Das Zimmer
Das Zimmer
Kevin war überglücklich in seiner neuen Wohnung. Er wohnte bereits seit einer Woche dort. Die Wohnung war in einem alten Haus aus den 30er Jahren. Von außen sah es etwas schäbig aus aber innen war es doch recht gemütlich. Es bot eine entspannte Atmosphäre. Kevin hatte wirklich Glück gehabt, dass er diese Wohnung gefunden lag. Das Haus war recht Zentral. Zur nächsten U-Bahn Station waren es knapp 5 Minuten zu Fuß und der große Park war auch nicht viel weiter entfernt. Aber das beste an dieser kleinen 4-Zimmer Wohnung, inklusive Bad und Küche, war der Preis. Für $200 im Monat Miete war es für ihn wie geschaffen. Mit der U-Bahn brauchte er ungefähr eine viertel Stunde bis er an der Uni war. Kevin studierte noch und seine Hauptfächer waren Kunst und Architektur. Früher wollte Kevin mal Arzt werden aber nach dem ersten Semester entdeckte er seine künstlerische Ader wieder, die er früher auf der Schule schon gehabt hatte. Als er vor 10 Tagen die Anzeige in der Zeitung las, hatte er sich sofort mit der Vermieterin in Verbindung gesetzt. Am nächsten Tag hatte er dann den Mietvertrag unterschrieben und noch ein Tag darauf zog er bereits in die Wohnung ein. Seine Vermieterin war eine Frau Mitte 60. Es war ein freundliches altes Mütterchen, die seit dem ihr Mann vor 5 Jahren verstorben war die eine Wohnung in der obersten Etage vermietete. Sie erzählte Kevin, dass die ersten Mieter, ein junges Ehepaar von ungefähr 25 Jahren und ein wundeschönes Paar, wie sie fand, leider unter traurigen Umständen wieder ausgezogen sind. “Das heißt eigentlich sind sie ja gar nicht ausgezogen.” sagte sie. “Aber sie wohnen doch nicht mehr hier. Also müssen sie doch ausgezogen sein.” entgegnete Kevin. Sie seufzte und sagte: “Nein, sie sind nie wirklich ausgezogen. Der Junge Mann, Paul, hat sich das Leben genommen, nachdem seine Frau verschwunden war. Die Polizei ging jedoch davon aus, das sie Paul verlassen hatte und jetzt irgendwo weit weg wohnt.” Es lief ihm kalt den Rücken herunter und er musste wohl einen erschrockenen Eindruck gemacht haben den die Vermieterin sofort bemerkte und ihm daraufhin sofort entgegnete: “Oh, ich wollte sie nicht verängstigen. Er hat sich nicht hier getötet sondern drüben im Park wo in die Polizei gefunden hat. Machen sie sich mal keine Sorgen.” “Na, dann. Und was war mit den anderen Mietern? Immerhin ist die Wohnung ja noch völlig möbliert.” fragte er sie. “Ach, wollen sie die Möbel nicht?” “Doch, doch, aber ich habe mich nur gewundert.” entgegnete Kevin. “Na ja, vielleicht ist ihre Verwunderung ja auch berechtigt. Der zweite Mieter, der so bis vor ca. 2 Monaten hier gelebt hat ist auf einmal verschwunden. Fast so wie Denise, Pauls Ehefrau, damals. Er hat einfach alles hier gelassen. Ich habe seine Sachen alle der Heils Armee gegeben und die Möbel behalten.” Seltsame Vorgeschichte hat dieses Appartement, dachte sich Kevin. “Also wenn Sie sonst keine Fragen mehr haben lasse ich Sie jetzt in ihrer neuen Wohnung alleine. Ach und bevor ich es vergesse, der Wandschrank dort drüben, bei dem fehlt der Schlüssel und ich wollte ihn nicht aufbrechen. Das junge Ehepaar muss ihn wohl verloren haben, denn damals war der Schlüssel noch da, dass weiß ich noch. Aber hier stehen ja noch genug andere Schränke wo Sie ihre ganzen Sachen unterbringen können.”
