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De Opresso Liber - Prolog

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21.06.2005
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De Opresso Liber - Prolog

DE OPRESSO LIBER - Für eine Handvoll Menschlichkeit


Prolog: Der stumme Schrei

[Mobiles Zwischenlager, Scharfschützenstellung Team Eins]


Das unsichtbare Pferd schlug aus, traf zielsicher, schmetterte den struppigen Hund mit berstender Wucht zu Boden. Er blieb liegen, wellenförmiges Zittern über Flanken und Bauch kriechend. Sein flach hingestreckter Leib verbarg die Blutspritzer im Sand darunter.
Durch die Entfernung hatte es sich absolut lautlos abgespielt – maschinelles „Klack-Klack“ dicht an meinem rechten Ohr ersetzte das imaginäre Winseln, als Sevek den Repetierhebel seines Remington M24 Präzisionsgewehres mit gewohnt flüssiger Bewegung vor und retour führte. Eine intensiv nach Ozon und verbrannter Treibladung riechende Patronenhülse glitt heraus, berührte mit stechend heißem Kuss mein ungeschütztes Handgelenk. Der flüchtige Schmerz holte mich sofort in die Gegenwart zurück.
Es ist nur eine kurze Bewegung mit dem Fernglas, von einem Ende des Lagers ans andere.
„Ziel steht ruhig, Entfernung vier-neun-drei“, wispere ich, die vor Schweiß glitschig gewordenen Gummiringe des handlichen Geräts fest über meine Augen gepresst. Das Leica Modell ist ein mit hervorragender Optik ausgestatteter Laserentfernungsmesser, ein Fernglas und Digitalkompass zugleich. Ideales Werkzeug für jeden Spotter, das mir eine gestochen scharfe Abbildung des zweiten Wachhundes präsentiert. Trotz fast fünfhundert zwischen uns liegenden Metern kann ich sogar einzelne Tasthaare an der schlanken Schnauze zählen, zum Greifen nahe wirkt er. So lebendig. Kluge, bernsteinfarbene Augen mustern arglos eine täuschend friedliche Umgebung, er konnte nicht sehen was am anderen Ende des Lagers passiert ist. Vielleicht hat er es aber auch nur nicht sehen wollen.
„Am Ziel“, dringt die Stimme meines Scharfschützen von rechts ins Bild, konzentriert, trocken.
Dann wendet sich der belgische Schäferhund ab, zeigt sich von hinten, die großen Ohren spielen in flimmernder Luft. Dreht sich einmal auf der Stelle, prüfend die Luft durch zuckende Nasenlöcher saugend. Ich warte stumm, spüre wie der hagere Körper neben mir verspannt, meine Augen sind noch immer gebannt von der animalischen Eleganz des gelbgrauen Geschöpfes. Es dreht in Zeitlupe weiter, ein muskulöses Schulterblatt schiebt sich hinter strammen Schenkeln hervor. Licht fängt sich in Haarspitzen, die linke Flanke bebt, schräg ins Bild gekippt.
Der Abzugsmechanismus klickt tief im Inneren der Waffe, ich kann hören wie der Auslöser nach vorne schnellt. Meiner Schultern verkrampfen sich in Erwartung des Knalls, aber der wird nicht kommen.
Ein Ploppen, leiser fast als der knackende Verschluss, während meine Augen noch immer im Anblick golden schimmernden Fells baden. Alte Erinnerungen.
Für den Bruchteil einer Sekunde taucht ein roter Klecks auf, achtlos hingespritzt, dann verwackelt das Stilleben in graubraunen Schattenschlieren.
Ich zoome heraus, erfasse den jetzt reglosen Körper als Ganzes – platt auf dem Rücken liegend, in einer krotesken Demutsgebärde die cremefarbene Unterseite darbietend, unnatürlich verkrümmt. Drei Beine ragen steif in heiße Luft, von aarrhythmischen Nervenzuckungen geschüttelt. Ich meide das stechende Rot. Vorerst. Die Wucht des .308 Winchester Magnum Projektils hat den Hund eine schiefe Vorwärtsrolle schlagen lassen, statt Hinten links ist uns nun Vorne rechts zugewandt.
Ein Projektil mit verminderter Geschwindigkeit rotiert im Weichziel um die eigene Achse – kein glatter Schusskanal kann entstehen, das Gewebe wird großflächig zerstört. So wurde es uns im Waffenunterricht beigebracht, Lehrbuchformulierung. Sevek hat einen Schalldämpfer verwendet, der verlangsamt enorm. Ich verharre mit konzentriertem Blick auf feucht glänzenden Zähnen. Beobachte die Kinnlade, ihre letzten Artikulationsversuche, gespenstische Bewegungen, als würde der Hund im Todeskampf noch versuchen zu sprechen. Zoome näher und näher, hole mir einzelne Speichelfäden heran, der finale Atemzug hat schaumiges Blut auf die faltigen Lefzen gehaucht. Hellrotes, schaumiges Blut.
