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Das Untergeschoss

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07.12.2004
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Das Untergeschoss

Das Untergeschoss

Meine Arbeit besteht darin Kaffee einzuschenken. Ihr kennt bestimmt diese Kaffeautomaten. Habt ihr da schon einmal hinein geguckt? Bestimmt nicht. Da sind nämlich gar keine Maschinen drin, sondern Menschen. Menschen wie ich. Traurig, wenn Menschen billiger als Maschinen sind.
Wenn außen jemand auf den Knopf drückt, dann blinkt ein Alarmlämpchen auf, ich nehme einen Plastikbecher, schenke Kaffee ein und stell den Becher auf eine Drehscheibe; dann drehe ich die Scheibe und draußen erscheint der Kaffee, meistens lauwarm, vor dem Wartenden. Hektisch wird es, wenn jemand Milch und Zucker in den Kaffee will, dann muss ich erst Milch eingießen, eine Zuckertüte greifen, sie aufmachen und in den Kaffee schütten. Das dauert länger als ein normaler Kaffee. Viele Leute werden dann ungeduldig und schlagen gegen den Automaten, dann kippt meistens der Kaffee über meine Kleidung. Das passiert oft. Deswegen lasse ich meistens den Zucker weg, damit es schneller geht.
Obwohl mir oft der Kaffee überkippt, besteht mein Chef darauf, dass ich in Anzug und Krawatte erscheine, sonst werde ich gefeuert. Aber sonst gefällt mir der Job. Er ist nicht sehr anspruchsvoll, immer dieselben Handgriffe. Ich könnte das im Schlaf machen.
Um zu meinem Arbeitsplatz zu kommen, muss ich mit einem Fahrstuhl fahren. Es gibt keine elektronische Ansage. Dafür steht im Fahrstuhl eine junge Frau. Sie hat einen Klangkörper umgehängt und immer wenn wir ein Stockwerk erreicht haben, klimpert sie mit zwei Schlägern auf diesem Klangkörper herum und sagt „Dritter Stock“ oder „Erster Stock“ oder eben irgend ein anderes Stockwerk.
Eines Tages bestellte mal wieder jemand Kaffee mit Zucker und Milch. Ich hetzte mich ab, um mir Hemd und Krawatte nicht zu versauen. Den Zucker ließ ich weg. Aber nichts dergleichen. Niemand rüttelte an dem Kaffeeautomaten oder trat und schlug dagegen. Nachdem ich den Kaffee herausgedreht hatte, wartete ich eine Weile, dann warf ich einen Blick nach draußen. Ich wollte gerne wissen, wer so geduldig auf seinen Kaffee wartete. Es war die Fahrstuhl-Frau. Danach kam sie jeden Tag um die selbe Zeit und wartete geduldig auf ihren Kaffee. Inzwischen tat ich immer Zucker in ihren Kaffee. Eines Tages kam sie nicht. Ich hatte ihr geduldiges Warten auf den Kaffee schon liebgewonnen. Es war mein täglicher Lichtblick. Es wird darum verständlich sein, dass ich mir Sorgen machte um meine neue Freude. Ich verließ unerlaubt den Automaten und ging zum Fahrstuhl. Als die Tür aufging, stand sie wie immer im Fahrstuhl. Ich konnte nicht an mich halten und stellte sie sofort zur Rede:
„Warum trinkst du keinen Kaffee mehr bei mir?“
Sie blickte mich verwirrt an, dann klimperte sie einmal auf ihrem Klangkörper und sagte:
„Dritter Stock. Bei dir Kaffee trinken? Ich kenn dich gar nicht. Wer bist du?“
„Jeden Tag um 14 Uhr trinkst du einen Kaffee an dem Kaffeeautomaten in diesem Stock. Ich sitz da drin und schenk dir immer den Kaffee ein.“
Sie schien nicht sonderlich überrascht:
„Achso.“
Die Fahrstuhltüren wollten schließen. Ich stellte mich dazwischen.
“Also, warum warst du heute nicht da?“
Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus:
„Heute bin ich ins Untergeschoss gefahren!“
„Ja, und?“
„Ach, weißt du, die Leute fahren den ganzen Tag ins Erdgeschoss, in den 1. Stock, in den 2. Stock und in den 3. Stock, aber nie ins Untergeschoss. Ich klimpere also den ganzen Tag auf diesem Teil hier herum und sage immer die selben Stockwerke an, aber nie das Untergeschoss. Deswegen bin ich immer sehr glücklich, wenn jemand ins Untergeschoss fährt, verstehst du? Heute hab ich deswegen glatt vergessen mir einen Kaffee zu holen.“
Von diesem Tag an fuhr ich jedes Mal nach der Arbeit einmal ins Untergeschoss. Dort haben wir übrigens auch unsere drei Kinder gezeugt.

 

Hallo Hermes!

Dein Text ist wirklich originell! Wie bist du auf die Idee mit dem Kaffeeautomaten gekommen *neugierigguck*?

Einige Anmerkungen habe ich allerdings:

Da sind nämlich gar keine Maschinen drin, sondern Menschen.

Den Satz finde ich etwas problematisch:
1. "da sind ... drin" klingt in meinen Ohren sehr umgangssprachlich (und ein bisschen nach Kindersprache)
2. Sind in einem Kaffeeautomaten "Maschinen"? Das ganze ist eine Maschine, klar, aber es sind doch keine Maschinen darin, eher Technik vielleicht

Eine inhaltliche Anmerkung: Gibt es wirklich Kaffeeautomaten, bei denen man einen Kaffee mit Milch und Zucker im Kaffee bestellen kann? Ich kenn mich da nicht so aus, aber ich hab so was noch nie gesehen.

sonst werde ich gefeuert. Aber sonst gefällt mir der Job.

Wortwiederholung! Das "sonst werde ich gefeuert" würde ich einfach streichen.

mal wieder jemand Kaffee mit Zucker und Milch.

Eine klitzekleine Kleinigkeit: sagt man nicht meist "mit Milch und Zucker"? Oder hat es einen Sinn, dass du das umgedreht hast?

„Warum trinkst du keinen Kaffee mehr bei mir?“

Ich fände es glaubwürdiger, wenn der Prot. die Fahrstuhl-Frau siezen würde - sie kennen sich ja noch gar nicht wirklich

„Achso.“

Muss heißen: "Ach so"

Dort haben wir übrigens auch unsere drei Kinder gezeugt.

Also dieser letzte Satz... Ich weiß nicht, einige Dinge will ich als Leser gar nicht wissen!

Und dann noch: ich dachte die ganze Zeit, dass der Prot. im Untergeschoss arbeitet, dass also dort der Zugang zum Automaten ist! Ich hab die Geschichte noch mal danach durchgeschaut und es gibt keinen direkten Hinweis darauf, aber irgendwie kam das (zumindest bei mir!) so rüber...

So lieben Gruß & ich hoffe, du fühlst dich nicht tot-kritisiert ;)
Meike

 

Hallo Hermes,

Deine Geschichte hat mir gut gefallen, sehr flüssig und lustig geschrieben.
Den Einfall mit dem Kaffeeautomatenjob war wirklich gut. Ich werde auf jeden Fall gleich mal einen Kaffee holen und schauen ob ich da auch meinen Traumpartner finde. :D
Die Sprache ist mir gar nicht so negativ aufgefallen.

Als was arbeiten die Kinder von den beiden denn?

Gruß
nighty

 

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