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Das Uschiprinzip

Seniors
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13.06.2002
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Das Uschiprinzip

Als Kind habe ich natürlich zusammen mit Mädchen gespielt. Dann kam die vorpubertäre Phase des gegenseitigen Zungerausstreckens und jetzt spielen sie mit mir. Das Gemeine an diesem Spiel ist, daß die Regeln nicht eindeutig formuliert sind und für jede Partie vollkommen anders ausgelegt werden müssen. Meistens bekommt man sie auch erst erklärt, nachdem man schon längst verloren hat und sein gebrochenes Herz notdürftig mit einem kalten Bier und einer Überdosis Deep Purple zu flicken versucht. Das ist der Einsatz.
Erst heute Morgen hatte ich eine weitere Runde dieses Spiels hinter mich gebracht und war natürlich als Verlierer vom Feld der Gefühle geschlichen. Ich war mit Renate zum Frühstück verabredet gewesen und aus irgendeinem Grund hatte das Gespräch mit "du bist ein netter Kerl" und einem angedeutet gehauchten Kuß auf meine frisch rasierte Wange geendet. In manchen Kreisen wird diese Art des weiblichen Abschieds auch mit dem Todeskuß Don Corleones verglichen. Aber das stimmte nicht ganz: diese Sache hier war deutlich endgültiger gewesen.

"Ich hasse Gott", sagte ich und versuchte, in Kurts alkoholgeschwängertem Blick einen Hauch Interesses vorzufinden. "Mußte er die Menschen unbedingt in zwei Geschlechter aufteilen?"
"Naja, issoch nich schlimm, oder?" Ich war ein wenig erstaunt, daß Kurt mir tatsächlich zugehört hatte und ließ vor Schreck mein Bier sinken.
"Nein, aber warum muß er gerade in meinem Fall dafür sorgen, daß diese Trennung so strikt erhalten bleibt?"
"Gott is einfach'n... 'n Arsch."
"Ja. Manchmal schon. Hat nicht mal irgendjemand gesagt, auf jeden Topf würde ein Deckelchen passen?", sinnierte ich. "Ich glaube ja, daß mein Deckel irgendwo verloren gegangen sein muß zwischen der Eisenschmelze und dem Kerl, der die Griffe anschraubt."
"Ja, dasis auch so'n Arsch... Alles Arschlöcher, sachich dir."
"Ich habe echt keine Ahnung, warum ich da kein Glück habe. Ich meine, soviel verlange ich doch gar nicht."
"Frag mich nich... Frag michas bloß nich, Alter", nuschelte Kurt und leerte sein Glas mit einem Zug. "Manche Männer sin numal dazu gebor'n, allein zu sein... oder so..."
"Du meinst, das gehört zum großen Plan?"
"Was weiß ich... Noch'n Bier? Ich geb ein'n aus."
"Danke, aber ich hab noch mein erstes."
"Mussu selber wissen. Ich geh ma kurz pissen."

Während Kurt sich schwankend auf den Weg machte, dachte ich darüber nach, warum die beiden Geschlechter so grundverschieden sein mußten. Vielleicht war das notwendig, damit sich das kosmische Yin und Yang gegeneinander aufheben und die allgemeine Struktur des Universums im Gleichgewicht erhalten bleiben konnte. Vielleicht würde der Mensch aus Mangel an Herausforderung eingehen, wenn ihm die Sache zu leicht gemacht würde. Vielleicht hatte Kurt aber auch Recht und Gott war einfach nur ein Arschloch mit einem kranken Sinn für Humor.
Meine blasphemischen Gedankengänge wurden jäh unterbrochen, als sich die Tür der Kneipe öffnete und eine Frau den Raum betrat. Eine von denen, die umwerfend aussehen und die das Wissen um diesen Umstand nur noch umwerfender macht. Blondierte Haare, die im Takt dieser imaginären Musik durch die Luft tanzten, bauchfreies Oberteil, dermaßen knappe Hosen, daß man sie nicht mal zum Einwickeln einer Gurke hätte gebrauchen können und eine Tätowierung an strategisch plazierter Stelle: Uschi.