Mittlerweile wohnte Kevin schon fast ein halbes Jahr in dieser Wohnung und er fühlte sich immer noch richtig wohl. Es begann Herbst zu werden. An einem Samstag kam er nach einem Hockeyspiel mit seinen Freunden von der Uni nach hause. Er war völlig geschafft. Kevin duschte nur kurz um dann todmüde ins bett zu fallen. In dieser Nacht träumte er von einer jungen Frau. Sie war 25, hatte lange braune Haare und stahl blaue Augen. Der Traum war etwas seltsam, da ihm diese Frau noch nie aufgefallen war. Er träumte, dass sie zusammen in dem nahe liegenden Park spazieren gehen. Sie hielten sich an der Hand und sie küssten sich. Es war eigentlich ein schöner Traum. Doch dann bemerkte er eine seltsame Person in dem Park. Es war neben ihnen die einzige Person die noch in dem Park war. Es war am Tag und deshalb war es schon recht ungewöhnlich. Kevin konnte auch keine Autos hören die eigentlich überall fahren sollten. Diese Person sah aus wie ein Junge von ungefähr 12 Jahren sie stand noch weit entfernt. Aber er hörte diesen Jungen rufen. Er rief ihm etwas zu. Nur er konnte es nicht verstehen. Es klang wie als wenn der Junge unter Wasser war. Es war einfach nur eine Art leises gurgeln zu hören. Kevins Begleitung schien diesen Jungen gar nicht zu hören. Noch nicht einmal zu sehen. Kevin versuchte den Jungen besser zu erkennen aber er konnte es nicht. Jedoch das was er sah kam ihm etwas bekannt vor. Der Junge war fast wie eine Fata Morgana, denn er war in eine Art nicht existentem Schleier eingehüllt. Eben fast wie eine Luftspiegelung. Kevin fragte die Frau mit der er so glücklich zu sein schien ob sie den Jungen auch sehe aber sie guckte Kevin nur völlig ausdruckslos an mit ihren kühlen blauen Augen. Kevin wurde plötzlich eiskalt im Traum. Sie schien eine Veränderung an ihm zu bemerken und legte ihre Hand auf seine Stirn. Und auf einmal kam es ihm so vor als ob wirklich eine Hand auf seiner Stirn liegt.
Kevin wachte auf. Er war völlig verschwitzt. Ihm war heiß. Nur seine Stirn war eiskalt. Er wunderte sich weil er die Hand auf seiner Stirn immer noch spürte. So real war der Traum gewesen, dass er auch noch einige Minuten später die Hand fühlte. Diese eiskalte Hand. Kevin hatte jetzt Durst und beschloss etwas zu trinken. Er ging zum Kühlschrank um sich etwas Saft zu holen. Dabei warf er einen Blick auf die Uhr. Sie zeigte 22:13 an. Er hatte also nur etwas mehr als eine Stunde geschlafen. Er öffnete den Kühlschrank und plötzlich spürte er etwas hinter sich. Es wurde ihm eiskalt im Rücken, genauso wie bei der Hand die in seinem Traum auf seiner Stirn gelegen hatte. Kevin dreht sich um, weil er dachte, dass jemand da wäre, aber er sah nur seinen eigenen Schatten. Doch etwas war seltsam an dem Schatten. Irgendwie bewegte er sich und das schien Kevin zu verwundern. Und dann fiel ihm auf, das er sich selbst gar nicht bewegte. Sondern nur der Schatten. Er dachte sich nicht viel dabei. Vielleicht waren es ja nur seine müden Augen, die ihm einen Streich spielten oder er hatte die Kühlschranktür etwas bewegt. Aber irgendwie war dieser Schatten sehr seltsam. Kevin drehte sich wieder zum Kühlschrank und bemerkte das er gar keinen Saft mehr hatte. Und wie aus dem nichts wurde sein Rücken wieder eiskalt. Es muss wohl am Kühlschrank liegen, dass mir so kalt wird, dachte er sich. Er beschloss noch schnell etwas Orangen Saft bei einem kleinen Shop der bis 12 Uhr geöffnet hatte zu kaufen. Er zog sich schnell an und ging dann zur Tür hinaus und lies seine Wohnung völlig leer hinter sich zurück.
Auf dem Rückweg fiel ihm sein seltsamer Traum wieder ein. Er versuchte sich zu erinnern wo er diese Frau schon einmal gesehen hatte. “Man träumt doch nicht von Leuten die man gar nicht kennt.” sagte er leise zu sich selbst. Und dann fiel ihm auch wieder dieser komische Junge ein und die seltsame Stille in diesem Traum. Er wusste einfach nicht was er damit anfangen sollte.