Verzögerungstaktik.
Fast wie von selbst gleiten die schwarz umrahmten Doppelkreise eine zutraulich entblößte Kehle herab, das Licht flimmert nun silbern, nicht mehr golden. Fühle in meinen Handflächen elektrisierendes Kribbeln, als würden sie nun anstelle meiner Blicke sanft den Hundehals streicheln. Erinnerungen an glückliche Kindertage, an den vierbeinigen Freund.
Der Übergang ist krass, schmerzhaft abrupt.
Blutbespritzte Haarspitzen. Blut, das über dicke, zerplatzte Lederhaut sprudelt. Wie das Blut meines Belgiers auf dem grauen Asphalt, die von Schrotkugeln durchsiebte Fahrertüre, die platten Vorderreifen. Der durchsiebte Hundekörper, dessen Leben aus unzähligen kleinen Löchern verrann. Meine blutbesudelte Hand in seinem Fell. Zu klein für den Strom. Der stumme Schrei, nie geweinte Tränen.
Damals war ich noch ein unschuldiges Kind. Es ist ein stiller Zwang, der mich hindert wie all die anderen wegzusehen.
Weißliche Rippen stechen hervor, von Innen durchstoßen, aufgespreizt wie bei einer Operation. Eine Faust hat sich durch den Hundeleib gebohrt und alle fünf Klauen mit unbarmherziger Gewalt geöffnet, ruckartig geöffnet, ich blicke tief in den aufgerissenen Brustkorb hinein. Ein zerbrochener Alptraum. Wie bleiche Finger umschließen die Rippenbögen das saftig rote Fleisch, die kaum mehr sichtbaren Eingeweide, dunkler Hintergrund. Der Herzbeutel ist nur noch als ausgefranster Lappen erahnbar, umrahmt von fleischigem Fettgewebe, in dem wie zitternde Spieße kleine Knochensplitter stecken. Die Splitter des fast vollständig abgetrennten Vorderbeines. Es liegt einfach so neben dem Kadaver, verdreht, gehört irgendwie nicht richtig dazu. Muskelfasern und grauviolette Sehnen verschwinden in einem rosafarbenen Brei aus zertrümmerter Knochensubstanz, über welchen sich in breiten Strömen das Blut ergießt, zerplatzte Adern, obwohl da drin einfach kein Herz mehr schlägt. Es ist herausgerissen worden, wie das Leben selbst.
Höchstens ein paar Sekunden sind vergangen, doch der Sand um den erschossenen Hund herum hat sich rot gefärbt, durchtränkt, glitzert vor schmieriger Nässe. Ganze Wolken von Sandfliegen werden angezogen, stürzen sich auf die klaffende Wunde wie miniaturisierte Geier. In der Wüste wird jedes bißchen Feuchtigkeit zum Magneten.
Ich spüre den Kupfergeschmack auf der Zunge. Den leisen Druck im Magen.
„Mein Gott ist das widerlich..“
Der Ekel in meiner Stimme lässt sich kaum mehr verbergen. Verdeckt meine Erinnerungen. Die blutige Deformation füllt mein gesamtes Sichtfeld aus, fesselt mich mit ihrer einfachen Brutalität, eine stille Vision aus der Hölle. Nur ein Hund. Aber einem Menschen hätte das Kaliber nicht weniger angetan.. Nur ein Alibi.
„Doogie, lass den Quatsch.“
Seveks Stimme klingt grob, fährt wie ein Hammer in das Bild. Es zerfällt in glanzlose Scherben. Der stumme Schrei, da ist er wieder.
Ich nehme wiederstrebend meinen Entfernungsmesser herunter, schaue nach rechts. Den hageren, dünnen Körper verborgen unter vielen Schichten schmutzig aussehenden Tarnmaterials liegt er im heißen Sand, wirft mir einen missbilligenden Blick zu. Die stechend grauen, fast schon farblosen Augen blitzen durch grobmaschigen Stoff, der Netzschal, gleich einem Schleier um seinen zerknitterten Buschhut gewickelt. Darunter verschwimmt das unrasierte Gesicht mit der Tarnschminke, dem Sand, seinem Ghillie-Suit. Nur die Augen sieht man, diese Dolchaugen, die sieht man immer bei ihm.
„Du kannst dir darauf auch später noch einen runter holen, wir müssen weg hier.“
Es wirkt sofort, reißt mich von diesem ekelhaften Elendsvoyerismus fort. Mit einem schuldbewussten Lächeln verschließe ich die Schutzkappen der Optik und lasse das handliche Gerät schnell in meiner linken Beintasche verschwinden. Leise rascheln die Jutestreifen und aufgenähten Uniformfetzen des Ghillie-Suits dabei, behindern mich. Man liegt wie unter einem schweren, vollgesogenen Busch, verkocht fast im eigenen Schweiß.
