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Das Weihnachtsgeschenk

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26.07.2013
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Das Weihnachtsgeschenk

Der Hauptmann hatte das, was von seiner Kompanie übrig war, auf beiden Seiten eines Waldweges positioniert. Seine Kompanie bestand nur noch aus einem Leutnant und einer Handvoll Soldaten. Sie hatten eine harte Woche hinter sich in den Ardennen.

Der Hauptmann war 1939, bald nach seiner Ordination zum evangelischen Priester, zur Wehrmacht eingezogen worden. Es hatte den Anschein gehabt als wollte man ein Exempel statuieren, indem man Priester zur Waffe rief. Aber er tat seine Pflicht gegenüber seiner Familie und seinem Vaterland, ohne seinen Glauben zu verlieren. Seine größte Sorge galt immer seinen Mitmenschen, was ihm den Ruf eines zuverlässigen Kameraden einbrachte. Er kam zur Wehrmacht als einfacher Soldat, aber die Fähigkeit sich mit Menschen zu verständigen und der Mangel an Führungskräften je länger der Krieg dauerte, brachten ihn in immer anspruchsvollere Positionen, bis er der Chef einer Infanteriekompanie wurde. Wer ihn kannte, wunderte sich, wie ein ausgebildeter Theologe den Widerspruch zwischen Religion und dem Gebrauch der Waffe für sich rechtfertigen konnte. Er tat es, indem er nie seine Waffe willkürlich benutzte und nie den Wert eines Menschenleben aus den Augen verlor. Außerdem war ihm bewusst, sollte er den Dienst an der Waffe verweigern, wäre er und seine Familie folgenschweren Schwierigkeiten ausgesetzt.

Als er mit seiner Kompanie im Hürtgenwald lag, war der Krieg längst verloren, doch Hitler setzte auf einen letzten Schlag, um in eine bessere Verhandlungsposition zu gelangen, falls es zu Waffenstillstandsverhandlungen mit den westlichen Alliierten kommen sollte. Trotz herbeigerufener Verstärkung seitens der Amerikaner gelang es der Wehrmacht, sie um das belgische Städtchen Bastogne einzukesseln. Dabei spielte die Wetterlage in die Hände der Deutschen, denn die seit Wochen andauernde niedrige Wolkendecke, die schlechte Sicht und die sich wiederholenden Schneefälle, verhinderten die Unterstützung der amerikanischen Truppen aus der Luft. Weder Jagdbomber noch Versorgungsflugzeuge konnten eingesetzt werden.

Der Kampf um Bastogne ging hin und her. Des Hauptmanns Kompanie hatte Gehöfte und Dörfer in der Umgebung von Bastogne mehrmals besetzt und dann wieder aufgeben müssen. Nach einem erneuten Rückzug lag sie jetzt in einer Verteidigungsposition, denn ein erneuter Versuch der amerikanischen Truppen aus dem Kessel um Bastogne auszubrechen, hatte begonnen. Die Männer hatten sich Mulden in den Boden gegraben, tiefere Schützenlöcher zu graben war unmöglich wegen des gefrorenen Bodens und der zahlreichen Wurzeln der riesigen Tannen darin. Also drückten sie sich in die Mulden und bedeckten sich zur Tarnung mit Reisig.

Es wurde dunkel. Ein eisiger Wind pfiff durch den Wald. Nicht weit entfernt feuerte ein Maschinengewehr immer wieder kurze Salven und aus der Ferne hörte man Artillerieeinschläge. Das Warten auf ein schicksalhaftes Ereignis zermürbt den Geist. Der Mensch tendiert sich zu schützen, indem er sich in seine Gedanken flüchtet. Manch ein Soldat findet Gedanken an seine Geliebten, an die Heimat oder einfach an etwas Schönes ein Hilfsmittel zur Aufrechterhaltung seines Verstandes. Des Hauptmanns Gedanken gingen zurück in die Zeit vor dem Krieg. An sonnige Tage, in denen er, jung verheiratet, mit seiner Frau mehrtägige Faltbootfahrten auf süddeutschen Flüssen machte und auf mit Blumen bedeckten Wiesen im mitgebrachten Zelt übernachtete. Und an die Kinder, die jetzt auf ihn warteten. Er wunderte sich ob und wann er seine Familie wiedersehen würde. Seine Familie hatte sich während der letzten fünf Jahre vergrößert – nach jedem Heimaturlaub kam Nachwuchs. Das jüngste Kind hatte er noch nicht gesehen. Das Weihnachtsgeschenk, nach dem er sich am meisten sehnte, war es das Kind wenigsten einmal in seinen Armen zu halten, bevor ihn das Schicksal ereilte.

