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Denn kunstvoller Weise offenbart sich der Tod

Seniors
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24.04.2003
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Denn kunstvoller Weise offenbart sich der Tod

Vor meinem geistigen Auge ereifern sich die schillerndsten Persönlichkeiten finsterer, vergangener Zeiten in einem unwirklichen Synchrontakt des Donauwalzers, dessen Rhytmus sie nicht zu verlieren im Stande sind.
Eine der wohlgekleideten feinen Damen winkt andeutungsweise mit ihrem bordeaux farbenden, roten Samthandschuh über das glänzende Lichterspiel des Parkettes hinweg zu mir herüber.
Ein flüchtiges Lächeln legt sich über die angespannte Konzentration ihres Tanzes, während ihr Partner zu intensiv versunken ist in den musikalischen Welten, und den richtigen Bewegungen seiner Fußpartie kaum noch zu folgen vermag.
Er bemerkt überhaupt nicht, wie sie mit mir flirtet.
In dieser durch und durch von bitterem Luxus angefüllten Halle, in der ich mich meinem mit Stoßeis versetzten Whisky widme und dabei die Unwahrhaftigkeit dieser Situation - den Genüssen teuerster Zigarren gleich - in mich aufsauge, gibt es tatsächlich ein Individuum, welches auf mich aufmerksam geworden ist; das Grau der anderen von der farbenfrohen Götterdämmerung meines Antlitzes zu unterscheiden weiss.
Sie hat ein langes gewelltes und Elfenblondes Haar, das gepflegt und sanft über ihren Rücken schaukelt, ganz so wie ein von einer goldenen Sonne beschienener Ozean zur schönsten Zeit des Sommers.
Ich erwidere den Blick ihrer tiefblauen Augen kurzfristig, wende mich dann erneut dem Ganzen zu.
Den unzähligen extatischen Tänzern, die durch den gigantischen Raum gleiten wie Sternenschiffe, auf ihrer langen Reise durch den geheimnisvollen Kosmos; mit unbestimmten Ziel.
Dann gewinnt das Orchester an einem hauchvollen Klang von Lautstärke hinzu und verausgabt sich bis an seine Grenzen, als versuche es die Anwesenden zu noch perfektionierteren, akrobatischeren Kunststücken auf dem polierten Laminat zu ermutigen; zu erzwingen.
Die dunklen - ihrer Persönlichkeit beraubten - Herrschaften verstehen das Zeichen der Musiker; beschleunigen ihre Schritte, schweben im Anschluss fast mit Lichtgeschwindigkeit durch ihr erdachtes Universum der Muster und Benimmregeln.
Nur Sie; Sie versucht sich dem Jahrhunderte alten Ballzwang zu entreißen, sich in meine Arme zu flüchten, währenddessen ich ihre Person noch immer kaum wahrnehme.
Dann kommt sie auf mich zugelaufen, in ihren Schritten und Wandlungen einer Prinzessin gleich.
Ein letzter, von Mitleid erfüllter Anblick meinerseits.

Der laute Schrei des Mannes neben mir beraubt mich unsanft meiner Phantasiegespinste.
Ein LKW reisst die von der anderen Straßenseite herbeieilende Frau in einen plötzlichen Tod.
Blut spritzt über mein weißes Hemd, verleiht meinem Gesicht den Ausdruck eines wahnsinnigen Axtmörders; obgleich mir niemand hier die Schuld für diesen bedauernswerten Vorfall geben wird.
Der Fahrer des Trucks bremst scharf und stellt sich quer auf der engen Fahrbahn, bevor sein Hänger umstürzt und dutzende Kartons von Aromastoffen über dem Asphalt ausschüttet, welche angenehm nach den Grundessenzen von Gummibärchen duften.
Innerhalb weniger Sekunden bricht die Hölle los und eine handvoll weiterer Menschen verlieren ihr Dasein in die Anderswelt.
Metall auf Eisen und umgekehrt, eine ursymbiotische Mischung höchster Zerstörung.
Die leibhaftige Grundlage des Donauwalzers; sie nimmt meinen Geist in Beschlag, lässt meine in Lacklederschuhe gehüllten Füße ein unbekanntes Zucken im Gleichsinn der desaströsen Töne annehmen.
Denn kunstvoll ist der Untergang, und wenn wir im stillen sterben entgeht uns das intergalaktische Gewitter der lustvollen Freuden des Todes.