Als er wieder in seiner leeren Wohnung ankam bemerkte er, das er den Kühlschrank nicht geschlossen hatte. Er stellte den Saft hinein jedoch nicht ohne vorher die halbe Tüte in einem Sog zu trinken. Kevin zog sich wieder aus, legte sich ins Bett und schloss die Augen. Doch er konnte nicht einschlafen. Von draußen schien die Straßenlaterne ins Zimmer und er bemerkte das Licht durch seine verschlossenen Lider. Kevin konnte sogar dadurch etwas die Umrisse seines Zimmers erkennen. Und auf einmal war es an einer Stelle im Zimmer völlig dunkel. Wie als wenn dort jemand stehen würde. Kevin machte sofort die Augen wieder auf, aber es war nichts zu sehen. Niemand. Er war völlig alleine. So schloss er seine Augen wieder und der Schatten war verschwunden. Er dreht sich auf die Seite und direkt vor seinem Gesicht schien etwas zu sein. Wieder diese völlige Dunkelheit als wenn jemand den Weg des Lichtes versperren würde. Aber Kevin machte sich keine Gedanken darüber. Für ihn war das einfach nur ein Hirngespinst, das wahrscheinlich daher kam, dass er so müde war. Er döste langsam ein und bemerkte zunächst nicht richtige das sich dieser Schatten bewegte. Er bewegte sich Richtung Zimmertür und als er ungefähr dort war hörte Kevin ein lautes knacken an der Türe. Er schreckt auf und ein eiskalter Schauer wie er in schon zweimal, am Kühlschrank und im Bett, gefühlt hatte lief ihm wieder den Rücken runter. Jedoch war an der Tür nichts. Das kann doch nur das alte Holz gewesen sein, dachte er sich, das bewegt sich doch immer. Er machte die Augen wieder zu und schlief ein.
Er begann sofort zu Träumen. Diesmal war es anders. Diese seltsame Frau war nicht zu sehen und er war in einer Bahnhofshalle. Er schaute auf die Uhr, welche 11:13 anzeigte. Morgens. Und der Bahnhof war völlig verlassen. Er war riesig groß. Kevin konnte auf der Anzeigetafel den Fahrplan der Züge nicht erkennen. Sie waren völlig verschwommen. Er sah sich in dieser riesigen Halle um. Aber nirgends war irgendjemand. Alles schien völlig verlassen. Der Kiosk, die Buchhandlung, sogar die Würstchenbude, auf der aber noch einige Würstchen auf dem Grill lagen und vor sich hin brutzelten. Er hörte ein Rauschen. Es war Wasser. Kevin ging zu der Herrentoilette von der er das Geräusch vermutete und sah plötzlich den Jungen wieder. Er stand vor einem öffentlich Waschbassin. Irgendwoher kannte Kevin diesen Jungen, das wusste er. Aber wieder, wie im anderen Traum konnte er ihn nicht erkennen. Wieder war dort dieser seltsame Schleier. Der Junge schien Kevin nicht bemerkt zu haben. Er wusch sich gerade die Hände und schien vor sich her zu reden. Jedoch hörte Kevin wieder nur ein gurgeln, als ob der Junge mit dem Kopf unter Wasser wäre. Dann stellte er den Wasserhahn wieder ab. Er würdigte Kevin keines Blickes, drehte sich Richtung Tür und ging hinaus. “Hey, Junge, warte mal!” rief Kevin ihm nach, doch er schien ihn nicht zu hören. Kevin folgte dem Jungen durch die Türe und er war verschwunden. Nirgends zu sehen. In der ganzen riesigen Halle nicht. Aber Kevin spürte die Gegenwart einer anderen Person. Es war ein Gefühl wie als wenn er beobachtet würde. Genau das war es. Er spürt einen Blick auf seinen Rücken und wieder kam dieses frösteln in ihm hoch.
Kevin wachte wieder schweißgebadet aus seinem Traum auf. Dieser war ja noch verrückter als der davor. Er schaute auf die Uhr. 3:24. Kevin hatte wieder Durst. Er ging abermals zum Kühlschrank und diesmal verspürte er nichts. Keine Kälte. Er trank die Tüte Orangensaft völlig aus und bereute es nicht eine zweite Tüte gekauft zu haben. Kevin ging zurück zu seinem Bett und dachte noch etwas über diesen merkwürdigen Traum nach. Doch es dauerte nicht all zu lange bis er wieder einschlief und abermals zu träumen begann.