Plötzlich ertönte Motorengeräusche und das unverwechselbare Knirschen und Quietschen, das Kettenfahrzeuge begleitet. Der Soldat auf Spähposition signalisierte: Panzer. Die Anspannung war groß, jeder wartete auf den Befehl des Kompaniechefs, das Feuer zu eröffnen. Dessen Plan war es jedoch den ersten Panzer nicht frontal anzugreifen. Der Panzer ratterte immer näher. Als er näherkam, konnte der Hauptmann den Panzerkommandanten im Turm des Panzers stehen sehen. Er wunderte sich über den Leichtsinn des Amerikaners, er wäre ein leichtes Ziel für ihn und seine Männer gewesen. Er wartete jedoch in der Absicht, den Panzer passieren zu lassen und ihn dann von hinten anzugreifen.

In dem Moment, als der Hauptmann den Befehl zum Angriff geben wollte, geschah etwas Unerwartetes: Der Panzer hielt abrupt an und die Kanone drehte sich im Kreis herum, während der Amerikaner im Turm eine schweifende Geste machte und wiederholt, „raus, raus, alle raus!“, in Richtung der auf Lauer liegenden Deutschen rief. Offensichtlich hatte der Panzerkommandant den Hinterhalt erkannt und wusste ziemlich genau, wo die Landser sich verschanzt hatten. Verblüfft vom Mut des Panzerkommandanten und dessen Vertrauen in sein Glück, blieben die Deutschen wie an den Boden gefroren liegen. Der Hauptmann sah keine Chance, für seine Männer aus dieser Lage lebend herauszukommen. Rückzug war unmöglich. Es wäre ein Leichtes gewesen den Panzerkommandanten zu erschießen, das wäre aber das Ende seiner Kompanie gewesen, denn mehr Panzer kamen in Sicht. Er dachte sich, gegen derartige Dreistigkeit, wie der amerikanische Offizier in die potenzielle Falle gefahren war, war nichts entgegenzusetzen. Er schaute fragend zu seinem Leutnant. Der Leutnant erkannte in dem Blick die Frage, ob es doch nicht klüger wäre sich zu ergeben, anstatt ein sinnloses Gemetzel einzuleiten, in dem hauptsächlich die eigenen Leute gelitten hätten. Als der Leutnant einwilligend nickte, entschloss sich der Hauptmann den Krieg für die ihm anvertrauten Männern und sich selbst zu beenden. Er stand auf mit erhobenen Händen und befahl seiner Kompanie dasselbe zu tun.

Die beiden deutschen Offiziere wurden von ihren Soldaten getrennt und zu einem Gefechtsstand, der sich in einem Bauernhaus befand, gebracht. Dort führte man sie in einen Raum zur Vernehmung. Sie wussten nicht, was passieren würde. Sie standen in Erwartung ihres Schicksals und vermieden sich in die Augen zu sehen. Die Schmach sich geschlagen gegeben zu haben bedrückte sie schwer. Jeder der beiden war mit seinen Gedanken beschäftigt.

Dem Hauptmann war klar, dass alles, was nun kommen würde, Gefangenschaft oder Tod, dazugehört, dass er sich diese Uniform aufdrängen ließ. Er hatte es nicht mit schlechtem Gewissen, nicht nur aus Schwäche getan. Er hatte sich vorgestellt, viel Sinnvolles im allgemeinen Wahnsinn tun zu können. Er hatte wegen der Uniform nicht nur gelitten, sondern von ihr auch profitiert. Kriegsdienstverweigerer wurden geprügelt und erschossen oder gingen in Strafbataillonen zugrunde. Er hatte zu essen, wenn Zivilisten hungerten. Nicht zu denken, wie es den Familien von Kriegsdienstverweigerern erging.

Die Gedanken wurden unterbrochen, denn die Tür öffnete sich und herein trat der Offizier, der im Turm des Panzers gestanden hatte. Er musterte die zwei Gefangenen sorgfältig, was ihnen wie eine Ewigkeit erschien. Seine Augen hatten einen traurigen Blick, obwohl sein Gesichtsausdruck nicht unfreundlich war. Dann zog er eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche, zündete zwei Zigaretten an und legte die brennenden Zigaretten auf die Kante des Tisches, der sich im Raum befand, und verließ wortlos den Raum.

Die deutschen Offiziere schauten sich gegenseitig an. Es war ihnen plötzlich bewusst, dass sie soeben das beste Weihnachtsgeschenk erhalten hatten, das sie sich wünschen konnten: Der Krieg war zu Ende für sie und sie hatten überlebt. Es war Heiligabend 1944.