Wenig später finde ich mich in der Innenstadt wieder. Auch hier hat der Herr gewütet.
Alle Leidenschaft ist gewichen, trübe Gestalten sinnieren ihrem Lebenszweck nach, während sie ihr Geld in Boutiquen und Kaufhäusern verschleudern; stets darauf bedacht, eine schnelle Ersatzbefridiegung für ihr unerfülltes Leben zu erhaschen.
Erneut bricht die Phantasie über mein geistiges Auge - einem Tornado nicht unähnlich - voller Gewaltsamkeit empor.

Ich sehe hunderte Roboter, welche sich durch enge, stählerne Gassen schlängeln; den Blick starr geradeaus gerichtet.
Ihre Räder - den monströsen Ketten moderner Panzer gleich - verlaufen auf vorprogrammiertem Wege.
Ein und aus.
Die Beschäftigungen sind nebensächlich, aber wer hat das gemerkt?
Ein blecherner Kumpan strahlt mit seinen kalten Augen für einen knappen Moment in meine Richtung.
Er ist das Individuum, welches mich sehen kann. Seine sterilen Seitenachsen stoßen freudig auf.
In Wirklichkeit handelt es sich um einen Obdachlosen, der es sich neben dem Haupteingang des Karstadt-Gebäudes mehr oder weniger gemütlich gemacht hat und alte Stücke von Bob Marley zum Besten gibt.
Der Mann - der Roboter - hat eine herzergreifende Stimme und für kurze Zeit berührt er mich.
Man mag mir vorwerfen, dass ich ihn lediglich für meine Zwecke benutzen werde; aber wenigstens habe ich ihn wahrgenommen.
Gott hat ihn nichteinmal gesehen; und so bewegt er sich - von begründeter Vorsicht getrieben - langsam auf mich zu.
Die Straßenbahn erwischt ihn hart.
Sie entgleist und tötet noch ein paar weitere, unbedeutende Kleingeister.

Euer Herr mag allmächtig sein, aber bald habe ich genug wichtige Seelen gesammelt.
Dann wird er bloß noch über die unwichtigen Macht ausüben können.

 

Hi Cerberus!

Als ich bei der Übersicht den Titel gelesen habe, wusste ich sofort "aha, eine neue Story von Cerberus".

Irgendwie steh ich schon wieder ein bisschen auf der Leitung, geht mir meistens so bei deinen Storys. Aber diesmal war's nicht ganz so kompliziert :-)

Dein Prot. ist der Tod, oder? Also der symbolische Tod, keine Gestalt aus Fleisch und Blut? Ich hoffe ich liege richtig mit meiner Vermutung. Allerdings versteh ich dann den letzten Absatz nicht ganz.

"Euer Herr mag allmächtig sein, aber bald habe ich genug wichtige Seelen gesammelt.
Dann wird er bloß noch über die unwichtigen Macht ausüben können."

warum wichtige Seelen? Die Seele des Penners war wichtig? Inwiefern?

Ein paar Fehler:
"bordeaux farbenden"
bordeauxfarbenen

"Rhytmus" Rhythmus

"des Parkettes" Parketts

"mit unbestimmten Ziel" unbestimmtem

"im stillen sterben" im Stillen

"Ersatzbefridiegung" Ersatzbefriedigung

"die unwichtigen Macht" hier würde ich Unwichtigen groß schreiben

Zum Inhalt: tja, typisch Cerberus :-) deine Storys sind immer mehr Poesie, wirken auf mich wie Traumgeschehen, so unwirklich und verschwommen. Das heisst natürlich nicht, daß es mir nicht gefallen hat. Nein, die Story hat mir sehr gut gefallen. Ist zwar nicht mein Stil, ich bevorzuge direktere Storys, mit Schockeffekten usw, aber dennoch sehr gut.

Deine Sprache ist sehr lebendig und strotzt nur so vor Bildern. Sag ich das nicht immer bei deinen Storys? :-)

Das war's von mir.

Gruß
Mike

 

Aufgrund des schon fast experimentell zu nennenden Schreibstils habe ich beschlossen, keine Detailkommentare dazu zu geben, auch wenn manche Ausdrücke irgendwie - falsch auf mich wirkten. Die Sätze sind teilweise ungeheuer lang und ausufernd, was gut kommt, solange es nicht zuviel wird.

Der Text hat etwas Philosophisch-Kosmisches an sich, auch wenn nicht viel mehr passiert als daß ein paar Leute überfahren werden.

