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Der Akt
Seit Jo vor zwei Jahren zum Abteilungsleiter ernannt worden war, hatte er keine Zeit mehr gehabt an Weiterbildungskursen teilzunehmen. Dieses fünftägige Seminar in Salzburg über Gesundheit und Management wollte er sich aber nicht entgehen lassen und so hatte er sich kurzer Hand eingeschrieben.
Am ersten Seminartag war er nach dem Kursus noch ein wenig durch die Stadt geschlendert und eher zufällig an einer Galerie vorbeigekommen. Er war zwar kein grosser Kunstliebhaber, aber zu Hause hatte er gerade seine Wohnung renoviert und war auf der Suche nach ein oder zwei hübschen Bildern. In Saal zwei stellte eine Gruppe von Kunststudenten aus und Jo sah sich die Werke eins nach dem andern an. Vor einem weiblichen Akt verhaarte er dann schlussendlich. Die junge Frau auf dem Bild sass nackt auf einem Stuhl und hatte die Beine übereinander geschlagen. Die Arme hielt sie so geschickt vor dem Oberkörper verschränkt, dass ihre Brüste nicht zu sehen waren.
„Gefällt es Ihnen?“, fragte eine Stimme hinter ihm.
Er drehte sich um und sah eine elegant gekleidete dunkelhaarige Frau, die er auf Anfang vierzig schätzte.
„Sind Sie die Malerin?“, fragte er zurück, ohne ihre Frage zu beantworten.
„Nein“, sagte sie, „ich bin die Professorin der Kunstschüler, die hier ausstellen.“
Jo wandte sich wieder dem Bild zu und sagte: „Es ist gut, es wirkt erotisch ohne dass man die intimen Körperteile sieht.“
„Das ist auch die Absicht des jungen Künstlers gewesen“, sagte sie und lächelte.
„Ist es eigentlich schwierig Freiwillige zu finden, die für ihre Schüler Modell stehen?“, fragte Jo.
„Warum fragen Sie, wollen Sie sich zur Verfügung stellen?“
Jo schaute sie überrascht an, sie lächelte und blickte ihm amüsiert in die Augen. Er vermochte nicht zu sagen ob ihre Frage ernst gemeint war oder nicht.
„Ich habe wohl kaum die Statur für so was“, antwortete er etwas verlegen.
„Hmm“, sie trat zwei Schritte zurück und musterte ihn, „also einen hübschen Hintern haben Sie schon“, meinte sie dann, „ wir könnten sie halb seitlich, halb von hinten malen, wie Sie mit beiden Händen ein Handtuch hinter dem Kopf halten, so als würden Sie sich gerade Hals und Schultern trocken rubbeln.“
Jo sah sie an und war sprachlos, sie schien es wirklich ernst zu meinen.
„Schauen sie nicht so entsetzt“, fuhr sie fort, „es war ja nur so eine Idee.“
Jo stand immer noch wortlos da. Für Aktbilder Modell zu stehen, wäre ihm eigentlich nicht in den Sinn gekommen, aber es schmeichelte ihm, dass sie es ihm anbot.
„Was wäre das denn für eine Klasse?“, fragte er etwas verlegen und spürte, dass er leicht errötete.
Sie lächelte wieder, sah ihm forsch in die Augen und sagte: „Ich gebe gerade einen Abendkurs für Hobbymaler, das sind fünf nette Damen von Mitte zwanzig bis Mitte vierzig, ich glaube, die würden sich freuen sich an einem männlichen Akt zu versuchen.“
Jo sah sie wieder schweigend an. Sich vor einer Gruppe Frauen nackt auszuziehen, passte eigentlich gar nicht zu ihm, da er eher der schüchterne Typ war. Aber gerade deshalb reizte es ihn auch, weil er dabei über seinen Schatten springen musste.
„Sie können mir ja mal Ihre Nummer geben“, sagte er schliesslich, „ich werde mir die Sache durch den Kopf gehen lassen und Sie dann anrufen.“
„Nein“, sagte sie freundlich aber bestimmt, „ich werde Sie anrufen“.
Jo schluckte, eigentlich wollte er sich die Möglichkeit offen halten die Sache zu vergessen und sich einfach nicht bei ihr zu melden, aber wenn er jetzt seine Nummer rausrückte, sah die Sache gleich anders aus.
So als könne sie seine Gedanken lesen sagte sie: „Man muss im Leben auch mal was Verrücktes machen, sonst wird es langweilig.“
Diesmal war er es der lächelte, sie konnte wirklich überzeugend sein.
„Sie erreichen mich im Hotel Moser, Zimmer 244“, erwiderte er schliesslich, „ich bin noch bis Freitag in der Stadt.“
„Danke, ich melde mich,“ antwortete sie, drehte sich um und ging.
Sie hielt den Abendkursus bei sich zu Hause, wo sie sich ein Atelier eingerichtet hatte. Vor der Tür standen zwei Damen die eine Zigarette rauchten und ihn freundlich begrüssten.
„Bin ich hier richtig, bei Frau Klara Konz?“, fragte er, und glaubte dabei ein leichtes Zittern in seiner Stimme auszumachen.
„Ja“, es war die jüngere der beiden, die antwortete, eine hübsche rothaarige, so Ende zwanzig, „Klara erwartet Sie schon.“
„Gehen Sie einfach rein, das Atelier ist am Ende des Flurs“, fuhr die Ältere fort. Sie war so Ende dreissig und obwohl sie nicht besonders attraktiv war, machte sie doch einen sympathischen Eindruck.