 
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Grüß dich @Banacek.

Ich muss zugeben, dass ich ein gewisses Interesse für die Thematik des Zweiten Weltkrieges hege. Deshalb baute sich nach den ersten Zeilen deines Textes eine wohltuende Vorfreude in mir auf, die jedoch Absatz für Absatz leider wieder verschwand. Deine Idee an sich ist simpel, nicht neu, aber hat trotzdem ein gewisses Potential. Leider hast du es nicht geschafft, dieses Potential auszuschöpfen, was vor allem daran liegt, dass die Emotionen in deinen Zeilen so nahe am Gefrierpunkt liegen, wie die Temperaturen in den Ardennenwäldern im Winter ´44.

Aber fangen wir vorne an:

Aber er tat seine Pflicht gegenüber seiner Familie und seinem Vaterland, ohne seinen Glauben zu verlieren. Seine größte Sorge galt immer seinen Mitmenschen, was ihm den Ruf eines zuverlässigen Kameraden einbrachte. Er kam zur Wehrmacht als einfacher Soldat, aber die Fähigkeit sich mit Menschen zu verständigen und der Mangel an Führungskräften je länger der Krieg dauerte, brachten ihn in immer anspruchsvollere Positionen, bis er der Chef einer Infanteriekompanie wurde. Wer ihn kannte, wunderte sich, wie ein ausgebildeter Theologe den Widerspruch zwischen Religion und dem Gebrauch der Waffe für sich rechtfertigen konnte. Er tat es, indem er nie seine Waffe willkürlich benutzte und nie den Wert eines Menschenleben aus den Augen verlor.

Bereits hier hältst du die Schablone für den perfekten Vorzeigecharakter über deinen Text und zeichnest einen Soldaten, der mich als Leser natürlich abholen soll. Für meinen Geschmack ist deine Figur jedoch zu überzeichnet, weshalb sich bei mir sofort der von mir soeben erfundene "Captain America Effekt" einstellt. Und das ist eben genau das Gegenteil einer spannenden Charakterentwicklung. Ich hoffe du weißt ungefähr, was ich damit sagen möchte :D

Etwas skeptisch lese ich also weiter.

Als er mit seiner Kompanie im Hürtgenwald lag, war der Krieg längst verloren, doch Hitler setzte auf einen letzten Schlag, um in eine bessere Verhandlungsposition zu gelangen, falls es zu Waffenstillstandsverhandlungen mit den westlichen Alliierten kommen sollte. Trotz herbeigerufener Verstärkung seitens der Amerikaner gelang es der Wehrmacht, sie um das belgische Städtchen Bastogne einzukesseln. Dabei spielte die Wetterlage in die Hände der Deutschen, denn die seit Wochen andauernde niedrige Wolkendecke, die schlechte Sicht und die sich wiederholenden Schneefälle, verhinderten die Unterstützung der amerikanischen Truppen aus der Luft. Weder Jagdbomber noch Versorgungsflugzeuge konnten eingesetzt werden.

Was du schreibst stimmt. Doch dein Text ist zu diesem Zeitpunkt eine historische Dokumentation und keine Kurzgeschichte. Natürlich kannst und solltest du dem Leser etwas Kontext liefern, denn nicht jeder Wortkrieger kann mit der Ardennenoffensive der Wehrmacht im Jahr 1944 etwas anfangen. Aber dann musst du dies schon anders verpacken. Du könntest noch hinzufügen, dass das Ziel der Offensive die Eroberung Antwerpens war, um die Alliierten ihrer Hauptnachschubquelle zu berauben. Spätestens da schalten jedoch 9 von 10 Lesern ab.
Der Zweite Weltkrieg ist ein Thema, das vor allem wir Deutschen oft mit einer gewissen Abwehrhaltung betrachten. "Nicht schon wieder die alte Leier von den Nazis" heißt es dann.
Das Kunststück das du als Autor nun vollbringen musst, ist, den Leser davon zu überzeugen, dass dieses Thema eben alles andere als langweilig ist.
Um das zu erreichen, ist die Passage aus einem Geschichtsbuch das falsche Mittel. Versuche lieber deine Figur lebendig wirken zu lassen, indem du in das Geschehen eintauchst, anstatt oberflächlich aus der Vogelperspektive davon zu berichten.