Der Ich-Erzähler sammelt also Seelen von Individuen und verschäht die von Gleichgeschalteten. Er glaubt an Gott und daß dieser von seiner Tätigkeit nichts mitbekommt.

Ich bin ein wenig zwiespältig: Einerseits finde ich die Geschichte irgendwie poetisch und bildreich, andererseits möchte ich nicht unbedingt zuviele von der Art pro Monat lesen. Dann lieber wieder eine, wo man dreimal überlegen muß, um sie zu verstehen.

r

 

Die geschichte ist vom Plot her interessant, aber mit zuvielen Adjektiven und ausschweifenden Umschreibungen geschmückt um flüssig gelesen werden zu können. Wenn du mit der Geschichte unterhalten möchtest solltest du sie nochmal überarbeiten. Ansonsten, der Plot ist gut.


Cu
kingofnightmare :bla:

"Von schönen Reden werde ich nicht satt." -Molière

 

Hi Cerberus,

eigentlich sprechen mich direkte "Tatsachenstorys" mit echtem Horror mehr an, aber diese hat mir irgendwie auch gefallen. Obwohl nicht sehr berührend, spricht einen der bildhafte, teils philosophische und beinahe poetische Stil an. Solche Wortgebilde sind bestimmt nicht einfach aus dem Ärmel zu schütteln. Ein Satz hat mich gestört:
"...eine handvoll weiterer Menschen verlieren ihr Dasein in die Anderswelt." Das müsste "an die Anderswelt" heißen. Passen würde auch "verlieren sich in der Anderswelt."

Gruß Peter

 

Hi Cerberus,

wieder nichts für auf´m Klo :D

Schlag mich, aber so ganz bin ich auch hier nicht durchgestiegen. Die Story ist wie ein bildgewaltiger Traum, unwirklich und auf seltsame Weise verstörend.

Mir gefällt der Stil ganz ausgezeichnet, nahe an der Grenze zur Überladung, aber eben nur nahe dran. Auch wenn ich den Plot nicht so ganz geschnallt hab, wecken die Sätze eine ganze Menge Emotionen – zumindest bei mir.

Detailanmerkungen:

das Grau der anderen von der farbenfrohen Götterdämmerung meines Antlitzes zu unterscheiden weiss.

Die Götterdämmerung deines Antlitzes ist cool – aber farbenfroh würde ich es vielleicht doch nicht nennen. Ich glaube nicht, daß Ragnarök wie ein Regenbogen daherkommt.

Dann gewinnt das Orchester an einem hauchvollen Klang von Lautstärke hinzu

Den Satz finde ich total schräg - er wirkt bemüht üppig.
„Dann gewinnt das Orchester einen Hauch von Lautstärke hinzu...“ wäre für mein Empfinden vom Sinn her treffender.

Dann kommt sie auf mich zugelaufen, in ihren Schritten und Wandlungen einer Prinzessin gleich.

Ok, sie schreitet wie eine Prinzessin, aber was ist mit den Wandlungen? Spontane Metamorphosen? Das scheint mir nicht ganz treffend zu sein. Wenn doch, klär mich bitte auf, dann hätte ich meinen Wortschatz kostengünstig erweitert :)

Alle Leidenschaft ist gewichen, trübe Gestalten sinnieren ihrem Lebenszweck nach, während sie ihr Geld in Boutiquen und Kaufhäusern verschleudern; stets darauf bedacht, eine schnelle Ersatzbefridiegung für ihr unerfülltes Leben zu erhaschen.

Dieser Satz ist der Hammer. Ehrlich. Erinnert mich ein wenig an Charles Baudelaire. Du meine Güte... auf sowas steh ich. :huldig:

So, gezz muß gut sein :D

Fazit: exzellentes Kopfkino!

PS: Schreib doch mal über eine Zombiearmee, die die Bewohner einer sommerlichen amerikanischen Kleinstadt ratzeputz auffrißt. Da muß ich dann nicht denken :D

Gruß,
Somebody

 

Schönen Guten Morgen!

Erstmal Sorry für die späte Antwort!