Das Atelier befand sich in einem grossen hellen Raum, der zweckdienlich eingerichtet war. In der Mitte stand ein kleines Podest und davor waren im Halbkreis fünf Staffeleien aufgebaut. Klara war alleine als er eintrat.
„Hallo, danke dass Sie gekommen sind“, sagte sie als sie ihn erblickte.
„Sie hatten wohl Angst, dass ich kneife?“, antwortete er. Eigentlich sollte es locker klingen aber Jo merkte selbst, dass er sich eher verlegen anhörte.
Sie lächelte und ging nicht auf seine Bemerkung ein.
„Sie können sich hier im Nebenzimmer ausziehen, es ist das Gästebad“, sagte sie und zeigte auf eine verschlossene Tür. „Ich habe Ihnen auch einen Bademantel hingelegt, den können Sie überziehen.“
Jo erschien das ziemlich umständlich. Wenn er sowieso nackt auf diesem Podest stehen sollte, konnte er sich auch gleich hier ausziehen und brauchte dafür nicht ins Nebenzimmer zu gehen. Sie schien wieder seine Gedanken zu erraten und sagte: „Das hier ist kein Strip, Sie sollen für uns Modell stehen und das eine hat mit dem andern nichts zu tun“.
Im Flur war jetzt lautes Stimmengewirr zu hören, Klara’s Schülerinnen waren im Anmarsch und Jo verschwand ins Nebenzimmer.
Er entledigte sich seiner Schuhe und Strümpfe und begann langsam sein Hemd aufzuknöpfen. Er zog es aus und hängte es an einem Kleiderhacken auf. Dann betrachtete er sich kurz im Spiegel. Die Sonnenbräune hatte sich gut gehalten, obwohl er schon seit zwei Monaten aus dem Urlaub zurück war. Er knöpfte die Jeans auf und streifte sie ab. „Einen hübschen Hintern haben Sie schon“, hatte Klara in der Galerie gesagt. Er zog seine Unterhose aus und drehte sich mit dem Rücken zum Spiegel um auch noch einen kurzen prüfenden Blick auf sein Hinterteil zu werfen. Dann griff er nach dem Bademantel, zog ihn über und ging zurück ins Atelier.
Die Damen standen vor ihren Staffeleien und waren mit letzten Vorbereitungen beschäftigt. Als er eintrat blickten sie alle auf und sahen ihn erwartungsvoll an. Jo wurde schlagartig bewusst auf was er sich da eingelassen hatte. Dies war kein Saunabesuch, wo alle nackt herumliefen, wo ihn mal eben kurz ein Blick streifte oder wo ihn unter der Dusche jemand aus den Augenwinkeln musterte. Hier war die Situation anders, hier war er der einzige der nackt war und es ging nicht darum wegzuschauen und ihm einen letzten Hauch von Privatsphäre zu gönnen. Die fünf Malerinnen würden ihn so lange und so intensiv betrachten wie sie es für nötig hielten. Ihre Augen würden an seinem Körper auf und abwandern, bis sie sich mit jedem Detail vertraut gemacht hatten. Dann würden Ihre Hände langsam damit beginnen die Konturen seines Körpers nachzuzeichnen. Immer wieder würden ihre Blicke zwischen ihm und ihren Zeichnungen hin und her wandern um zu prüfen ob sie genau das wiedergaben was sie sahen. Allein der Gedanke an die Situation in die er sich begab, trieb Jo die Röte ins Gesicht, aber jetzt gab es kein Zurück mehr, jetzt konnte er nicht mehr kneifen.
Klara stand neben dem Podest und hielt das Handtuch in der Hand, das einzige Stück Stoff das ihm zustand, das er aber mit beiden Händen hinter dem Kopf halten sollte, so als wolle er sich Hals und Schultern trocken rubbeln. Er sah sie kurz an und sie lächelte, ohne ein Wort zu sagen. Jo stieg auf das Podest und öffnete den Bademantel. Langsam streifte er ihn ab und reichte ihn Klara. Sie nahm ihn an sich und reichte ihm das Handtuch.
Dann trat sie einen Schritt zurück und musterte ihn.
„Setzen Sie den linken Fuß etwas nach links und drehen Sie das Knie nach außen“.
Jo kam ihrem Wunsch nach.
„Genau so, danke“, sagte sie, „meine Damen, jetzt ist es an Ihnen“.
Karla war aus seinem Blickwinkel verschwunden und Jo blieb nichts anderes übrig als die eingenommene Position beizubehalten und dabei die weiße Wand vor sich anzustarren. Das Schrubben der Griffel verriet ihm, dass die Malerinnen emsig am Arbeiten waren. Von Zeit zu Zeit vernahm er Karlas hochhackige Absätze auf dem Fußboden. Wahrscheinlich ging sie herum und überprüfte die Werke ihrer Schülerinnen.
Jo’s Arme begannen allmählich zu schmerzen, das Handtuch hoch zu halten erwies sich als anstrengender als er vermutet hatte. Karla trat zu ihm und blickte ihm in die Augen.
„Geht’s noch“, fragte sie, „oder wollen Sie einen kleine Pause machen?“
Jo musste lächeln, er stand nackt vor ihr und sie siezte ihn immer noch.
„Nein, es geht noch“, antwortete er.
„Die Bilder werden richtig gut“, sagte sie, „Sie werden überrascht sein“.
„Glauben Sie ich könnte ein davon haben?“, fragte Jo.
Klara lächelte.
„Wenn keine der Damen Ihnen ihr Bild schenkt, werde ich Sie malen, dann müssen Sie halt noch mal Modell stehen.“
Jo sah sie an ohne etwas zu sagen und insgeheim hoffte er, dass keine von Karla’s Schülerinnen ihr Werk hergeben würde.