Hier hast du es kurz richtig gemacht:

Es wurde dunkel. Ein eisiger Wind pfiff durch den Wald. Nicht weit entfernt feuerte ein Maschinengewehr immer wieder kurze Salven und aus der Ferne hörte man Artillerieeinschläge. Das Warten auf ein schicksalhaftes Ereignis zermürbt den Geist.

Hier hatte ich die Hoffnung, dass du den Spieß doch noch umdrehst. Denn in diesen drei Sätzen beginne ich mich in deine Figur hineinzuversetzen. Was du hier richtig machst, ist nicht zu beschreiben wie es deiner Figur geht indem du schreibst: "Ihm war kalt", sondern mich lediglich die Bedingungen wissen lässt, die rund um deinen Charakter herrschen. Ich lese "eisiger Wind", stelle mir eisigen Wind vor denke "kalt". Das hört sich total weit hergeholt an, aber dadurch dass der Leser selbst diese Schlussfolgerung zieht, rückt er näher an deinen Protagonisten, und das ist gerade in einer Geschichte wichtig, in der es um das Leben eines Soldaten in einem Krieg geht, der in seiner Intensität in der Weltgeschichte seinesgleichen sucht.

Nach diesen drei Sätzen weichst du aber auch schon wieder ab und widmest dich einer Liste von Punkten, die du nacheinander runterratterst:

Des Hauptmanns Gedanken gingen zurück in die Zeit vor dem Krieg. An sonnige Tage, in denen er, jung verheiratet, mit seiner Frau mehrtägige Faltbootfahrten auf süddeutschen Flüssen machte und auf mit Blumen bedeckten Wiesen im mitgebrachten Zelt übernachtete. Und an die Kinder, die jetzt auf ihn warteten. Er wunderte sich ob und wann er seine Familie wiedersehen würde. Seine Familie hatte sich während der letzten fünf Jahre vergrößert – nach jedem Heimaturlaub kam Nachwuchs.

Der familiäre Hintergrund deiner Figur wird mir hier innerhalb eines Absatzes quasi um die Ohren gehauen. Das könntest du zum Beispiel in einem Dialog verpacken, denn Gespräche zwischen Protagonisten transportieren Informationen meist auf eine authentischere Weise und haben somit eine andere Wirkung auf den Leser.

Allgemein vermisse ich Dialoge in deiner Geschichte. Dabei ist Soldatentalk doch in den meisten Kriegsromanen ein wichtiger Faktor. Warum also nicht in einer Kurzgeschichte?

Wer ihn kannte, wunderte sich, wie ein ausgebildeter Theologe den Widerspruch zwischen Religion und dem Gebrauch der Waffe für sich rechtfertigen konnte.

Eine spannende Frage, die du bereits im darauffolgenden Satz knapp beantwortest:

Er tat es, indem er nie seine Waffe willkürlich benutzte und nie den Wert eines Menschenleben aus den Augen verlor. Außerdem war ihm bewusst, sollte er den Dienst an der Waffe verweigern, wäre er und seine Familie folgenschweren Schwierigkeiten ausgesetzt.

Es stellt sich heraus, dass deine Figur bereits fünf Jahre aktiv am Krieg teilnimmt. Nach solch langer Zeit an der Front, oder allgemein in der kämpfenden Truppe, ist es nicht unwahrscheinlich, dass deine Figur zu manchen Kameraden eine innige Freundschaft aufgebaut hat. Die perfekte Möglichkeit, die oben zitierte Frage und dessen Antwort, in einem Gespräch von Frontschwein zu Frontschwein an den Leser zu bringen.


Er dachte sich, gegen derartige Dreistigkeit, wie der amerikanische Offizier in die potenzielle Falle gefahren war, war nichts entgegenzusetzen.

Etwas seltsam formuliert, vielleicht kannst du hier noch mal dran schrauben :)


Die Schmach sich geschlagen gegeben zu haben[,] bedrückte sie schwer.

Komma


Kriegsdienstverweigerer wurden geprügelt und erschossen oder gingen in Strafbataillonen zugrunde. Er hatte zu essen, wenn Zivilisten hungerten. Nicht zu denken, wie es den Familien von Kriegsdienstverweigerern erging.

Du erwähnst ständig die Kriegsdienstverweigerung. Dein Protagonist hat aber bereits fünf Jahre gekämpft. Also wäre es eher Wehrkraftszersetzung oder Fahnenflucht, wenn ein bereits eingezogener und im Feld stehender Soldat abtrünnig wird.


Dann zog er eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche, zündete zwei Zigaretten an und legte die brennenden Zigaretten auf die Kante des Tisches, der sich im Raum befand, und verließ wortlos den Raum.