@Mike1978
Du hast im Groben und Ganzen Recht. Es handelt sich aber weniger um den Tod, als vielmehr um den Anti-Christen, der als Gestalt aus Fleisch und Blut über die Erde wandelt und sich bloß die Seelen raubt, die einen Ansatz von Individualität aufzeigen (wie der unbeachtete Obdachlose, der das Böse als einziger zu erkennen vermag, da er sich nicht der abweisenden Konsumgesellschaft hingegeben hat). Insofern soll Gott also eher einen Bösewicht darstellen, der die Welt automatisiert hat und sie einfach vor sich hin vegetieren lässt. Damit der ' Protagonist ' aber in den Besitz der Seelen gelangen kann, spielt er den Menschen seltsame Szenarien vor und nur die, die im Stande sind diese Trugbilder zu entlarven, sind für ihn brauchbar.
Ich weiss ... klingt abgedreht, aber irgendwie steh ich auf sowas :D
Ansonsten Danke für die Detailanmerkungen!

@relysium
Eine Erklärung habe ich ja nun bereits abgegeben, insofern nun lediglich noch etwas Beruhigendes :
Ich habe vor meine nächste Story wieder etwas ' weltlicher ' und verständlicher zu gestalten. An für sich schreibe ich gerne etwas poetisch, aber ab und an muss es dann auch mal wieder ' richtiger ' Horror sein *g*

@Blackwood
Holla Sombrero! Über soviel Lob freue ich mich natürlich, insbesondere da du seit "Drei Bilder eines Traumes" zu meinen Lieblingsautoren hier zählst. Scheint so, als hätten wir beide den gleichen Hang zu morbiden, bizarren Situationen :)

@kingofnightmare
Einerseits hast du Recht; die Geschichte ist SEHR ausschweifend und somit keine reine Unterhaltungsstory, sie soll vielmehr ein wenig zum Grübeln anregen. Daher ist sie gewiss nicht einfach zu lesen, aber wenn du sie nicht flüssig findest, nenne mir doch bitte ein paar Beispiele. Ich möchte nämlich schon, dass man sich ohne Holprigkeiten bis zum Ende durchlesen kann.

@Peterchen
Danke auch dir für deine Kritik. Um ehrlich zu sein hab ich die Story geradewegs in einem Rutsch runtergeschrieben. Das soll jetzt aber nicht eingebildet klingen, denn nur selten, wenn ich die richtige Motivation zu solcher Schreibweise habe, gelingen mir Geschichten dieser Art. Ist eben immer Stimmungsabhängig, ob man etwas aus dem Ärmel schüttelt oder lediglich verkrampft vor der Tastatur sitzt. Laute Musik über Kopfhörer ist oft die beste Medizin gegen Schreibhemmungen :D

@Somebody
Lieber nichts für auf´m Klo als was für in´s Klo :D
Aber im Ernst. Vielen Dank für deine Verbesserungsvorschläge und ich bin froh das es auf dich wie ' Kopfkino ' gewirkt hat *g*
Genau diese Wirkung sollte der Text auch haben. Wegen Interpretation lese bitte weiter oben bei dem, was ich zu Mike geschrieben habe.

P.S. Die Zombiearmee ist schon in Arbeit! Meine ich jetzt ganz im Ernst, arbeite tatsächlich an einer herrlich abgedrehten Splatterstory, die dann auch einmal etwas länger ausfallen wird, aber im Moment ist mir einfach noch keine Schlusspointe eingefallen, die knallig genug wäre und ohne gehts bei mir net :)

Viele Grüße @ALL und bis denne

Cerberus

 

Hi Morlog,
willkommen auf kg.de.

Versuche doch mehr als nur ein "naja" zu schreiben oder dieses "Urteil" zumindestesns näher zu begründen. Mit Deinem Posting in der jetztigen Form kann ein Autor leider nicht besonders viel anfangen.

 

Hallo, Cerberus81!

Also die Geschichte war mir zu hoch, sorry. Ich hab sie nicht kapiert, erst nach deiner Erklärung. Dabei war sie sprachlich eigentlich sehr gut. Hatte diese gewisse ernste Schwere.

Liebe Grüsse
Arry

 

Hi. Die Geschichte ist prägnant, gut lesbar und besitzt die richtige Nuance Poesie, um nicht zu verziert und verschnörkelt zu wirken. Der Teufel steckt im Detail. Alles wirkt wie ein Traum, der sich letzten Endes wiederholt. Die paar wenigen Rechtschreibfehler schmälerten den Genuss des Lesens nicht, denn der Schreibstil ist bunt und filigran, gleichzeitig aber auch sicher und beständig bis zum Schluss. Kompliment.
MfG.Alex

 

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