"Boah, nu guck dir ma die Schnalle da an", sagte Kurt, nachdem er sich nicht ohne Mühe den Weg durch die promillegewundenen Gänge der Kneipe gebahnt und neben mir Platz genommen hatte.
"Die Blonde?"
"Geil, oder?"
"Naja... Das ist doch nur Uschi."
"Du... du kennsdie?"
"Nein. Ich hab keine Ahnung, wie sie heißt.", sagte ich. "Aber das ist eine von den Frauen, die nur aus Vorbau und blondierten Haaren bestehen, sich von Männern wie Trophäen halten lassen und in Wirklichkeit so leer sind, wie mein Bierglas. Nein, wie meins eher nicht... vielleicht so leer, wie dein Glas."
"Ja, du hast Recht. Warum is'n das verdammte Ding eingtlich schon wieder leer?"
"Immer noch. Du wolltest gerade bestellen, als du plötzlich... naja, ist ja auch egal."
"Guck dir ma an, wie die jetz den Holgi anbaggert... Den Arsch."
"Ja, ein wohldosiertes Lächeln von so einer genügt und die meisten Männer erliegen der evolutionären Rückentwicklung. Das ist das Uschiprinzip." Das Uschiprinzip basierte im Wesentlichen auf der Wechselwirkung zwischen weiblicher Haut und dem männlichen Hormonhaushalt. Hauptsächlich ging es dabei um den allgegenwärtigen Wunsch nach Fortpflanzung und gewisse Frauen, die genau wußten, daß manche Männer so gut wie alles tun würden, um diesem nachkommen zu können. So wie der Holgi zum Beispiel.

"Also, mich könnde die gerne ma prinzitipie... printizi... ach, Scheiß drauf."
"Ja, Scheiß drauf."
"Krieg ich hier jetz vielleicht noch'n Pils oder muß der erst noch ge... gezüchtet werden?", brüllte Kurt quer durch die Kneipe und der Wirt nickte.
"Züchten?", fragte ich.
"Sollte'n Scherz sein... Wegen... weg'n Pils und... ach, is auch egal"
"Humor ist toll. Da stehen Frauen drauf, hab ich mir sagen lassen. Das wichtigste an einem Mann ist, daß er eine Frau zum Lachen bringen kann."
"Wer sagt'n das?"
"Frauen. Hab ich zumindest irgendwo gelesen. Direkt eine Seite hinter dem Artikel, in dem stand, daß eine Frau dreißig Sekunden braucht, um zu merken, ob ein Kerl bei ihr Chancen hat. Was, lieber Kurt, sagt uns das?"
"Dassu die falschn Sachen liest?"
"Nein. Das sagt uns, daß Frauen keinen Humor haben."
"Gar keinen?"
"Gar keinen. So, Kurt, ich hau ab. Machs gut."
"Das kannssu doch nich machen. Du bissoch noch nüchtern..."
"Hier, du kannst mein Bier haben. Bis morgen oder so."

Ich verließ also die Kneipe und trat hinaus in den Abend. Auf der anderen Straßenseite war der Holgi gerade dabei, seine Neueroberung erst zu seinem Wagen und dann irgendwohin zu führen. Langsam und in Gedanken versunken ging ich nach Hause, steckte den Schlüssel in die Haustür und stieg die Treppen zu meiner Wohnung hinauf. Und da stand sie und klingelte gerade vergeblich an meiner Tür.
"Hi, ich bin die Heike und heute im zweiten Stock eingezogen.", sagte sie mit einem wirklich bezaubernden Lächeln. Das hier war keine billige Uschi, das war eine echte Frau. "Und jetzt wollte ich mich einfach mal bei den anderen Hausbewohnern vorstellen."
Manchmal ist das Schicksal eine gemeine Eiterpustel, die sich an deinem Hintern festsaugt und dir in jeder trostlosen Sekunde deines Lebens dessen Erbärmlichkeit vor Augen führt. Manchmal ist es aber auch dein bester Freund, der sich zeitweilig gegen dich zu wenden scheint, doch immer genau dann plötzlich an deiner Seite auftaucht, wenn du es am wenigsten erwartest.
Ich lächelte nun ebenfalls und trat an meine Wohnungstür.

Dreißig Sekunden ab jetzt...

 

Hi gnoebel!

Wow, das list sich wie eine Folge von "Sex and the City" für Männer!
Ein bisschen Sex hier, ein paar Klischees da, eine Prise Humor und ein guter Schuss Melancholie.
Klingt vielleicht negativ, ist es aber nicht:
Ich fand's großartig.