Am Ende hatte ich ein wenig das Gefühl, dass du schnell fertig werden wolltest. Dabei ist dies ja eigentlich der Schlüsselmoment deiner Geschichte, da du hier erst wirklich aufdeckst, was es mit dem Titel deines Textes auf sich hat. Der Clou verpufft somit und der Leser wird irgendwie unzufrieden zurückgelassen.

Da du dich dem Urteil der Wortkrieger gottseidank stellst, hoffe ich, dass du deinen Text vielleicht noch mal überarbeitest. Ich hätte Bock ihn mir in etwas ausgereifterer Version noch mal zu Gemüte zu führen.

Das zu meiner persönlichen Meinung. Hoffentlich kannst du mit meiner Kritik etwas anfangen.

Bis dahin

LG Dave

 

Hallo Dave,

vielen Dank für deine ausführlichen und willkommenen Kommentare!

Ich sehe diesen Text eher als eine Erzählung als eine Kurzgeschichte. Die Geschichte basiert auf einem wahren Ereignis. Sie wurde mir von einem pensionierten evangelischen Pfarrer erzählt – er war der Hauptmann. Da wir im Gespräch über deutsch-amerikanische Beziehungen waren, war sein Anliegen etwas Positives über seine damaligen Gegner zu erzählen. Die Zigaretten demonstrierten die unerwartete Milde, sogar ein klein wenig Achtung gegenüber dem Feind in Gefangenschaft. Was man dazu wissen muss, ist, dass das Fraternisieren mit dem Gegner von amerikanischer Seite nicht erlaubt war. Dass der amerikanische Offizier die Zigaretten auf den Tisch legte und sie nicht den gefangene Offizieren in die Hand gab, umging die offiziellen Regeln. Das fand ich wichtig und sollte den Leser nachdenklich stimmen (oder so ähnlich). Dass es Heiligabend war, sollte wie der Knall, der das Feuerwerk beendet, wirken. Ich hatte den Text einem Sohn des damals schon verstorbenen Pfarrers gezeigt. Er warf einen Blick darauf und meinte: „Ach ja, die Geschichte mit den Zigaretten“. Aber die Geschichte ist mehr als nur die „Geschichte von den Zigaretten“. Sie wurde mir vor fast 40 Jahren erzählt, ich habe sie, mit vielen Lücken, aus meinem Gedächtnis herausgeholt. Details habe ich mir ausgedacht. Mir ist die Ardennenoffensive um Batogne, in vielen Details bekannt. Ich habe Bastogne besucht. Aber diese Erzählung sollte nicht einer allgemeinen Geschichtslehre dienen, sondern ein Zeichen für die Versöhnung in ernsten Zeiten setzen.

Die Gedanken des Hauptmannes während er auf den Angriff wartete, basieren auch auf Ereignisse in seinem Leben. Diese Gedanken sollten einen Einblick in die Anspannung und in das seelische Trauma geben, das ein Soldat in so einer Situation erleben kann. Ich habe bewusst auf Dialoge verzichtet, ich wollte nur eine Geschichte zur Weihnachtszeit, aus unbeteiligter Sicht, erzählen - keinen Roman.

Der Textteil mit dem „Kriegsdienstverweigerer“ bezieht sich auf die ursprüngliche Einberufung in die Wehrmacht, nicht auf die darauffolgenden Jahre. Vielleicht nicht klar genug formuliert.

Vielen Dank, nochmals, für die anregende Kritik. Ich werde mir deine Kommentare zu Herzen nehmen, nicht nur bei einer eventuellen Revision dieser Erzählung, sondern auch bei meinen anderen Texten.

Diese Antwort auf deine Antwort ist lang ausgefallen, soll aber zeigen, dass ich Kommentare ernst nehme und gerne an einer Diskussion teilnehme. Meine Ausführung hier soll keine Entschuldigung sein, sondern meine Perspektive darstellen. Ich hoffe, dass mir in weiteren kritischen Beiträgen zu meinem Text weitere Hinweise, wie ich es besser machen kann, gegeben werden.

Ich habe diese Erzählung in dieses Forum gestellt, denn ich wollte eine zweite (oder mehrere) Meinung zu meinem ersten ernsten Versuch Geschichten niederzuschreiben haben. Dieser Text wurde als einer von 25, bei einem Schreibwettbewerb mit über 60 Einsendungen, ausgewählt und darauffolgend, in einer Anthologie über Helden als E-Buch veröffentlicht.

LG Banacek

 

Hallo @Banacek,

die Info, dass dir diese Geschichte auf solche Art und Weise nahegelegt worden ist, hatte ich natürlich nicht. Mit diesem Hintergrundwissen hätte ich bei etwaigen Stellen evtl. anders geurteilt.