Diesmal war das Geschehen in Traum an einem Ort aus seiner Kindheit. Es war ein See. Es war Sommer und es schien so gegen Nachmittag zu sein, vielleicht 15 Uhr, vielleicht aber auch etwas später. Die Sonne stand noch hoch am Himmel. Es war ein schöner Ort. Aber wieder war niemand dort zu sehen. Keine Menschenseele. Nicht mal Vögel hörte er zwitschern. Es war auch völlig windstill und das Wasser bewegte sich nicht. Kevin schaute sich um und er wusste genau wo er war. Früher ist er mit seinen Eltern oft an diesen See gefahren. Er bemerkte nun doch einige seichte Wellen auf dem Wasser und schaute auf das Wasser hinaus und sah das dort jemand schwamm. Er konnte nicht erkennen ob es der Junge aus seinen beiden anderen Träumen war. Er beobachtete die Figur eine Weile und sah das diese plötzlich untertauchte. Einen kurzen Moment später tauchte sie wieder auf, aber direkt am kleinen Strand an dem Kevin jetzt stand, und er erkannte, dass es der Junge war. Jedoch hatte sich etwas an ihm verändert. Der Schleier war nur noch um sein Gesicht. Den Körper konnte Kevin jetzt erkennen. Der Junge trug rote Badeshorts. Und er kam direkt auf Kevin zu gerannt. Er schien wütend zu sein. Sehr wütend. Zunächst verstand Kevin wieder nur dieses merkwürdige gurgeln doch für einen kurzen Moment verschwand der Schleier um das Gesicht des Jungen. Und er erkannte wer es war. Und jetzt errinerte er sich auch wieder was an diesem See passiert war. Der Junge rannte auf ihn zu und schrie, und jetzt verstand Kevin ihn auch: “ Verschwinde! Verschwinde! Verschwinde! Ich will dich an diesem Ort nie wieder sehen! Hau ab! Mach schon! JETZT! VERSCHWINDE!” Kevin wich zurück von dem Jungen und plötzlich hörte ein lautes Klopfen. Es hämmerte richtig in seinem Kopf und er bekam panische Angst.
Kevin wachte auf. Er wusste wer der Junge war. Es war sein Bruder, Tom. Jetzt verstand er auch warum Tom am Anfang von diesem Schleier bedeckt war und warum er so gegurgelt hatte. Kevin war erst zwei Jahre alt gewesen als Tom gestorben ist. Er ist damals in dem See aus seinem letzten Traum gestorben. Kevin hatte kaum eine Erinnerung an ihn gehabt. Um so mehr wunderte er sich jetzt über den Traum, über die Träume. Irgendwas wollte Tom ihm mitteilen. Aber Kevin wusste nicht was. Plötzlich erinnerte er sich an das heftige Klopfen aus seinem Traum. Es klang so real. Kevin stand auf, die Uhr zeigte 4:46 an, und ging zur Tür weil er dachte das vielleicht jemand daran geklopft hat. Als er vor der Tür stand bemerkte er einen Umschlag der von innen an die Tür geklebt war. Er nahm diesen Umschlag, öffnete ihn und fand darin einen alten Schlüssel und einen Zettel auf dem in roter Tinte geschrieben stand: Öffne die Türe! Kevin musste kurz überlegen, welche Türe gemeint war, doch dann viel ihm der Wandschrank ein.
Er ging hinüber zum Wandschrank, steckt den Schlüssel in das Schloss und merkte, dass er passte. Bestimmt hatte seine Vermieterin den Schlüssel gefunden und ihn von innen an seine Tür angebracht. Kevin drehte die Schlüssel zwei mal um und hörte das halte Schloss knacken. In dem Moment in dem er die Tür öffnen wollte fiel ihm ein woher er die Frau aus seinem ersten Traum kannte. Er hatte sie auf unzähligen “Vermisst” Steckbriefen gesehen, die fast überall in der Stadt hingen vor einigen Jahren. Plötzlich hatte Kevin eine böse Vorahnung und spürte wieder eine eiskalte Hand in seinem Rücken. Er öffnete die Tür und das Grauen was sich ihm dort bot übertraf all seine Vorstellungskraft...
Drei Monate nachdem die Vermieterin Kevin als vermisst gemeldet hatte war sie bereit, die Wohnung neu zu vermieten. Eine junge Frau namens Lydia erschien eines Tages und entschloss sich für die geringen Kosten die Wohnung zu mieten. Diesmal jedoch beschloss die Vermieterin nichts von den vier Vormietern zu erzählen, die alle auf so ungewöhnliche Weise wieder ausgezogen waren. Lydia bedankte sich für alles und die Vermieterin entgegnete: “Kein Problem, Schätzchen. Ach übrigens, der Schlüssel für den Wandschrank dort drüben ist vor Jahren verloren gegangen. Sie müssen also die Schränke benützen, wenn sie ihre Sachen verstauen wollen.”