrachtet sie die Szene aus einiger Entfernung. Der Wind lässt etwas nach.
Das Taschentuch! Sie hat es vergessen und nun ist es hart! Mit viel Mühe und Kraft öffnet das Mädchen langsam ihre Faust. Sie starrt auf das in der Dunkelheit kaum noch zu erkennende Knäuel. Es ist hart.
Sie macht sich auf den Heimweg und die leise Brise wirbelt klein zerrissene Papierfetzen durch die Nacht.

 

Hallo johanna.

Zunächst einmal ein herzliches Willkommen auf dieser Seite.
Also schreiben kannst du, das muss man dir lassen.
Sehr schön beschreibst du die dunkle Atmosphäre im Wald. Hat mir gefallen.

Aaaaber: Ich hab deine Geschichte nicht verstanden ...:shy:
Ich weiß weder, was es mit den Krähen, noch mit dem Taschentuch und dem Papier auf sich hat.
Auch bleibt mir der doch so gut beschriebene Wald fremd. Soll er etwas symbolisieren?

Vielleicht mal eine andere Art, einen Krimi zu schreiben. T´schuldige, dass ich nicht mehr sagen kann. Ich warte mal auf deine nächste Geschichte.

Gruß! Salem

 

Liebe Johanna,

ein dramatischer Auftritt bei kg.de!
Gelungen!

Herzlich willkommen bei kg.de!

Was mir ausserordentlich gut gefallen hat, ist Dein Potenzial an sprachlichem Ausdruck!

Leider, leider erging es mir wie Salem.
Kannst Du das Ende (zum besseren Verständnis) neu schreiben?

LG
WU

 

hallo!
vielen dank für eure kritik und sorry, dass meine antwort so lange auf sich hat warten lassen.
zum verständnis: das mädchen wird in einem wald von einem mann auf irgendeine weise gewaltsam missbraucht. sie wehrt sich und ersticht ihn. mit dem taschentuch säubert sie den mann und den boden vom blut, doch es gelingt ihr nicht, dass taschentuch aus der hand zu lassen, sondern sie verkrampft sich. erst zum schluss, nachdem sie nochmal bei der leiche war gelingt es ihr, sich von dem taschentuch zu lösen und es zu zwerreißen. das taschentuch steht quasi für den "säuberungprozess" des gewissens und dem schrecken des mädchens. die krähen sollen den tod symbolisieren, der wald nur als schauplatz dienen. aber wenn ihr als leser die geschichte nicht vertehen konntet, stimmt da was nicht...:) also, ich werde noch mal überlegen, wie ich mich verständlicher formulieren könnte. eventuell könntet ihr mir sagen, an welchen stellen oder ab welchem zeitpunkt ihr nicht mehr folgen konntet
Danke! liebe grüße, johanna

 

Hallo johanna

also ohne deine Erklärung habe ich die Kg auch nicht verstanden... :schiel:
Und ich könnte dir nicht einmal die Stelle sagen, ab der die Verwirrung los geht. Gleich von Anfang an ist alles ziemlich mystisch... :shy:

ich finde es gut, wenn man dem Leser nicht alles vorkaut, aber hier fehlen wirklich die eine oder andere Andeutung...

Stilistisch ist die Geschichte sehr gelungen... :)

viel Spaß noch hier im Forum

grüßlichst
weltenläufer

 

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