Auf jeden Fall ist es großartig, dass du ein wahres Kapitel aus dem Leben dieses Mannes am Leben hältst. Dennoch bleibe ich bei meinem Standpunkt, dass der Impact auf den Leser noch ausgefeilt werden kann und Luft nach oben hat. Denn gerade weil es eine wahre Begebenheit ist, wäre es doch wunderbar, wenn auch eine mit dem Thema unbewanderte Leserschaft an deinen Zeilen ihre Freude hat.

Schön zu hören, dass du dich mit der Kritik auseinandersetzt. Tagge mich gerne, falls du einmal eine überarbeitete Version davon veröffentlichst.

Bis dahin und liebe Grüße,

Dave

 

Hallo Dave,

Danke für deine Antwort. Kannst du mir etwas Konkreteres sagen, wie ich den Impact auf den Leser verbessern kann?

Viele Grüße

Banacek

 

Mahlzeit @Banacek,

Impact ist ein relativ ungenaues Wort. Was ich damit meinte, habe ich in der ersten Kritik bereits erwähnt. Für deine Geschichte ist es wichtig, dass du den Leser nahe an die Handlung und vor allem nahe an deine Figur heranbringst. Momentan gleicht dein Text in großen Teilen eher einem Beitrag in einem Schulbuch für Geschichte. Es fehlt mir ein wenig die Nähe zum Geschehen. Man hat das Gefühl, dass der Erzähler einem die Dinge schildert, ohne Interesse daran zu haben, dem Leser die Emotionen der Protagonisten ans Herz zu legen. Dabei ist es in einer Soldatengeschichte unglaublich wichtig, die Gefühle, Strapazen und Ängste dieser Männer zu thematisieren. Schließlich kann sich niemand, der Krieg nicht am eigenen Leibe erlebt hat, vorstellen, was diese Männer durchgemacht haben. Dafür reicht die menschliche Fantasie schlichtweg nicht aus.
Die Gefühlswelt deiner Hauptfigur bleibt ziemlich blass, zwar teilst du mir mit, wie es um seine Vergangenheit vor dem Krieg und um seine Familie zu Hause steht, aber die Art und Weise wie du dies machst, löst bei mir keinen - Achtung - "Impact" aus. Ich denke du musst vor allem versuchen, diese Informationen anders zu verpacken. Ein Mittel dazu ist wie bereits erwähnt, ein Dialog. Du gibst dir Mühe, die Umstände und Gründe für die Ardennenoffensive zu erläutern, was auch sinnvoll ist. Was mir spontan in Erinnerung geblieben ist, ohne deinen Text noch mal zu lesen, ist die fehlende Lufthoheit der Alliierten. Dies teilt mir trocken der Erzähler mit, dabei könntest du diese Information auch so verpacken, dass die Protagonisten sie an den Leser bringen.
Der Trupp deiner Figur bereitet einen Hinterhalt vor und wartet auf den entscheidenden Kontakt mit dem Feind. Da könntest du einen neunzehnjährigen Grünschnabel einbauen, der neben deiner Hauptfigur im Graben/Unterholz/Granattrichter liegt und sich wundert:

"Wo sind bloß die ganzen Flugzeuge von denen hin?"
Der Priester antwortet:
"Die Wolken hängen zu tief, deswegen müssen die amerikanischen Blechkisten am Boden bleiben."
Er legte sich auf die Seite, zupfte mit den Zähnen an einem Handschuh und wühlte mit steifen Fingern in einem kleinen Lederbeutel, der an seinem Gürtelriemen befestigt war.
"Wieso greifen wir dann nicht nicht an? Ohne seine Flieger hat der Amerikaner keine Chance gegen unsere Panzer."
Der Priester antwortete nicht, schaute seinen jungen Kameraden an und zog seine Hand aus dem Beutel.
"Hunger?"
Der Junge sah ihn verdutzt an, während der Priester ein Stück Trockenfleisch in zwei Hälften teilte und ihm eine davon entgegenhielt. Seine Augen wurden größer.
"Wo hast du das her?"
"Mit der Zeit lernt man ein paar Dinge. Dazu gehört vor allem, den Magen beschäftigt zu halten."
Gierig verschlang der Fähnrich die kleine Mahlzeit.
"Lutschen, nicht kauen!", wies der Priester ihn zurecht. "Deine Zähne werden dir danken."
Nun nahm auch er das Fleisch in den Mund. Es war durch die Kälte bereits steinhart.
"Wie lange bist du schon an der Front?", fragte der Junge schmatzend.
"Welche meinst du?"
Der Fähnrich sah ihn an.
"Fünf Jahre."
"Dann warst du in Russland?"
"Hmm."
Der Junge Kamerad beäugte ihn neugierig. "Wie ist es dort gewesen?"