Sevek wird meine kleinen Ausflüge in die Perversion der Grausamkeit nicht verraten, er kennt das, akzeptiert es schweigend. Wie auch ich seine Eigenheiten akzeptiere. Die Grobheit, die mürrische Dominanz. Seine kompromisslose Überlegenheit, obwohl er mir gerade mal bis ans Kinn reicht. Fast ein Jahrzehnt älter ist er als ich und hat mehr Charakter auf jedem Quadratzentimeter sonnenverbrannter Haut, als die komplette Einwohnerschaft meiner Heimatstadt zusammengenommen. Er steht zu seinen Abschüssen, schießt einem nicht in den Rücken. Nicht wie sie. Aber so ist jeder hier, auch wenn kaum einer an den Erfahrungsschatz unseres eigenbrötlerischen Scharfschützen heranreichen kann. Dabei fragen wir uns häufig ob sein dürrer Leib überhaupt noch einen Schatten wirft, so haben ihn die unzähligen Einsätze aufgezehrt.
Wir liegen nebeneinander, jeder an den ausgestreckten Körper des anderen gelehnt. Warten geduldig, ertragen die glühende Hitze zwischen den Felsen. Sand klebt an meinen schweißdurchnässten Ärmeln, scheuert bei jeder noch so keinen Bewegung wie Reibeisen auf der Haut. Seveks Körper fühlt sich angenehm kühl an gegenüber dem Sand und den Felsen. Wir warten schweigend, genießen die Zweisamkeit, die Endlosigkeit der Wüste wirkt mit einem Mal befreiend. Nur wer seine eigenen Grenzen nicht kennt braucht die Enge der Zivilisation um mit jeder Berührung neu erinnert zu werden, verliert in der Weite den Verstand, wie ein Lebewesen im Vakuum zerplatzt.
Manchmal muss man ein bißchen tot sein um zu überleben.
Endlich meldet sich Captain Willkoy über Sprechfunk. Seine Stimme klingt anerkennend, obwohl es doch nur zwei kleine Köter waren. Ziel ist Ziel. Team Eins geht in Stellung. Team Zwo zieht nach, Angriffsposition. Der Detachment Leader spielt Schach.
Er lässt auch uns die Stellung wechseln. Neuer Sand, noch heißer als der vorherige. Neue Felsen, genauso sturmzerfressen. Diesmal aber näher am Lager. Ich habe wieder mein improvisiertes Fernglas an die Augen gepresst, vermeide aber die toten Hundekörper. Fliegen tummeln sich über ihnen, erinnern die Zeit daran zu verrinnen. Es gibt noch genug lebende Zielscheiben. Freiheitskämpfer hin, Terroristen her. Die Mullahs haben nichts bemerkt. Wehende Gewänder, rotweiß karierte Arafatlaken um die bärtigen Häupter gewickelt, sie gehen durcheinander, stehen herum, unterhalten sich. Solche Shemags haben wir auch, die gleichen, als Tarnung. Chamäleonsoldaten. Ich weiß, es juckt Sevek in den Fingern. Sehe das entrückte Lächeln um die rauhen, aufgesprungenen Lippen spielen. Und ich lasse ihn.
Über Funk hören wir Willkoys Befehle mit, der Führer von Team Zwo, First Lieutenant ‚Mick’ Michelsson erhält den Infiltrationsbefehl. Jetzt kann der Tanz beginnen.
Bis zum Schluss herrscht unnatürliche Ruhe im feindlichen Lager, die Mullahs merken einfach nichts. Als sie endlich das Feuer erwidern, haben die schallgedämpften Sturmgewehre schon gründlich unter ihnen aufgeräumt. Das lahme, keifende Rattern der Kalaschnikows dringt bis zu uns herüber, chinesische Herstellung, die Gewehre haben nicht den vollen Klang der russischen IZMASH-Fabrikate. Schlampige Verarbeitung. Billiggewehre, Idiotensicher.
Ein Eingreifen unsererseits ist überflüssig. Der Kampf war von vornherein entschieden. Die Hunde haben ihn entschieden. Eine Kalaschnikow nach der anderen verstummt.

- H21

 

Hi, also vom Militärischen her habe ich nichts zu beanstanden.

Aber vom politischen. . . Ähmm Wo spielt die geschichte?

Rechtschreibfehler habe ich soweit nicht gefunden.
Ich würde mich über eine fortsetzung freuen

Rey

 

hey rey *smile*

fortsetzung ist schon in arbeit, nur dauert wegen meinem chaotischen deutsch *grummel* will mich ja nicht blamieren ;-)))

freut mich dich hier zu lesen.. und politisch.. nun, das ist was aktuell in iraq.. (lass dich nicht von bezeichnungen wie mullahs oder hodgeys verwirren, dass sind us armed forces interne, nicht ganz politisch korrekte rufbezeichnungen.. aber das wird noch im fortlauf deutlicher..)

habe glaube eine erklärung für das ganze im gesellschaftsforum, aktuelle oder eins zurück gerutschte seite

auf baldiges wieder lesen :-))

mfg,
H21

 

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