Schöne Grüße,
Feline

 

Moin Labude,

Heißen Dank für deine flammende Rede ;)
Du hast vollkommen Recht: er (der Autor (also ich)) wollte tatsächlich nur unterhalten. Einfach nur so. Ohne tieferen Sinn oder Anspruch. Toll, daß es dir gefallen hat.
Bei dem Contest mach ich natürlich mit. Was soll man mit seinem Bier auch sonst machen, außer reinweinen...


Moin Feline,

Freut mich riesig, daß es dir gefallen hat.
Zu Sex and the City sag ich an dieser Stelle wohl lieber nichts... Meine Humoristenehre verbietet es ;)

 

Hallo!

Das ist eine dieser Geschichten, die ich neben großer Begeisterung mit dem "Warum habe ich nicht solche Ideen" - Gefühl lese.

Soll heißen, sie hat mir gut gefallen, ich war durchgehend "drin", nichts hat mich abgelenkt. Ich neige sowieso dazu, mir bei jeglichem Lesen sofort Bilder zu machen, aber Uschi drängte sich geradezu plastisch vor mein inneres Auge - und endlich hat sie einen Namen :D

Grüße,
Epona

 

Lieber gnoebel,

die Kneipenszene gefiel mir sehr gut; die Heike auf'm Flur war mir dann zuviel für den Prot. Ich hätte ihn gerne weiter leiden sehen ;).

Liebe Grüße
bernadette

 

Gnoebel, so sieht das Leben aus :D Den Titel fand ich klasse, man wusste (fast) sofort was einen erwartet ... Die Uschi kenne ich, den Kurt kenne ich und den Protagonisten, den kenne ich ganz besonders.

Tja, das wars eigentlich auch schon. Irgendwie weiß ich nicht, was ich noch sagen wollte ... vielleicht fällts mir wieder ein.

 

Hi Gnoebel,

klar, es gibt schon nen Haufen Geschichten/Reportagen über das Thema Mann/Frau. Etwas wirklich Neues hast du dem auch nicht hinzufügen können. Trotzdem habe ich deine Geschichte sehr gerne gelesen. Die Dialoge sind klasse! Das Eingreifen des Schicksals gegen Ende fand ich auch gelungen.

Gerne gelesen!

LG
Bella

 

Moin Epona, Bernadette, Yaso, Bella,

Vielen Dank euch allen fürs Lesen und Kommentieren. Schön, daß es euch gefallen hat.
Das Rad der Beziehungsgeschichten neu erfunden hab ich hier sicher nicht - aber solange der Text unterhält, reicht mir das schon.

 

Gute Geschichte

Hallo,

mir hat die Geschichte gut gefallen.
Lässt sich sehr gut lesen.
Und lässt einen, ein Stück weit das Leben zu hinterfragen.

Grüße

 

Witziger Titel. Wollte mich beim Lesen schon ärgern, weil Männer selbst Schuld sind, wenn sie auf Uschis abfahren. Dann kam deine Moral (Heike besser), und mein Weltbild stimmt wieder. Ich blondiere mir jetzt doch nicht die Haare, sondern besuche mal meine neuen Nachbarn.
Gruß, Elisha

 

Deine Geschichte war gemütlich zu lesen. Nichts wirklich innovatives...wäre da nicht. Genau. Der Titel.
Danke, jetzt gibt es endlich einen Namen für dieses....Uschiprinzip.
Auf die leider spärlcih gesäten Heikes dieser Welt!

 

hi Lendrian, Mantox und Elisha,


Besten Dank fürs Lesen (damals schon), Ausbuddeln und nochmal lesen.
Tut mir Leid, daß ich eure Kommentare damals übersehen habe.


Freut mich natürlich, daß euch dieser Text gefallen hat.
Und ja... echte Heikes sind echt selten...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi gnoebel,
Naja, fängt flott an, hat dann einen Durchhänger und rettet sich mit der Schlusspointe.
Im Mittleteil kommt mir vor, dass der Autor nicht so recht weiß, was er seine beiden Protagonisten sagen lassen will und einfach versucht ein paar Zeilen zu schinden, bis die erretende Schlusspointe kommt. Die ist ganz nett, aber die Geschichte lebt halt fast nur von der Pointe.
Uschi selbst kommt recht wage rüber, da könntest du mit mehr details aufwarten und auch Kurt kommt recht schablonenhaft daher.
Aber insgesamt eine recht nette Idee. Der Schluss macht eigentlich lust auf mehr.
Lg
Bernhard

 

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