(Der Priester setzt gerade zur Antwort an, da schallt das Rasseln der Ketten amerikanischer Panzer aus der Ferne) ...


Das war jetzt ein kurzes Beispiel, wie du einige Informationen so verpacken kannst, dass der Leser näher ans Geschehen rückt. In diesem kurzen Ausschnitt habe ich versucht die Information unterzubringen, warum es keine Flieger am Himmel gibt, dass die Versorgung der Frontsoldaten mit Nahrung miserabel war, dass deine Figur bereits fünf Jahre im Krieg ist, usw. Natürlich habe ich mir das jetzt gerade aus der Nase gezogen und das könnte ausgefeilter sein. Ich kann natürlich auch nicht einschätzen, ob dies dem Wesen deiner Figur nahe kommt. Deswegen bleibt es nur ein Beispiel.

Ob und wie du das schließlich umsetzt, ist allein deine Sache. Du bist der Autor. Und nur du hast das Empfinden, ob das was du schreibst dem Priester, der dir seine Geschichte anvertraut hat, würdig ist.

Vielleicht findest du ja auch einen gänzlich anderen Weg.
Aber ich hoffe, du weißt nun ungefähr, was ich meine.

Bis dann und liebe Grüße

Dave

 
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"... hätte sich Deutschland noch bis spät in den Sommer 1945 halten können ... dann
wäre unweigerlich der erste Atombombenabwurf auf eine deutsche Stadt erfolgt. Die
Atombombe war ja nicht aus Furcht vor Japan, sondern vor Deutschland entwickelt worden."
Karl-Heinz Frieser, Militärhistoriker
(https://www.dw.com/de/der-%C3%Bcberlebende-der-ardennenoffensive/a-51647996,
auch: Ardennenoffensive: Hitlers letzter Sieg hätte die Atombombe bedeutet - WELT)​

Ich habe diese Erzählung in dieses Forum gestellt, denn ich wollte eine zweite (oder mehrere) Meinung zu meinem ersten ernsten Versuch Geschichten niederzuschreiben haben. Dieser Text wurde als einer von 25, bei einem Schreibwettbewerb mit über 60 Einsendungen, ausgewählt und darauffolgend, in einer Anthologie über Helden als E-Buch veröffentlicht.

Es kann kein Zufall sein, dass ein ¾ Jahrhundert nach diesem unsäglichen Regime des „Verschissmuss“ und des Faschismus ital. Prägung nicht nur hierorts über „(den) Krieg“ erzählt wird, der eine Vorlaufzeit hat, die nach dem Jahrtausendwechsel sich zu wiederholen droht.

Aber 30 Jahre nach dem vermeintlichen Sieg des Westens über den Osten (und Bolschewismus) nebst dem „Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama) mitsamt des “Clash‘ of Civilizations“ (Samuel Huntington) steigt der Populismus auch in seiner radikalsten Weise wieder auf wie in den 1920er Jahren, indem (buchstäblich) eine sich bürgerlich gebende Alternative (ein altes Foto zeigt den frischgebackenen Reichskanzler A. H. in zivilisiert gutbürgerlicher Kleidung beim Händedruck mit dem Reichspräsidenten und alten Haudegen Hindenburg) Ähnlichkeiten zu den 1920er Jahren.auftreten.

Da ist es gut,

lieber @Banacek -
und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts,
bevor ich's vergess ...

