Denkmal
Wie ein Engel sah sie ihn an.
Es waren viele Stunden vergangen seit sie miteinander geschlafen hatten und doch spürte sie noch immer die Erregung, roch den salzigen Schweiß und hustete Blut.
Sie war krank – sehr krank sogar, doch sie suchte keinen Arzt auf. Nicht nur weil sie kaum genügend Geld hatte um sich ihre Wohnung leisten zu können, sondern auch weil sie Ärzten im Allgemeinen nicht vertraute.
Er reichte ihr ein Taschentuch und sah ihr zu, wie sie sich die vertrocknenden Überreste ihres eigenen Blutes weg wischte.
Langsam stand er auf und musterte jede einzelne Ecke und Kante dieses Raumes. Er wusste, dass sie krank war, sie hatte es ihm schon vor einiger Zeit gebeichtet.
Dennoch freute er sich überwiegend darüber, dass sie und nicht er krank geworden war.
„Ich möchte dich ja nicht drängen, aber …“, begann sie.
„Soll ich gehen?“, antwortete er gereizt.
Er hasste Eile.
„Weißt du, ich habe nicht mehr viel Zeit, das ist alles …“, sagte sie schwach.
Sie war wunderschön und unter anderen Umständen hätte er sich vielleicht aufrichtig in diese Person verliebt, so aber interessierte ihn nur der Sex.
Außerdem sollte sie sich nicht so anstellen, laut ihrer eigenen Aussage hatte sie immerhin noch mindestens eine Woche zu leben.
„Findest du nicht, dass es zu früh ist um jetzt schon schlapp zu machen?“, fragte er sie.
Seine Stimme war noch immer gereizt, doch es klang noch etwas mit, eine besondere Stimmlage, die nur sie wirklich wahrnehmen konnte: Er war schon wieder erregt.
Er dachte daran, dass er der letzte sein würde, der diese Frau vor ihrem Tode fickt und war stolz darauf.
Sie war angewidert von dem Verhalten eines Menschen, mit dem sie schon seit drei oder vier Jahren das Bett teilte.
„Wenn ich weg bin …“, begann sie.
„Dann suche ich mir `ne andere, keine Angst.“, beendete er ihren Satz.
Tränen bahnten sich ihren Weg und versammelten sich in ihren Augen um wenige Sekunden später ihr kurzes Leben zu beenden.
„Ich fühle mich so bedeutungslos … Als würde es niemanden interessieren, dass ich sterbe.“, sie stammelte nur noch wirr vor sich hin und er wusste, dass es wirklich langsam an der Zeit war sie zu verlassen. Egal, so oder so, er würde der letzte sein, der sie gefickt hat.
„Ich geh jetzt.“, sagte er kalt.
Langsam zog er seine Unterwäsche und seine Hose an und griff nach seinem Hemd.
„Interessiert es dich nicht, ob ich lebe oder sterbe?“
„Nein.“, sagte er, während er die letzte Schlaufe seines linken Schuhs band.
Er knöpfte das Hemd zu und bewegte sich langsam zur Haustür.
Sie hasste ihn nicht, warum auch?
Er war nicht der einzige.
Wie viele vor ihm hatte sie schon gefragt und wie viele hatten ihr genauso geantwortet?
Niemand liebte sie.
Er legte ein paar 10-Euroscheine auf den Schreibtisch und verschwand aus der Wohnung.
Eine halbe Stunde später war sie tot.
Einen Tag später stand es in der Zeitung: Prostituierte begeht Selbstmord.
Eine Woche später hatte es jeder vergessen.