dass die Erinnerung an diese Zeit wachgehalten wird, wobei die hirnrissige, vom „Ver“Führer persönlich (wider der Einsicht von Militärs) angeordnete Ardennenoffensive das ganze Elend nur verlängerte.
Nibelungentreue war schon 436 f. (Untergang der Wormser Burgunden) und 1189 f. (Kreuzzug des Barbarossas, der im Nibelungenlied besungen wird) und 1914 ff. eine blutige, eine lebensverachtende Angelegenheit – und doch gibt es immer vermittelnde, menschenfreundliche Gesten wie in Deiner Geschichte – (zB Aëtius ließ die überlebenden Burgunden am Genfer See und im Rhonetal ansiedeln, dass der Name Burgunds auf ewig festgeschrieben erscheint. Und Barbarossa war neben dt. König und römischen Kaiser durch Einheirat Chef des Hauses Burgund geworden, erst seinem Enkel Friedrich II. gelang es, Jerusalem per Vertrag zu „erobern“, was wiederum beim Papst aneckte. Die päpstliche Bulle war schon vordem gegen den vermittelnden Staufer ausgesprochen worden).
Und auch, dass Du Deine Quelle angibst und mehr als eine Generation später Dich noch der Dir erzählten Geschichte erinnerst und dass sie inzwischen veröffentlicht ist. @Dave A hat schon einiges zum Inhaltlichen gesagt und auch schon erste formale Fehler aufgezeigt – und da seh ich dann für die Schriftform das eigentlich Problem, das beim mündlichen Vortrag i. d. R. gar nicht auffällt, dass ich fragen muss: Wurde der Text nicht lektoriert bzw. wenigstens redigiert? Mit der Rechtschreibreform haben sich einige Regeln seit 1996 geändert – manchesmal ist‘s komplizierter geworden, gelegentlich auch einfacher.

Beispiele (von der Schreibung bis zur Zeichensetzung):

Er kam zur Wehrmacht als einfacher Soldat, aber die Fähigkeit[,] sich mit Menschen zu verständigen[,] und der Mangel an Führungskräften je länger der Krieg dauerte, brachten ihn in immer anspruchsvollere Positionen, bis er der Chef einer Infanteriekompanie wurde.
Den „Infinitvsatz“ gibt es immer schon, nur dass er jetzt durch feste Regeln definiert ist wie hier, dass bei Abhängigkeit der Infinitivgruppe – hier „sich … zu verständigen“ - von einem Substantiv – hier offensichtlich „Menschen“, tatsächlich aber schon dem Pronomen „sich“, das ja "für" eine bestimmte Person/einen Namen steht – durch Komma vom übrigen Satz abgetrennt wird.

Die Genitivbildung wie hier

Er tat es, indem er nie seine Waffe willkürlich benutzte und nie den Wert eines Menschenleben aus den Augen verlor.
hat sich freilich nicht geändert.

Hier „wäre“, nee, ist die Pluralbildung zu beachten

Außerdem war ihm bewusst, sollte er den Dienst an der Waffe verweigern, wäre[n] er und seine Familie folgenschweren Schwierigkeiten ausgesetzt.

Der Kampf um Bastogne ging hin und her.
Hört sich denkwürdig an für eine überwiegende Materialschlacht und Schützengräben
Des Hauptmanns Kompanie hatte Gehöfte und Dörfer in der Umgebung von Bastogne mehrmals besetzt und dann wieder aufgeben müssen. …, denn ein erneuter Versuch der amerikanischen Truppen aus dem Kessel um Bastogne auszubrechen, hatte begonnen. …
Da hat die Dichtkunst schon im 30jährigen Krieg (der wie 1914/18 – 1939-45!) aus mehreren Kriegen und Bürgerkriegen und mehr als teutschen Teilnehmern bestand den passenden Vergleich gefunden mit dem Wellengang des Wassers:
„Der Kampf … wogte hin und her.“

Er wunderte sich[,] ob und wann er seine Familie wiedersehen würde.
Gilt immer schon für (indirekte) Fragesätze wie auch Relativsätze
Es wäre ein Leichtes gewesen[,] den Panzerkommandanten zu erschießen, das …

Hier nun

Der Leutnant erkannte in dem Blick die Frage, ob es doch nicht klüger wäre[,] sich zu ergeben, anstatt ein sinnloses Gemetzel einzuleiten, in dem hauptsächlich die eigenen Leute gelitten hätten.
Zeigt sich bis auf die eine Stelle (Infintivsatz!), dass Du alle anderen der zuvor aufgezeigten Regeln („ob ...“ + Relativsatz) an sich beherrscht.

Also nur Flüchtigkeit? Hat @Dave A Recht:

Am Ende hatte ich ein wenig das Gefühl, dass du schnell fertig werden wolltest.

Tatsächlich erfolgt nur noch eine Stelle, wo ich meine, dass ein Komma zu setzen sei. Die wirstu selbst finden, denk ich. Und der folgende Satz
Die Schmach[,] sich geschlagen gegeben zu haben[,] bedrückte sie schwer. Jeder der beiden war mit seinen Gedanken beschäftigt.
Ist auch weniger wegen des Infinitivs hier aufgeführt, als eher wegen dessen gezwirbelter Formulierung, besagt er doch nicht mehr als „die Schmach, sich geschlagen zu geben, bedrückte ...“

Wie dem auch wird, ich bin guter Dinge und wünsch noch schöne Tage diese Tage,

Friedel

 

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